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Umlaufgesichertes Geld

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Umlaufgesichertes Geld (auch Freigeld, Neutralgeld oder Schwundgeld) sind flüssige Zahlungsmittel, deren Besitz einer zeitabhängigen Nutzungsgebühr (auch Demurrage oder Umlaufsicherungsgebühr genannt) unterliegt, die als negativer Zins verstanden werden kann. Die Wertminderung soll zu einem verstetigten Geldumlauf führen und dadurch die Wirtschaft stabilisieren, indem sie die Geldbesitzer anhält, ihr Geld nicht zu horten und es dadurch der Wirtschaft zu entziehen. Sie können es durch Kaufen oder Investieren ausgeben, um der Wertminderung zu entgehen. Die Nutzungsgebühr kann verschieden ausgestaltet sein.

Mit anderen Worten: Eine Umlaufsicherung ist eine Bargeldsteuer, die sich durch Kreditvergabe, Konsum oder Investitionen umgehen lässt – was das Ziel der Umlaufsicherung ist.

Umlaufsicherung und Freigeld sind Konzepte der Freiwirtschaftslehre. Bis heute gibt es keine allgemein gebräuchlichen umlaufgesicherten Zahlungsmittel; sie werden nur von regionalen Zahlungskreisen eingesetzt (siehe Regiogeld und Tauschkreis).

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Vertreter dieses Konzepts gehen von der Annahme aus, dass in einem System ohne "Umlaufsicherung" Bargeld wegen der Liquiditätsprämie oftmals zurückgehalten wird. Durch die Verfallsgebühr wird eine solche Geldhortung unattraktiv und die Liquiditätsprämie abgebaut.

Beispiele für derartige Geldsysteme mit Demurrage sind Ägypten ("Korngiro") im ersten Jahrhundert v. Chr. und die Mittelalterzeit in Europa. In neuerer Zeit wurde die Idee der Demurrage in der Freiwirtschaftstheorie wieder aufgegriffen, um das Problem der zinsbedingten exponentiellen Kapitalanhäufung zu beseitigen. Dieses Problem besteht darin, dass sich bei einem Zinssatz von 5% die Forderungen/Schulden etwa alle 100 Jahre verhundertfachen, was der freiwirtschaftlichen Theorie zufolge zu einer ernsthaften Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, letztendlich zum Crash, führt.

Im ptolemäischen Ägypten wurde Getreide als Geld verwendet, das in Speichern eingelagert wurde, wobei Tonscherben als Besitznachweis ausgegeben wurden. Diese wurden dann als Geld im Wirtschaftsleben verwendet. Das Getreide konnte man sich mit einem gewissen Verfalls- und Lagerabschlag pro Jahr wieder bei Bedarf abholen. Dieses System kam zwischen 322 und 30 v. u. Z. auf, nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer wurde das römische Münzgeld eingeführt.

Im Mittelalter wurde in Europa von den lokalen Herrschern und Klöstern das Münzgeld (z.B. Brakteaten) in bestimmten Situationen für ungültig erklärt und mit einem Abschlag gegen Neuprägungen umgetauscht. Diese Abstände variierten - von mehrfach jährlich bis zu alle 7 Jahre; bei den Abschlägen gab es Schwankungen zwischen etwa 15% und 40%. Die Differenz fiel jeweils an den Herrscher bzw. an das Kloster. Dies war hauptsächlich zwischen den Jahren 1075 und 1400 gebräuchlich. Aufgrund von Handhabungsproblemen mit der angewachsenen Geldmenge, dem Silberschmelzverlust beim Umprägen und auf Drängen von Kaufleuten, die ein dauerhaftes, weitreichendes Geld wollten, wurde die sog. "Münzverrufung" aufgegeben und durch Handels- und Verbrauchssteuern ersetzt.

Beide Wirtschaftsräume entwickelten während dieser Zeit große kulturelle Leistungen (fast alle Kathedralbauten entstanden zu jener Zeit - sie wurden aber nach anderen Quellen vom Templerorden, der Bankenfunktion ausübte, finanziert) und materiellen Wohlstand für ihre Bevölkerungen; nach der Änderung des Geldsystems kam es in beiden Fällen zu einem Niedergang. Dieser Niedergang wurde allerdings auch durch den Abfluss des Silbers in den Orient aufgrund des Gewürz- und Weihrauchhandels verursacht. Deutlich verstärkt wurde dieser Abfluss noch durch die Arbitrage-Geschäfte der Venezianier (Silber gegen Gold). (Literatur: Zarlenga, Der Mythos vom Geld). Das Silberbergwerk in Schwaz/Tirol brachte ab 1450 eine gewisse Erleichterung (12.000 Knappen, zweitgrößte Stadt im Habsburgerreich).

Nach der Entdeckung Amerikas floss wieder reichlich Silber und Gold nach Europa (zuerst nach Spanien) und verursachte neuen Wohlstand (aber auch Kriege). Deutsche Lande waren aber benachteiligt.

In der Neuzeit wurden einige Projekte mit umlaufgesichertem Geld unternommen. Siehe dazu Regiogeld.

[Bearbeiten] Das Prinzip

Die Freiwirtschaftslehre schlägt die Einführung von "Freigeld" vor. Dies sind Zahlungsmittel, deren Besitz eine planmäßige zeitabhängige Mengenminderung oder Kostenbelastung in der Höhe von wenigen Prozent pro Jahr erfährt (Umlaufsicherungsgebühr bzw. -abgabe). Nach freiwirtschaftlicher Auffassung dürfen nur flüssige Zahlungsmittel einer umlaufsichernden Mengenminderung oder Kostenbelastung unterstellt werden, nicht aber andere Vermögenswerte. Dabei soll die Geldmenge unverändert bleiben. Dadurch würde sich zugleich die Kaufkraft des Geldes stabil halten lassen.

Außerdem regele sich die optimale Geldmenge in Wirtschaftskreisläufen automatisch, weil jeder nur so viel Geld halten werde, wie er in absehbarer Zeit ohne nennenswerten Wertverlust auszugeben gedenkt. Dies führe zu einem ständigen Bewusstsein, woher das Geld eigentlich kommt und wohin es fließt. Nur dieses Bewusstsein ermögliche nach Ansicht der Freiwirtschaftler einen "verantwortungsvollen Umgang" mit Geld.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot, sodass sich die Unternehmerschaft jederzeit mit günstigen Krediten versorgen kann. Heute versuchen Freiwirtschaftler die vor allem in der Wirtschaftswissenschaft weit verbreitete Ansicht zu bekämpfen, man müsse, um Arbeitsplätze zu schaffen, ein positives Investitionsklima herstellen. Freiwirtschaftler stellen die Frage, warum sich das Geld in den Händen von wenigen Besitzenden befinden soll, wo es doch ihrer Ansicht nach ebenso gerecht an all jene verteilt werden könnte, die mit ständiger Produktion und Nachfrage die Wirtschaftskreisläufe alleine am Leben halten. Denn die zur Verfügung gestellte Menge bleibe ja die gleiche. Die Rolle der kapitalbesitzenden Klasse wird eindeutig negativ gesehen: sie gäbe sich gegenüber der Politik selbst als "investierend" aus, wogegen doch in der Regel in nichts anderes investiert werde als in eine real zu bedienende Nachfrage, die aus dem Bar-Geld, nicht aber aus dem Spar-Geld der Kunden resultiere.

Nach der Theorie der Freiwirtschaft werden dem Freigeld als einem speziellen Geld bzw. Tauschmittel besondere Eigenschaften zugesprochen:

Freigeld ist die Grundlage der Freiwirtschaft. Der Name "Freigeld" rührt von der Unmöglichkeit her, dieses Geld langfristig zurückzuhalten. Der Theorie nach ist die Liquiditätsprämie Ursache für einen Zins über 0%, sogar bei Null- und bei Negativ-Wachstum. Umlaufgesichertes Geld ermögliche daher, dass der Zins bei Null-Wachstum auch 0% und bei Negativ-Wachstum sogar negativ werden könne. Nach der Freiwirtschaftstheorie ist beides notwendig, weil nicht verkonsumierte Zinsen bei Null-Wachstum gar nicht mehr aufgebracht werden könnten, denn dies bedürfe einer Neuverschuldung, für die es aber wiederum, makroökonomisch gesehen, bei Null-Wachstum keine rentablen Projekte mehr gäbe.

Freigeld steht für eine nach Ansicht der Freiwirtschaftler "gerechte Wirtschaftsform" (man könne nur so reich werden, wie man es aus eigener Arbeit werden kann, und nicht wie beim Verleihen "leistungslos" durch Zins und Zinseszins), wobei man aber dank der selbstlaufenden Kapitalkreisläufe auf jede Kontrolle über Preise und Löhne verzichten könne.

Die Bezeichnung Neutralgeld soll ausdrücken, dass dieses Geld "neutral" den Waren und Dienstleistungen gegenüber ist, welche mit diesem Geld gekauft werden. Das bedeutet, dass es einerlei sei, ob man eine bestimmte Menge Neutralgeld oder einen adäquat gefüllten, repräsentativen Warenkorb besitzt – beides würde im Wert mit etwa gleicher Geschwindigkeit verfallen.

Konventionelles Geld verfällt meist weniger schnell als die Waren und Dienstleistungen, die damit gekauft werden können. Damit sind Geldbesitzer im Vorteil, da sie das Geldausgeben verzögern können, während der Schaden der Verzögerung den Produzenten trifft (verfaulte Ware, nicht abgenommene Dienstleistung, Arbeitslosigkeit).

Bei starker Inflation würde es sich umgekehrt verhalten, da Waren und Dienstleistungen langsamer als das Geld verfallen würden. In diesem Fall würden die Waren zurückgehalten.

Beide Fälle seien für die Wirtschaft nicht optimal.

Neutralgeld ist gemäß der Theorie der Freiwirtschaft die Voraussetzung dafür, dass weder die Waren dem Geld noch das Geld den Waren gegenüber zurückgehalten werden. Ist dies der Fall, so funktioniere der Handel optimal, welches eine Grundvoraussetzung für optimales, nachhaltiges und krisenfreies Wirtschaften sei.

[Bearbeiten] Abgrenzung zur Inflation

Umlaufgesichertes Geld ist nicht zu verwechseln mit inflationiertem Geld, weist aber dennoch mit diesem deutliche Gemeinsamkeiten auf.

Umlaufgesichertes wie inflationiertes Geld verlieren beide kontinuierlich an Kaufkraft und damit an dem, was man im Volksmund unter "Wert" versteht. Der wesentliche Unterschied dabei besteht in der Ausprägung, also der Art und Weise der konkreten Geldentwertung. Ersteres verliert durch die Umlaufsicherungsgebühr, die im Vorfeld bekannt ist, gleichmäßig und vor allem planbar an Wert, wohingegen inflationiertes Geld in der Regel ungleichmäßig an Wert verliert, und ebenso Investitionen und Schulden, die in Geldmitteln ausgedrückt werden, beeinflusst. Während also in der Inflation der Anreiz zu investieren lediglich durch die Eliminierung der Liquiditätsprämie entsteht, ist eine 0%-Rendite investition in einer (inflationsfreien) Freiwirtschaft ökonomisch interessant.

[Bearbeiten] Anwendung

Die Umlaufsicherung von Bargeld ist in der Höhe festgesetzt und wird in Anteilen des Nennwertes des Geldscheins auf eine bestimmte Zeitspanne ausgedrückt. Ist die Umlaufsicherung mit Kosten für den Geldscheinbesitzer verbunden, so spricht man bei diesen Kosten von einer Umlaufsicherungsgebühr. So betrug z.B. die Umlaufsicherungsgebühr des Wörgler Schillings 1% im Monat. Die Umlaufsicherung des Gogos beträgt 5% im Jahr.

[Bearbeiten] Kritik

Selbst unter Anhängern der Freigeldlehre werden Probleme bei der Einführung solch einer Währung eingeräumt: Grundstücksbesitz ist eine Eigentumsform, die nicht automatisch mit der Zeit an Wert verliert - somit würde der abgeschaffte Geldbesitzervorteil durch einen Grundstücksbesitzervorteil abgelöst. Deshalb wird oft in Verbindung mit Freigeldeinführung eine Bodenreform gefordert, welche nur Grundstückspacht statt -besitz erlaubt.

Ebenfalls ungeklärt ist das Verhältnis von Freigeld zu weiteren beleihbaren und somit liquidierbaren Eigentumstiteln, wie Aktien, Gold oder andere Anlage- und Wertformen wie z.B. Anleihen. Diese wären auch in einer Freiwirtschaft jederzeit verpfändbar und könnten somit Freigeld als Transaktionsmittel wertbeständig ablösen. Freigeld könnte somit einen Rückfall zur nichtstaatlichen Banknote des 19. Jahrhunderts bedeuten.

Über Höhe der Umlaufgebühr, Zeitabstände der Erhebung und Details der technischen Realisierung gibt es verschiedene Meinungen.

Eine Umlaufsicherung nach freiwirtschaftlichem Modell hat nur Sinn in einer hoch arbeitsteiligen Wirtschaft und in einer genügend großen Gemeinschaft, andernfalls ist der Aufwand zum Auffinden von geeigneten Geschäftspartnern (Transaktionskosten) zu hoch (geringes Güterangebot, wenige Tauschpartner, großer Suchaufwand, lange Transportwege), als dass die Umlaufsicherung ihre Wirkung entfalten könnte. Dementsprechend haben regionale Tauschkreise, die mit Umlaufsicherung arbeiten, teilweise Mühe, diese ihren Teilnehmern verständlich zu machen.

Die Libertären fassen die Kritik schärfer. Eine Fähigkeit des nicht umlaufgesicherten Geldes, nämlich die der Wertaufbewahrung wird durch "Schwundgeld" absichtlich reduziert. Dies würde die Handlungsfreiheit des Individuums unrechtmäßig einschränken. Dagegen stellt die Freiwirtschaft die Behauptung auf, dass eine Währung niemals gleichzeitig Zirkulationsmittel und perfektes Wertaufbewahrungsmittel sein darf, da sonst das wirtschaftliches System auf Grund monetaristischer Fluktuationen instabil sei. Eine Aufbewahrungsflucht in Aktien, Wertpapiere, Investitionen und dergleichen wird von der Freiwirtschaft ausdrücklich gewünscht.

Friedrich von Hayek forderte, wie die Freiwirte auch, verschiedene Währungen miteinander konkurrieren zu lassen. Allerdings behauptete er, dadurch würde sich die stabilste Währung durchsetzen - was in direktem Gegensatz zu empirischen Beobachtungen Thomas Greshams steht: Schlechtes Geld verdrängt Gutes.

[Bearbeiten] Pro

Eine Umlaufsicherung nach freiwirtschaftlichem Modell ist auch in einer hochautomatisierten und rationalisierten Gemeinschaft sinnvoll, da die sanktionierte Kapitalbildung auch in großen Konzernen einen Anreiz schafft, möglichst viel zu investieren oder nur Löhne zu zahlen, bevor die Umlaufgebühren an den Staat bzw. das Münzmonopol fällig werden.

Dies ist den heutigen kleinen regionalen Initiativen mit ergänzender Eurodeckung kaum möglich, dort kann jeder Unternehmer gegen eine geringe Gebühr (z.B 5% beim Chiemgauer oder. 10% beim Sterntaler Regional) die umlaufgesicherten Scheine wieder in Euro zurücktauschen. In einer echten homogenen staatlichen Freiwirtschaft, die Mitglieder nicht mehr auf Freiwilligenbasis anwerben oder entlassen muss, wäre dies jedoch kaum nötig.

[Bearbeiten] Sonstiges

Im deutschsprachigen Raum wird eine Vielzahl historischer und aktueller Aktivitäten rund um Komplementärwährungen vom "Unterguggenberger Institut" in Wörgl beobachtet und zusammengetragen.

In Deutschland werden die Freigeld- bzw. Regionalgeldinitiativen vom Regio-Netzwerk koordiniert.

Der Wirtschaftswissenschaftler Keynes hatte auf der Bretton-Woods-Konferenz 1944 ein ähnliches Geldsystem mit der internationalen Währung Bancor vorgeschlagen.

[Bearbeiten] Siehe auch


[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Pro

[Bearbeiten] Contra

Andere Sprachen
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