Würzburgs Bombardierung am 16. März 1945
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die fränkische Stadt Würzburg gehört zu den Städten, die noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs bombardiert wurden. Dem schwersten Angriff am Abend des 16. März 1945 fielen etwa 5000 Menschen zum Opfer.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Mit der „Casablanca Directive“ vom 21. Januar 1943 wurde eine gemeinsame aufeinander abgestimmte Bomberoffensive von britischer und US-amerikanischer Luftwaffe beschlossen. Dabei übernahm die 8. US-Luftflotte die systematische Zerstörung von Infrastruktur und Schlüsselindustrien, vor allem jedoch der Treibstoffherstellung und -versorgung in Deutschland durch Tagesangriffe.
Der vom britischen „Ministry of Economic Warfare“ (MFW) erstellte sogenannte „Bomber Baedeker“ kennzeichnete Würzburg als Stadt von geringer Bedeutung für die deutsche Rüstungsindustrie. Dementsprechend wurde Würzburg mit den Zielcodechiffren „GH 646“ für ein Eisenbahnzentrum geringer Wichtigkeit und „GH 5566“ für Transportanlagen bedacht.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Würzburg bombardiert werden würde, waren mit dieser Einschätzung relativ gering, da Flächenbombardements sich nicht zur Ausschaltung von Verkehrs- und Transporteinrichtungen eigneten. Allerdings änderte sich diese Wahrscheinlichkeit entscheidend, als Winston Churchill Ende Januar 1945 vor seinem Treffen auf Jalta vom 4.–11. Februar 1945 mit Roosevelt und Stalin eine Änderung der Bombenkriegsstrategie veranlasste. Dieser forderte eine Wiederaufnahme der Flächenbombardements für Mittel- und Ostdeutschland, um die Versorgung der Ostfront zu stören und damit den Vorstoß der sowjetischen Truppen zu erleichtern. Außerdem sollte somit die Bevölkerung demoralisiert und die Verhandlungsposition gegenüber Stalin gestärkt werden.
Von der auf den 22. November 1944 datierten Liste von Zielen für allgemeine Flächenangriffe, die sogenannte „Füllziele“ darstellten, wurden sieben Zielstädte gestrichen und zusammen mit drei weiteren Städten auf eine spezielle Liste für die von Churchill geforderten Flächenbombardements in Mittel- und Ostdeutschland gesetzt. Auf der allgemeinen Flächenangriffszielliste befanden sich nunmehr nur noch sechs Zielstädte. Das „Combined Strategic Target Committee“ (dt.: Zielauswahlgremium) setzte daher elf neue Zielstädte auf eine neue Liste mit Datum vom 8. Februar 1945. Das Zielkomitee orientierte sich dabei u. a. an einer älteren Liste vom 23. Januar 1945 für potentielle Flächenangriffsziele. Auf dieser Liste war zum ersten Mal der Name Würzburg aufgetaucht. Von dieser älteren Liste wurde Würzburg an 10. Stelle in die neu ergänzte Liste für „filler targets“ vom 8. Februar 1945 aufgenommen. Der Stellvertreter von Arthur Harris, Luftmarschall Saundby, versah außerdem alle für Flächenbombardements geeigneten deutschen Städte mit einem sogenannten „fishcode“. Würzburg erhielt von 94 hierfür ausgewählten Städten die Bezeichnung „Bleak“ (Ukelei).
[Bearbeiten] Hauptangriff
Bis März 1945 lebte Würzburg noch weitgehend in der Illusion, von einem Großangriff verschont zu bleiben, da die Stadt viele Kliniken und Krankenhäuser hatte. Bahnhof und Bahngelände waren als Eisenbahnknotenpunkt bereits durch einen Präzisionsangriff der United States Strategic Air Forces (USSAF) am 23. Februar 1945 zerstört bzw. in ihrer Funktion erheblich beeinträchtigt worden.
Die Einwohnerzahl Würzburgs betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 110.000. Weiteres befanden sich rund 20.000 Menschen in den Lazaretten, Kasernen und ausgelagerten Dienststellen und etwa 10.000 Evakuierte aus bombardierten Städten in der Stadt, so dass zum fraglichen Zeitpunkt ca. 140.000 Menschen in Würzburg lebten.
Nach dem dritten kleineren Angriff vom 5. Februar 1945 ließ Gauleiter Otto Hellmuth als Reichsverteidigungskommissar am darauf folgenden Tag in der „Mainfränkischen Zeitung“, dem amtlichen Organ der NSDAP und der Staats- und Gemeindebehörden, eine deutliche Warnung im Stil einer von Ohnmacht geprägten NS-Propaganda verkünden: „Der hasserfüllte Feind ist hemmungslos in seinem Vernichtungswillen. Sein Luftterror macht weder Halt vor Frauen und Kindern noch vor alten Kulturstätten. Mehr denn je ist es unsere Pflicht, für den Ernstfall das Menschenmögliche vorzubereiten. Wir haben keinerlei Grund mehr anzunehmen, dass die Luftpiraten Würzburg verschonen.“
Beim „Bomber Command“ der RAF in High Wycombe – westlich von London – war inzwischen die Entscheidung gefallen, aufgrund der vorausgesagten günstigen Witterungsverhältnisse am 16. März 1945 das bis dahin noch relativ unzerstörte Würzburg als „filler target“ für einen Flächenangriff auszuwählen. Die von vielen Fachwerkbauten bestimmte Bausubstanz und die räumliche Enge der Altstadt im Kessel des Maintals versprachen die Auslösung eines Feuersturms. Beauftragt mit diesem Angriff wurde die „No. 5 Bomber Group“ mit Hauptquartier in Swinderby, die als eine der erfahrensten Einheiten der RAF galt. Beim Angriff auf Dresden am 12./13. Februar 1945 flog sie den ersten und entscheidenden Angriff.
Am 16. März 1945 starteten zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr etwa 500 Bomber des viermotorigen Typs „Avro Lancaster“ der „No. 1, 5 und 8 Bomber Group“ von ihren Fliegerhorsten zum Sammelpunkt Reading, westlich von London. Dort formierten sie sich zum Flug auf die Angriffsziele Würzburg und Nürnberg. Der Bomberstrom vermied aus Sicherheitsgründen einen Direktflug und bewegte sich auf einer gewundenen Route über die Mündung der Somme, Reims und die Vogesen auf sein Ziel zu. Der Rhein wurde südlich von Rastatt überquert. Gegen 21.00 Uhr passierten die für Würzburg bestimmten ca. 230 Bomber unter dem Kommando von Oberst Dean den Raum Lauffen am Neckar.
In Würzburg wurde bereits gegen 19.00 Uhr öffentliche Luftwarnung („Kleinalarm“) und gegen 20.00 Uhr Vollalarm ausgelöst. Aufgrund einer Meldung des Funk-Horchdienstes in Limburg a.d.L. an die Befehlsstelle des mainfränkischen Gauleiters wurde die Würzburger Bevölkerung um 21.07 Uhr über Radio zur äußersten Vorsicht aufgefordert und von dem höchstwahrscheinlich bevorstehenden Angriff in Kenntnis gesetzt.
Mit dem Abwurf der ersten Markierungsbomben um 21.25 Uhr begann der Angriff auf Würzburg. Als Angriffszeit „H“ (Hour) war für Würzburg 21.35 Uhr festgelegt worden. Die Zeit über dem Zielgebiet – d. h. über der gesamten Innenstadt – wurde mit „H + 7 min.“ = 21.42 Uhr vorgegeben. Dem Angriffszeitpunkt „H“ ging die Zielmarkierung voraus. Hierzu wurde das Stadtgebiet zum oben erwähnten Zeitpunkt („H - 9 min.“) durch die „627 Squadron“ aus „Mosquito“-Flugzeugen mit grünen Leuchtbomben markiert. Die Erleuchtung des Zielgebietes für die Bombenflugzeuge erfolgte dann durch „flares“ (Leuchtsignale) genannte Leuchtbomben, von der deutschen Bevölkerung auch als „Christbäume“ bezeichnet. Als Markierungspunkt für die Bomber wurden die Sportplätze an der Mergentheimer Straße in Höhe des Judenbühlweges bestimmt. Dieser Punkt wurde um 21.28 Uhr mit roten Zielmarkierungsbomben kenntlich gemacht. Die Bombardierung erfolgte sodann mit Zeitverzögerung in Sektoren („sector bombing“). Hierzu mussten die Bomber den Markierungspunkt überfliegen, eine speziell für jedes Flugzeug zugewiesene Flughöhe und Flugbahn einnehmen und ihre Bombenlast zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Überflug des Markierungspunktes auslösen. Das Ziel wurde also fächerförmig überfolgen und durch die unterschiedlichen Auslösezeiten für die Bombenlasten wurde eine flächendeckende Wirkung sichergestellt. Überwacht wurde der bis ins kleinste Detail geplante Ablauf vom so genannten „master bomber“.
Der Bombenhagel traf Würzburg in drei Wellen in der Zeit von 21.25 Uhr bis 21.42 Uhr. Die Dächer der Altstadt wurden von 256 schweren Sprengbomben im Gesamtgewicht von 395,5 t abgedeckt, die Fenster und Türen herausgerissen, um so die Wirkung der 300.000 Stab-Brandbomben im Gewicht von 581,6 t vorzubereiten. Innerhalb kürzester Zeit entstand aus vereinzelten Brandherden ein flächendeckender Brandherd, der sich zu einem Feuersturm mit Temperaturen bis zu 2000 °C entwickelte. Die Menschen konnten mangels Luftschutzbunkern nur versuchen, sich in provisorisch vorbereiteten Kellerräumen zu schützen. Um nicht verschüttet zu werden oder zu ersticken, stürzten die Menschen ins Freie und versuchten, das Mainufer oder den Stadtrand zu erreichen. Die Feuerwehren nahmen einen aussichtslosen Kampf gegen das Feuer auf und beschränkten sich darauf, Wassergassen zu schaffen. Dennoch kamen insgesamt 5000 Menschen ums Leben. Auf Seiten der Alliierten wurde eine „Lancaster“ während des Angriffs über Würzburg von einem deutschen Nachtjäger abgeschossen. Ein weiterer Abschuss erfolgte auf dem Rückflug. Die Verlustquote durch deutsche Abwehr lag damit unter einem Prozent.
Noch in einer Entfernung von 240 km konnten die Bomberbesatzungen den Feuerschein des brennenden Würzburgs erkennen. Gegen 02.00 Uhr früh am 17. März 1945 kehrten die letzten Bomber auf ihre Heimatfliegerhorste zurück. Der Abschlussbericht von „No. 5 Bomber Group“ vom 10. April 1945 bemaß den Zerstörungsgrad der Innenstadt mit 90 % und für die Randbezirke mit 68 %. Der durchschnittliche Zerstörungsgrad wurde somit mit 82 Prozent festgestellt. Konkret bedeutete dies 21.062 zerstörte Wohnungen und 35 eingeäscherte Kirchen in Würzburg. Etwa 2,7 Millionen m³ Trümmerschutt konnten erst bis 1964 geräumt werden.
[Bearbeiten] Dokumentations- und Gedenkstätten
In Würzburg im Grafeneckart nahe der Alten Mainbrücke wurde das Ausmaß der Zerstörung der Innenstadt in einer Dauerausstellung dokumentiert. Ausschnitte aus Zeitzeugenberichten sind als Tafeln angebracht, um nachfolgenden Generationen die Auswirkungen jenseits von statistischen Zahlen fassbar zu machen.
Auf dem Würzburger Hauptfriedhof befinden sich links vom Eingang die Gräber der Bombenopfer.
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Oppelt, Hans: Würzburger Chronik des denkwürdigen Jahres 1945. Würzburg 1947
- Domarus, Max: Der Untergang des alten Würzburg. Würzburg 1950
- Dunkhase, Heinrich: Würzburg, 16. März 1945, 21.25 Uhr – 21.42 Uhr. Hintergründe, Verlauf und Folgen des Luftangriffs der No. 5 Bomber Group, in: Mainfränkische Jahrbücher 32. 1980
- Moessner, Ursula R.: Neue Erkenntnisse zum Luftkrieg der Alliierten 1944/45, in: Mainfränkische Jahrbücher 46. 1994
- Schott, Herbert: Heimatkrieg. Das Gebiet zwischen Margetshöchheim und Gelchsheim im Luftkrieg, in: Mainfränkische Jahrbücher 44. 1992
- Otremba, Heinz (Hrsg.): Würzburg 1945. Würzburg 1995
- Weismantel, Leo: Totenklage über eine Stadt. Würzburg 1985
- Rockenmaier, Dieter W.: Als Feuer vom Himmel fiel. Würzburg 1995
- Höynck, Klaus M., Schellenberger, Eberhard (Hsgb.): 16. März 1945. Würzburg 2005
- Sonderbeilage der Mainpost / Schweinfurter Tagblatt vom 16. März 1985 (Fotos der Ruinenlandschaft und viele erschütternde Zeitzeugenberichte)