Günter Mittag
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Günter Mittag (* 8. Oktober 1926 in Stettin; † 18. März 1994 in Berlin), war von 1963 bis zum Herbst 1989 Mitglied des Politbüro des (ZK) der SED. Er war in der zweiten Hälfte ihres Bestehens als ZK-Sekretär der SED für Wirtschaftsfragen zugleich die zentrale Figur in der Planwirtschaft der DDR.
[Bearbeiten] Biographie
Mittag wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren. 1943 war er Luftwaffenhelfer in einem Flak-Regiment. Von 1943 bis 1945 absolvierte Mittag eine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn. 1956 beschloss Mittag ein Fernstudium mit dem Titel des Diplom-Wirtschafters und erwarb 1958 seinen Dr. rer. oec. mit einer Dissertation über Probleme der sozialistischen Entwicklung des Verkehrswesens.
1945 trat Mittag in die KPD, 1946 in die SED ein. 1947 wurde er Mitglied der SED-Kreisleitung Greifswald und übernahm in den Folgejahren regionale Führungspositionen im FDGB. 1958 rückte Mittag in die Zentrale der Macht vor. Er wurde Sekretär der Wirtschaftskommission beim Politbüro und begann Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der DDR auszuüben. 1962 wurde er Mitglied des ZK. 1963 wurde er ebenfalls Mitglied der Volkskammer und (bis 1971, dann wieder 1979 bis 1989) Mitglied des Staatsrates der DDR.
Ebenfalls 1963 wurde Mittag Leiter des Büros für Industrie- und Bauwesen des ZK. Mittag und Erich Apel entwarfen das Neue ökonomische System der Planung und Leitung (NÖSPL), das die Volkswirtschaft der DDR modernisieren und entbürokratisieren sollte. Das Konzept wurde aufgrund politischer Widerstände nur stark abgeschwächt umgesetzt. Erich Apel nahm sich das Leben, Mittag arrangierte sich mit den Umständen.
1966 rückte Mittag in das Politbüro auf. Als er 1976 ebenfalls Sekretär des ZK für Wirtschaft wurde, war seine Führungsrolle in der Wirtschaftspolitik unbestritten. Während seiner gesamten Amtszeit hielt er strikt an einer staatlichen Kontrolle der Wirtschaft fest. Höhepunkt seiner Arbeit war die Zusammenfassung der VEB in Kombinate 1980.
Mittags Führungsstil gegenüber Direktoren und Generaldirektoren der DDR-Wirtschaft und zum Teil auch gegenüber seinen Mitarbeitern im ZK war berüchtigt. Er ließ keine Kritik zu und war im persönlichen Auftreten teilweise grob beleidigend. Objektiven Fakten gegenüber verschloss er sich und pochte auf die Einhaltung von Parteibeschlüssen, wie unrealistisch sie auch waren. Er griff in die Vollmachten der Fachminister ein und verlangte die Absetzung von bei ihm in Ungnade gefallenen Führungskräften, was in der Regel auch sofort geschah. Mittag war mit Alexander Schalck-Golodkowski (Leiter von KoKo und Staatssekretär im DDR-Außenhandelsministerium) angesehener Gesprächspartner von Politikern und Wirtschaftsmanagern der Alt-Bundesrepublik. Besonders mit Franz Josef Strauß hatte er enge Kontakte und fädelte Anfang der 1980er Jahre mit diesem den sogenannten „Milliardenkredit“ der Bundesrepublik an die DDR ein.
Im Sommer 1989 vertrat er überraschend an Stelle des nominellen Stellvertreters Krenz, der „in den Urlaub geschickt“ wurde, Generalsekretär Honecker während dessen schwerer Erkrankung. Er wurde für die Sprachlosigkeit der SED-Führung in dieser Zeit mit verantwortlich gemacht.
Mittag war schwer zuckerkrank. Ihm waren Mitte der 1980er Jahre beide Unterschenkel amputiert worden. Sein Führungsstil war auch daran erkennbar, dass er sich alle wichtigen Akten an das Krankenbett bringen ließ und im Krankenhaus weiter regierte. Als 1988 Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankomission der DDR, ein Grundsatzpapier zur desaströsen Lage der DDR-Wirtschaft, insbesondere zum unlösbaren Volkswirtschaftsplan 1989, an Honecker verfasste und diesem in der Hoffnung vorlegte, dass der kranke Mittag zeitweise „ausgeschaltet“ war, landete das Papier sofort in Mittags Krankenzimmer. Mittag verriss sofort das Dokument und erklärte Honecker, dass alle Parteibeschlüsse weiterhin wunschgemäß umgesetzt werden können.
Mittag kam im Dezember 1989 in Untersuchungshaft, wurde aber bald aus gesundheitlichen Gründen (schwere Diabetes, beide Beine seit Jahren amputiert, Prothesenträger) entlassen und ging in Rente. 1991 folgte erneut eine Anklage wegen Verwendung von Staatsgeldern für Eigenheime. Mittag wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen für nicht verhandlungsfähig erklärt. Das Hauptverfahren wurde nicht eröffnet. Interessant ist, dass gegen Mittag im Gegensatz zu allen anderen Politbüromitgliedern keine Verfahren wegen der Mauertoten eingeleitet wurde, obwohl er eines der längstgedienten Mitglieder war.
Mittag erhielt 1982 die Ehrendoktorwürden der Universitäten Tokai (Japan) und Leoben (Österreich).
[Bearbeiten] Literatur
- Jung, Christian: Geschichte der Verlierer. Historische Selbstreflexion von hochrangigen Mitgliedern der SED nach 1989, Heidelberger Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, Band 16, Universitätsverlag Winter Heidelberg, Heidelberg 2007. ISBN 978-3-8253-5308-7
- Przybylski, Peter: Tatort Politbüro, 1992, ISBN 3-49919-328-0
- Hertle, Hans-Hermann: Vor dem Bankrott der DDR: Dokumente des Politbüros des ZK der SED aus dem Jahr 1988 zum Scheitern der „Wirtschafts- und Sozialpolitik“ (Die Schürer/Mittag-Kontroverse). Mit einem Gespräch mit Gerhard Schürer, Berlin 1991.
- Janson, Carl-Heinz: Totengräber der DDR. Wie Günter Mittag den SED-Staat ruinierte, Düsseldorf 1991.
- Mittag, Günter: Um jeden Preis. Im Spannungsfeld zweier Systeme, Berlin/Weimar 1991.
- Mittag, Günter: „Es reißt mir das Herz kaputt“: Spiegel-Gespräch mit dem ehemaligen DDR-Wirtschaftslenker Günter Mittag über seine Politik und seine Fehler; In: „Der Spiegel“, 37/1991, S. 88-104.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Günter Mittag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographie: Günter Mittag, 1926-1994
- DDR im WWW. Personen. Günter Mittag.
- Chronik-Biographie: Günter Mittag
Personendaten | |
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NAME | Mittag, Günter |
KURZBESCHREIBUNG | Mitglied des ZK der SED |
GEBURTSDATUM | 8. Oktober 1926 |
GEBURTSORT | Stettin |
STERBEDATUM | 18. März 1994 |
STERBEORT | Berlin |