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Der Tod in Venedig - Wikipedia

Der Tod in Venedig

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Tod in Venedig ist eine Novelle von Thomas Mann (1912). Das Werk entstand zwischen Juli 1911 und Juli 1912. Die Novelle beschreibt das Scheitern einer asketischen, ausschließlich auf Leistung gestellten Lebensführung ohne Halt im Zwischenmenschlichen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die Handlung

[Bearbeiten] Erstes Kapitel

An einem Maitage des Jahres 1911 unternimmt der über fünfzigjährige, für seine Werke geadelte Schriftsteller Gustav von Aschenbach einen Spaziergang durch den Englischen Garten in München, der ihn bis vor den Nord-Friedhof führt. Auf der Freitreppe zur Aussegnungshalle fällt ihm ein seltsamer Mann in Wanderkleidung auf. Der Fremde erwidert von Aschenbachs Blick, „aber so kriegerisch, so gerade ins Auge hinein“, dass von Aschenbach sich abwendet. Im Weitergehen wirkt das Wanderhafte in der Erscheinung des Fremden in Aschenbach nach. „Eine seltsame Ausweitung seines Inneren ward ihm ganz überraschend bewusst, eine Art schweifender Unruhe“, die er sich als Reiselust deutet. Er überlässt sich der pflichtwidrgen «Anfechtung» und meint, eine Einschaltung tue not, «etwas Stegreifdasein, Tagedieberei, Fernluft und Zufuhr neuen Blutes». - Von Aschenbach beschließt zu verreisen.

[Bearbeiten] Zweites Kapitel

Herkunft, Lebensweg und Charakter von Aschenbachs werden beschrieben, dazu seine Werke, ihr literarischer Stellenwert und ihre Publikumswirkung. Aschenbach ist ein hart arbeitender Künstler. Sein Ethos ist die Leistung. Damit verwirklichen sich Anlagen von väterlicher Seite, überwiegend höhere Beamte im preußischen Schlesien. Der Großvater mütterlicherseits war Musiker. Von dieser Seite kommt sein künstlerisches Talent. Von Aschenbach ist schon lange verwitwet und lebt allein.

[Bearbeiten] Drittes Kapitel

Von Aschenbach ist auf der Insel Pola an der kroatischen Adriaküste angekommen. Es regnet, die Luft ist schwer und der Strand enttäuscht. Er ist nicht «sanft und sandig», er vermittelt kein «ruhevoll inniges Verhältnis zum Meere». Einer plötzlichen Eingebung folgend, reist er per Schiff nach Venedig. Im Schiffsinneren fertigt ihn ein gespenstisch wirkender Zahlmeister ab und lobt sein Reiseziel in phrasenhaften Wendungen. An Deck beobachtet er einen geschminkten alten Mann, der sich einer Schar junger Männer angeschlossen hat, die ebenfalls nach Venedig reisen. Der alte Geck in ihrer Mitte versucht, sie an Jugendlichkeit zu übertreffen. In Venedig angekommen, setzt ihn ein Gondoliere, der fremd ist und keine Lizenz hat, zum Lido über. Er sollte von Aschenbach nur zur Vaparetto-Station rudern, erweitert aber eigenmächtig seinen Auftrag. Von Aschenbachs Proteste nützten nichts.

Abends in der Hotelhalle sieht von Aschenbach den Jüngling Tadzio, der „vollkommen schön“ ist. Er deutet sich seine Faszination als ästhetisches Kennertum, eine Kunstauffassung vertretend, die die Sinnlichkeit der Kunst verleugnet. Doch Tag um Tag verfällt der Alternde dem Anblick des Knaben mehr.

Das schwüle Wetter in Venedig bekommt von Aschenbach nicht. Er beschließt abzureisen, voller Kummer, Tadzio nicht mehr sehen zu können. Eine falsche Adressierung seines Gepäcks schafft eine momentane Komplikation, die von Aschenbach zum Vorwand nimmt, in Venedig zu bleiben. Er kann weiter Tadzio täglich sehen. Sein Interesse an der Knabenschönheit rechtfertigt er sich noch immer platonisch.

[Bearbeiten] Viertes Kapitel

Der sonst so kühle und nüchterne von Aschenbach gibt sich ganz seinen Gefühlen hin. Eine antikisierende Sprache beschreibt die mythische Verwandlung der Welt in den Augen von Aschenbach. Das Kapitel endet mit dem Eingeständnis von Aschenbach sich selbst gegenüber, dass er den Knaben liebt.

[Bearbeiten] Fünftes Kapitel

Eine Choleraepidemie, von Indien kommend, hat Venedig erreicht. Mehrere Versuche, sich bei Einheimischen über die Seuche zu informieren, schlagen fehl. Auch der diabolische Anführer einer kleinen Bande von Straßenmusikanten, die im Freien und zu später Stunde vor den Hotelgästen auftritt, gibt von Aschenbach keine Auskunft. Anderntags klärt ihn schließlich der Angestellte eines englischen Reisebüros über die Choleragefahr auf. Trotzdem bleibt von Aschenbach in der Lagunenstadt. „Der Heimgesuchte“, heimgesucht von diesem späten Gefühlsrausch, verwirft den Gedanken, Tadzios Angehörige vor der Cholera zu warnen, um dessen Nähe nicht zu entbehren.

Er hat nun alle Selbstachtung verloren. Um zu gefallen, lässt er sich vom Friseur des Hotels die Haare färben und sich schminken. Er ist auf der Stufe des geckenhaften Greises angekommen, den er mit Widerwillen auf der Herfahrt beobachtet hatte. Infiziert durch ungewaschenes Obst, das er bei einem Streifzug durch die Gassen Venedigs gekauft hat, stirbt von Aschenbach an der Cholera.

[Bearbeiten] Kommentar

[Bearbeiten] Allgemeines

Die „Tragödie einer Entwürdigung“ hat Thomas Mann den „Tod in Venedig“ 1930 im „Lebensabriss“ genannt. Sprachlich erreichen Entschiedenheit und persönliche Prägnanz des Tonfalls hier eine Vollendung, die von Thomas Mann nicht wieder überboten worden ist. Die mythologische Tiefenperspektive, die Unterteilung in fünf Kapitel analog den fünf Akten der griechischen Tragödie, der zeitweilig antikisierende Sprachrhythmus geben der Novelle das Gepräge von Klassizität. Die Novelle zählt zur bedeutendsten deutschen Prosa, die im zwanzigsten Jahrhundert geschrieben worden ist.

[Bearbeiten] Der Leistungsethiker Gustav von Aschenbach

Gustav von Aschenbach hat sein Leben ganz und gar auf die Leistung gestellt. Einsam, ausgeschlossen vom Glück, dem Glück der Bummelei, hart arbeitend, erreicht er mit seinem schriftstellerischen Werk Ruhm und Größe. Stolz auf seine Leistungen, ist er aber voller Misstrauen in seine Menschlichkeit und ohne Glauben, dass man ihn lieben könnte. Da tritt ein schöner Knabe in sein Leben. [Verkürzte und adaptierte Wiedergabe eines Charakterentwurfes aus Thomas Mann: „Versuch über das Theater“ (Februar/März 1907)]

[Bearbeiten] Die Hadesführer

Das zentrale Motiv der Venedignovelle ist der Todesbote. Er tritt in wechselnder Gestalt auf, erstmalig in der „des Fremden“ vor der Friedhofshalle. In dem Blickduell, das er mit Aschenbach führt, und in dem dieser unterliegt, hat von Aschenbach dem Tod in die Augen gesehen. Sich selbst täuschend, deutet er die so ausgelöste Unruhe und „seltsame Ausweitung seines Inneren“ als Reiselust.

Todesboten sind ebenfalls der Gondoliere, der Aschenbach über die Lagune rudert und der freche Anführer eines Trupps von Straßenmusikanten. Gemeinsam ist allen drei, dass sie fremd sind, etwas unter Mittelgröße, rothaarig, bartlos [im Hinblick auf die Männermode vor dem ersten Weltkrieg], schmächtig, mit vorspringendem Adamsapfel, bleich und stumpfnäsig. Das Element des Fremdseins ist hier ein Dionysosmerkmal. Der mythologischen Forschung im Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts galt Dionysos noch als eine ursprünglich dem Griechentum fremde Gottheit, die aus Kleinasien nach Griechenland gekommen war.

Das Motiv des Todesboten gipfelt in dem schönen Tadzio. Im Schlussbild der Novelle meint der Sterbende, Tadzio lächle ihm zu und deute vom Meeresufer aus mit der Hand „ins Verheißungsvoll-Ungeheure“. Die Geste macht aus Tadzio eine Hermes-Inkarnation. Zu den Aufgaben der wegweisenden Gottheit gehörte ebenfalls, die Seelen der Verstorbenen in die Totenwelt zu führen.

[Bearbeiten] Todessymbole

Erstes Kapitel:

  • Der Friedhofseingang.
  • Die Ausstellungsstücke des Steinmetz- Betriebes, die ein „unbehaustes Gräberfeld“ imitieren.
  • Abendstimmung.
  • Die Schriftworte über dem Eingang der Aussegnungshalle, „das jenseitige Leben betreffend“.
  • Das Gesicht des rothaarigen Mannes, das einem Totenschädel ähnelt

Drittes Kapitel:

  • Die venezianische Gondel, deren Schwärze an einen Sarg erinnert und die ihren Passagier wohlig erschlaffen lässt.

Viertes Kapitel:

  • Das Meer mit seiner Wirkung des „Ungegliederten, Maßlosen, Ewigen, des Nichts“. In Thomas Manns Metaphorik ist das Meer ein Todessymbol: „Denn Liebe zum Meer ist nichts anderes als Liebe zum Tode“ schreibt er 1922 in seinem Essay Von Deutscher Republik. Von Aschenbach sieht Tadzio täglich bei seinen Spielen am Strand zu, „und die erhabene Tiefsicht des Meeres war immer seiner Erscheinung Folie und Hintergrund.“

Fünftes Kapitel:

  • Der Granatapfel-Saft, den Aschenbach zu Ende trinkt nach der Vorstellung der Straßenmusikanten. Das Getränk spielt auf den Persephone-Mythos an: Wer vom Granatapfel des Hades gekostet hat, kann nicht mehr zur Oberwelt zurückkehren, ganz gleich, ob er Sterblicher oder Gottheit ist. Die Todessymbolik bekräftigt Thomas Mann mit dem inneren Bild einer Sanduhr, das er in dieser Situation bei von Aschenbach entstehen lässt

[Bearbeiten] Mythologische Motive

  • Der Fremde vor dem Eingang der Aussegnungshalle, erhöht auf der Freitreppe stehend, ist mehr als eine Randfigur. Er ist zugleich Allegorie. So tritt er auch auf: Es bleibt offen, woher er gerade hergekommen ist, und ebenso spurlos ist er wieder verschwunden. Mythologisch lässt er sich nicht eindeutig zuordnen. Er ist Thanatos, dazu auch Dionysos [Motiv des von weit Herkommens, des Fremdseins], und er steht mit den gekreuzten Füßen in der Pose einer antiken Hermes-Skulptur.
  • Der Gondoliere rudert von Aschenbach nicht zur Vaporetto-Station, sondern gegen dessen Willen über die Lagune zum Lido. Nachdem zuvor die Gondel mit einem Sarg verglichen worden ist, entsteht beim Leser eine Charon-Assoziation. Die letzte Überfahrt ist ebenfalls ohne Umkehr und der Fährmann bestimmt das Ziel.
  • Das vierte Kapitel setzt ein mit mythologischen Bildern der griechischen Antike, in einer hymnischen Sprache und einem Silbenrhythmus, aus dem sich der eine und andere Hexameter herauslesen lässt.
  • Tadzio ist „das Werkzeug einer höhnischen Gottheit“, des rauschhaften und zügellosen Gottes Dionysos.

[Bearbeiten] Dionysos siegt über Apoll

Von Aschenbach gibt sich ganz der Bewunderung des Knaben hin. „Das war der Rausch; und gierig hieß der alternde Künstler ihn willkommen“. Nach Art der Dialoge Platons imaginiert „der Enthusiasmierte“ Gespräche mit dem Bewunderten. In ihnen bricht er mit seiner apollinischen, zuchtvollen Lebenssicht. "[...], denn der Leidenschaft ist, wie dem Verbrechen, die gesicherte Ordnung und Wohlfahrt des Alltags nicht gemäß“. Er erkennt die Sinnlichkeit der Kunst und monologisiert: "[...] du musst wissen, dass wir Dichter den Weg der Schönheit nicht gehen können, ohne dass Eros sich zugesellt und sich zum Führer aufwirft“. Doch damit beschönigt von Aschenbach. Nicht Eros leitet ihn. Dionysos ist es, dem er verfallen ist. Von ihm seines apollinisch-klaren Weltbildes beraubt, meint von Aschenbach, dem Künstler sei „eine unverbesserliche und natürliche Richtung zum Abgrunde eingeboren“.

Einen wilden Höhepunkt findet von Aschenbachs Entartung in dem symbolhaften Traum des fünften Kapitels. Sein "geistige[r] Widerstand" (die Orientierung an Apoll) wird gebrochen von zügellos feiernden Anhängern des "fremde[n] Gott[es]" (Dionysos). Trotz seiner Anstrengungen, "das Seine zu schützen" bzw. den "würdigen Geist[e]" (Apoll) aufrechtzuerhalten, ist er schließlich "dem fremden Gotte gehörig". Der Traum bereitet von Aschenbachs Untergang motivisch vor.

[Bearbeiten] Décadence–Motive

Literaturgeschichtlich ist „Der Tod in Venedig“, entstanden am Vorabend des Ersten Weltkrieges, zugleich Höhe- und Endpunkt der Décadence-Literatur des zu Ende gegangenen 19. Jahrhunderts. Der Zauberberg (1924) zählt nicht mehr dazu. Er bildet nach einem Selbstkommentar Thomas Manns (am 29.3.1949 an Hermann Ebers) den Übergang zur zweiten Hälfte seines Lebenswerkes. In dem Sanatoriumsroman verabschiedet sich Thomas Mann im Kapitel „Schnee“ von der „Sympathie mit dem Tode“ (Hans Castorps Schneetraum).

  • Venedig selbst mit seinem „leis fauligen Geruch von Meer und Sumpf“, die Stadt, in der Richard Wagner musikalische Inspirationen für Tristan und Isolde gefunden hat.
  • Das Klima Venedigs bekommt von Aschenbach nicht. Während des Versuches einer Abreise (drittes Kapitel) erkennt er die Stadt „als einen ihm unmöglichen und verbotenen Aufenthalt, dem er nicht gewachsen war“.
  • Von Aschenbachs schwächliche Konstitution. Als Kind war er auf ärztlichen Rat vom Schulbesuch ausgeschlossen worden. Hauslehrer mussten ihn unterrichten. Seine Leistungen als Schriftsteller muss er sich mit äußerster Willensanspannung abringen, ständig am Rande der Erschöpfung. Seinen Heroismus, sein Ethos findet von Aschenbach in der täglichen Überwindung von Schwäche.
  • Tadzios blasser Teint mutet kränklich an. Später fallen von Aschenbach Tadzios ungesunde Zähne auf. Von Aschenbach glaubt nicht, dass der Knabe einmal alt werden wird und empfindet bei dieser Feststellung ein „Gefühl der Beruhigung oder Genugtuung“.

[Bearbeiten] Künstlerproblematik

Das große literarische Thema Thomas Manns in seiner ersten Schaffenszeit war der Dualismus von Bürger und Künstler“. „Tonio Kröger“ und „Der Tod in Venedig“ sind die Eckpunkte dieser Auseinandersetzung.

Die Novelle ist das Produkt einer großen Kunst- und Lebenskrise Thomas Manns, die eigentlich direkt aus „Tonio Kröger“ entstanden ist. Thomas Mann beendete nach „Tonio Kröger“ sein dekadentes Künstlerdasein und versuchte ein Doppelleben: Er heiratete die Millionärstochter Katia Pringsheim, gründete eine Familie und versuchte – wie Aschenbach – ein Schriftsteller mit bürgerlichem Auftreten zu werden. Das gelang ihm aber nur durch starke Selbstdisziplin und Unterdrückung der eigenen Gefühle. Aschenbachs Lieblingswort „Durchhalten“ beschreibt sehr genau Thomas Manns Gefühle in diesen Jahren. Aber dieses Leben führte bei ihm zum Verlust der künstlerischen Schaffenskraft. Er litt unter Schreibproblemen und brach mehrere Projekte ab, bevor er „Der Tod in Venedig“ schrieb. Zunächst hatte Thomas Mann vorgehabt, eine Novelle über die letzte Liebe des alten Goethe zu schreiben. Nach einer Venedigreise verwandelte Thomas Mann die Hauptperson in einen Schriftsteller mit vielen autobiographischen Zügen.

Am Ende der Novelle lässt Thomas Mann Aschenbach stellvertretend für sich selbst scheitern und sterben - und übt damit eine „Selbstkritik, die fast Selbstquälerei genannt werden konnte.“ (Mayer, S. 359) Seine eigenen abgebrochenen Projekte gibt er Aschenbach mit in den Tod. Damit stellt er seine eigene bisherige Kunstauffassung in Frage – wie schon in „Tonio Kröger“. Thomas Mann hatte erkannt, dass zu starke Selbstkontrolle und das Fehlen von Liebe seine schriftstellerische Existenz gefährdet. Reine „Leistungsethik“ ist zu wenig für ihn als Schriftsteller. Er hatte für sich begriffen: „Ein Künstlerleben ist kein würdiges Leben, der Weg der Schönheit kein Würdenweg.“ (Thomas Mann, zit. n. Bahr, S. 129)

Mit „Der Tod in Venedig“ schloss Thomas Mann für sich einen Lebensabschnitt ab, in dem die „Kunst“ im Mittelpunkt stand, der das „Leben“ nur zu dienen habe. „Es war eine romantische Jünglingstäuschung und Jünglingsallüre, wenn ich mir ehemals einbildete, ich opfere mein Leben der `Kunst´ und meine Bürgerlichkeit sei eine nihilistische Maske“, schrieb er 1918. Denn ihm war klar geworden: „In Wahrheit ist die `Kunst´ nur ein Mittel, mein Leben ethisch zu erfüllen.“ (Thomas Mann 1918, zit. n. Bahr, S. 128)

Die Novelle, die kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1912 erschien, spiegelte genau wie „Tonio Kröger“ die Stimmung der Zeit wieder. Ein „Abschnitt des europäischen Lebens“ endete und „neue Schicksalswelten“ taten sich auf (Thomas Mann 1940, zit. n. Bahr, S. 132). Thomas Mann selbst meinte später, dass die Novelle schon auf den späteren Faschismus und Nationalsozialismus hinweist: „“Das waren Tendenzen der Zeit, die in der Luft lagen, lange bevor es das Wort `Faszismus´ gab“ (Thomas Mann 1938, zit. n. Bahr, S. 131).

Auch für Thomas Mann persönlich bedeutete „Der Tod in Venedig“ etwas „Letztes und Äußeres, einen Abschluß“. Mit dieser Novelle war er als Autor an einem „Punkt relativer und bedingter Vollendung“ angekommen. Frage war jetzt, ob und wie es noch weiter gehen könnte, ohne sich zu wiederholen. Er war sich nicht sicher, ob er imstande ist, „seine Produktion in Fluß zu halten, neue Gehalte einströmen zu lassen, die geistigen Grundlagen seines Lebens zu verbreitern“ (alle Zitate: Thomas Mann 1940, zit. n. Bahr, S. 132f.). Und das hieß für Thomas Mann, sich wieder über sein persönliches Leben als Künstler und Mensch Gedanken zu machen.

[Bearbeiten] Biographische Parallelen

Von Aschenbachs Werke, die im zweiten Kapitel vorgestellt werden, sind bereits abgeschlossene oder geplante Werke Thomas Manns. Ihre Titel sind in der Novelle nur leicht verfremdet.

Zahlreiche Begebenheiten der Novelle gehen auf eine Venedigreise der Familie Mann im Jahre 1911 zurück, wie Katia Mann in „Meine ungeschriebenen Memoiren“ berichtet.

Pointiert hat Thomas Mann die geheime Identität von Autor und Fabelheld 1911 in seinem Essay über Chamisso formuliert, der während der Arbeit an der Venedig-Novelle entstanden ist: „Es ist die alte, gute Geschichte: Werther erschoß sich, aber Goethe blieb am Leben“.

[Bearbeiten] Entstehungsgeschichte

Am 4. Juli 1920 schreibt Thomas Mann dem Lyriker und Essayisten Carl Maria Weber (1890 – 1953): „Leidenschaft als Verwirrung und Entwürdigung war eigentlich der Gegenstand meiner Fabel, - was ich ursprünglich erzählen wollte, war überhaupt nichts Homo-Erotisches, es war die – grotesk gesehene – Geschichte des Greises Goethe zu jenem kleinen Mädchen in Marienbad, das er mit Zustimmung der streberisch-kupplerischen Mama und gegen das Entsetzen seiner eigenen Familie partout heiraten wollte, diese Geschichte mit allen ihren schauerlich komischen, zu ehrfürchtigem Gelächter stimmenden Situationen,[…].“ Der Titel des Novellenplanes lautete: „Goethe in Marienbad“.

Der Anblick des Knaben Władysław Moes während Thomas Manns Venedigaufenthaltes 1911 gab dann den Anstoß zu „Der Tod in Venedig“. Der polnische Baron Wladyslaw Moes hatte sich 1965 in der Zeitschrift „twen“ (München) mit dem Beitrag: „Ich war Thomas Manns Tadzio“ zu erkennen gegeben. Ein Bildnis des Knaben enthält: Thomas Mann. Ein Leben in Bildern. Hrg. v. H. Wysling u. Y. Schmidlin.

[Bearbeiten] Bearbeitungen

1970 wurde die Novelle von dem italienischen Regisseur Luchino Visconti mit Dirk Bogarde als Aschenbach verfilmt.

1973 wurde Benjamin Brittens Oper Death in Venice uraufgeführt, die ähnliche biographische Parallelen zum Komponisten zulässt wie die Vorlage zu Thomas Mann.

John Neumeier choreographierte und inszenierte das Ballett "Tod in Venedig", das er als "Totentanz, frei nach Thomas Mann" bezeichnete. Er verwendete dafür zum einen Werke von Johann Sebastian Bach, vorwiegend das Musikalische Opfer, zum anderen verschiedene Kompositionen von Richard Wagner, darunter das Vorspiel und "Isoldes Liebestod" aus "Tristan und Isolde". Die Uraufführung fand am 7.Dezember 2003 in Hamburg statt. Es tanzte das Hamburg Ballett. Aschenbach, der in dieser Fassung Choreograph ist, wurde von Lloyd Riggins, Tadzio von Edvin Revazov getanzt.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Textausgaben

  • Erstdruck 1912. München: Hyperionverlag Hans von Weber. Limitierte Auflage von 100 Exemplaren.
  • Offizielle Erstausgabe 1913. Berlin: S. Fischer
  • Thomas Mann: Der Tod in Venedig. Frankfurt am Main: S. Fischer (1992), 139 S. ISBN: 3-5961-1266-4

[Bearbeiten] Selbstkommentare Thomas Manns zu „Der Tod in Venedig“

  • Dichter über ihre Dichtungen. Thomas Mann. Hrsg. von Hans Wysling u. M. Fischer.[Ohne Angabe des Verlagsortes] Ernst Heimeran Verlag 1975, S.393 - 449

[Bearbeiten] Sekundärliteratur

  • Bahr, Ehrhard: Der Tod in Venedig, Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 1991
  • Dierks, Manfred: Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann. An seinem Nachlaß orientierte Untersuchungen zum "Tod in Venedig", zum "Zauberberg" und zur "Joseph-Tetralogie". In: Thomas Mann Studien, 2. Bd.; Bern 1972
  • Frizen, Werner: Der Tod in Venedig (Oldenbourg Interpretationen Nr. 61). München 1993, ISBN 3-486-88660-6
  • Geitner, Ursula: Männer, Frauen und Dionysos um 1900: Aschenbachs Dilemma. In: Kritische Ausgabe 1/2005, 4ff. ISSN 1617-1357
  • Hans Mayer: Thomas Mann. Frankfurt/M. 1984
  • Nicklas, Hans W.: Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig".Analyse des Motivzusammenhangs und der Erzählstruktur. In: Marburger Beiträge zur Germanistik; Hrsg.Kunz, Josef und Schmitt, Ludwig Erich; Bd. 21; Marburg 1968
  • Wysling, Hans: Dokumente und Untersuchungen. Beiträge zur Thomas-Mann-Forschung. Bern 1974
  • Hans Wysling u. Yvonne Schmidlin: Thomas Mann. Ein Leben in Bildern. Zürich: Artemis 1994, S.198 - 203


Der Wikipedia-Artikel ´Der Tod in Venedig´ ist in die Bibliographie ´Thomas-Mann-Leser und -Forscher´ der FU Berlin aufgenommen.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Rezensionen

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