Operation Gomorrha
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Operation Gomorrha war der militärische Codename für eine Serie von Luftangriffen, die von der britischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg beginnend Ende Juli 1943 auf Hamburg ausgeführt wurden. Es waren die damals schwersten Angriffe in der Geschichte des Luftkrieges. Befohlen wurden diese Angriffe von Luftmarschall Arthur Harris, dem Oberbefehlshaber des Britischen Bomber-Command.
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[Bearbeiten] Namensgebung
Im Alten Testament galten die Städte Sodom und Gomorrha als die Städte der Sünder und Verbrecher, die Gott mit Regen aus Feuer und Schwefel bis auf die Familie Lot vollständig vernichtete.
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Den Luftangriffen ging eine Absprache zwischen den Westalliierten und Stalin voraus. Stalin hatte auf einer zweiten Front im Westen von Deutschland bestanden. Die Westmächte wollten diesen Angriff mit Bodentruppen allerdings noch nicht einleiten und hatten als „Kompromiss“ die Bombardierung deutscher Städte angeboten. Die zweite Front wurde erst mit der Operation Overlord am 6. Juni 1944 eröffnet.
Voraussetzung für die Operation Gomorrha waren die von den Alliierten erstmals eingesetzten Täuschungstechniken (Codename Windows) gegen die Radaranlagen des deutschen Luftverteidigungssystems. Mit Stanniolstreifen, die in großen Massen abgeworfen wurden und ein überdimensionales Radarecho erzeugten, konnten die deutschen Radaranlagen nahezu wirkungslos gemacht werden.
[Bearbeiten] Das Bombardement
Im Rahmen der Operation Gomorrha kam es zu 5 Nachtangriffen durch die Royal Air Force und 2 Tagesangriffen durch die USAAF.
Die Angriffe begannen in der Nacht vom 24. Juli auf den 25. Juli 1943 mit der Bombardierung Hamburgs durch 791 britische Bomber. Durch Fehlwürfe der Zielmarkierungen (Zielpunkt war die St.-Nikolai-Kirche im Stadtkern) erstreckten sich die Schäden über ein recht weites Gebiet. Trotzdem kam es in der Innenstadt, in Hoheluft, Eimsbüttel und Altona zu ausgedehnten Flächenbränden. Auch einige nordwestliche Vororte wurden getroffen. Die Zahl der Toten schätzte die Luftschutzleitung auf etwa 1500 (...) Genauere Feststellungen für den ersten Großangriff hat es nicht gegeben.[1]
Am Nachmittag des 25. Juli griffen 40 amerikanische Bomber Ziele im Hamburger Hafen an. Es wurden mehrere Schiffe versenkt und einige Mineralölbetriebe getroffen.
Am 26. Juli griffen mittags 71 amerikanische Bomber erneut Ziele im Hamburger Hafen an. Dabei wurde auch das Kraftwerk Neuhof getroffen. Bei den beiden Tagesangriffen kamen etwa 150 Menschen ums Leben.[2]
Bei dem vierten Angriff im Rahmen der Operation Gomorrha handelte es sich um einen Störeinsatz von 6 britischen Maschinen vom Typ Mosquito in der Nacht vom 26./27. Juli, der nur unbedeutende Sachschäden anrichtete.
Bei dem zweiten Großangriff der Royal Air Force, in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943, wurden 739 Bomber eingesetzt. Der Schwerpunkt der Bombenabwürfe lag in den östlich der Innenstadt gelegenen Stadtteilen. Aus den Flächenbränden bildete sich unter den ungewöhnlichen Wetterumständen, die in dieser Nacht über Hamburg herrschten, ein Feuersturm. Die orkanartigen Winde, die am Boden auftraten, fachten die umliegenden Brände weiter an. Die Stadtteile Rothenburgsort, Hammerbrook und Borgfelde wurden fast völlig zerstört, auch in Hamm, Eilbek, Hohenfelde, Barmbek und Wandsbek gab es größere Zerstörungen. Etwa 30.000 Menschen verloren bei diesem Angriff ihr Leben.
Der dritte Großangriff der RAF, in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1943, kamen 726 Bomber zum Einsatz. Die Bomben fielen hauptsächlich auf die Stadtteile Barmbek, Uhlenhorst und Winterhude. Trotz ausgedehnter Flächenbrände kam es nicht zur Bildung eines Feuersturms, obwohl Barmbek ein ebenso dichtbesiedelter und -bebauter Stadtteil war wie Hammerbrook. Die Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden; eine Quelle geht hier von etwa 1000 Toten aus.[3]
Die RAF setzte für den siebten und letzten Angriff in der Nacht des 02./03. August 1943, im Rahmen der Operation Gomorrha 740 Bomber ein, die während eines schweren Gewitters Hamburg erreichten. Die Bombardierung erfolgte daher weitgehend ungezielt und es kam zwar zu mehreren Großfeuern (z.B. in der Hamburgischen Staatsoper), aber zu keinen Flächenbränden. Über die Zahl der Opfer dieses Angriffs ist nichts bekannt, sie dürfte aber deutlich geringer sein als beim ersten oder dritten Großangriff der RAF.
[Bearbeiten] Angriffstechnik
Zur Bombardierung wurde eine geeignete Mischung von Spreng- und Brandbomben verwendet. Die Sprengbomben deckten dabei durch ihre enorme Druckwirkung gezielt die Dächer der Häuser ab, damit der Phosphor der nachfallenden Brandbomben direkt in die Wohnungen und Treppenhäuser gelangen konnte. Die fast ausschließlich aus Holz bestehenden Treppenhäuser übertrugen die Flammen der Zimmerbrände in die unteren Geschosse und sorgten für das vollständige Ausbrennen der Gebäude.
Die Angriffe beschränkten sich immer auf einen Sektor der Stadt. Zentraler Ausgangspunkt war der 147,3 m hohe Turm der Nikolaikirche, deren Ruine nicht wieder aufgebaut wurde und heute als Mahnmal und Dauerausstellung zur Operation Gomorrha dient.
Die gebauten Bunker zum Schutz der Bevölkerung konnten zu dieser Endphase des Krieges nur einen bedingten Schutz bieten, da während des Krieges immer größere Bomben hergestellt wurden, denen die Bunker nicht standhalten konnten. Auch führte der Sauerstoffbedarf der Brände zum Erstickungstod vieler Eingeschlossener.
[Bearbeiten] Auswirkungen - Opferzahlen und Folgen
Die Anzahl der Opfer der Operation Gomorrha ist nicht genau festzustellen. Bis zum 30.11.1943 waren 31.647 Tote geborgen worden, von denen 15.802 identifiziert werden konnten. Die Hamburger Luftschutzleitung schätzte zu dieser Zeit die Gesamtzahl der Opfer auf 35.000, heutige Beiträge der Geschichtswissenschaft gehen von einer Zahl von ca. 34.000 Toten und 125.000 Verletzten in Folge der Operation Gomorrha aus. Eine ausführliche Darlegung, die sich mit den häufig anzutreffenden höheren Angaben der Opferzahl anhand des vorhandenen Quellenmaterials auseinandersetzt, findet sich in dem Buch von Hans Brunswig. [4]
Es zeigte sich, dass die vorhandenen Bunker und Schutzräume völlig unzureichend waren. Daher wurde eine Evakuierung eingeleitet, die in einigen Stadtteilen noch rechtzeitig durchgeführt werden konnte, z. B. in Barmbek. Alle Bewohner, die nicht unbedingt in der Rüstungsproduktion benötigt wurden, mussten die Stadt verlassen. Kinder wurden weitestgehend aus der Stadt auf das Land verschickt (Kinderlandverschickung), um sie in Sicherheit zu bringen. Insgesamt flohen nach den Angriffen ca. 900.000 Hamburger aus der Stadt in die "Aufnahmegaue" u.a. in Bayern und Ostdeutschland bzw. Polen.
Für die Hamburger blieb die Operation Gomorrha die tiefste Zäsur der Stadtgeschichte und ihrer individuellen Lebensgeschichte, über die Auswirkungen der Angriffe berichten die Betroffenen zum Teil bis heute, wie die zahlreichen Zeitungsserien, z.B. im Hamburger Abendblatt oder in der Hamburger Morgenpost, zeigen. Eine Zeitzeugin aus Hamburg beschreibt ihre Erlebnisse zum Leben während des Bombenkrieges wie folgt:
- "Nach dem ersten Angriff wollte keiner mehr im Bunker [Heiligengeistfeld] sein [...], weil es da grausam stank. Da lagen Berge von Scheiße [...] Die Fenster und Türen in unserer Wohnung waren zertrümmert. [...] [Deshalb] war alles, was wir hatten, geklaut worden. [...] Zwischen den Großangriffen kam immer mal ein 'kleiner' Angriff. [...] An den Bombenalarm hatte man sich gewöhnt. [...] Einige Leute haben sogar im Bunker übernachtet [auch wenn kein Alarm war]. Die kamen schon gar nicht mehr raus, weil sie Angst hatten." [5]
Des Weiteren erinnert sich die Zeugin an alliierte Flugblätter:
- "Ich hörte Bombengeräusche, hab meine Sachen gepackt und wollte zum Bunker laufen. Direkt neben mir schlug ein Paket Flugblätter auf. Ich steckte mir schnell ein paar in die Tasche und schon kam der Luftschutzwart und sagte mir, ich solle ihm das Paket geben. Ich gab sie ihm und bestätigte auf Nachfrage, dass ich sie nicht gelesen hatte. Später, als ich zu Hause und allein war, guckte ich mir die paar Blätter an. Sie waren auf Deutsch geschrieben und beinhalteten Warnungen, wo [von den Alliierten als nächstes] bombardiert werden würde." [5]
[Bearbeiten] Nachwirkungen bis heute - Städtebau und Gedenken
Die Folgen der Operation Gomorrha kann man heute noch sehen. So sind in dem damals vollständig zerstörten Stadtteil Hammerbrook, vorher ein überwiegend von Hafenarbeitern bewohntes Viertel, praktisch keine Wohngebäude und Altbauten mehr vorhanden. Stattdessen findet man hier fast ausschließlich Gewerbebauten, gläserne Bürohochhäuser und Autohändler („City Süd“).
Der Feuersturm hat weite Teile der alten Hamburger Bebauung vollständig zerstört, ehemalige Stadtviertelzentren wie die Altstadt Altonas existieren ebenso nicht mehr, ebenso diverse Baudenkmäler. Einstmals in Straßen voller Altbauten integrierte Gotteshäuser wie die St.-Nikolai-Kirche, St.-Michaelis-Kirche oder die St. Trinitatis-Kirche stehen heute weitgehend isoliert und sind nach dem Krieg zum Teil nur notdürftig wieder instandgesetzt worden. Plätze wie den Eimsbütteler Marktplatz gibt es nur noch als Namen auf Erinnerungstafeln oder Straßenschildern, während breite Verkehrswege wie die Ludwig-Ehrhard-Straße oder die südliche Holstenstraße einstmals dichtbebaute Wohngebiete waren. Der Öjendorfer Park, eine hügelige Landschaft im Osten Hamburgs im Stadtteil Billstedt, ist auf den abgeladenen Kriegstrümmern entstanden. Die letzten Bombenbrachen der Operation Gomorrha wurden erst Ende der sechziger Jahre beseitigt, zahlreiche Fleete, kleine Kanäle zwischen Elbe und Alster, wurden mit Trümmerschutt gefüllt und ab den 1950er Jahren mit Straßen überbaut, insbesondere in der Innenstadt. Die Nachkriegsbauten stehen meist quer zur Straße und bilden keine zusammenhängenden Baublöcke mehr, damit sollte ein weiterer Flächenbrand verhindert werden.
Für die Stadt Hamburg war die Operation Gomorrha nach 1945 nicht nur städtebaulich von zentraler Bedeutung, der Hamburger Feuersturm von 1943 hat zudem einen besonderen Platz im Gedächtnis der Stadt. Bis heute gibt es zu großen Jahrestagen der Luftangriffe offizielle Kranzniederlegungen des Senats und umfangreiche Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen in Museen oder Denkmalssetzungen. Geht man durch die vom Bombenkrieg getroffenen Hamburger Wohnviertel Barmbek, Borgfelde, Dulsberg, Eilbek, Rothenburgsort, Wandsbek, Altona und Eimsbüttel, so findet man an unzähligen Nachkriegsbauten Tontafeln mit dem Hamburger Wappen und der Inschrift „Zerstört 1943 - 1956 aufgebaut“ (die Jahreszahl 1956 ist in diesem Fall ein Beispiel). Die Tafeln wurden von der Hamburger Baubehörde für Wohnungen gestiftet, die von der öffentlichen Hand finanziert wurden und nach den Zerstörungen 1943 wieder aufgebaut wurden und sollten nicht zuletzt von dem ungebrochenen Wiederaufbaugeist der Hansestadt Ausdruck geben. [6]
Vor dem Einkaufszentrum an der „Hamburger Straße“ befindet sich ein Denkmal, das an die 370 Opfer erinnert, die am 30. Juli 1943 in einem Schutzraum eines nahen Kaufhauses an Kohlenmonoxidvergiftung starben. Das Denkmal wurde am 8. Mai 1985 eingweiht und befindet sich auf einer Verkehrsinsel inmitten einer vielbefahrenen Kreuzung. Diese Verkehrsinsel liegt im Bereich der ehemaligen Bebauung. Die heute insgesamt siebenspurige Straße bestand früher aus zwei getrennten Innenstadtstraßen mit je ca. 15 m Breite. Die letzten Ruinen im Mittelstreifen wurden Anfang der 1960er Jahre abgerissen. Auf dem Friedhof Ohlsdorf befindet sich das Massengrab der Bombenopfer mit dem Mahnmal von Gerhard Marcks. Dieses Denkmal wurde am 16. August 1952 unter starker Beteiligung der Bevölkerung und von politischen Vertretern, sowohl des Senats als auch des Bundes, eingeweiht und ist bis heute der Ort für die offiziellen Kranzniederlegungen des Senats.[7]
[Bearbeiten] Literatur
- Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, ISBN 3613023679
- Ursula Büttner: "Gomorrha" und die Folgen. Der Bombenkrieg. In: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hrsg.): Hamburg im "Dritten Reich", Göttingen 2005, S. 613 - 631. ISBN 3892449031
- Hans Erich Nossack: Der Untergang - literarische Verarbeitung der Luftangriffe.
- Joachim Szodrzynski: Die "Heimatfront" zwischen Stalingrad und Kriegsende. In: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hrsg.): Hamburg im "Dritten Reich", Göttingen 2005, S. 633 - 685. ISBN 3892449031
- Malte Thießen: Gedenken an "Operation Gomorrha". Zur Erinnerungskultur des Bombenkrieges von 1945 bis heute, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 46 - 61, ISSN 0044-2828
- Malte Thießen: Gedenken an "Operation Gomorrha". Hamburgs Erinnerungskultur und städtische Identität. In: Dietmar Süß (Hg.): Deutschland im Luftkrieg. Geschichte und Erinnerung, München 2007, ISBN 3486580841, S. 121 - 133.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Bombenangriff auf Braunschweig am 15. Oktober 1944
- Luftangriff auf Dresden
- Würzburgs Bombardierung am 16. März 1945
- Luftangriff auf Darmstadt
- Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg
[Bearbeiten] Weblinks
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- sehr ausführliche Informationen zur Operation vom Hamburger Abendblatt
- Bericht von Günter Stiller
- Aufsatz zum Gedenken an die "Operation Gomorrha" nach 1945 mit einigen Abbildungen
- Multimediale Informationen über die britischen Bombenangriffe auf Hamburg im Juli 1943
- Der Verein unter hamburg e.V. bietet Führungen durch Bunkerbauwerke aus dem 2. Weltkrieg an
- "Erstickende Trauer" Ralph Giordano erinnert an die Vernichtung seiner Vaterstadt Hamburg in der "Operation Gomorrha", Welt Online, 19. Juli 2003
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, Stuttgart 1978, ISBN 3879435707, S.206
- ↑ Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, Stuttgart 1978, ISBN 3879435707, S.210
- ↑ Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, Stuttgart 1978, ISBN 3879435707, S.259
- ↑ Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, Stuttgart 1978, ISBN 3879435707, S.400ff.
- ↑ a b John N.: Interview mit einer damals jugendlichen hamburger Zeitzeugin (* Mai 1926), die in den späteren Kriegsjahren im Rüstungsbetrieb arbeitete (will anonym bleiben), 24. und 28. Dezember 2005
- ↑ Malte Thießen: Gedenken an "Operation Gomorrha". Zur Erinnerungskultur des Bombenkrieges nach 1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 46 - 61, 2005, S. 46 - 61. ISSN 0044-2828
- ↑ Malte Thießen: Gedenken an "Operation Gomorrha". Hamburgs Erinnerungskultur und städtische Identität. In: Dietmar Süß (Hg.): Deutschland im Luftkrieg. Geschichte und Erinnerung, München 2007, ISBN 3486580841, S. 121 - 133.