Gloriosa (Erfurter Dom)
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Die Maria Gloriosa im Erfurter Dom ist die größte frei schwingende mittelalterliche Glocke weltweit. Sie wiegt etwa 11 450 kg bei 2,50 m Höhe, hat einen Durchmesser von 2,58 m und wurde im Jahre 1497 vom holländischen Meister Gerhard van Wou aus Kampen auf dem Erfurter Domberg gegossen. Der Nominal der Gloriosa ist e° +3/16.
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[Bearbeiten] Besonderheiten
Lange geplant und bis in die entfernteste Terz ihres Nachhalls von dem niederländischen Glocken- und Geschützgießer Gerhardus Wou de Campis präzise im Vorfeld berechnet, ist sie bis heute zum Vorbild für alle Glockengießer geworden. Ihre Perfektion - bis zu 50 messbare Obertöne sollen ihren weichen Klang bewirken - ist bis heute unerreicht geblieben. Ihr Nachklang dauert nach der letzten Reparatur wieder über sechs Minuten. Mit dieser phänomenalen Glocke steht die Glockengießkunst auf einem absoluten Höhepunkt.
Die Rippe der Gloriosa diente auch als Vorlage für andere Großglocken (z.B. „Gloriosa“ im Kaiserdom zu Frankfurt oder „St. Petersglocke“ im Kölner Dom). Gelegentlich wird sie daher „Mutter aller Glocken“ genannt.
[Bearbeiten] Läuteantrieb
Bevor in den 1920er Jahren eine elektrische Läutemaschine eingebaut wurde, musste die Gloriosa von Hand geläutet werden, was bedeutete, dass gleich zwei Mannschaften zu je acht Männern antreten mussten. Da diese auch jedes mal bezahlt werden mussten, hielt man sich mit dem Läuten der Gloriosa zurück, wodurch die Glocke geschont wurde. Zur Läutemaschine gehören heute zwei Elektromotoren mit je 1,6 kW Nennleistung, die beiderseits der Glocke in Fußbodennähe montiert sind.
[Bearbeiten] Reparaturen
Nachdem die Gloriosa am Heiligen Abend 1984 infolge eines bis dahin unbemerkten Risses sprang und ihren Dienst versagte, wurde sie 1985 von Hans Lachenmeyer im Turm geschweißt (geschweißte Rißlänge 70 cm bei 19 cm Wandstärke). Zur Durchführung dieser Arbeiten mussten sämtliche Holzteile aus dem Turm ausgebaut werden. Es wurde ein transportabler Ofen im Turm montiert.
Der verantwortliche Glockensachverständige Dipl.-Ing. Kurt Kramer urteilt nach der Schweißung (einer deutsch-deutschen Gemeinschaftsarbeit): „Die Gloriosa hat nicht nur ihre verloren geglaubte Stimme wieder, sie klingt vielmehr schöner, als je ein heute Lebender gehört hat“.
Die Nachhallzeit, ein wichtiger Glocken-Parameter, die zuvor gut dreieinhalb Minuten dauerte, lag nach der Schweißung bei fünf Minuten.
Leider war diese Reparatur nicht von Dauer: Im Zuge der Renovierung des Erfurter Doms wurde die Gloriosa am 8. Juli 2004 wegen eines kaum 8 cm langen Risses vorsorglich zur Reparatur ausgebaut. Damit hatte die Gloriosa zum ersten Mal seit 500 Jahren den Turm verlassen. Bei einer gründlichen Untersuchung der Glocke in der Glockenschweißerei Lachenmeyer in Nördlingen wurde ein 40 cm langer neuer Haarriss entdeckt. Die Reparatur kostete rund 170.000 Euro. Im September 2004 kehrte die Glocke wieder in den Erfurter Dom zurück. Zur Entlastung der Schweißnähte wurde sie beim Wiedereinbau unter ihrem Joch um ca. 30° gegenüber der ursprünglichen Ausrichtung gedreht. Am 8. Dezember 2004 wurde die Glocke das erste Mal nach ihrer Reparatur wieder geläutet.
[Bearbeiten] Schonung
Nach der aufwändigen letzten Reparatur soll ein vom Dombauamt verordnetes Schonprogramm der Entstehung neuer Risse vorbeugen, so wie es per "Handläuten" über Jahrhunderte gelang. Zunächst wurde der Läutewinkel von ca. 60° auf 45° reduziert. Im März 2006 ist nachträglich ein neuer Klöppel eingebaut worden, der an den verringerten Läutewinkel angepasst ist. Die Angaben zu seiner Masse liegen zwischen 365 und 385 kg, sein Vorgänger wog weniger als 350 kg. Aufzug und Einbau erfolgten am 22. März und bereits am nächsten Tag ein sehr zufriedenstellendes Probeläuten. Offiziell läutete die Glocke mit dem neuen Klöppel erstmals zur Ölweihmesse am 11. April 2006.
Im Rahmen des Schonprogramms ist die Gloriosa pro Jahr planmäßig nur noch an acht hohen kirchlichen Feiertagen und Festen zu hören, zuvor waren es noch 17. Darüber hinaus gibt es besondere Anlässe, zu denen u.a. Weihesakramente zählen. Die nächsten Läutetermine laut Läuteordnung sind:
- Ölweihmesse, 03. April 2007 (Dienstag), gegen 13:00
- Ostersonntag, 08. April 2007, gegen 10:45
- Priesterweihe, 26. Mai 2007 (Pfingstsamstag), gegen 11:00
- Pfingstsonntag, 27. Mai 2007, gegen 11:15
- Mariä Himmelfahrt, Patronatsfest des Domes, 15. August 2007 (Mittwoch), vor 18:00
- Bistumswallfahrt, 16. September 2007, gegen 15:00
- Ökumenische Martinsfeier (Vorabend des Martinstages) auf den Domstufen, 10. November 2007 (Samstag), vor 18:00
- 1. Weihnachtstag, 25. Dezember 2007, gegen 10:45
- Neujahr, 01. Januar 2008, gegen 10:45
Bei Außentemperaturen unter -10°C wird die Gloriosa nicht geläutet.