Buchgemeinschaft
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Eine Buchgemeinschaft ist ein Vertriebssystem für Bücher, die exklusiv oder zu Vorzugspreisen an Mitglieder der Buchgemeinschaft verkauft werden. Eine Buchgemeinschaft operiert in der Regel als Verlag oder Teil eines Verlags. Fließende Übergänge sind hier möglich zwischen expliziten Buchgemeinschaften und effektiv als Buchgemeinschaften funktionierenden Medienvertriebssystemen innerhalb von Genossenschaften, Gewerkschaften, Parteien oder Religionsgemeinschaften.
Die Buchgemeinschaft hat gegenüber dem regulären Verlagsgeschäft, bei dem der Verlag dem Buchhandel Gewinnmargen bis zu über 50% gestatten muss, den Vorteil einer Kostenreduzierung: Der Verlag oder die bereits organisierte Gemeinschaft, die für den Eigenbedarf verlegerisch tätig wird, distribuiert die Ware direkt an die Mitglieder. Die Buchpreisbindung gilt für Buchclubs nicht. Der Verkauf kann über Werbung in Vereinsorganen, über Kataloge oder über ein festes Abonnement erfolgen. In der Regel sind spezielle Abnahmemodalitäten vereinbart: das Gemeinschaftsmitglied verpflichtet sich monatlich oder jährlich einen oder mehrere Titel zu erwerben, oder für einen bestimmten Betrag Bücher abzunehmen. Treueprämien, Geschenke für langjährige Mitglieder, Prämien für Neuwerbungen können die Kundenbindung erhöhen. Die Buchgemeinschaft kann im selben Moment über die Mitgliedschaft auf sicheren Absatz kalkulieren, Titel in Lizenz nehmen oder gar dank der Sicherheit des Absatzes speziell für die Mitglieder auflegen.
[Bearbeiten] Geschichte
Die Anfänge der Buchgemeinschaften liegen im Vereinswesen des 19. Jahrhundert: die vielfältigen religiös, sozial und politisch orientierten Vereine schufen gemeinsam mit bestimmten Verlagen ein Mittel, die jeweiligen Mitglieder mit Informationsmaterial und Stoffen zur ideologischen Orientierung zu versorgen. Bereits damals begann in diesem Zusammenhang der Aufstieg des Hauses Bertelsmann.
Die erste große Zeit der Buchgemeinschaften wurden in Deutschland die 1920er Jahre dank des relativ hohen Organisations- und Integrationsgrads, der es insbesondere Gewerkschaften und Parteien gestattete, mit Mitgliedern als Buchkunden zu rechnen. Mit eigenem Parteiverlag - dem Zentralverlag der NSDAP, Verlag Franz Eher Nachfolger - war die NSDAP letzten Endes entscheidend über den Schriftenvertrieb finanziert.
Eine zweite Blüte erlebte die Organisationsform der Buchgemeinschaft, als Ende des 2. Weltkriegs der Vertrieb über Kataloge und Abonnenten in die Lücke sprang, die der stationäre Buchhandel im kriegszerstörten Land so schnell nicht schließen konnte. Buchgemeinschaften nutzten hier Vorteile bei der Erschließung der Landbevölkerung und der unteren Schichten als Kundengruppen. Früh boten sie Übersetzungen amerikanischer, englischer und französischer Schriftsteller, die man kurz nach der Entnazifizierung erst einmal lieber diskret bestellte und für sich las. Mit einem aggressiven gegen den lokalen Buchhandel gerichteten Marketing gelang es dem Bertelsmann Konzern in den 1950ern, auf dem Feld der Buchgemeinschaften eine Monopolstellung zu erlangen - von Vorteil war hier insbesondere die innerbetriebliche Organisationsform, die Subunternehmern Gewinnbeteiligungen garantierte. Konkurrenten auf dem Markt bewegte das Angebot im Verlauf des Konzentrationsprozesses, eigene Kunden in den Bertelsmann-Kundenkreis zu überführen und auf diese Weise ohne weitere Arbeit leisten zu müssen, von den Gewinnbeteiligungen zu leben.
Die große Zeit der Buchgemeinschaften endete in den 1970ern und 1980ern, als Buchhandlungen wie Hugendubel in ein neues Massengeschäft einstiegen und dadurch die Hemmschwelle der Kunden, eine Buchhandlung zu betreten und sich nötigenfalls beraten zu lassen, senkten. Das neue Marketingkonzept war eher das des Kaufhauses, in dem sich der Kunde frei bewegt, in Bücher hineinlesen darf, innerhalb einer Masse anderer Kunden sich bewegt, zwischen denen er nicht auffällt, es sei denn er sucht Beratung.
Spezielle Buchgemeinschaften wie die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt stabilisierten sich mit Angeboten enormer Qualität, die über umfangreiche kommentierte Kataloge den speziell diese Materie interessierenden Kundenstamm erreichen. Ausweitungen des Geschäfts auf den Vertrieb von CDs und Möbeln (vorzugsweise Regale) kamen bei vielen der Unternehmen hinzu. Die Büchergilde Gutenberg machte sich zusätzlich einen Namen mit künstlerisch hochwertig gestalteten Büchern.
In der DDR bildete die 1965-1990 erschienene Reihe buchclub 65 die einzige Buchgemeinschaft, die im wesentlichen auf Produktionen der Verlage Aufbau-Verlag, Mitteldeutscher Verlag, Rütten & Loening, Verlag Volk und Welt / Kultur und Fortschritt sowie Verlag Neues Leben basierte. Dem gingen die Reihen Buch der Jugend, 1960 - 1964) und Buch des Monats voraus, die im Buchclub 65 weiterbestanden.
Markant unter den nicht primär als Verlag ausgewiesenen Vertriebssystemen sind heute noch die Zeugen Jehovas, die sich lange Zeit primär über den Schriftenvertrieb (Wachtturm, Erwachet) und die eigene Verlagsstruktur (Wachtturm-Gesellschaft u. -verlag) finanzierten.
[Bearbeiten] Literatur
- Michael Kollmannsberger: Buchgemeinschaften im deutschen Buchmarkt: Funktionen, Leistungen, Wechselwirkungen. Wiesbaden: Harrassowitz 1995. (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München; 49) ISBN 3-447-03628-1
- Mathias Giloth: Kundenbindung in Mitgliedschaftsystemen: ein Beitrag zum Kundenwertmanagement - dargestellt am Beispiel von Buchgemeinschaften. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 2003. (Schriften zu Marketing und Management; 46) ISBN 3-631-50529-9