Geltow
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Geltow ist ein Ortsteil der Gemeinde Schwielowsee im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit 3.559 Einwohnern und einer Fläche von 930 ha.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Geltow fand erstmalig Erwähnung in einer in Merseburg ausgestellten Schenkungsurkunde vom 3. Juli 993. Kaiser Otto III. überließ seiner Tante Mathilde, der Äbtissin des Stiftes Quedlinburg, zwei Plätze, Potsdam und Geltow genannt, gelegen in der Hevellon geheißenen Provinz und auf der Insel Chotiemnizles gelegen ( lat. […] duo loca poztupimi et Geliti dicta in provincia Hevellon Vocata et in insula Chotiemnizles sita […] )[1] . Vor Ort gefundene Steinbeile und Gefäßscherben aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. lassen eine Besiedlung des Ortes schon seit der Steinzeit vermuten. Weitere Fundstücke aus Bronze geben Hinweise auf erste Handelsbeziehungen im 18. Jahrhundert v. Chr.. Um die Havel überqueren zu können, wurde aus Pferdeschädeln eine Furt im Wasser gepflastert. Der Pferdeschädel im Gemeindewappen findet hier seine Erklärung. Der Fund zahlreicher römischer Münzen aus der Zeit Gordianus III. Pius lässt die Bedeutung des Havelübergangs als überregionaler Handelsweg erkennen. Nach den Semnonen, deren Stammesangehörige zum größten Teil vor den Hunnen nach Südwestdeutschland flohen, besiedelten im 6./7. Jahrhundert Slawen das Gebiet. Die aus dem Bund der Liutizen stammenden Neusiedler wurden von späteren deutschen Eroberern „Heveller“ genannt. Der Ortsname findet ebenfalls in dieser Zeit seinen Ursprung und ist aus dem Wort Jelity oder Jelito hervorgegangen, was so viel wie Dickdarm, Blutwurst oder auch Dummkopf bedeuten kann. Andere Quellen übersetzen Jelity mit lehmartig. Nach unterschiedlichen Schreibweisen im Laufe der Jahrhunderte ist ab etwa 1684 der Name Geltow bekannt.
Eine zweite schriftliche Erwähnung findet Geltow in einer Urkunde von 1242, in der die Markgrafen Johann und Otto die Übereignung von vier Hufen Land durch Ritter Baldewin (oder Balduin) Trest, Besitzer von Jelt, an das Kloster Lehnin bestätigen. Nach verschiedenen Besitzerwechseln, deren Eigentümer unter anderem Adelsfamilien wie von der Gröben (genannt 1375) und von Hake (von 1441 bis 1663) waren, kaufte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm den Ort einschließlich umliegender Ländereien von den Hakes und gliederte den Gutsbesitz in das Amt Potsdam ein. 1747 übertrug Friedrich der Große das Gutsvorwerk dem Potsdamer Militärwaisenhaus in Erbpacht, mit der Order, „die Kinder im Potsdamer Waisenhaus mit Nahrungsgütern zu versorgen.“ Da das Direktorium des Waisenhauses in Bornstedt lag, kam das Vorwerk Geltow 1747 zum Amt Bornstedt, wo es bis 1826 blieb. Neben dem alten Geltow entstand ebenfalls in der Regierungszeit und auf Kosten Friedrichs des Großen zwischen 1776 und 1778 eine Kolonistensiedlung für 16 preußische Kriegsinvaliden am Ortsausgang Richtung Potsdam. Für die Neusiedler und die meisten im Jahr 1772 gezählten 166 Dorfbewohner, entwickelte sich in dieser Zeit der Obst- und Gemüseanbau als Existenzgrundlage. In seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg beschreibt Theodor Fontane später den Unterschied zwischen Alt und Neu Geltow: „Der dörfliche Charakter hatte aufgehört, Sommerhäuser waren an seine Stelle getreten; klein, einstöckig, aber von großer Sauberkeit und überall da, wo ein Vorgarten war oder wo sich Caprifolium- und Rosenbüsche um Tür und Fenster zogen, voll Anmut und malerischen Reiz.“ [2] Erst 1912 wurden die beiden Ortsteile Alt Geltow und Neu Geltow zusammengelegt.
Von 1872 bis 1939 gehörte die Gemeinde zum Kreis Ost-Havelland, anschließend bis 1952 zum Kreis Potsdam-Land und seit 1994 im Rahmen der Kreisreform zum 1993 entstandenen Landkreis Potsdam-Mittelmark.
[Bearbeiten] Bauwerke
[Bearbeiten] Die Dorfkirche
Im Laufe der Jahrhunderte sind in Alt Geltow drei Kirchen errichtet worden. Die Erbauung des ersten Feldsteinkirche ist unbekannt. Das zweite Gotteshaus aus Fachwerk entstand 1727 in der Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., der die Kosten und das Patronat übernahm. In einer Chronik von 1755 schrieb der damalige Pfarrer: „[...] den Abriß der sehr alten, auf Feldsteinen erbauten Kirche im Jahre 1727; und eine größere nebst einem Turm von Holz wurde erbaut. Der Turm aber, der dem Wetter sehr ausgesetzt steht, ist bald angefault und 1750, den 24. Juni, vom Gewitter gesplittert, ohne entzündet zu werden, so daß derselbe 1751 hat abgebrochen werden müssen. 1755 wurde ein neuer massiver Turm erbaut und hat 800 und etliche Reichsthaler gekostet.“ Das Innere beschreibt Theodor Fontane: „[...] wir treten ein und halten Umschau in dem schlichten Raume: weiße Wände, eine mit Holz verschlagene Decke und hart an der Giebelwand eine ängstlich hohe Kanzel, zu der eine steile, gradlinige Seitenstiege führt.“ 1885 war diese Kirche baufällig und wurde abgerissen. Bereits im Oktober des selben Jahres begannen die Arbeiten für ein neues Kirchengebäude im neugotischen Stil. Am 22. Dezember 1887 fand die feierliche Einweihung statt. Einfluss auf das Aussehen nahm Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere so genannte „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III. und dessen Gemahlin Victoria. Am 9. Juni 1888, neun Tage vor seinem Tod, besuchte er mit seiner Familie zum letzten Mal das Geltower Gotteshaus. Theodor Fontane behandelte dieses Ereignis in seinem Gedicht „Kaiser Friedrich III. letzte Fahrt“, ebenso bezeugen die Unterschriften der Hohenzollern in der alten Kirchenbibel die Anwesenheit der Kaiserfamilie. Auf Wunsch des damaligen Kronprinzen weist das Gebäude Ähnlichkeiten mit der Kirche in Terlan, Südtirol, auf. Der schlanke Turm mit seinem spitzen Helm, ein Seitenschiff und die Sakristei sind am Hauptschiff seitlich angefügt. Die roten Backsteinmauern haben eine Gliederung durch Bänder aus grün glasierten Ziegeln und das Kirchendach ein farbiges Muster aus roten, grünen, gelben und braunen Dachpfannen.
[Bearbeiten] Baumgartenbrücke
Vor dem Bau der ersten Brücke gab es nach der Furt lediglich eine Fährverbindung über die Havel. 1676 ließ der Große Kurfürst eine 120 Meter lange Holzbrücke erbauen, die eine Vorrichtung zum öffnen des Mittelteils hatte, um dem Schiffsverkehr die Durchfahrt zu ermöglichen. Als Teil der Verbindungsstrecke zwischen Königsberg nach Kleve überquerte in späterer Zeit die Postkutsche diese Havelbrücke zweimal wöchentlich, an deren Poststation auch Jacob Grimm am 2. November 1840 als Fahrgast vor der Weiterfahrt eine kurze Rast einlegte. Theodor Fontane widmete nicht nur den Ortsteilen Alt und Neu Geltow eine eigene Erzählung, sondern auch Baumgartenbrück, in der er vermerkte, dass Bomgarden-Brück [...] seit historischen Tagen [...] immer ein Punkt von Bedeutung war, ein Punkt, dessen Wichtigkeit gleichen Schritt hielt mit dem industriellen Aufblühen der Schwielow- und Havel-Ufer. Die Einnahmen verzehnfachten sich, und wenn früher ein einfacher, altmodischer Zoll gezahlt worden war, um die Landreisenden trocken von einem Ufer zum anderen zu bringen, so kamen nun die viel einträglicheren Tage, wo, neben dem Brückenzoll für Pferd und Wagen, vor allem auch ein Brücken-Aufzugzoll für alle durchpassierenden Schiffe gezahlt werden mußte. Als vielbefahrenes Teilstück der Reichsstraße 1, der heutigen Bundesstraße 1, überspannte ab 1909 die erste stählerne Bogenbrücke die Havel. An ihren Bogenenden wurden auf beiden Seiten ab 1910 schmückende Tierfiguren des Bildhauers Stephan Walter aufgestellt „jeweils rechts ein Fischotter und links ein Windhund, aus welcher Richtung man auch kam [...]“.[3] Ende des Zweiten Weltkriegs, am 30. April 1945, sprengten Soldaten der deutschen Wehrmacht die Brücke, um den heranrückenden alliierten Truppen den Übergang zu erschweren. Eine nach dem Krieg vorübergehend mit Muskelkraft eingesetzte Seilfähre ersetzten Pioniere der Sowjetarmee durch eine hölzerne Brücke. Das Provisorium wurde 1950 wieder entfernt, und aus noch erhaltenen Trägern zweier anderer zerstörter Brücken entstand die vierte Baumgartenbrücke. Die Tierfiguren konnten jedoch nicht mehr aufgestellt werden, da sie von Sowjetsoldaten demontiert waren. Dem erhöhten Verkehrsaufkommen hielt die schmale Brücke kaum stand, zumal sie in ihrer Stabilität nach einem Panzerunfall stark beeinträchtigt war, so dass sie in den 1980er Jahren nur noch einspurig mit Ampelregelung befahrbar war. 1989 wurde auch sie durch eine breite, geschwungene Stahlbetonbrücke ersetzt. Mit Hilfe der Landesregierung Brandenburgs kamen die beiden Skulpturen der Fischotter am 6. September 1994 wieder an ihren historischen Platz zurück und zieren das Ufer unterhalb der Brücke. Die Figuren der Windhunde sind vorerst unauffindbar.
[Bearbeiten] Literatur
- Gemeindeamt Geltow (Hrsg.): Geliti – Geltow. Festschrift: 1000 Jahre Geltow, heimatgeschichtliche Betrachtungen, 1993.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Lateinischer Textausschnitt aus der Schenkungsurkunde Ottos III. von 993
- ↑ Theodor Fontane: Neu Geltow. In: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Dritter Teil: Havelland – Der Schwielow und seine Umgebungen.
- ↑ A. Herrmann: Die Baumgartenbrücke im Wandel der Zeiten. In: Festschrift Geltow, 1993, S. 50
[Bearbeiten] Weblinks
- Theodor Fontane:
- Gedicht: Kaiser Friedrich III. letzte Fahrt
- Aus Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Dritter Teil: Havelland – Der Schwielow und seine Umgebungen:
Koordinaten: 52° 21' 54" N, 12° 57' 49" O