Stieffamilie

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Eine Stieffamilie ist eine Familienform, bei der ein Erwachsener ein stiefelterliches Verhältnis, also weder eine biologische Verwandschaft noch ein Adoptionsverhältnis zu einem der Kinder hat.^[1]

Die Stieffamilie ist der dritthäufigste Familientyp in Deutschland nach Kernfamilie und „Ein-Eltern-Familie“ bzw. Alleinerziehenden,^[2] mit einem Anteil von 7% der Familien mit Kindern unter 18 Jahren.^[3]

Inhaltsverzeichnis

1 Bezeichnung der Beteiligten einer Stieffamilie
2 Charakter und Probleme
3 Begriffsentwicklung
- 3.1 „Patchworkfamilie“ und andere Synonyme
4 Literaturhinweise
5 Weblinks
6 Quellen
7 Siehe auch

[Bearbeiten] Bezeichnung der Beteiligten einer Stieffamilie

Dass ein Erwachsener eine neue Ehe (oder eheähnliche Partnerschaft) eingeht, konnte bis in die jüngste Geschichte nur durch den Tod eines Elternteils geschehen. Heutzutage können Stieffamilien auch durch Scheidung, Trennung der Eltern und Neuheirat entstehen. Die neuen Verwandten werden durch die Vorsilbe „Stief-“ gekennzeichnet: Stiefmutter, Stiefvater, Stiefschwester, -bruder oder -geschwister, also die Stiefkinder. Eventuell könnten so aber auch Mitglieder einer Regenbogenfamilie genannt werden. Das weitere Familiennetzwerk ist allerdings komplizierter, wie Anthony Giddens beschreibt: es können in der neu entstandenen Familie mehrere Kinder von unterschiedlichen Elternteilen (auch später durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes der neuen Partner), komplexe Verwandschaftsverhältnisse entstehen, etwa wenn die Eltern des neuen Ehepartners nicht Großeltern genannt werden, weil die Kinder gewohnt sind, die Großeltern des nun getrennten Partners so zu bezeichnen.^[4] Die Bezeichnung kann von einigen als pejorativ empfunden werden, da eine bekannte Figur die „böse Stiefmutter“ der Märchen ist (siehe Begriffsentwicklung).

[Bearbeiten] Charakter und Probleme

Stieffamilien waren schon immer eine anerkannte Familienform, aber fast immer hatte eine Witwe oder ein Witwer mit Kindern neu geheiratet. Das Phänomen hat jedoch in den letzten Jahren aufgrund der hohen Scheidungsraten in den westlichen Ländern an Bedeutung gewonnen. Da die gesetzlichen und normativen Regelungen bisher noch weitgehend auf die durch Ehe und Abstammung legitimierte Kernfamilie ausgerichtet sind, kommt es für die gemischte Familie zu verschiedenen rechtlichen, praktischen und persönlichen Schwierigkeiten mit viel Regelungs- und Verhandlungsbedarf z. B. im Bereich des Adoptionsrechts, Sorgerechts, des Umgangsrechts für außerhalb der Familie lebende Elternteile, der Namensregelungen und des gesellschaftlichen Ansehens der Familie und der Familienmitglieder. Nicht selten haben die Partner Probleme, sich auf gemeinsame Erziehungsregeln zu einigen, die von allen Kindern aus den unterschiedlichen Herkunftsfamilien akzeptiert werden.

Für die Mutter der Stieffamilie können die Anforderungen noch höher sein als für andere Familienmitglieder. Die Kinder verbringen zwar 90% ihrer Zeit bei der Mutter, pflegen aber in der Regel noch den Kontakt zum leiblichen Vater, was die Beziehungen in beiden Familienbeziehungen (Mutter-Kind und Vater-Kind) schwierig für alle Beteiligten machen kann.^[5]

Soziologe Anthony Giddens schreibt, dass Adoption in einer Stieffamilie häufig stattfindet (umgekehrt sind ein Drittel aller us-amerikanischen Adoptionen die von Stiefkindern durch ihre Stiefeltern), und meint, dass dadurch ein Elternteil seine fehlende biologische Bindung an das Kind kompensiere, und wichtiger für den Alltag, sie das Sorgerecht und Umgangsrecht erleichtere. Er weist außerdem darauf hin, dass der abwesende Elternteil einen großen Einfluss auf sein Kind behalte und damit den Zusammenhalt der Stieffamilie störe, durch Gespräche, Wochenendbesuche, und die damit dem Zusammenwachsen der neuen Familie verloren gegangene Zeit.^[6] Durch die möglichen mehreren verschiedenen ehemaligen Ehegatten (oder Lebensgefährten, etc.) könne ein weitläufiges Netz verschiedener Elternteile und ihrer Kinder geschaffen werden.^[7]

[Bearbeiten] Begriffsentwicklung

Der Begriff ist nicht an bestimmte Rechtsformen (z. B. Heirat) gebunden, sondern an die soziale Funktion der Familie, in die das Stiefkind (für den neuen Partner des Elternteils) aufgenommen wird. Er war in Märchen negativ belegt: Stiefmütter verhalten sich darin häufig schlecht zu ihren Stiefkindern (z. B. Hänsel und Gretel, Aschenputtel), diese werden „stiefmütterlich“ behandelt. Daher kann eine schlechte Behandlung im übertragenen Sinn „stiefmütterliche Behandlung“ genannt werden. Mehr dazu siehe „Stiefmutter“.

[Bearbeiten] „Patchworkfamilie“ und andere Synonyme

Der Begriff Patchworkfamilie wurde laut der Gesellschaft für deutsche Sprache 1990 erstmals von der Übersetzerin Margaret Minker bei der Übersetzung des amerikanischen Beraters von Anne Bernstein „Yours, mine and ours. How families change when remarried parents have a child together“ in „Die Patchworkfamilie. Wenn Väter oder Mütter in neuen Ehen weitere Kinder bekommen“ benutzt,^[8] und demnach aus dem Englischen „patchwork“ (Flickwerk) gebildet (und daher mitunter auch als Flickwerkfamilie eingedeutscht); es ist daher ein Scheinanglizismus, der mittlerweile durch Rückübertragung auch in wenigen englischen Texten auftauchen kann. Er ist allerdings trotz großer Verbreitung in einigen Massenmedien weder in der Politik, noch in der Forschung etabliert, und die Worte „Mischfamilie“ und „Patchwork-Familie“ werden als Synonyme mit Stieffamilie verwendet, etwa von Ministerien und Eheberatungen, auch durchaus als Titel des jeweiligen Werkes.^[9], ^[10] Die Soziologie benutzt ihn nicht, weist aber auf den Versuch hin, das Thema als „binukleare Familie“ unter der Perspektive fassen zu wollen, es seien „die zwei nach einer Scheidung gebildeten Haushalte, die dennoch durch gemeinsame Kinder ein Familiensystem bilden.“^[11]

[Bearbeiten] Literaturhinweise

„Stieffamilien in Deutschland. Eltern und Kinder zwischen Normalität und Konflikt“ von Walter Bien, Angela Hartl, Markus Teubner; Vs Verlag ; 2002; ISBN 3810032638
„Stieffamilien. Struktur - Entwicklung - Therapie“ von Verena Krähenbühl, Hans Jellouschek, Margarete Kohaus-Jellouschek; Lambertus-Verlag; 2001; ISBN 3784113311
Anne Bernstein, Die Patchworkfamilie. Wenn Väter oder Mütter in neuen Ehen weitere Kinder bekommen, Kreuz: Stuttgart, 1990
Literatur je für Kinder und für Erwachsene von der Arbeitsgemeinschaft Stieffamilien e.V.