Alexander Parvus
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Dr. rer. oec. Alexander Parvus (eigentlich Israil Lasarewitsch Helphand, russisch Израиль Лазаревич Гельфанд, wiss. Transliteration Izrail' Lazarevič Gel'fand; * 27. August 1867 in Beresina (heute Weißrussland); † 12. Dezember 1924 in Berlin), war ein russischer Revolutionär (Menschewiki) und deutscher Sozialdemokrat. Bekannt wurde er, als er zusammen mit deutschen Regierungsstellen im Jahre 1917 die Reise Lenins im plombierten Eisenbahnwaggon durch das Deutsche Reich nach Russland organisierte. Er war auch Vordenker der späteren Wirtschaftspolitik der Türkischen Republik unter Kemal Atatürk, und zusammen mit Trotzki der Vater des Konzeptes der Permanenten Revolution.
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[Bearbeiten] Leben
Alexander Parvus wurde 1867 (nach anderen Quellen 1869) als Israel Lazarevich Helphand in einem jüdischen Stetl in der Provinz Minsk in Weißrussland geboren. Er wuchs in Odessa auf, wo er mit sechzehn Jahren die ersten revolutionären Erfahrungen sammelte.
1886 floh Helphand in die Schweiz, wo er auf Plechanow stieß und durch diesen den Marxismus kennenlernte. Von 1887 bis 1891 studierte er an der Universität Basel Volkswirtschaft und schloss mit der Promotion ab. Das Thema seiner Dissertation waren Probleme der Arbeitsteilung.
Kurz darauf reiste er nach Stuttgart, wo er auf Clara Zetkin und Karl Kautsky traf, und begann, für sozialdemokratische Publikationen wie Vorwärts und Die Neue Zeit zu schreiben. Ab 1894 verwendete er das Pseudonym Alexander Parvus.
Ab 1896 war Parvus für die SPD-Parteipresse in Sachsen tätig, zunächst für die Leipziger Volkszeitung, später für die Sächsische Arbeiterzeitung. Noch 1896 schrieb er eine Artikelserie im Theorieorgan der deutschen Sozialdemokratie, der von Kautsky geleiteten Neuen Zeit. Hierin beschrieb er, ausgehend von Engels Kritik des Barrikadenkampfes, den zukünftig zu erwartenden Ablauf revolutionärer Ereignisse, in denen streikende Massen Strassen und Plätze der Städte füllen und durch ihr massenhaftes Auftreten Polizei und Militär zur Auflösung bringen würden. Er brachte also die politische revolutionäre Diskussion auf das Thema des politischen Massenstreiks. Parvus wurde sehr schnell einer der profiliertesten theoretischen Köpfe der SPD.1895 wurde ihm sogar die Ehre zuteil auf einem Parteitag der deutschen Sozialdemokratie sprechen zu dürfen, obwohl er kein Delegierter war. Gleichzeitig hielt er Kontakt mit der Gruppe um Plechanow, durch den er unter anderem die jungen russischen Sozialisten Lenin und Trotzki kennenlernte.
Zudem schrieb er auch für die Presse der russischen Sozialdemokratie. Parvus wurde als "unerwünschter Ausländer" aus mehreren deutschen Ländern ausgewiesen und wechselte häufig den Wohnsitz. Er war u.a. 1899 nach München gekommen und hatte seine Wohnung in der Ungererstraße 80 im Norden des Münchner Stadtteils Schwabing, wo auch Lenin (September 1900 bis April 1902) und Trotzki (August 1904 bis Januar 1905) in der bayerischen Landeshauptstadt ihren ersten Anlaufpunkt fanden.
1905 nahm Parvus mit Trotzki an der Revolution in Sankt Petersburg teil. Er wurde verhaftet und 1906 nach Sibirien deportiert. Von Sibirien floh er nach Deutschland, wo er 1907 in einen Finanzskandal verwickelt wurde. Die Bolschewiki beschuldigten ihn, dem Schriftsteller Maxim Gorki zustehende Vergütungen aus Autorenrechten in Höhe von 130.000 Mark unterschlagen zu haben. Die Affäre zerstörte dauerhaft seine Reputation vor allem bei ihm ehemals sehr nahestehenden Parteilinken in der SPD wie Rosa Luxemburg. Artikel von Parvus wurden in der SPD-Parteipresse nicht mehr veröffentlicht. Nur wenige Genossen, z.B. Konrad Haenisch, hielten noch zu ihm.
1910 reist Parvus in die Türkei, wo er bis 1914 in Konstantinopel publizistisch tätig war. Er hatte Kontakt zu den verschiedenen sozialistischen Gruppen im Osmanischen Reich. Gleichzeitig baute er ein erfolgreiches Handelsunternehmen auf und war 1912 Generalvertreter verschiedener deutscher Unternehmen in Konstantinopel, u.a. von Krupp, daneben aber auch für das britische Rüstungsunternehmen Vickers, und machte Millionengeschäfte mit Rüstungslieferungen dieser Unternehmen an die osmanische Regierung während des Balkankrieges. Daneben war er auch wieder als Theoretiker aktiv und veröffentlichte eine ganze Reihe von Artikeln über Wirtschaftspolitik in Zeitschriften der Jungtürken wie den "Tanin" und "Türk Yurdu" in türkischer Sprache. 1914 siedelte Parvus nach Kopenhagen über.
Ab 1915 formierte sich innerhalb der SPD die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe, die versuchte, die Haltung der Parteimehrheit zum Thema Kriegskredite marxistisch zu begründen. Es kam zur Entwicklung der Theorie des "Kriegssozialismus" . Ab Mitte 1915 wurde "Die Glocke", eine von Parvus gegründete und finanzierte sozialdemokratische Zeitschrift, das Organ der Gruppe. Von der Gruppe um Parvus gibt es über Johann Plenge, den Doktorvater von Kurt Schumacher, und über Schumacher selbst und seine Sekretärin Annemarie Renger eine Traditionslinie, die zu dem heute von Johannes Kahrs geführten Seeheimer Kreis führt, und die völkisch-patriotisches Denken und sozialdemokratische Tradition zusammenführt.
Parvus organisierte 1917 gemeinsam mit dem deutschen Geheimdienst die illegale Einreise Lenins aus der Schweiz durch das Deutsche Reich nach Russland. Während Parvus das ihm seit seiner Kindheit verhasste Zarenregime stürzen wollte, unterstützten die deutschen Stellen den Umsturz, um einen Waffenstillstand mit Russland zu schließen, der dann auch Realität wurde, aber die militärische Niederlage der Mittelmächte nicht mehr abwenden konnte.
Nach dem ersten Weltkrieg lebte Parvus bis zu seinem Tod 1924 zurückgezogen in einer Villa in Berlin-Schwanenwerder und hatte Kontakt zu vielen führenden Köpfen der Weimarer Republik. Sein Freund und Schüler Konrad Haenisch (der sich selber "Parvulus" in Anlehnung an Parvus nannte) wurde für die SPD preußischer Kultusminister und schließlich von Preußens Innenminister Carl Severing (SPD) zum Regierungspräsidenten in Wiesbaden ernannt. Angesichts des aufkommenden Nationalsozialismus, für dessen antisemitische Propaganda Parvus durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten während des Krieges schon bald willkommenes Objekt war, engagierte sich Konrad Haenisch nach Parvus' Tod an führender Stelle im Reichsbanner, dem von den demokratischen Kräften getragenen Schutzverband der Republik.
[Bearbeiten] Werke
- Staatsstreich und politischer Massenstreik (1895/95)
- Das hungernde Russland. Reiseeindrücke, Beobachtungen, Untersuchungen (1900)
- In der russischen Bastille während der Revolution (1907)
- Die Arbeiterschaft und das Unternehmertum (1910)
- Der Ideenkampf gegen den Sozialismus (1910)
- Die kapitalistische Produktion und das Proletariat (1908)
- Der Klassenkampf des Proletariats (1908)
- Die Sozialdemokraie und der Parlamentarismus (1909)
- Der Sozialismus und die soziale Revolution (1909)
- Im Kampf um die Wahrheit (1918)
[Bearbeiten] Literatur
- Konrad Haenisch: Parvus : ein Blatt der Erinnerung. - Berlin : Verl. für Sozialwissenschaft, 1925
- Elisabeth Heresch: Geheimakte Parvus : die gekaufte Revolution (Biografie). - München : Langen Müller, 2000. - ISBN 3-7844-2753-7
- Asim Karaömerlioglu: Helphand-Parvus and his impact on Turkish intellectual life. - in: Middle Eastern Studies, 2004, vol. 40, Heft 6, S. 145-165
- Ehrenfried Pößneck: Lenin als Kontrahent von Parvus im Jahr 1917. - Schkeuditz : GNN-Verl., 1997. - ISBN 3-932725-05-0
- Winfried Scharlau: Freibeuter der Revolution, Parvus-Helphand (zusammen mit Zbynek Zeman). - Köln : Verl. für Wissenschaft und Politik, 1964
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Alexander Parvus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bildmaterial zu Parvus befindet sich auf der englischen Wikipedia-Seite.
Personendaten | |
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NAME | Parvus, Alexander |
ALTERNATIVNAMEN | Israil Lasarewitsch Helphand |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Revolutionär (Menschewiki) und deutscher Sozialdemokrat |
GEBURTSDATUM | 27. August 1867 |
GEBURTSORT | Provinz Minsk, Belarus |
STERBEDATUM | 12. Dezember 1924 |
STERBEORT | Berlin |
Kategorien: Mann | SPD-Mitglied | Journalist | Deutscher | Russe | Geboren 1867 | Gestorben 1924