Kapp-Putsch
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Der Kapp-Lüttwitz-Putsch oder Kapp-Putsch war das wichtigste innenpolitische Ereignis der Weimarer Republik im Jahre 1920. Er brachte das Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges und zwang die Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Die meisten Putschisten waren aktive oder ehemalige Angehörige der Reichswehr.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Der Putsch richtete sich gegen die von den Parteien SPD, Zentrum und DDP getragene Regierung des Reichskanzlers Gustav Bauer (SPD), die die Annahme des Versailler Vertrages durchgesetzt hatte.
Diese Regierung versuchte zwar, die Erfüllung der einzelnen Bestimmungen des Versailler Vertrages in der Durchführung abzuschwächen, gleichwohl musste sie ihm im Wesentlichen entsprechen, nachdem er am 10. Januar 1920 in Kraft getreten war. Das hieß: Neuorganisation und Umbau der Reichswehr auf die Stärke von 100.000 Mann; Auflösung der Freiwilligen- und Wehrverbände, sogenannter Freikorps; Entwaffnung der Bevölkerung; Auslieferung der Kriegsverbrecher und Beginn der Reparationsleistungen. Bei Zuwiderhandlungen drohte die Besetzung des Reiches.
Große Teile des Offizierskorps der Reichswehr und die Angehörigen der paramilitärischen und rechtsorientierten Verbände wollten dies nicht hinnehmen. Diese Haltung fand auch in weiten Teilen der Bevölkerung Unterstützung.
In dem Kommandierenden General des Reichswehrgruppenkommandos I in Berlin, Freiherr Walther von Lüttwitz, fand sich ein hoher Offizier bereit, die militärische Führung zu übernehmen. Gleichzeitig zeigte sich der Reichswehrminister Gustav Noske – und mit ihm Reichspräsident und -regierung – von den Putschvorbereitungen unberührt. Politische und allgemeine Polizei spielten Putschgerüchte herunter.
Die Reichsregierung selbst bemühte sich, den Abbau der bewaffneten Kräfte hinauszuzögern, denn sie sah sich auf die Truppen angewiesen, um der heftigen sozialen Unruhen im Reich Herr zu werden. So endeten etwa im Januar 1920 vor dem Reichstag Auseinandersetzungen um das Betriebsrätegesetz gewaltsam. Zudem war die Frage der Grenzen des Reiches im Osten noch nicht geklärt; polnische Nationalisten versuchten hier im Vorfeld anstehender Referenden Tatsachen zu schaffen.
[Bearbeiten] Hintergrund
Gründe für den Putsch sind die negative Einstellung gegenüber der jungen Republik sowie die Frustration der nun in etwa 120 Freikorps mit ungefähr 250.000 organisierten ehemaligen Soldaten. Außerdem drohte gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages die Entwaffnung und Entlassung aus den Verbänden. Die Verringerung der Heeresstärke auf 100.000 Soldaten bedeutete eine Verringerung um etwa 400.000 Soldaten.
Weiterhin kämpften insbesondere die sogenannten Baltikum-Freikorps (aus denen sich die Marinebrigade Ehrhardt zu einem wesentlichen Anteil zusammensetzte) auch nach dem Krieg unter Duldung der Alliierten gegen die vorrückenden bolschewistischen Truppen. Nach der Eroberung und Befreiung Rigas im Mai 1919 galt der Auftrag als erfolgreich erfüllt. Der folgende Abzugsbefehl wurde seitens der Freikorps ignoriert. Erst als die deutschen Behörden den Nachschub unterbrachen, gaben die Freikorps auf, jedoch mit dem Gefühl, von der eigenen Regierung verraten worden zu sein. Diese Enttäuschung trifft sich mit der 1919 gegründeten Nationalen Vereinigung, einer Nachfolgeorganisation der Deutschen Vaterlandspartei aus dem Ersten Weltkrieg.
[Bearbeiten] Chronologie
- Am 29. Februar 1920 löst Reichswehrminister Gustav Noske auf Anweisung der Entente die 6.000 Mann starke Marinebrigade von Hermann Ehrhardt sowie das Freikorps Loewenfeld auf. Diese Einheiten bilden die Elite der bewaffneten Verbände und waren als Rückhalt im Falle einer Eskalation des Polnisch-Sowjetischer Krieges auf deutsches Territorium vorgesehen.
- Am 10. März spricht General von Lüttwitz bei Reichspräsident Ebert vor und fordert ultimativ die Rücknahme des Auflösungsbefehls. Gleichzeitig trägt er verschiedene politische Forderungen wie die sofortige Auflösung der Nationalversammlung, Neuwahlen zum Reichstag und die Ablösung des Kommandeurs der vorläufigen Reichswehr, General Walter Reinhardt, vor. Ebert weist im Beisein von Noske diese Forderungen ab. Im Gegenzug legt Ebert General von Lüttwitz den Rücktritt nahe.
- In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920 marschieren meuternde Offiziere unter dem Kommando des kurz zuvor abgesetzten Generals von Lüttwitz mit ihren Truppen auf Berlin. Viele Soldaten tragen als Ausdruck ihrer völkischen Gesinnung ein weiß gemaltes Hakenkreuz am Helm. Das Vorgehen erfolgt zögerlich, so dass die Regierung Gelegenheit erhält, zu flüchten.
- Am Vormittag des 13. März rufen der SPD-Reichsminister und der SPD-Parteivorstand zum Generalstreik auf; dem schließen sich am Nachmittag der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) und die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltengewerkschaften (AfA) an. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) spricht sich zwar gegen den Putsch aus, fordert jedoch die Proletarier zunächst auf, mit der Teilnahme an Aktionen noch zu warten.
- In einer Besprechung zwischen Noske, Reinhardt und General von Seeckt spricht sich Reinhardt für den Einsatz regierungstreuer Truppen aus. Seeckt, der keine Kommandogewalt über Truppen hat, spricht sich dagegen aus. Das angebliche Zitat von Seeckt, Truppe schießt nicht auf Truppe bzw. Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr ist so nicht belegt. Er handelte aber sinngemäss danach. Reichswehrminister Gustav Noske trifft allerdings keine Entscheidung.
- Die meuternden Truppen proklamieren den ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp als Reichskanzler. Mit beteiligt am Putsch sind: der ehemalige Berliner Polizeipräsident Traugott von Jagow, Waldemar Pabst und der Pfarrer und DNVP-Politiker Gottfried Traub.
- Teile der Reichswehr insbesondere in den östlichen und nördlichen Teilen des Reiches sprechen sich für Kapp aus. Im südlichen Teil bekennt sich die Reichswehr dagegen zur Regierung Gustav Bauer.
- Das Kabinett Bauer flieht größtenteils nach Dresden und von dort aufgrund der unklaren Haltung des dortigen Generals von Maercker weiter nach Stuttgart.
- Die Mitglieder der DNVP solidarisieren sich mit den Putschisten und unterstützen zum Teil aktiv den Umsturzversuch. Auch Teile der DVP sympathisieren mit den Putschisten, die Parteiführung unter Stresemann versichert jedoch der Reichsregierung ihre Unterstützung.
- Am 14. März korrigiert die KPD ihre Haltung vom Vortag und ruft zur Beteiligung am Generalstreik auf. Dies liegt z.T. auch daran, weil die KAPD mit ihrer Kritik an der KPD-Politik immer mehr Zulauf bei den Arbeitern bekommen.
- In Thüringen, Sachsen und im Ruhrgebiet (Ruhraufstand) versuchen linksgerichtete Gruppen (u.a. KAPD) den Generalstreik als "proletarische Revolution" voranzutreiben.
- Es gelingt den Putschisten in den folgenden Tagen nicht, sich an der Macht zu etablieren. Sie finden nicht ausreichend Unterstützung und stoßen in der Berliner Ministerialverwaltung auf Widerstand. Zudem fehlt es den Aufständischen an Einigkeit über ihre eigentlichen Ziele. Der Putsch scheitert, bevor der Generalstreik anfängt Wirkung zu zeigen.
- Am 17. März schließlich flieht Kapp nach Schweden. Für wenige Stunden ernennt sich von Lüttwitz zum Reichskanzler. Der Putsch ist nach vier Tagen beendet. Lüttwitz verließ begleitet von Erich Ludendorff, den die Putschisten mehrfach zur Beratung eingeladen hatten, die Reichskanzlei.
[Bearbeiten] Folgen
Im Verlauf des Putsches kamen etwa 2.000 Zivilisten, vor allem Arbeiter, ums Leben. Ungefähr 200 Personen wurden standrechtlich erschossen.
Weil die Regierung die Wehrverbände wie die Brigade Ehrhardt nach der Flucht Kapps gegen die weiter streikenden Arbeiter zu Hilfe rief, konnten sie noch eine Zeit lang weiter bestehen. Die ebenfalls eingesetzte, schwer bewaffnete Sicherheitspolizei (Sipo) setzte Bomben aus Flugzeugen und schwere Maschinengewehre zur "Aufstandsbekämpfung" ein.
Von Seeckt wurde unter der durch den Sozialdemokraten Hermann Müller geführten neuen Reichsregierung zum neuen Chef der Heeresleitung ernannt, der er bis 1926 blieb.
Aus den Reichstagswahlen kurz darauf gingen die extremen Parteien deutlich gestärkt hervor.
[Bearbeiten] Spuren
- Denkmal von Walter Gropius errichtet am 1. Mai 1922 in Weimar für eine Arbeiterin und acht Arbeiter.
- Friedhof Stöcken (Hannover) Abteilung 64 A: 1-8 und 13 (14 Opfer des Kapp-Putsches).
[Bearbeiten] Literatur
Sachbücher
- Hagen Schulze: Freikorps und Republik 1918-1920 (Militärgeschichtliche Studien 8), Boppard am Rhein 1969.
- Jörg Berlin: Lynchjustiz an Hauptmann Berthold oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Hamburg, in: Ders. (Hrsg.): Das andere Hamburg, Pahl-Rugenstein, Köln 1982, ISBN 3-7609-0654-0
- Karl Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur. Dokumente zur Gegenrevolution. Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1920
- James Cavallie, Ludendorff und Kapp in Schweden. 1. Auflage, Frankfurt am Main 1995. (umfassende Abhandlung zu den Ereignissen in Berlin, den Hintergründen den Hauptverschwörern, sowie den Ereignissen nach dem Putsch)
- Johannes Erger: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik., Droste, Düsseldorf 1967
- Erwin Könnemann, Hans-Joachim Krusch: Aktionseinheit contra Kapp-Putsch, Deutscher Verlag der Wissenschaft, Berlin (DDR) 1972 (marxistisch-leninistische Einschätzungen, zuverlässig in Details, eine Fundgrube für Dokumente und Bilder)
- Erwin Könnemann, Gerhard Schulze (Hrsg.): Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorf-Putsch. Dokumente. München 2002. (umfassende Quellensammlung)
- Gabriele Krüger: Die Brigade Ehrhardt, Hamburg 1971
- Erhard Lucas: Märzrevolution 1920. Verlag Roter Stern. Frankfurt/M. 1983 (sehr detailliert zum Ruhrgebiet)
- 1. - Vom Generalstreik gegen den Militärputsch zum bewaffneten Arbeiteraufstand, ISBN 3-87877-075-8
- 2. - Der bewaffnete Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet, ISBN 3-87877-064-2
- 3. - Verhandlungsversuche und deren Scheitern, ISBN 3-87877-085-5
- Hans J. Reichardt: Kapp-Putsch und Generalstreik März 1920 in Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann, Berlin 1990, ISBN 3-87584-306-1
- Klaus Theweleit: Männerphantasien 1 + 2, Piper, München 2000, ISBN 3-492-23041-5 (enthält "Frauen, Fluten, Körper, Geschichte" und "Männerkörper")
- Erich Ludendorff: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Meine Lebenserinnerungen von 1919 bis 1925, München 1940.
Belletristik
- Ernst von Salomon: Die Geächteten. Roman, Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-499-10461-X