Bürokratieabbau
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Das Schlagwort Bürokratieabbau wird eingesetzt, um die als schädlich angesehene Überregulierung durch Verwaltung einzuschränken.
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[Bearbeiten] Abgrenzung des Begriffs
Bürokratieabbau wird synonym mit Entbürokratisierung verwendet. Bürokratieabbau wird in der Regel allgemeiner als Deregulierung gebraucht, die sich lediglich auf den Abbau von Regeln bezieht. Christian Steger, Geschäftsführer des Gemeindetages von Baden-Württemberg, definierte den Begriff 2004 so: "Standardabbau plus Personalabbau ist gleich Bürokratieabbau." In der Schweiz ist meist von Bürokratiebefreiung die Rede. Die englische Entsprechung zu Bürokratieabbau lautet cutting red tape.
[Bearbeiten] Ökonomische Aspekte
Der Begriff Bürokratieabbau beinhaltet, dass Menschen in ihrer Initiative durch Gesetze und weitere Vorschriften so eingeengt seien, dass sie ihre Freiheit nicht nutzen könnten. Dadurch werde die private und wirtschaftliche Entwicklung behindert. Bürokratieabbau zielt daher vordergründig auf die Streichung von regulierenden staatlichen Vorschriften. Der Begriff schließt aber auch Kritik an der Anwendung dieser Vorschriften durch Beamte und Angestellte in den Verwaltungen ein.
Meldepflichten und Genehmigungsverfahren kosten Unternehmen einerseits Arbeitskraft und binden andererseits mögliche Investitionsmittel. Einige Großunternehmen beschäftigen Mitarbeiter, die sich nur mit diesen bürokratischen Pflichten beschäftigen. Kleinere Betriebe sind oft mit diesen Pflichten überlastet. Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung ergab 2003, dass Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern fast doppelt so hohe Bürokratiekosten (3.759 € pro Jahr und Mitarbeiter) hätten als Betriebe mit 20 bis 49 Mitarbeitern (1.976 €). Ziel des Bürokratieabbaus sei es daher, diese Belastungen zu reduzieren und dadurch neue Kräfte freizusetzen.
Innerhalb von Wirtschaftsunternehmen ist Bürokratieabbau ein Teil des Konzeptes „Schlanke Produktion“. Da die unternehmensinterne Bürokratie als „nicht wertschöpfender Overhead“ angesehen wird, ist es Ziel dieses Konzeptes, „organisatorische Schnittstellen“ zu verringern, "„ndem indirekte Tätigkeiten bzw. Funktionen in ... dezentrale Einheiten integriert werden“.
[Bearbeiten] Pläne und Maßnahmen auf staatlicher Ebene
[Bearbeiten] Formen von Bürokratieabbau
Folgende Möglichkeiten, Bürokratie abzubauen, werden häufig genannt:
- Gesetze könnten schon bei ihrer Einführung zeitlich befristet oder zumindest regelmäßig auf ihre Notwendigkeit überprüft werden. Gesetze, die miteinander in Widerspruch stehen, könnten zusammengeführt werden.
- Bearbeitungsfristen von Anträgen könnten klar definiert und möglichst eng begrenzt werden. Verwaltungen könnten durch die Nutzung des Internets und durch längere Arbeitszeiten zugänglicher werden. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich auch die Aufhebung des Ladenschlusses genannt.
- Statistische Pflichten könnten ganz oder teilweise aufgehoben werden.
- Aufgaben könnten möglichst delegiert werden, sodass bei Entscheidungen nicht immer Vorgesetzte zu befragen wären. Miteinander konkurrierende Behörden könnten zusammengelegt oder aufgelöst werden.
[Bearbeiten] Europäische Union
Auf EU-Ebene wird bei der Europäischen Kommission im Rahmen des Bürokratieabbaus seit 2003 ein neues Verfahren zur sog. Gesetzesfolgenabschätzung angewandt. Dabei werden Folgenabschätzungen als ex-ante Evaluation neuer EU-Regelungsvorhaben auf Grundlage der drei Dimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt durchführt. Dieses Konzept ist Teil der Lissabon-Strategie. Die EU-Kommission hat im Sommer 2005 eine Online-Umfrage für Unternehmen begonnen, bei der bis zum Ende des Jahres Vorschläge zur Beseitigung von einengenden Vorschriften gemacht werden können. Am 22. Juli 2005 kündigte EU-Industriekommissar Günter Verheugen an, er wolle eine Vielzahl von bürokratischen Vorschriften beseitigen. Betroffen hiervon seien vor allem die Bereiche Autoindustrie, Bau- und die Abfallwirtschaft.
[Bearbeiten] Deutschland
Bürokratieabbau wurde immer wieder in deutschen Parlamenten gefordert. Unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung der Regierungen konnte diese Forderung nur in Einzelfällen umgesetzt werden. Eine umfassende Regelung ist bisher nicht gelungen. Stattdessen erschöpften sich die politischen Aktivitäten häufig in Forderungen und Vorwürfen.
In einer Bundestagsdebatte am 23. November 1994 stellte Helmut Kohl fest: "Hilfreich ist nur, wenn wir den gemeinsamen Willen aufbringen, den Rechts- und Vorschriftendschungel zu durchforsten und zu lichten." Darauf antwortete Herta Däubler-Gmelin: "Sie haben unsere Unterstützung darin, daß wir Bürokratie ... abbauen ... müssen. Nur: Es wäre ganz gut, Sie würden damit anfangen. Ich darf Sie daran erinnern: Sie regieren seit zwölf Jahren."
Einen wesentlichen Anstoß erhielt die Debatte um den Bürokratieabbau 1997 durch die Berliner Rede des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der die "Regulierungswut" in Deutschland anprangerte.
In Reaktion auf die nach den Terroranschlägen vom 11. September eilig und relativ zahlreich erlassenen Gesetze und Gesetzesänderungen stellten die Datenschutzbeauftragten einmal mehr fest, dass gerade bei Gesetzen, deren Zweckmäßigkeit nicht vorher abgeschätzt werden könne eine zeitliche Befristung oder zumindest eine Evaluationspflicht bestehen müsste. Dem kam der Gesetzgeber zum Teil nach.
Das Programm Agenda 2010 der Bundesregierung beinhaltet die Entlastung von Mittelstand und Wirtschaft durch den "Abbau bürokratischer Hemmnisse". Im Jahr 2003 rief die Bundesregierung das Projekt Innovationsregionen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch Deregulierung und Entbürokratisierung ins Leben. In ausgewählten Regionen (Bremen, Ostwestfalen-Lippe, West-Mecklenburg) sollten Vorschläge zum Bürokratieabbau gesammelt werden. Infolge dieser Aktion wurden ungefähr eintausend Vorschläge zur Beseitigung solcher Vorschriften gemacht. Einige dieser Vorschläge flossen in das Gesetz zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen ein. Nach einer Behandlung im Vermittlungsausschuss wurde dieses Gesetz am 12. Mai 2005 vom Bundestag und am 27. Mai 2005 vom Bundesrat angenommen. Zwei Beispiele sollen den Charakter dieses Gesetzes illustrieren: Jugendliche können nun unter bestimmten Bedingungen schon ab 5 Uhr und bis 23 Uhr arbeiten. Hotelbetriebe müssen die Zimmerbelegung nicht mehr nachweisen.
Darüber hinaus wurde die sog. "Initiative Bürokratieabbau" entwickelt. Zu diesem Projekt gehört auch - laut Wirtschaftsminister Clement - die Einführung der so genannten JobCard zum 1. Januar 2007, mit welcher der "Datenaustausch zwischen Arbeitgebern, Beschäftigten und Behörden erleichtert werden" soll.
2005 wurde das Projekt "Modellregionen" wiederaufgenommen und nun 28 dieser Regionen eingerichtet; diese sollen den Bürokratieabbau vorantreiben.
Anfang 2005 wurde ein seit langem bekanntes Problem wieder aktuell diskutiert: Entgegen den Forderungen der Datenschutzbeauftragten, die Zuständigkeiten für den öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich in den Bundesländern durchgängig in der Hand des jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten (LfD) zu bündeln, was Bürokratieabbau, Bürgerfreundlichkeit und Einspareffekte bedeuten würde, plante der Niedersächsische Landtag, die gebündelte Zuständigkeit des Niedersächsischen LfD auf den öffentlichen Bereich zu beschränken und die für den nichtöffentlichen Bereich dem Innenministerium zu unterstellen. Der amtierende LfD Burckhard Nedden kündigte daraufhin seinen Rücktritt an.
Das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 schrieb vor, dass gesetzliche Krankenkassen ihre Ausgaben für die Verwaltung reduzieren müssen. Laut Bundesversicherungsamt "gingen die Verwaltungskosten im Jahre 2004 insgesamt um rund 0,9% zurück".
Das Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend legte am 13. Juli 2005 10 Eckpunkte zur Entbürokratisierung im Heimrecht vor. Diese waren zuvor von einem Runden Tisch, der mit Pflegexperten besetzt war, erarbeitet worden und sehen unter anderem vor, dass Dokumentationspflichten in der Altenpflege entfallen sollen. Dadurch soll das "Entstehen neuer Wohn- und Betreuungsformen" gefördert werden.
Am 1. Januar 2006 soll das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz in Kraft treten, durch das Planungsverfahren gekürzt werden sollen.
Am 25. April 2006 beschloß das Bundeskabinett 5 Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Zum Beispiel sollen mit Hilfe des Standardkostenmodells die konkreten Kosten von Bürokratie durch den Normenkontrollrat gemessen werden.
[Bearbeiten] Bundesländer
[Bearbeiten] Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wurde am 20. April 2004 Rudolf Böhmler von der Landesregierung als unabhängiger Landesbeauftragter für Bürokratieabbau, Deregulierung und Aufgabenabbau (Ombudsmann) eingesetzt. Dieser sammelt Vorschläge und bereitet sie für das Kabinett zur Beschlussvorlage auf.
[Bearbeiten] Bayern
Am 6. Dezember 2002 nahm eine von der Staatsregierung eingesetzte Expertenkommission unter der Leitung von Herbert Henzler ihre Arbeit auf. Die Henzler-Kommission erarbeitete bis zum 7. Juli 2003 Vorschläge zur Deregulierung, die laut Staatsminister Erwin Huber bis März 2005 zu einem großen Teil umgesetzt wurden.
[Bearbeiten] Brandenburg
Im Bereich der Landesregierung liegt die Zuständigkeit für Bürokratieabbau bei der Staatskanzlei, dort bei der Leitstelle Bürokratieabbau. Diese soll auf wissenschaftlicher Grundlage Handlungskonzepte entwerfen, Normenkontrolle gewährleisten und als Kontaktstelle für die Öffentlichkeit dienen. Der Landtag selbst hat am 15. Juni 2005 als erstes Länderparlament einen Sonderausschuss zur Überprüfung von Normen und Standards eingerichtet. Der Sonderausschuss des Landtages hat nach einjähriger Arbeit einen ersten Zwischenbericht vorgelegt. Ein erstes Bürokratieabbaugesetz wurde im Juni 2006 im Landtag verabschiedet und beinhaltet neben einzelnen Erleichterung (beispielsweise im Bau- und Fischereirecht) insbesondere eine Standardöffnungsklausel, welche es den Kommunen auf Antrag ermöglicht, für einen begrenzten Zeitraum von landesrechtlichen Vorgaben abzuweichen und alternative oder selbständige Lösungen zu erproben. Auf Beschluss des Landtages wurde zudem eine Überprüfung des gesamten Normbestandes des Landes im Wege eines sog. Quick-Scan-Verfahrens durchgeführt. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass nur ca. 20 Prozent der Vorschriften für insgesamt mehr als 80 Prozent der Bürokratiekosten verantwortlich sind, der weitaus überwiegende Teil der Bürokratiekosten insgesamt jedoch von bundesrechtlichen Vorschriften verursacht wird.[1]
[Bearbeiten] Nordrhein-Westfalen
Am 16. März 2004 wurde vom Landtag das Gesetz zum Bürokratieabbau in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe beschlossen. In einer dreijährigen Testphase sollen hier Vorschläge zum Bürokratieabbau entwickelt und probeweise angewendet werden. Reformen, die sich in der Modellregion bewährt haben, sollen dann in ganz Nordrhein-Westfalen eingeführt werden. In OstWestfalen-Lippe arbeiten bereits seit Anfang 2002 Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen in der Initiative "Wirtschaftsnahe Verwaltung" zusammen. Diese Initiative hat der Landesregierung in mehreren Wellen Vorschläge zum Bürokratieabbau unterbreitet, von denen bereits mehrere in die Praxis umgesetzt worden sind. Weiterhin wurde in OstWestfalen-Lippe die erste deutsche Pilotmessung nach dem niederländischen Standardkostenmodell durchgeführt, mit dessen Hilfe man Bürokratiekosten konkret ermitteln kann.
[Bearbeiten] Saarland
Im Jahr 1999 hat die Landesregierung des Saarlands eine "Verfallsautomatik" für Verwaltungsvorschriften eingeführt. Vorschriften müssen seither ausdrücklich verlängert werden, um in Kraft bleiben zu können. Mit dieser Maßnahme wurden bis 2005 68% dieser Vorschriften abgeschafft.
[Bearbeiten] Sachsen
In Sachsen hat das Justizministerium im Februar 2003 einen "Paragraphen-Pranger" eingerichtet, bei dem Bürger sich über Rechtsvorschriften beschweren können. Im August 2005 erließ die Staatsregierung eine Verwaltungsvorschrift, mit der Beamte aufgefordert werden schriftlich Vorschläge zum Bürokratieabbau in der Verwaltung zu machen.
[Bearbeiten] Schleswig-Holstein
Am 25. Mai 2005 kündigte Ministerpräsident Carstensen an, in Schleswig-Holstein fünf Landesämter (u.a. Umweltämter) aufzulösen. In diesem Zusammenhang wurde Klaus Schlie zum Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung ernannt. Im Jahr 2004 erarbeiteten Brigitte Fronzek (SPD) und Ole Schröder (CDU) in parteiübergreifender Zusammenarbeit Vorschläge zum Bürokratieabbau. Am 12. Juli 2005 forderten beide die Einrichtung einer Beschwerdestelle ("Task Force"), die Klagen aus der Bevölkerung aufnehmen und konkrete Vorschläge vorlegen soll.
[Bearbeiten] Positionen von Parteien
[Bearbeiten] SPD
Die SPD setzt sich einerseits für Bürokratieabbau ein, wendet sich andererseits aber dagegen, unter diesem Stichwort nur den Abbau von Arbeitsschutzbestimmungen zu betreiben. In diesem Zusammenhang warnte die SPD-Wirtschaftsexpertin Hildegard Kronawitter (Mitglied des Landtags von Bayern) 2004 davor, Bürokratieabbau mit Sozialabbau zu verwechseln.
Im Wahlmanifest vom 4. Juli 2005 plant die SPD das Bundesprogramm "Innovationsregionen" fortzuführen. Das "zersplitterte und unübersichtliche Umweltrecht" soll in einem "Umweltgesetzbuch" zusammengefasst werden.
[Bearbeiten] Bündnis90/Die Grünen
Die Grünen sehen ebenfalls die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus und werten diesen als einen Reformschwerpunkt. Bürokratieabbau dürfe aber kein Selbstzweck sein. Durch Bürokratieabbau dürften nicht Bürgerrechte, der Umwelt- und der Verbraucherschutz gefährdet werden. Im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2005 fordern die Grünen Bürokratieabbau in der Verwaltung durch effektiven Einsatz des Internets.
[Bearbeiten] CDU/CSU
CDU und CSU haben das Motto ausgegeben: "Freiheit wagen - Bürokratie abbauen". Die beiden Parteien glauben Deutschland "ersticke" an "zu viel Staat". Dagegen setzen sie das Subsidiaritätsprinzip und "private Selbstverantwortung". Um diese Ziele zu erreichen hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der vergangenen Wahlperiode eine Arbeitsgruppe Bürokratieabbau eingerichtet, deren Vorsitzender Michael Fuchs war. Dieser kündigte am 5. August 2005 an: "Wir werden die Bundesministerien verpflichten, für jede geplante Rechtsverordnung in ihrem Verantwortungsbereich zwei bestehende Rechtsverordnungen außer Kraft zu setzen." Eine Befristung dieser Regelung nannte er nicht. Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen sollen nur noch alle fünf Jahre stattfinden, um die die Wahlkampfzeiten deutlich einzugrenzen. Die Zahl der Bundesländer soll halbiert werden.
Im Regierungsprogramm 2005-2009 vom 11. Juli 2005 plant die CDU die "Freistellung von Statistikpflichten" und die "Entlastung von Buchführungspflichten". Außerdem sollen sämtliche Angebote des Bundes unter dem Stichwort "E-Government" bis 2009 über das Internet erreichbar sein. Dieses Ziel war jedoch bereits durch die vorherige Bundesregierung und das Programm Bund-Online 2005 erreicht worden.
[Bearbeiten] FDP
Die FDP tritt uneingeschränkt für einen "Bürokratieabbau auf allen Ebenen" ein. Dies entspricht ihrer liberalen Ausrichtung, nach der sie staatlichen Regulierungen grundsätzlich misstraut.
Anfang 2002 startete die FDP-Bundestagsfraktion eine Bürokratieabbau-Kampagne. Ansprechpartnerin für Fragen und Anregungen zum Thema ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger.
Am 14. Juli 2005 legte die FDP einen Zehn-Punkte-Plan der FDP für den Aufbau Ost vor, in dem sie "die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen für Deregulierung und Bürokratieabbau" fordert. Bundesrechtliche Regelungen in den Bereichen "Bau-, Tarif- und Arbeitsrecht" sollen in diesen Zonen außer Kraft gesetzt werden können.
In ihrem "Deutschlandprogramm 2005" vom 25. Juli 2005 fordert die FDP alle staatlichen Sozialleistungen zu einem "Bürgergeld" zusammenzufassen und von den Finanzämtern auszahlen zu lassen.
[Bearbeiten] Die Linkspartei
Die Linkspartei erwähnt bisher in ihrer bundespolitischen Programmatik den Begriff nicht. Auch in ihrem Wahlprogramm vom 17. Juli 2005 wird der Bürokratieabbau nicht thematisiert. Die PDS kritisierte die Forderung nach Bürokratieabbau, da sich der Staat dadurch nur seiner Verantwortung für "ökologische Umgestaltung" und "soziale Gerechtigkeit" entziehen wolle. Auf kommunaler oder Länderebene bezieht sie sehr unterschiedlich Stellung. Das Spektrum reicht hier von der Forderung nach Bürokratieabbau bis zur völligen Ablehnung.
[Bearbeiten] Positionen von Verbänden
[Bearbeiten] BDA
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat am 4. Juli 2005 ein "Reformkonzept der Arbeitgeber" vorgelegt. Darin fordert sie einen "radikalen Bürokratieabbau". Konkret möchten die Arbeitgeber "staatliche Leistungen konsequent privatisieren" und einen "Bürokratie-TÜV" zur Abschätzung der Folgen neuer Gesetze einführen.
[Bearbeiten] ZDH
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks forderte in seinen "Wahlprüfsteinen" vom 22. Juli 2005 u.a. die Einführung einer Gesetzesfolgenabschätzung, die Befristung gesetzlicher Vorschriften, die Bündelung von Zuständigkeiten, die Zahlung eines Bürokratiekostenersatzes und die Zusammenlegung von Arbeitsschutzregelungen.
[Bearbeiten] DStGB
Roland Schäfer, der Vorsitzende des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, erklärte am 1. August 2005, die Arbeitsagenturen könnten durch "umfassenden Bürokratieabbau" effektiver arbeiten und dadurch den Arbeitslosen besser helfen.
[Bearbeiten] dbb
Der Deutsche Beamtenbund hat am 5. Juli 2005 das dbb Forum Bürokratieabbau ins Leben gerufen. Dieses soll Vorschläge zur Deregulierung der öffentlichen Verwaltung erarbeiten. In diesem Zusammenhang kritisierte Peter Heesen, Bundesvorsitzender des dbb, am 27. Juli 2005 die "Regelungswut" der Politiker, die durch immer weitgehendere "Einzelfallregelungen ... den Rechtsstaat aushöhlen".
[Bearbeiten] BUND
Angelika Zahrnt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisierte am 18. Juli 2005 die Haltung von CDU/CSU und FDP, die "unter dem Schlagwort 'Bürokratieabbau' den Schutz der Natur und der Gesundheit der Menschen einschränken wollen".
[Bearbeiten] Schweiz
[Bearbeiten] Positionen von Parteien
[Bearbeiten] CVP
Die Christlichdemokratische Volkspartei legte 2003 ein "Drei-Punkte-Programm" zur "Halbierung der bürokratischen Lasten" vor. Bürokratieabbau sei vor allem durch Vereinfachung des Steuersystems, durch Vereinfachungen im Verkehr mit Behörden und durch Überprüfung der Aufgaben der Bundesverwaltung zu erreichen.
[Bearbeiten] SVP
Die Schweizerische Volkspartei veröffentlichte 2005 die Agenda 2007 - Wachstum statt Bürokratie. Darin fordert sie "das einfachste und transparenteste Steuersystem" und die Abschaffung des Verbandsklagerechts.
[Bearbeiten] Problematik
Die Parole "Bürokratieabbau" beinhaltet ein oft nicht näher definiertes Programm zur Beseitigung bürokratischer Hindernisse.
Experten warnen vor dem populistischen Gebrauch des Begriffs "Bürokratieabbau". Dagegen steht die grundsätzliche Notwendigkeit von Bürokratie für den modernen Staat. Bei einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags erklärte Rechtsanwalt Ortlieb Fiedler 2004: "Der Verzicht des Rechtsstaates auf den Erlass von Gesetzen wäre gleichbedeutend mit dem Verzicht, auf bestimmten Gebieten Politik zu machen und diese umzusetzen."
Oppositionsparteien fordern radikaler als Regierungsparteien den Bürokratieabbau. Dies fällt ihnen umso leichter, als sie vorläufig keine konkreten Maßnahmen ergreifen können.
Regierungen versuchen Bürokratieabbau durch Bildung von Kommissionen zu erreichen. Diese Kommissionen sollen staatliche Regelungen auf deren Berechtigung überprüfen und Vorschläge zur sinnvollen Streichung von Regelungen erarbeiten. Dabei besteht die Gefahr, dass durch neue Kommissionen erst recht eine Ausweitung der Bürokratie bewirkt wird.
Finanzielle Aspekte thematisierte im Mai 2005 Angela Merkel. Sie kündigte an, im Falle der Regierungsübernahme sich vor allem auf Dinge zu konzentrieren, die "kein Geld kosten". Unter anderem nannte sie in diesem Zusammenhang den Bürokratieabbau. Dabei stellt sich die Frage, ob die Abschaffung von staatlichen Vorschriften und die Verkürzung von Bearbeitungszeiten ohne - zumindest kurzfristig - höhere Personalkosten zu erreichen sind.
Wenn Bürokratieabbau zur Schließung von Dienststellen führt, stellt sich die Frage, ob dies mit Einbußen im Servicebereich einhergehen muss. So besteht die Gefahr, dass Bürger längere Wege auf sich nehmen müssen, um die zuständigen Stellen zu erreichen. Außerdem bleibt offen, ob weniger Personal die gleiche Qualität bei der Bearbeitung von Anträgen erbringen kann.
Nach Meinung des Politologen Elmar Altvater ist das Funktionieren der Demokratie durch kürzere Planungszeiten infolge Bürokratieabbaus gefährdet. Alle Beschleunigungsversuche seien "Maßnahmen, mit denen die Beteiligung von Bürgern eingeschränkt wird." In der Folge würden sich "Sachzwänge hart durchsetzen". Als Beispiel nannte Altvater das Verkehrswege-Beschleunigungsgesetz.
In nachgeordneten Verwaltungen kann Bürokratie teilweise deshalb nicht abgebaut werden, weil diese an übergeordnetes Recht (Bundesrecht, Europarecht) gebunden sind.
Das Personal, das in staatlichen Behörden bürokratische Maßnahmen verantwortet, muss einerseits bestehende Gesetze aufgrund der Dienstpflichten anwenden, wird aber gerade wegen dieser Anwendung kritisiert.
Einzelpersonen und Interessensgruppen versuchen Bürokratieabbau zu verhindern, sobald ihre Interessen direkt gefährdet werden. Wirtschaftsminister Clement stellte 2004 dazu fest: "Wenn es ernst wird, wird es eng, werden Schutzinteressen eisern verteidigt."
[Bearbeiten] Siehe auch
Bürokratie, Verwaltungsreform, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Deregulierung
[Bearbeiten] Literatur
- Michael Faust, Peter Jauch, Karin Brünnecke, Christoph Deutschmann: Dezentralisierung von Unternehmen. Bürokratie- und Hierarchieabbau und die Rolle betrieblicher Arbeitspolitik. München und Mering 1999, ISBN 3-87988-383-1
- Klaus-Peter Schmid: Jedes Gesetz hat seine Lobby. in der Wochenzeitung Die Zeit 02/2006 [2]
- Peter Vogler: Entbürokratisierung von Unternehmen. Köln 1989, ISBN 3-88585-592-5
[Bearbeiten] Weblinks
- Initiative Bürokratieabbau der Bundesregierung
- Gesetzesentwurf zum Bürokratieabbau (pdf)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: Bürokratieabbau
- CDU-Projektseite zum Bürokratieabbau
- FDP: Bürokratieabbau auf allen Ebenen
- PDS-Rede im Landtag von Sachsen-Anhalt
- Abbau von Bürokratie in Deutschland, Gutachten für den Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft
- Bürokratie reduzieren - Bürokratieabbau in Deutschland
- Werner-Bonhoff-Preis wider den Paragraphen-Dschungel