Ganzheit
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Die Betrachtung und Behandlung eines Themas, eines Gegenstandes oder einer Beziehung in seiner Ganzheit oder ganzheitlich meint eine umfassende, weitsichtige und weit vorausschauende Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte und Zusammenhänge:
- erkennbare Ursprünge
- Ziele und Bestimmungen
- Eigenschaften, Zuschreibungen und Zuordnungen,
- direkte und indirekte Beziehungen und Querbeziehungen
- Regeln, Werte und Normen
- Rahmenbedingungen, Nutzenabwägungen, Anwendungs-Aspekte sowie
- Neben-, Folge- und Wechselwirkungen des System-Verhaltens - und absehbare Reaktionen Anderer im Umgang damit.
- Zusammenspiel Gesellschaft, Wirtschaft und Politik
Die ganzheitliche Betrachtungsweise ist wissenschaftlich in der Systemtheorie beschrieben, also der ganzheitlichen Analyse und Vorhersage von vielen komplex miteinander interagierenden Einzelkomponenten.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Ganzheitliche Wahrnehmung
Konrad Lorenz veranschaulicht die Wahrnehmung der Ganzheit einer Sache bevorzugt als Gestaltsehen oder Gestaltwahrnehmung. Damit will er die einbeziehende Wahrnehmung nicht offensichtlicher – assoziativ verbundener – Elemente oder Eigenschaften des Gegenstands ausdrücken, die gleichwohl zu seinem Wesen, seiner Bedeutung und Wirkung beitragen. Die dadurch erscheinende Gesamtgestalt „hinter der Gestalt” sei die „eigentliche”, immer mitzusehende, tatsächlich in der (Um-)Welt wirksame und zu behandelnde Gestalt, die alle Wirkungen beinhalte (siehe oben).
Eine ähnliche Wahrnehmungsweise wird in der Kunst durch so genannte Gesamtkunstwerke angesprochen.
In der Philosophie gibt es mehrere Ansätze, um das Wesen, die Gesamtheit einer Sache oder eines Begriffs a) zu erfassen und b) zu beschreiben. Die Dialektik ist ein Oberbegriff für solche Methoden, die fordern, in sich ergänzenden Gegensatzpaaren zu denken und zu forschen: das Oben und Unten, das Gestern und die Zukunft, pro und contra, Interessensgegensätze u.a.m.
Ganzheit bildet auch eine zentrale Kategorie der so genannten Gestaltpsychologie, eine Richtung der geisteswissenschaftlich ausgerichteten Wahrnehmungspsychologie. Der Neurologe und Psychiater Kurt Goldstein formulierte als erster eine Theorie der Ganzheit des Organismus, basierend auf der Gestalttheorie.
[Bearbeiten] Ganzheitliche Medizin
Die ganzheitliche (holistische) Medizin bemühe sich um ein ausbalanciertes Zusammenspiel von körperlichen, emotionalen und geistigen Aspekten. Denken in Kreisprozessen werde erstrebt, Getrenntsein und Polaritäten (Yin und Yang) sollen überwunden werden. Diese Perspektive sei im Wesentlichen in Asien entwickelt worden und sei auch in der Weltanschauung der indigenen Heilwesen anzutreffen.
Dem entgegen stehe die vor allem in Europa und Nordamerika entstandene Spezialisierung der Medizin in Fachbereiche und die Trennung von Philosophie und Spiritualität, welche sich jeweils auf einen Teilaspekt der Gesundheit oder Krankheit konzentriert haben und Kausalitäten beschreiben. Auch in der wissenschaftlichen Medizin besteht die Erkenntnis, dass die Trennung von Körper, Seele und Geist, in (Soma und Psyche) nicht immer alle Aspekte der Krankheit bzw.Gesundheit erfasst, und dass eine Therapie, die diese Trennung nicht überwindet, zwar Lebensdauer verlängern kann, jedoch nicht immer entscheidend zur Lebensqualität beiträgt. Auf dieser Überlegung basiert unter anderem die psychosomatische Medizin, deren Erkenntnisse in den letzten Jahren auch zunehmend andere medizinische Fachgebiete durchdringen. Die Annahme, nur ein sog. holistischer Ansatz könne lebensverlängernd und lebensqualitätsverbessernd wirken, ist jedoch ganz entschieden als falsch zurückzuweisen. Die Anwendung holistischer Medizin als therapeutische Begleitmassnahme ist hingegen ausdrücklich zu empfehlen.
[Bearbeiten] Kritik
Kritiker der "holistischen" Medizin merken an, dass bei genauerer Betrachtung ausschließlich die Wissenschaftsmedizin ganzheitlich ist, denn nur in ihr kämen fundierte Kenntnisse über Körper und Psyche, Geist und Emotion in der Behandlung zur Anwendung. Als Gegenbewegung der Medizin werden esoterische Ansätze gesehen, die teilweise auch schamanische Techniken beinhalten. Der Begriff „ganzheitlich” und Sätze wie „der Mensch als Einheit aus Körper, Geist und Seele wird (wieder) ins Gleichgewicht gebracht” wird im esoterischen und alternativmedizinischen Kontext jargonartig verwendet, da tatsächlich eine ganzheitliche Betrachtung unterbleibt und lediglich die Sichtweise der jeweiligen paramedizinischen Richtung Anwendung findet.
Der Begriff „ganzheitlich” wird von manchen Therapeuten, ob aus dem "alternativen" oder dem ganzheitlich orientierten wissenschaftsmedizinischen Bereich kommend, auch aufgrund seiner Werbewirksamkeit in Anspruch genommen. Diese machen sich zunutze, dass die meisten Erkrankungen, weswegen Patienten sie aufsuchen, nicht bedrohlich sind und auch ohne therapeutisches Zutun von selbst vergehen können.
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Bezüglich der wissenschaftlichen Validierung der Anwendung von komplementärmedizinischen Heilmethoden gibt Daniel J. Benor (2001) an, dass 64 von 191 Studien statisch effiziente Werte aufwiesen.[1]
[Bearbeiten] Ganzheitlich hinsichtlich der Emotionen
Da zum Menschsein außer Körperlichem und Geistigem ganz wesentlich der emotionale Bereich gehört, ist Ganzheit auch hier ein günstiges Lebensprinzip. Wie zum Beispiel Schulz von Thun darlegt, ist das Integrieren der eigenen Gefühlswelt auch in Denk- und Entscheidungsprozesse vorteilhaft und dem Wohlbefinden förderlich. Zwar werden (unangenehme) Gefühle oft als sehr störend empfunden, doch sind sie ein wichtiges Signal für unerfüllte Grundbedürfnisse und ermöglichen einen besseren Umgang mit guten und schwierigen Situationen.
Andererseits nimmt durch Äußern von Gefühlen und Aufmerksamkeit für körpersprachliche Signale auch die Kommunikation an Qualität zu. Je intensiver eine zwischenmenschliche Beziehung ist, desto mehr kann die Begegnung an Tiefe gewinnen (meist auch an Freude) und lässt gegenseitiges Verständnis und Begegnungsbereiche zunehmen.
„Nebenbei” ist das Einüben dieser Ganzheitlichkeit für Ehe- und andere Paare ein gutes Mittel, die Beziehung zu stabilisieren, die Liebe wachsen zu lassen und Konflikte fruchtbringend auszutragen.
Zwar gilt dies auch für das Berufsleben, doch ist hier die Offenheit, über Emotionen zu sprechen, gegen das Risiko von Verletzungen abzuwägen. Auch Management-Seminare betonen immer wieder, wie sehr ein emotional-ganzheitlicher Umgang miteinander nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Arbeitsfreude und Leistungsfähigkeit vermehrt. Daher erwartet man von Führungskräften neben der Kompetenz vermehrt die so genannte emotionale Intelligenz.
[Bearbeiten] Ganzheitliches Denken (Debatte)
Ganzheitlicher Umgang erfordert eine komplexe, multilinear vernetzte, hoch-assoziative Denkweise, in der die Intuition als Motor eine wichtige Rolle spielt. Daraus ergibt sich, dass eine gewisse Intelligenz und Bildung zwar erforderlich, aber nicht hinreichend sind.
Aus der Fähigkeit zu diesem Denken eine weltanschauliche Überlegenheit abzuleiten, wäre wohl einseitig gedacht. Vorgeblich ganzheitliches Denken wähnt sich häufig auf Kriegsfuß mit „monolinearem” Kausaldenken. Dies ist zunächst zweifelhaft: Auch Kausaldenken funktioniert assoziativ und greift auf bisherige Erfahrungen und Erkenntnisse zurück. Es hat damit auch ein kreatives Potential, nur in einer effizienter auf schnelle Resultate ausgerichteten Fokussierung. Daher wäre Fokusdenken eine treffendere Bezeichnung.
Andererseits ist Ganzheitliches Denken in der Regel ebenfalls kausal. Wer also, wie es gegenwärtig vor allem im Umfeld von Frauenbewegungen und neuen sozialen Bewegungen Mode ist, „typisch männliches” Kausaldenken als „archaisch” diffamiert und „typisch weibliches”, vernetztes Denken als „moderner” betrachtet, der begeht selbst den von ihm belächelten Fehler: überspitzte Polarisierungen sind oft einseitig und unzutreffend.
Darüber hinaus wird damit eine gänzlich unangebrachte Gegensätzlichkeit aufgebaut, da beide Denkweisen ihre richtigen und falschen Momente haben. Ganzheitliches Denken gehört in Analyse- und Konzeptionsphasen, während eine „klare Linie” in Synthese-, Entscheidungs- und Umsetzungsphasen gehört. Nur beides zusammen, synergetisch kombiniert, führt zu optimalen Ergebnissen. Ganzheitliche Bedenken erst in Umsetzungsphasen anzumelden (ein häufiges Phänomen), kommt viel zu spät und ist vor allem dann kontraproduktiv, wenn kein oder ein zu spätes Resultat schlimmer wären, als ein falsches. Wo dies nicht eingesehen wird, liegen keine „höheren Erkenntnisse” vor, sondern eher „niedere Instinkte”: Dominanz ist da im Fokus.
Ein berechtigter Einwand in diesem Zusammenhang ist, dass auch Entscheider verstehen und akzeptieren müssen, Probleme nicht allein lösen zu können, und die rechtzeitige Einbeziehung vernetzter Denkweisen in konzeptionelle Phasen organisatorisch ermöglichen und fördern müssen.
[Bearbeiten] Ganzheitlichkeit in der Pädagogik
- Hauptartikel: Ganzheitlichkeit (Pädagogik)
Ganzheitlichkeit bezieht sich in der Pädagogik auf einen neurophysiologisch fundierten, integrativen Bestandteil handlungsorientierter Konzepte. Sie geht von der Reformpädagogik aus und betont neben den traditionell privilegierten kognitiv-intellektuellen Aspekten auch körperliche sowie affektiv-emotionale Aspekte. Ganzheitliches Lernen ist Lernen mit allen Sinnen, Lernen mit Verstand, Gemüt und Körper.
[Bearbeiten] Quellenangaben
- ↑ Spiritual Healing: A Unifying Influence in Complementary/Alternative Therapies in »Wholistic Healing Research«, Januar 2005, ref.: Benor, Daniel J, Healing Research: Volume I, (Popular edition) Spiritual Healing: Scientific Validation of a Healing Revolution, Southfield, MI: Vision Publications, 2001 [1]
[Bearbeiten] Literatur
- A. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. Die Geschichte biologisch-psychologischer Ganzheitslehren. Vom Kaiserreich bis zur New-Age-Bewegung. Rowohlt, New Jersey und Reinbek 2002 (zur Geschichte des Ganzheitsbegriffs in Deutschland)
- Gabriele Stier: Verwendungsweisen des Begriffs der „Ganzheitlichkeit” in der Pädagogik. Eine Problematisierung. Dissertation, Universität Passau 2002 (Volltext)
- Christoph Zollinger: Die Debatte läuft. Ganzheitliche Thesen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. (Verlag Via Nova, ISBN 3-86616-006-2)
[Bearbeiten] Siehe auch
- Flow
- Integrales Management
- Integrales Denken
- Holismus
- Zeitschrift für Ganzheitsforschung