Magyaren
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Die Magyaren oder Madjaren oder (ethnischen) Ungarn (Singular im Ungarischen magyar, Plural magyarok) sind ein Volk in Europa.
In wissenschaftlichen Texten werden sie als „Magyaren“ bezeichnet. Die Bezeichnung „Ungar“ kann sich, insbesondere in Geschichtstexten, auch allgemein auf die Bewohner des historischen Königreichs Ungarn und die des heutigen Staats Ungarn beziehen, also nicht nur auf die Magyaren.
Die Magyaren gehören, erkennbar an ihrer Sprache, zu den finno-ugrischen Völkern.
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[Bearbeiten] Verbreitung
Die Magyaren leben im Ungarischen Tiefland und zählen über 12 Millionen Menschen, von denen etwa 9,5 [1] Millionen in Ungarn, die restlichen als große Minderheiten seit 1918 außerhalb Ungarns, vor allem in der Vojvodina (Serbien), der Slowakei, Rumänien und Kroatien leben. Auch in der zur Ukraine gehörenden Karpatoukraine leben offiziell 151.000 Ungarn. Sie bewohnen dort etwa 130 Gemeinden und stellen in 80 davon die Bevölkerungsmehrheit.
Die Székler (ungar. Székely, Plural Székelyek) sind eine besondere Gruppe, die in Siebenbürgen (Rumänien) lebt und einen eigenen ungarischen Dialekt spricht. Nach der vorherrschenden Meinung handelt es sich nur um einen „Zweig“ der restlichen Ungarn, nach einer sehr umstrittenen These soll es sich um Nachfahren der Hunnen handeln.
[Bearbeiten] Heutige Situation der Ungarn im Ausland
Die Auslandsungarn waren gerade in der Vergangenheit mit Diskriminierungen verschiedener Art und Intensität konfrontiert. Früher waren es z.B. die Beneš-Dekrete, das Sprachverbot in Rumänien und Schließungen ungarischer Schulen. Heutzutage sind es meist verbale Ausfälle durch nationalistische Parteien und deren Vertreter, z. B. Corneliu Vadim Tudor von der Großrumänien-Partei oder Ján Slota von der Slowakischen Nationalpartei.
[Bearbeiten] Rumänien
Die größte Gruppe der Auslandsungarn lebt in Rumänien. Ihre Anzahl beträgt rund 1,4 Millionen (6,6 % der Landesbevölkerung). Viele von ihnen (rund 600.000) sind Székler und leben im Széklerland (Székelyföld), einem Gebiet im Südosten Siebenbürgens, das die heutigen Bezirke Covasna (Kovászna), Harghita (Hargita), den Großteil des Bezirks Mureş (Maros), sowie Teile des Bezirks Bacău (Bákó) – ein kleines Gebiet um Ghimeş-Făget (Gyimesbükk) – und Teile des Bezirks Alba – die Gegend um Rimetea (Torockó), bekannt als Exklave Arieş Scaun (Aranyosszék) – umfasst. Die anderen rund eine Million Ungarn leben größtenteils in Städten wie Klausenburg, Neumarkt am Marosch, Großwardein, Sathmar, Arad, Temeschburg, Baia Mare usw. Man findet sie aber auch als geschlossene ethnische Mehrheiten oder Minderheiten im nördlichen Partium, im „Waldland“ (Szilágyság), im Kalotaszeg, in einigen Gegenden der „Siebenbürger Heide“ (Campia Transilvaniei), dem Gebiet in und um Thorenburg (Torda), im Kreischgebiet (Körösvidék) und im nördlichen Banat. Ferner sind sie in Sprachinseln in Südsiebenbürgen, im Máramaros, in der Moldau (die Csángós) und im südlichen Banat beheimatet. Die Zahl der ungarischen Bevölkerung in Rumänien zu verschiedenen Zeitpunkten:
- Volkszählung 1930: 1.425.507
- 1940 (nach dem Zweiten Wiener Schiedspruch, als Ungarn Nordsiebenbürgen annektierte): 462.422
- Volkszählung 1956: 1.587.675
- Volkszählung 1977: 1.713.928
- Volkszählung 1992: 1.620.199
- Volkszählung 2002: 1.431.807
[Bearbeiten] Slowakei
Die Gruppe der rund 520.000 Ungarn in der Slowakei lebt im Süden des Landes, die meisten auf der Großen Schüttinsel, im nördlich davon gelegenen Gebiet zwischen der Kleinen Donau und der Waag (teilweise von den Ungarn Mátyusföld genannt), in der Gegend zwischen den Flüssen Waag und Eipel und am Eipel-Nordufer. Außerdem bewohnen sie das Gemer-Gebiet und ein Gebiet ganz im Südosten der Slowakei um Kráľovský Chlmec (50.000 Ungarn), d. h. im und um das Medzibodrožie (ung. Bodrogköz). Außerdem gibt es eine ungarische Sprachinsel im Osten von Nitra, die den ethnographischen Namen Zobor trägt. Neben den oben genannten Ungarn geben in der Slowakei weitere 53.000 Personen Ungarisch als ihre Muttersprache an. [3] Die Zahl der ungarischen Bevölkerung in der Slowakei zu verschiedenen Zeitpunkten:
- Volkszählung 1930: 571.952
- Volkszählung 1950: 354.532*
- Volkszählung 1961: 518.776
- Volkszählung 1970: 552.006
- Volkszählung 1991: 567.296
- Volkszählung 2001: 521.000
(*) 1945–1948 wurden im Rahmen eines Bevölkerungsaustausches – je nach Quelle – rund 80.000 Magyaren aus der Slowakei und zwischen 72.000 und 73.000 Slowaken aus Ungarn in das jeweils andere Land umgesiedelt; ansonsten ist der vorübergehende Rückgang von 1950 auf einen staatlich geförderten „Umstieg“ vieler Ungarn mit slowakischen Vorfahren auf die slowakische Nationalität zurückzuführen, der etwa 1946–1949 erfolgte und in der Folge schrittweise rückgängig gemacht wurde.
[Bearbeiten] Serbien
Die zahlenmäßig drittstärkste ungarische Volksgruppe lebt in der Autonomen Region Vojvodina (ung. Vajdaság). Die rund 300.000 Ungarn leben vor allem im Norden der Vojvodina, d. h. in der nördlichen Batschka (Bácska) und im Nord-Banat (auf serbischer Seite). Im Süden der Vojvodina sind sie sporadisch auf mehrere kleine ungarische Dörfer bzw. Dorfgemeinschaften verteilt, umgeben von vielen anderen Nationalitäten, die in der Vojvodina beheimatet sind.
[Bearbeiten] Ukraine
Im ukrainischen Verwaltungsgebiet Transkarpatien lebt ebenfalls eine bedeutende ungarische Minderheit von ca. 150.000 bis 200.000 Personen. Die Ungarn wohnen vorwiegend im Flachland (als ethnische Mehrheit) und in den Städten (z. B. Uschhorod, Mukatschewe, Berehowe, Chust usw.).
[Bearbeiten] Österreich
Ein Teil der weiteren rund 60.000 Auslandsungarn lebt im österreichischen Burgenland (rund 10.000 Ungarn, die in der Észak-Őrség („nördliche Wart“, um Oberwart herum) und in Oberpullendorf beheimatet sind) und in Wien (rund 20.000 Ungarn).
Siehe auch: Burgenlandungarn
[Bearbeiten] Kroatien
Die Magyaren in Kroatien sind heute insbesondere in der Drau-Donau-Region im Osten Kroatiens beheimatet. Dieser Teil Kroatiens wird auch als „Draueck“ (ung. Drávaköz) bezeichnet und stellt den kroatischen Teil des ehemaligen Komitats Baranya dar. Die meisten Magyaren leben demzufolge in der Gespanschaft Osijek-Baranja (heutige kroatische Gespanschaft). Weiters gibt es in den Gespanschaften Vukovar-Syrmien und Bjelovar-Bilogora eine bedeutende ungarische Minderheit[2].
Im Gebiet der „Murinsel“ (kroat. Međimurje) zwischen der Mur und der Drau im nördlichsten Teil Kroatiens mit dem Zentrum Čakovec leben nur noch etwa 50 Magyaren. Näheres zu den Ungarn im slowenischen Teil der Drau-Mur-Gegend ist unter Slowenien nachzulesen.
Seit 1921 bis heute ist die Zahl der Ungarn in Kroatien dramatisch gesunken. Dies zeigt auch die folgende Tabelle:
Anzahl der Magyaren in Kroatien
Volkszählung | Magyaren |
---|---|
1921 | 76.000 |
1948 | 51.000 |
1971 | 35.000 |
1991 | 22.000 |
2001 | 16.595 |
[Bearbeiten] Slowenien
Laut Volkszählung von 2001 leben in Slowenien 6.243 Magyaren. Diese sind insbesondere in der Region Prekmurje (ung. Muravidék) beheimatet. Die Zahl der Ungarn in Slowenien hat sich in den letzten 50 Jahren nahezu halbiert.
Anzahl der Magyaren in Slowenien
Volkszählung | Magyaren |
---|---|
1921 | 14.429 |
1953 | 11.019 |
1961 | 10.498 |
1971 | 8.943 |
1981 | 8.777 |
1991 | 8.000 |
2001 | 6.243 |
[Bearbeiten] Geschichte
Die Vorfahren der Magyaren, uralische Völker, siedelten noch im 6. bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. in der Umgebung des namensgebenden Uralgebirges, wohl hauptsächlich an dessen Ostseite. Archäologische Funde in dieser Gegend lassen vermuten, dass den uralischen Völkern im 4. Jahrtausend noch größtenteils die Ostabhänge des mittleren und südlichen Abschnitts dieses Gebirgsmassivs als Lebensraum dienten. Einzelne Gruppen brachen zwischen 4000 und 3000 v. Chr. in östliche und westliche Richtung auf. Andere blieben höchstwahrscheinlich in den Gebieten östlich des Ural – aus diesem Grund gehören die dort verbliebenen Chanten und Mansen zu den nächsten sprachlichen Verwandten der Ungarn.
Später zogen sie in die Steppen der südlichen Ukraine (magyar. Etelköz, „das Land zwischen den Flüssen“), wo sie unter chasarischer Oberherrschaft standen.
Nach jahrzehntelangen Plünderungszügen gegen das Ostfrankenreich und Großmähren überquerten schließlich 896 die Vorfahren der Magyaren als Reitervolk mit großen Viehherden (siehe Ungarisches Steppenrind) die Ostkarpaten, wo sie sich vorläufig im oberen Theiß-Gebiet niederließen, wo sie auf eine slawische Vorbevölkerung trafen. Von hier aus brachen die altmagyarischen Reiter immer wieder zu langen Plünderungszügen durch ganz Europa auf. So überfielen sie unter anderem Gebiete in Bayern, Italien, Frankreich und Spanien. Ab 901 kehrten sie nicht wieder an die obere Theiß zurück, sondern siedelten sich am Plattensee an und eroberten in den nachfolgenden Jahrzehnten auch Gebiete der marchia orientalis bis zur Enns (Ostösterreich) und des Neutraer Fürstentums (südwestliche Slowakei).
Nachdem die Magyaren 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld von den ostfränkischen und böhmischen Truppen geschlagen wurden, zogen sie sich aus Österreich (außer aus dem Burgenland) zurück, ließen sich endgültig im heutigen West-Ungarn nieder und passten sich langsam an die Lebensweise der sie umgebenden slawischen Vorbevölkerung an. Allmählich wurde das ehemalige Nomadenvolk der Magyaren sesshaft. Zudem assimilierten die Magyaren die unmittelbar im heutigen Ungarn lebende slawische Vorbevölkerung (siehe zum Beispiel Plattensee-Fürstentum) allmählich.
Ab dem letzten Viertel des 10. Jahrhunderts wurden die Ungarn unter Fürst Géza und unter Stephan I. christianisiert.
Im Hochmittelalter war Ungarn bereits vergleichsweise dicht besiedelt, entvölkerte sich jedoch bedingt durch den Mongolensturm sehr stark (Folgen der Schlacht bei Muhi).
Mit der Eroberung des Balkans durch die Osmanen (Türken) im 16. Jahrhundert wurde insbesondere das heutige Ungarn teilweise entvölkert. Nach der Niederschlagung der Osmanen wurden die entvölkerten Gebiete (vor allem im Rahmen der drei Hauptumsiedlungswellen 1690, 1711 und 1745) von Slowaken, Siedlern aus Österreich sowie zum Teil von Siedlern aus anderen Teilen Europas wiederbevölkert. Ein Großteil dieser Einwanderer ging später im ungarischen Volk auf.
So sind die heutigen Ungarn eines der vielen Völker, bei denen der genetische Befund nicht zum linguistischen passt: Während die Sprache keine indoeuropäische ist, sind genetische Spuren der Vorfahren kaum noch zu entdecken.
[Bearbeiten] Name
[Bearbeiten] Magyar
Das Wort magyar (früher megyeri) ist heute die Selbstbezeichnung der Magyaren. Es taucht schon im 9. und 10. Jahrhundert in muslimischen Quellen auf. Es ist wahrscheinlich ein Kompositum aus magy (< ugrisch *mańćε = Mensch, Mann, Geschlecht) und er(i) (ebenfalls Mensch, Mann, Geschlecht). Andere Forscher behaupten, dass das Wort magyar ursprünglich „Männer der Erde“ bedeutete.
Die Magyaren waren ein asiatisches Reitervolk. Allerdings ist zu beachten, dass das Wort anfangs nur die Bezeichnung eines von sieben (unterschiedlichen) nomadischen Stämmen war, die im 9. Jahrhundert und Anfang des 10. Jahrhundert räuberische Einfälle in Europa, vor allem in Großmähren, unternahmen. Die Stämme hießen Meder (Megyer), Tarján, Jenő, Kér, Keszih, Kürt-Gyarmat und Nyék. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts ist es dem Stamm der Magyaren – d. h. den Nachkommen Árpáds – gelungen, die restlichen Stämme unter seiner Oberherrschaft zu vereinigen. Von da an kann von Magyaren (wenn auch noch nicht im ethnischen Sinne) gesprochen werden.
[Bearbeiten] Andere Namen
Die Eroberer von Großmähren wurden von den damaligen Quellen als Ungari oder Ougri (nicht als Magyaren) bezeichnet. Die fränkischen Chronikschreiber verwendeten fast von Anfang an auch den lateinischen Begriff (H)ungarus. Viele damalige Texte bezeichnen sie auch als Türken (vor allem Konstantin Porphyrogennetos um 950) bzw. irrtümlicherweise als Hunnen oder Awaren, da ihre Lebensweise jener dieser zwei Völker ähnelte.
Die von Nicht-Magyaren bis heute verwendeten Formen (H)ungarus, (H)ungarn, Uhri, Vengry, Hungarian, Hongrois usw. gelangte aus dem slawischen og(ъ)r- durch germanische Vermittlung in die europäischen Sprachen. Das slawische Wort lässt sich auf die bulgarotürkische Stammesbezeichnung onogur (on = zehn + ogur = Stamm) zurückführen, die dadurch entstand, dass die Vorfahren der Magyaren im 5. und 6. Jahrhundert in enger Verbindung mit dem Onogurenreich lebten, dessen führender Stammesverband Onoguren hieß. Das H- im lateinischen Hungarus (und dadurch auch in manchen anderen Sprachen) entstand dadurch, dass der Name irrtümlicherweise mit den Hunnen (Hunni) in Verbindung gebracht wurde. Kaiser Franz Joseph I. nannte sich noch König von Hungarn.
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Literatur
- Paul Lendvai, Die Ungarn: Eine tausendjährige Geschichte (München 2001). ISBN 3-442-15122-8.
- Mechthild Schulze-Dörrlamm, Die Ungarneinfälle des 10. Jahrhunderts im Spiegel archäologischer Funde. In: Joachim Henning (Hrsg.), Europa im 10. Jahrhundert. Archäologie einer Aufbruchszeit (Mainz 2002) 109–122. ISBN 3-8053-2872-9
- László Révész, Archäologische Forschungen zur Landnahmezeit in Ungarn: Ergebnisse, methodologische Probleme, ungelöste Fragen. In: ebd. 123–130.
- W. Jahn, C. Lankes, W. Petz und E. Brockhoff (Hrsg.), Bayern – Ungarn. Tausend Jahre. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001 (Augsburg 2001), ISBN 3-927233-78-1.
- Ebd., Aufsätze zur Bayerischen Landesausstellung 2001 (Regensburg 2001), ISBN 3-9804433-6-1, ISBN 3-7917-1753-7
- Alfried Wieczorek / Hans-Martin Hinz (Hrsg.), Europas Mitte um 1000 (Stuttgart 2000), ISBN 3-8062-1544-8, ISBN 3-8062-1545-6.