Werk Tanne
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Die ehemalige Sprengstofffabrik Tanne wurde im Waldgebiet im Nord-Osten von Clausthal-Zellerfeld errichtet.
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[Bearbeiten] Geschichte
Im Jahre 1930 wurde in Clausthal-Zellerfeld der Kaiser-Wilhelm-Schacht stillgelegt, woraufhin die Arbeitslosigkeit in Clausthal rasant anstieg und ein großes Finanzloch entstand. Die Stadt musste sich nun vom Staat finanzieren lassen. 8 Monate nach Hitlers Machtübernahme wird am 19. Dezember 1933 mit dem Bau einer Sprengstofffabrik im Oberharz begonnen, diese gibt den ehemaligen Bergarbeitern wieder eine Beschäftigungsmöglichkeit.
Die Fabrik wurde in der Zeit 1935–1938 für die Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse mbH (Verwertchemie), einer Tochter der Dynamit AG (DAG) errichtet. Sie erhielt den Tarnnamen „Tanne“. Die Fabrik stellte hauptsächlich Füllpulver 02 (Fp. 02) her, besser bekannt als TNT. Die monatliche Produktion erreichte etwa 2.800 t an TNT. Der Produktionscode dieser Einrichtung war „clt“.
Neben der TNT-Produktion gab es Einrichtung für das Befüllen von Granathülsen und Bomben. Diese Einrichtungen waren bekannt als „Universal-Füllstelle“ und „Bombenfüllstelle“. Die „Universal-Füllstelle“ hatte eine Kapazität um 3.000 t an TNT pro Monat zu verarbeiten.
Im Juni 1939, noch ungefähr drei Monate vor Kriegsausbruch, nimmt die Sprengstofffabrik ihre Produktion auf. 1943/44 produziert Werk Tanne mit 28.000 t die größte Menge an TNT im „Großdeutschen Reich“. Am 7. Oktober 1944 greifen 129 Bomber die Sprengstofffabrik an, sie zerstören 70 Gebäude. Am 31. Dezember 1944 arbeiten noch 590 russische Zwangsarbeiterinnen im Werk Tanne.
Es arbeiten etwa 2.600 Menschen in der Fabrik. Dies waren hauptsächlich Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die in Lager in der Nähe untergebracht wurden. Bekannte Lager waren:
- Barackenlager Am Pfauenteich
- Kriegsgefangenenarbeitskommando 1354 (Stalag XI B Fallingbostel)
- Lager Bauhofstraße: 400 Personen
- Lager Bürgergarten: 100 Personen (Nationalitätenlager)
- Lager Evangelisches Gemeindehaus Zellerfeld: 50 Personen (sowjetische Frauen)
- Lager Schützenhaus Clausthal (jugoslawische Bürger)
- Lager Hausherzbergerstraße/Hausherzbergerteich
- Lager Fabrik zur Verwertung chemischer Erzeugnisse: 1.200 Personen
- Lager Dynamit AG Bauleitung: 300 Personen
- Lager Bereitschaftslager: 650 Personen (Lage (ehemaliges) Bundeswehrgelände (nur für Deutsche))
- Lager Russenlager (Lage gegenüber vom Bundeswehrgelände (nur Russen und deren Frauen))
- Lager Kriegsgefangenenlager (Lage Gabelung Altenau Sankt Andreasberg (für Kriegsgefangene, außer russischen))
- Lager Breslauerstraße (Nationalitätenlager)
- Lager Ehemaliger Sportplatz (Russenlager)
Nach dem Krieg wurde die Fabrik durch die Alliierten größtenteils gesprengt. Jedoch existieren die meisten Gebäude heute noch, da viele aus so massivem Beton gebaut wurden, dass eine vollständige Sprengung zu teuer und aufwändig geworden wäre. Ein nicht ungefährlicher und, da es sich um Privatbesitz handelt, genehmigungspflichtiger Abstecher in das immer noch umzäunte Gebiet gibt einen guten Einblick in das Aussehen einer alten deutschen Sprengstofffabrik der damaligen Zeit. Durch die Verwilderung und den heute durchgehenden Waldbewuchs auf vielen Betonplatten der Gebäude hat der Anblick etwas Wildromantisches.
Die damalige TNT-Produktion wurde unter gröbster Missachtung von Umweltschäden durchgeführt. Noch heute leidet die Vegetation sowie mehrere angrenzende Teiche (Unterer und Mittlerer Pfauenteich) unter den giftigen Abfallstoffen aus dem Werk.
Mittlerweile wurden mehrere Renaturierungsprojekte durchgeführt, da die Umgebung des Werks Tanne auch von großer Bedeutung für die Trinkwassergewinnung der weiteren Region ist; selbst die Stadt Bremen wird mit Trinkwasser aus dem Harz versorgt. Gleichzeitig wurde versucht, noch verbliebene mehr oder weniger gefährliche Sprengmittelreste durch gezielte Suche zu entfernen.
[Bearbeiten] Arbeitskräfte
Werk Tanne, eine Schläferfabrik des dritten Reiches, begann, als der zweite Weltkrieg anfing, Sprengstoff zu produzieren. Wegen des hohen Bedarfs an Menschen für den Fronteinsatz wurden im Werk mehr Zwangsarbeiter als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. Diese wurden im Ausland entweder mit Versprechungen angeworben oder auch verschleppt. Die Schlüsselpositionen des Werks hatten Reichsdeutsche inne.
Die Zwangsarbeiter führten die gefährlichsten und gesundheitsschädlichsten Arbeiten aus. Sie befüllten die Sprengkörper mit dem stark giftigen TNT. Insgesamt wurden die Zwangsarbeiter relativ gut behandelt, da ihre Arbeitsleistung dringend gebraucht wurde. Für ihre Unterbringung wurden Barackenlager angelegt.
Die Arbeiter hatten eine 48 Stundenwoche, die um 9 Uhr morgens am Montag begann und Freitags um 13 Uhr nachmittags endete. Im Werk waren viele Belgier beschäftigt, die umliegenden Lager waren nach Nationalitäten sortiert. Die Hälfte der im Werk Tanne arbeitenden Personen waren Zwangsarbeiter, ca. 1.250; davon waren über 80 % Frauen.
Die Lagerleitung verbot es wegen des Sichtschutzes aus der Luft unter Strafe, Bäume zu fällen, des Weiteren war nur die Neupflanzung von Fichten erlaubt. Wegen des ständigen Umgangs mit TNT kam es zu Vergiftungen, die nur mangelhaft behandelt wurden.
Für die Arbeiter, die zuvor in Köln und Krümmel ausgebildet und kaum 20 Jahre alt waren, wurde im Werk ein Bordell eingerichtet, das mit einigen Zwangsarbeiterinnen besetzt wurde.
Im späteren Verlauf des Krieges ereigneten sich einige Unglücke im Werk, keines allerdings war so heftig und blutig wie die Explosion der Nitrierungsanlage. Die Arbeiter, die sich zur Zeit der Explosion in der Nähe befanden, wurden durch die Maschendrahtzäune gedrückt, so dass die genaue Identifizierung unmöglich wurde, in ganz Clausthal-Zellerfeld barsten die Scheiben und der Rührstab der Nitrierungsanlage flog bis zum Klepperberg.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Michael Braedt, Hansjörg Horseljau, u. a.: Die Sprengstoffabrik „Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld. Geschichte und Perspektive einer Harzer Rüstungsaltlast. 3. Auflage, Papierflieger, Clausthal-Zellerfeld 2004, ISBN 3-89720-124-0
- Matthias Meyser: Explosive Techniken. Eigenverlag, 2000
- Jani Pietsch: Sprengstoff im Harz: zur Normalität des Verbrechens: Zwangsarbeit in Clausthal-Zellerfeld. Hentrich, Berlin 1998, ISBN 3-89468-242-6
[Bearbeiten] Weblinks
- Werk Tanne – Mahnmal und Rüstungsaltlast
- n-21.de Projekt: „Werk Tanne“ – Ein Beispiel für Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit im Harz 1933–1945
- Zur Geschichte der „Entsorgungspfade“ der toxischen Abwässer
Koordinaten: 51° 48′ 13″ N, 10° 22′ 0″ O