Parsifal
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Parsifal ist der Titel des letzten musikdramatischen Werks von Richard Wagner. Wagner selbst bezeichnete das dreiaktige Stück als ein „Bühnenweihfestspiel“, das er seiner Bühne im Bayreuther Festspielhaus weihen wollte. Das Werk sollte ursprünglich nur im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt werden.
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[Bearbeiten] Entstehungsgeschichte
Wagner beschäftigte sich schon 1845 mit dem Stoff der Sage, doch die ersten Szenen mit dem Titel „Parzival“ stammen erst aus dem Jahr 1865. Zu dieser Zeit genoss Wagner bereits die großzügige Gönnerschaft König Ludwigs II. von Bayern. Lange Zeit beschäftigten Wagner andere Themen: die Fertigstellung des Festspielhauses, sein Umzug ins Haus „Wahnfried“ 1872, die ersten Festspiele und die Inszenierung seines umfangreichsten Werkes, Der Ring des Nibelungen, 1876.
Erst im April 1877 stellte Wagner das Textbuch für den Parsifal fertig. In diesem Rahmen erfolgte auch die Änderung des Namens: Wagner schuf ein Wortspiel, das sich an die vorgeblich persischen Worte für „rein“ (fal) und „Tor“ (parsi) anlehnen sollte. Als im Herzen reiner Narr wird die Figur des Parsifal im Werk auch gezeichnet.
Im darauf folgenden Sommer entstand das Orchestervorspiel und bis 1879 waren die Orchesterskizzen für die drei Akte vollendet. Doch es sollte noch bis Januar 1882 dauern, bis alle Instrumente durchkomponiert waren. Die Uraufführung fand am 26. Juli 1882 unter der Leitung von Hermann Levi statt. Das Bühnenbild schuf Paul von Joukowsky, den Wagner auf seinen regelmäßigen Italienreisen um 1880 in Neapel kennen gelernt hatte. Demzufolge war die Bühne mediterran beeinflusst: Der Gralstempel erinnerte an den Dom von Siena, Klingsors Zauberschloss war vom Palazzo Rufalo in Ravello beeinflusst.
Nach dem ausdrücklichen Willen Wagners und seiner Erben sollte der Parsifal ursprünglich ausschließlich in Bayreuth zur Aufführung kommen. Doch schon kurz nach dem Tod des Komponisten wurde von seiner Witwe Cosima eine Aufführung in München für König Ludwig II. gestattet. 1913, als das Urheberrecht für das Werk auslief – worüber es zu einer kontroversen Auseinandersetzung im Reichstag gekommen war – stand seiner weltweiten Aufführung nichts mehr im Wege.
[Bearbeiten] Handlung und Vorgeschichte
Die Handlung lehnt sich an das Eschenbach'sche Epos an, bleibt jedoch hierauf nicht beschränkt. Gawan tritt in der Handlung weit zurück und wird nur im ersten Aufzug beiläufig erwähnt. Hierdurch wird jedoch das Erlösungsstreben und -werk der Hauptfigur nur umso stärker betont.
König Titurel ist im Besitz zweier wundertätiger Reliquien. Der Gral diente als Trinkbecher beim letzten Abendmahl und er fing das Blut Christi am Kreuz auf, das aus der Wunde floss, die ihm einer der Soldaten mit einer Lanze zufügte. Gral und Lanze besitzt der König, und er bewahrt beide Schätze in seiner Gralsburg auf. Titurel umgibt sich mit Rittern, die, von den Reliquien gestärkt, in die Welt ziehen, um Gutes zu tun. Auch Klingsor bemühte sich, ein Gralsritter zu werden, wurde aber wegen seiner Unkeuschheit abgelehnt. Daraufhin entmannte er sich selbst, schuf in der Wüste einen Zaubergarten mit verführerischen Frauen und schwor, den König und seine Ritter zu entmachten und die Reliquien an sich zu bringen.
Immer mehr Ritter fielen den Verführungskünsten der Schönheiten zum Opfer, so dass Titurels Sohn Amfortas als junger Gralskönig beschloss, mit der heiligen Lanze bewaffnet gegen Klingsor in den Kampf zu ziehen. Doch auch er wird von einer geheimnisvollen Frau verführt, Klingsor entwendet ihm die Lanze und verletzt ihn an der Seite. Die Ritter ziehen sich mit dem verwundeten Amfortas, dessen Wunde nicht heilen will, zur Gralsburg zurück.
[Bearbeiten] Vorspiel und Erster Akt
Auf einer Waldlichtung nahe der Gralsburg weckt Ritter Gurnemanz seine Kameraden. Er fordert sie auf zu beten und das Morgenbad des jungen Königs Amfortas vorzubereiten. Kundry, die geheimnisvolle, abweisende Helferin der Gralsritter, kommt eilig herbeigeritten. Mit letzter Kraft überreicht sie ein heilendes Balsam für den verletzten König, der nun herbeigetragen wird. Doch halb verzweifelt, halb spöttisch bemerkt sie, es werde wohl so wenig helfen wie die Heilkräuter, die Ritter Gawan bereits gebracht hatte. Kundry wird daraufhin von den Knappen als „Heidin“ und „Zauberweib“ bezeichnet. Nur Gurnemanz nimmt sie in Schutz, als die Knappen fordern, Kundry solle losziehen, um die gestohlene Lanze zurückzuholen.
Jetzt eröffnet Gurnemanz, dass nach einer Prophezeiung dies nur ein von Gott bestimmter Held vermag. Nur ein „im Herzen reiner Tor“ könne den jungen König retten und die Lanze zurückholen. Er erzählt die Geschichte von Titurel und der Gralsburg, von der Ablehnung Klingsors und von dessen Rache.
Die Szene wird durch Lärm vom nahen See gestört und die Ritter fangen einen Knaben, der einen Schwan mit Pfeil und Bogen getötet hat. Es ist Parsifal, der Sohn der Herzeleide und des in einem Kampf gefallenen Ritters Gamuret. Der Knabe wuchs unter der Obhut seiner Mutter im Wald ohne Kontakt zur Außenwelt auf. Er weiß selbst nicht, wer er ist, doch Kundry kennt seine Geschichte und erzählt sie den Männern. Gurnemanz glaubt, den prophezeiten „reinen Toren“ gefunden zu haben und nimmt ihn, während Kundry in einen hypnotischen Schlaf fällt, mit zur Gralsburg. Dort versammeln sich die Ritter, Amfortas, Titurel und, als stummer Zuschauer, Parsifal zur Enthüllung des Grals. Amfortas beklagt seine Schmerzen, die nur der Gral lindern kann. Titurel und die Ritter fordern ihn auf, den Gral selbst zu enthüllen. Das Blut Christi ist darin enthalten, es leuchtet in einem magischen Lichtschein. Die Ritter nehmen das Abendmahl ein, doch der von Schmerzen geplagte Amfortas muss danach weggetragen werden. Gurnemanz hatte sich von Parsifals Anwesenheit mehr erhofft und wirft ihn zornig aus der Burg. Eine „Stimme aus der Höhe“ wiederholt die Worte der Prophezeiung.
[Bearbeiten] Zweiter Akt
Der zweite Akt führt sprungartig in eine andere, fantastische Welt. Klingsor beobachtet von seinem Zauberschloss aus Parsifal, der sich dem Zaubergarten nähert. Mit Kundry als Werkzeug will er dem Narren die Unschuld rauben. Jetzt kommt die Rolle der Kundry ans Tageslicht: Indem sie Jesus auf dessen Kreuzweg verhöhnt hat, hat sie sich den Erlösungsweg verstellt und sucht „ihn nun von Welt zu Welt“, in immer neuen Wiedergeburten. Voller Todessehnsucht dient sie seither zum einen freiwillig büßend den Gralsrittern als Helferin, zum anderen Klingsor als willenloses, schönes Werkzeug seiner Rachegelüste. Sie war es, die in veränderter Gestalt Amfortas verführte und in die Falle lockte.
Erlösung kann sie nur erlangen, wenn ihr ein Mann widersteht, so dass ihr nicht „das verfluchte Lachen“ wieder hochkommt. Daher fügt sie sich nur widerstrebend dem Befehl Klingsors, Parsifal zu verführen. Nachdem Parsifal die abgefallenen Gralsritter besiegt hat, die ihm Klingsor entgegensandte, und ebenso den Versuchungen der Blumenmädchen widerstand, empfängt ihn Kundry im Zaubergarten. Dort eröffnet sie ihm seine wahre Identität und erzählt dem Knaben vom Tod seiner Mutter. Tröstend, aber mit der Absicht, ihn zu verführen, schließt sie Parsifal in ihre Arme. Doch in dem Moment, wo beide in einen langen Kuss versinken, wird der Held „welthellsichtig“ und erkennt die Zusammenhänge mit Amfortas’ Leiden. Parsifal weist Kundry ab und verlangt von ihr, den Weg zum Gralskönig gewiesen zu bekommen. Er hat nun seine Bestimmung als Retter des Grals und der Lanze erkannt.
Kundry klagt ihm ihr Leid und erwartet von ihm Erlösung. Doch als er sich weigert, ihren erotischen Wünschen nachzugeben und ihr nur seine reine Entsagung als Erlösung vom unstillbaren Verlangen anbietet, verflucht sie ihn und ruft nach Klingsor. Dieser will den Jüngling mit der heiligen Lanze töten, doch der Anschlag misslingt. Parsifal ergreift die Waffe in der Luft, wo sie stehen geblieben war. In diesem Augenblick verfällt Klingsors Zauberreich, der Garten verdorrt schlagartig, und der Spuk ist vorüber. Parsifal macht sich auf den Rückweg zur Gralsburg.
[Bearbeiten] Dritter Akt
Das Vorspiel stellt durch die ungelösten und immerfort gesteigerten harmonischen Spannungen und melodischen Sackgassen die labyrinthische Irrfahrt des Helden dar, der mit Kundrys paradoxer Sehnsucht geschlagen ist: Erst dann, wenn Kundry resignierend im Gralsgebiet eintrifft, kann auch er sein Ziel wiederfinden.
Jahre sind vergangen. Gurnemanz lebt als Einsiedler im Wald und findet dort eines Tages Kundry in tiefer Ohnmacht. Nachdem sie erwacht, ist sie sanft, hilfsbereit und schweigsam, was den alten Gralsritter sehr verwundert. Ein Ritter in schwarzer Rüstung betritt die Szene und als er sein Visier öffnet, erkennt Gurnemanz hocherfreut, dass es Parsifal ist, der die heilige Lanze zurückgeholt hat.
Er begrüßt ihn als Retter und berichtet vom Tod Titurels und davon, dass die Gralsrunde zerfallen ist und die Gralszeremonie durch Amfortas nie mehr vollzogen wurde. Nur zur in Kürze stattfindenden Totenfeier will der junge König die Zeremonie ein letztes Mal vollziehen. Nun wäscht Kundry Parsifal die Füße, und Gurnemanz salbt ihn und wäscht ihn von seinen Sünden frei. Durch diese Handlungen wird Parsifal zum neuen Gralskönig. Er tauft Kundry und gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Gralsburg.
In der Burg haben sich die Ritter versammelt. Amfortas beklagt seinen toten Vater und erfleht verzweifelt von ihm Erlösung. Die Gralsritter drängen auf die Zeremonie, doch Amfortas weigert sich und verlangt von ihnen, dass sie ihn töten und somit von den ewigen Leiden erlösen. Da betreten Parsifal und seine Begleiter die Szene. Mit der heiligen Lanze schließt Parsifal die immer noch klaffende Wunde Amfortas’ und enthüllt den Gral. Aus der Höhe gleitet eine weiße Taube herab und schwebt über Parsifals Kopf. Die dramatische Szene endet mit der Erlösung Kundrys, die tot zu Boden fällt, der Huldigung aller Ritter an den neuen Gralskönig und der Öffnung des Grals für alle Zeiten: „Nicht soll der mehr verschlossen sein!“
[Bearbeiten] Personen
- Amfortas, Gralskönig (Bariton)
- Titurel, Amfortas’ Vater (Bass)
- Gurnemanz, Gralsritter (Bass)
- Parsifal (Tenor)
- Klingsor (Bass)
- Kundry (Sopran oder Mezzosopran)
- Zwei Gralsritter (Tenor und Bass)
- Vier Knappen (Sopran und Tenor)
- Klingsors Zaubermädchen (6 Einzelsängerinnen, Sopran und Alt)
- Stimme aus der Höhe (Alt)
- Zaubermädchen (Sopran und Alt), Bruderschaft der Gralsritter (Tenor und Bass), Jünglinge und Knaben (Tenor, Sopran und Alt)
[Bearbeiten] Zur Aufführungspraxis
Früher war es üblich, bei Aufführungen des Parsifal wegen des religiösen Inhaltes überhaupt nicht zu klatschen. Heute verzichtet das Publikum meistens nach dem ersten Akt (Abendmahlszene) auf das Klatschen. Wagner selbst wurde mit einigen anderen Applaudierenden einmal bei einer Parsifal-Aufführung ausgezischt.
Die inzwischen in den meisten Bundesländern gelockerten Feiertagsgesetze verboten früher vielerorts am Karfreitag als sogenanntem stillen Feiertag Opernaufführungen. Konzertante Aufführungen des Parsifal fielen nicht unter das Verbot.
[Bearbeiten] Wissenswerte Kleinigkeiten
- Gurnemanz, die zweite Hauptfigur der Oper, hat überraschenderweise kein eigenes Leitmotiv (nach Eckhard Henscheid).
- Wagner dirigierte die letzte Vorstellung der Festspiele 1882 ab der Verwandlungsmusik im III. Aufzug zu Ende - es war das einzige Mal, dass der Komponist in "seinem" Festspielhaus selbst zum Stag griff (nach Hermann Levi).
- Die christliche Thematik des Parsifal war einer der Gründe für den Bruch zwischen Friedrich Nietzsche und Wagner.
- Hans Knappertsbusch, einer der berühmtesten Dirigenten des Parsifal, war von der Unverzichtbarkeit der religiösen Symbolik des Werks überzeugt. Als Wieland Wagner eben diese Symbole aus den Inszenierungen entfernte, musste ein Assistent dem Dirigenten an der entsprechenden Stelle die Taube, das Symbol des heiligen Geistes, vor das Pult halten (nach Joachim Kaiser).
[Bearbeiten] Allgemeines
- WWV (Wagner-Werke-Verzeichnis): 111
- Uraufführung: am 26. Juli 1882 im Festspielhaus Bayreuth unter der Leitung von Hermann Levi
- Form: durchkomponiert (keine Szenenangaben!)
- Dauer: 3½ bis 4½ Std
- Verlag: B. Schott's Söhne, Mainz (Richard-Wagner-Gesamtausgabe)