Vertrag von Trianon
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Der Friedensvertrag von Trianon (oder auch Vertrag von Trianon) regelte nach dem Ersten Weltkrieg die Situation Ungarns, das ein Nachfolgestaat Österreich-Ungarns war. Er ist einer der Pariser Vorortverträge, die den Krieg formal beendeten.
Ungarn wurde erst Ende 1919, nach den Verhandlungen mit Österreich, nach Paris eingeladen. Die ungarische Delegation fand in Paris ungünstige Voraussetzungen vor, da der mit Österreich abgeschlossene Vertrag von St. Germain bereits maßgebliche Entscheidungen im Grenzkonflikt getroffen hatte. Außerdem hatten sich die Rumänen Siebenbürgens bereits am 1. Dezember 1918 in den Karlsburger Beschlüssen (Alba Iulia) für die Vereinigung mit Rumänien ausgesprochen; die Volksversammlungen der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben entschieden sich im Jahr 1919 ebenfalls für die Vereinigung ihrer Gebiete mit Rumänien. In den Karlsburger Beschlüssen haben die Rumänen den Magyaren und den Deutschen als Minderheiten weitgehende Gleichberechtigung zugesichert, dies aber später nicht eingehalten.
Ungarn forderte erfolglos eine Revision und eine Volksabstimmung über die abzutretenden Gebiete. Schließlich unterzeichnete Ungarn am 4. Juni 1920 den Friedensvertrag im Versailler Palais Grand Trianon.
Deutsch-Westungarn, seit 1919 von den Österreichern Burgenland genannt, sollte an Österreich angeschlossen werden; ungarische Freischärler beschossen jedoch die österreichische Gendarmerie und verhinderten vorerst die Verwaltung des Burgenlandes durch Österreich. Ödenburg (Sopron) war als Hauptstadt vorgesehen. Die in der Stadt und den umgebenden Dörfern 1921 auf Vermittlung Italiens abgehaltene Volksabstimmung ging zugunsten Ungarns aus; der Großteil des Burgenlandes wurde 1921 ohne Volksabstimmung an Österreich angegliedert.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Bestimmungen des Vertrages von Trianon
- Kriegsschuldartikel
- Artikel über die Wiedergutmachung
- Artikel zu Rüstungsbeschränkungen
- Gebietsabtretungen, die mehr als zwei Drittel (von 282.000 km² auf 93.000 km²) des Reichsgebietes betrafen:
- die heutige Slowakei und die Karpatoukraine an die Tschechoslowakei,
- das heutige Burgenland an Österreich,
- Kroatien, Slawonien, Murland, die Regionen Batschka und Süd-Baranya (Drávaköz) und Teile des Banats an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie
- Siebenbürgen mit dem Rest des Banats und mit Partium an Rumänien.
[Bearbeiten] Folgen
Durch den Friedensvertrag von Trianon wurden wurden etwa 3,2 Millionen Ungarn vom Mutterland getrennt[1]; die Hälfte davon lebte in Grenzgebieten (in der südlichen Slowakei, in der Karpatoukraine, in der Vojvodina (Nordserbien), in Partium und im Murland (Slowenien), die andere Hälfte in Rumänien.
Andererseits verblieben aber auch sehr viele Nicht-Magyaren auf dem Gebiet des übrig gebliebenen Ungarns, so zum Beispiel (Volkszählung 1920) 551.211 Deutsche, 141.882 Slowaken, 23.760 Rumänen, 41.974 Kroaten, 17.131 Serben und 60.748 übrige (vor allem Bunjewatzen und Schokatzen). Zugleich gaben 399.176 Personen an, dass sie der slowakischen, 179.928 der serbischen oder kroatischen und 88.828 der rumänischen Sprache mächtig seien.
Nach tschechoslowakischen Angaben lebten in Ungarn 400.000 bis 500.000 Slowaken.[2]
Ferner wurde Ungarn als Kriegsverliererstaat mit hohen Reparationen belastet, Ungarns Wirtschaftsbeziehungen zu seinen Nachbarn wurden durch die Errichtung hoher Zollmauern unterbrochen. Da gleichzeitig viele Flüchtlinge aus den abgetrennten Gebieten nach Ungarn strömten, verschlechterte sich die Wirtschaftslage Ungarns dramatisch.
Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und der autoritären ungarischen Innenpolitik verließen viele ungarische Intellektuelle und Künstler ihr Land. Sie spielten eine große Rolle z. B. in der sich entwickelnden Filmindustrie.
Die Magyaren waren nach dem Vertrag von Trianon entrüstet und schockiert, da die abzutretenden Gebiete seit dem 11. Jahrhundert nach und nach zum Königreich Ungarn gekommen waren. Der Slogan der damaligen „Widerstandskämpfer“ lautete „Nein! Nein! Niemals!!“ (ungarisch: Nem! Nem! Soha!!). Die Flaggen im gesamten Ungarn wurden bis zum Ersten Wiener Schiedsspruch 1938 auf Halbmast gesenkt. Erst dann wurden sie wieder um ein Drittel erhoben.
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts mussten die Schüler am Schultagsbeginn ein Gebet sprechen, in dem die Revision, d. h. die Wiederherstellung „Großungarns“ gefordert wurde (Ich glaube an einen Gott, ich glaube an eine Heimat, ich glaube an die unendliche göttliche Wahrheit, ich glaube an die Auferstehung Ungarns!). Noch heute gibt es rechtsextreme Parteien, die die Grenzrevision in ihrem Parteiprogramm haben.
[Bearbeiten] Quellen und Anmerkungen
- ↑ Paul Lendvai: Die Ungarn. Eine tausendjährige Geschichte. Goldmann 2001, ISBN 3-4421-5122-8; hierzu S. 418
- ↑ Laut Knaurs Weltatlas (Berlin 1935) waren vor dem Ersten Wiener Schiedsspruch 1938 1,2 % der 8,9 Mio. Einwohner Ungarns Slowaken. Das machte 1935 etwa 106.800 Slowaken in Ungarn. Der Anteil der Deutschen in Ungarn wurde zu diesem Zeitpunkt mit rund 480.000 angegeben.
[Bearbeiten] Weblinks
- Wortlaut des Vertrages
- Vortrag und Publikation über den Vertrag von Trianon
- Karte der Bevölkerung Österreich-Ungarns 1910 (auf ungarisch)
- Karte der Bevölkerung Ostmittel- und Südosteuropas (1989–1992)
Friedensvertrag von Versailles | Vertrag von Saint-Germain | Vertrag von Neuilly-sur-Seine | Vertrag von Trianon | Vertrag von Sèvres