Tauziehen
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Tauziehen oder auch Seilziehen ist eine alte Mannschaftssportart, die dem Kräftemessen zweier Mannschaften dient. Je eine Mannschaft zieht an einem Ende des Taus. Sieger ist, wer die gegnerische Mannschaft über die Mittellinie zieht. Bei einer mehr volkssportlichen Version zur Belustigung stehen sich die beiden Mannschaften an den Ufern eines Bachs gegenüber.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Wettkampfregeln
Bei Wettkämpfen stehen sich jeweils acht Athleten gegenüber.
Einteilung der Gewichtsklassen (international): Frauen (bis 480 kg, bis 520 kg, bis 560 kg); Männer (bis 520 kg,bis 560 kg, bis 600 kg, bis 640 kg, bis 680 kg, bis 720 kg, über 720 kg)
In der Vorrunde werden pro Begegnung zwei Züge ausgetragen. Gewinnt eine Mannschaft beide Züge, erhält sie 3 Punkte. Bei einem Unentschieden erhält jede Mannschaft einen Punkt. In der Finalrunde werden pro Begegnung zwei Züge ausgetragen. Bei einem Unentschieden nach 2 Zügen muss ein Entscheidungszug durchgeführt werden. Die Schuhe der Athleten dürfen keine Metallspitzen aufwiesen, doch eine Metallplatte von drei Millimetern darf an den Schuhen angebracht sein. Den Athleten ist es nicht gestattet, Handschuhe zu tragen. Sie dürfen jedoch Harz auf ihre Hände auftragen, um den Griff zu erleichtern.
[Bearbeiten] Geschichte
Der Seilziehwettkampf ist aus antiken Zeremonien und Kulthandlungen entstanden. Hinweise auf rituelle Ursprünge wurden in Burma, Indien, Borneo, Korea, Hawaii, Kongo, Neuseeland und Neuguinea gefunden. Das Seilziehen diente damals als Symbol für den Kampf zwischen Gut und Böse.
Tauziehen entwickelte sich später zu einem sportlichen Wettkampf. Eine Wandzeichnung im Grabmal des Merera-ku in Sakkara (Ägypten) weist darauf hin. Im antiken Griechenland (ab ca. 500 v. Chr.) wurde das Seilziehen vor allem als Training für andere Sportarten ausgeübt. Im 12. Jahrhundert wurden Tauziehwettkämpfe am Hof des chinesischen Kaisers veranstaltet, im 13. und 14. Jahrhundert auch in der Mongolei und in der Türkei.
Im westlichen Europa ist das Tauziehen erst ab etwa 1000 nachweisbar; in skandinavischen und germanischen Heldensagen, die von "kräftigen Spielen" berichten. Im 15. und 16. Jahrhundert erschien das Tauziehen in Frankreich und Großbritannien. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sport organisiert betrieben. Zuerst bildeten sich einzelne Vereine, später dann Verbände. Tauziehen wurde zunächst als Leichtathletik-Disziplin betrachtet.
Mehrfach in der Geschichte der modernen Olympischen Spiele war Tauziehen olympische Sportart, und zwar von 1900 bis 1920. Die Sportart wurde dann aus dem Programm gestrichen, weil das IOC eine Reduktion der Teilnehmerzahl erreichen wollte. Da die Leichtathletikverbände sich nicht mehr um das Tauziehen kümmerten, bildeten sich unabhängige Vereine und Landesverbände. 1964 wurde der Weltverband TWIF (Tug of War International Federation) gegründet. Die ersten Europameisterschaften wurden 1964 durchgeführt, die ersten Weltmeisterschaften 1975. Seit 1981 nimmt der Tauziehweltverband am Programm der World Games teil.
[Bearbeiten] Unfallrisiken
Entgegen dem oft belustigenden Eindruck, wie ihn übereinander purzelnde Tauzieher vor allem auf volkssportlich durchgeführten Tauzieh-Veranstaltungen vermitteln, birgt Tauziehen durchaus erhebliche Gefahren. Da die Zugkräfte der einzelnen Zieher sich addieren, treten im Seil enorme Gesamtzugbelastungen auf, die in der Regel das Gewicht der Teilnehmer weit übersteigen. Infolgedessen können Seile reißen. Die größte Gefahr geht dabei von den zurückschnellenden Seilenden aus, da beim Riss der Großteil der im Seil gespeicherten Energie über die Seilenden freigesetzt wird. Hierbei gilt, dass die gespeicherte Energie (und damit das Gefahrenpotential) um so größer ist, je flexibler das Seil ist. Deswegen sind unflexible Seile (z. B. aus Hanf) flexiblen Kunststoffseilen vorzuziehen. Die Gewalt zurückschnellender Seilenden kann groß genug sein, um Menschen durch die Luft zu schleudern, Körperteile abzureißen oder erhebliche Verbrennungen zu verursachen.
Auch ohne einen Seilriss birgt Tauziehen Gefahren, z. B. durch das plötzliche Verändern der Kräfte, die den Zieher unterstützen oder ihm entgegen wirken, etwa weil ein Teilnehmer stürzt oder loslässt. Das dann nicht mehr zu haltende Seil kann durch die Hände gleiten und dabei Blasen und Verbrennungen verursachen, eine nicht mehr vorhandene Gegenkraft kann zum Sturz des Ziehers, auch auf seine Mannschaftskameraden, führen.
1995 kam es bei einem Tauziehen mit 650 jugendlichen Pfadfindern im rheinland-pfälzischen Westernohe zu einem tragischen Unfall, als bereits nach 30 Sekunden das völlig ungeeignete Seil explosionsartig riss. Zwei Kinder kamen zu Tode, 102 Teilnehmer erlitten - zum Teil schwere - Verletzungen. Im öffentlich vielbeachteten Gerichtsverfahren gegen die verantwortlichen Veranstalter stellte das Gericht fest, dass diese ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatten, weil sie sich nicht über die Reißfestigkeit des viel zu dünnen und aus Kunststoff gefertigten Seils informiert hatten und auch keine Vorkehrungen für einen gegebenenfalls notwendigen sofortigen Abbruch der Veranstaltung getroffen hatten. Da die Todesfälle allerdings so nicht vorhersehbar gewesen waren, wurden die Verantwortlichen lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung und nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. [1]
Ein ähnlicher, öffentlich allerdings weniger beachteter Unfall hatte sich zuvor in der Schweiz ereignet.
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Tug of war – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Tug of War International Federation (int. Verband)
- Hintergrundinfos zu Seilziehen (Schweiz)
- Deutscher Rasenkraftsport und Tauziehverband (nationaler Verband)