Werwolf
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
Ein Werwolf (von altgermanisch „wer“: „Mann“, vgl. lat. „vir“), althochdeutsch auch Mannwolf genannt, ist in Mythologie, Sage und Dichtung ein blutdürstiger Mensch, der sich nachts bei Vollmond in einen Wolf verwandeln kann (Lykanthrop).
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[Bearbeiten] Kurze Zusammenfassung
Der Begriff „Werwolf“ bezeichnet das Mysterium, dass sich ein Mensch unter besonderen Umständen nachts in ein Tier verwandeln kann und bei Tagesanbruch wieder seine menschliche Gestalt annimmt. Die meisten Sagen berichten von Männern, die einen Pakt mit dem Teufel eingingen und von ihm einen Gürtel aus Wolfsfell erhielten, mit dessen Hilfe sie sich verwandeln konnten. Es soll auch Sagen geben, die von Männern berichten, die sich aufgrund ihres familiären Erbgutes oder infolge einer Verletzung, die sie durch eine solche Kreatur erhalten haben, in bestimmten Nächten in ein Tier, meist einen Wolf, verwandeln. Doch scheinen hier eher die modernen Mythen aus Hollywood-Verfilmungen an der Legendenbildung mitgewirkt zu haben. Das Wesen, in welches diese Teufelsbündner übergehen, wird als unheilvoll und raubtierhaft beschrieben.
Zu den modernen Werwolf-Mythen, die durch volkskundliche Überlieferungen nicht unterstützt werden, gehört die in verschiedenen Horrorfilmen vorgestellte Verwandlung eines Menschen, der vom Werwolf verletzt worden ist, in ein solches Ungeheuer. Sowohl die Akten der frühneuzeitlichen Prozesse als auch die unzähligen Sagen aus verschiedenen Teilen Europas sprechen einheitlich davon, dass die Opfer von Werwolfattacken zerrissen und teilweise auch gefressen wurden. Von einer späteren Wolfsverwandlung ist erstmalig im von Curt Siodmak verfassten Drehbuch zu "The Wolf Man" (1942) die Rede. Eine Besonderheit findet sich im Rheinland, wo der als Stüpp bekannte Werwolf seinen Opfern aufhockt und sich von ihnen bis zur Erschöpfung bzw. bis zum Erschöpfungstod tragen lässt. So meinen auch einige, dass es auch halb Werwölfe gibt. Das ist aber in keinen Texten überliefert und ist von diesen Leuten scheinbar ausgedacht.
[Bearbeiten] Ursprung
Verwandlungen zwischen Mensch und Tier sind in der Geschichte sehr weit zurückzuverfolgen. Bereits Zwitterwesen in Höhlenmalereien lassen sich entsprechend interpretieren. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse sind das Gilgamesch-Epos, in dem die Göttin Ishtar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt (Tafel 6, Vers 58–61). Aus der griechischen Literatur ist beispielsweise Lykaon bekannt, der von Zeus in einen Wolf verwandelt wurde.
Der Ursprung der Werwolf-Sagen ist in kultischen Festen der Skythen zu suchen, bei deren Feierlichkeiten man sich mit einem wolfsgestaltigen Gott vereinte, indem man sich mit einem Wolfsfell bekleidete. Herodot berichtet (IV, 105), dass:
- „… die Skythen und die im Skythenland wohnenden Hellenen behaupten, jährlich einmal verwandle sich jeder der Neuren für wenige Tage in einen Wolf und trete dann wieder in den menschlichen Zustand zurück.“
Von den Skythen gelangte dieser Kult zu den germanischen Völkern, später, als der Ursprung vergessen wurde, nur als Sage in Verbreitung.
Eine weitere Ursprungstheorie besagt, dass der Begriff Menschen beschrieb, die an einer extremen Form des Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) litten, der so genannten „Wolfskrankheit“. Die aufgrund eines genetischen Defekts Erkrankten wurden vor allem im frühen Mittelalter vom abergläubischen Volk gefürchtet.
Ebenso wurden Tollwutkranke für Werwölfe gehalten, da hier die Erkrankung durch den Biss eines Tieres erfolgt. Die Symptome dieser Krankheit passen zur Beschreibung von Werwölfen: Anfälle, bei denen der Erkrankte wild um sich zu beißen beginnt, Angst vor Wasser, aber gleichzeitig starker Durst, was zu spastischen Schluckkrämpfen führt etc. Die Menschen im Mittelalter sahen darin eine Verwandlung des Gebissenen in eben jenes Tier, von dem er gebissen wurde.
[Bearbeiten] Lykanthropie
Lykanthropie ist eine Form von Therianthropie, der Glaube, sich in ein Tier – speziell in einen Wolf – zu verwandeln. Der Legende nach trug der Werwolf, wenn er als Mensch in Erscheinung trat, seine Wolfshaut innen. Der Begriff „Lykanthropie“ leitet sich aus dem Griechischen ab („lykos“: „Wolf“, „anthropos“: „Mensch“). Von der Spätantike bis in die frühe Neuzeit wurden immer wieder Berichte über Lykanthropen gesammelt und veröffentlicht, d. h. über Menschen, die sich als Individuum oder kollektiv wie Wölfe aufführten und heulten und auf allen Vieren herumkrochen. Vermutlich handelt es sich um Schilderungen von Menschen mit einer individuellen Psychose oder von Ereignissen (vielleicht Ritualen im Rahmen von bäuerlichen Feldkulten), die von den Gelehrten in ihren Studierstuben nicht verstanden und deshalb in ein vorhandenes, den Mythen entnommenes Interpretationsmuster gepresst wurden, nämlich die arkadische Wolfsverwandlung. Versuche von Medizinern (Rudolph Leubuscher: Über die Werwölfe und Tierverwandlungen im Mittelalter, Berlin 1850) und Volkskundlern (Richard Andree) des 19. Jahrhunderts, aus den spärlichen und oft auch verzerrten Darstellungen ein genau umrissenes Krankheitsbild herauszufiltern, waren zum Scheitern verurteilt. Heutzutage spricht man von einer Form der Geisteskrankheit, ohne dass Mediziner oder Psychiater sich einig sind über Krankheitsbild, Symptome und vor allem über die Ursachen. Häufig dient der Begriff nur der Beschreibung einer allgemeinen Psychose, die entweder aus Mangel an einem geeigneten Namen oder auch aus Sensationslust als "Lykanthropie" etikettiert wird.
[Bearbeiten] Werwolfprozesse
Im Zuge der Hexenverfolgungen wurden auch zahlreiche Männer vor Gericht gebracht und hingerichtet. Eine beträchtliche Anzahl von ihnen wurde speziell der Werwolfverwandlung bezichtigt, was aber nicht bedeutet, dass alle Männer, die vom 16. bis ins 18. Jahrhundert wegen Hexerei verbrannt oder gehängt wurden, gleichzeitig als Werwölfe angeklagt waren. Nach einer Reihe von Verfahren im Herzogtum Burgund fand 1589 in Bedburg bei Köln der in der Kriminalgeschichte bekannteste Werwolfprozess statt: Der Bauer Peter Stubbe (auch Stübbe oder Stump) wurde zusammen mit seiner Tochter und seiner Geliebten hingerichtet, weil er angeblich mindestens 13 Frauen und Kinder umgebracht hatte. Ob es sich hierbei um einen wirklichen Werwolfprozess oder um ein inszeniertes Gerichtsverfahren gegen einen politisch unbequemen Mann handelte, ist umstritten. Auf jeden Fall stieß der Fall auf große Resonanz, und selbst in den Niederlanden, in Dänemark und in England erschienen Flugblätter, teilweise mit Holzschnitten geschmückt, in denen die tatsächlichen oder angeblichen Gräueltaten des Peter Stubbe in allen Einzelheiten genüsslich geschildert wurden. Seither trug der Werwolf im Gebiet zwischen den Flüssen Erft und Rur den Namen Stüpp.
In der zumeist populärwissenschaftlichen Literatur ist häufig von ca. 30 000 Werwolfangriffen bzw. 30 000 Werwolfprozessen usw. (in einem Zeitraum zwischen 1520 und 1630 und meistens in Frankreich) die Rede, doch ist diese Zahl historisch überhaupt nicht belegt. Sie wird von allen Fachleuten in Sachen Hexen- und Werwolfprozesse als publikumswirksame Spekulation abgelehnt.
[Bearbeiten] Moderne Werwolfdarstellungen
Das heutige Bild des Werwolfes wurde vor allem durch Filme geprägt. So führte Drehbuchautor Curt Siodmak erst im Jahre 1941 in dem Film „The Wolf Man“ die Idee ein, dass Menschen, die von einem Wolf gebissen werden, bei Vollmond zu einem Werwolf mutieren und dass Silber das einzige Mittel sei, einen Werwolf zu töten. Andere Versionen sagen hingegen, dass ein Werwolf stirbt, wenn er eine Mondfinsternis sieht. Auch wird Werwölfen oft die Fähigkeit zugesprochen, sich sehr schnell von Verletzungen erholen zu können.
In neuen Werken wird das Thema oft ironisch behandelt, etwa bei Christian Morgenstern, der ihn lyrisch in seinen „Galgenliedern“ dekliniert („des Weswolfs“ usw. Original) oder bei Terry Pratchett, bei dem die Werwölfin Angua als Vertreterin einer ethnischen Minderheit in die „Wache“ („The Watch“) aufgenommen wird. In „Der Talisman“ von Stephen King und Peter Straub freundet sich der Protagonist Jack mit einem Werwolfjungen an, der beim Übergang in unsere Welt kurzsichtig wird.
In dem Rollenspiel „Werwolf: Die Apokalypse“ von White Wolf spielen Werwölfe die Rolle tragischer Helden, die halb Mensch, halb Wolf für die Rettung der Welt kämpfen.
Eine neuartige Behandlung erfährt das Thema in Joanne K. Rowlings Harry-Potter-Serie mit dem Lehrer Remus Lupin. Dieser Werwolf ist ein Sympathieträger, der sich durch seine Lykanthropie unberechtigten Ängsten und Vorurteilen ausgesetzt sieht. Das mythische Phänomen des Werwolfs wird so zur modernen Metapher für chronische Krankheiten und Behinderungen in der nichtmagischen Welt. Im Gegenzug steht der Todesser Fenrir Greyback, der das Werwolfleben dermassen genießt, dass er auch als Mensch(artiger) mit Vorliebe Kinder beisst und tötet.
[Bearbeiten] Werwölfe in der Literatur
- George W. M. Reynolds, Wagner the Werewolf. Ware 2006 (zuerst 1847; Klassiker des Genres) ISBN 1-84022-530-0
- Markus Heitz "Ritus" MÄRZ 2006, Knaur Verlag
- Markus Heitz "Sanctum" September 2006, Knaur Verlag
- Laurell K. Hamilton. In der Anita-Blake-Serie kommen Werwölfe regelmäßig vor, zumal sich die Protagonistin in solch einen Werwolf verliebt.
- Gunter Arentzen Band 8 der Serie Christoph Schwarz - Detektiv des Übersinnlichen befasst sich mit dem Fall Peter Stump, Band 16 der Serie mit einem anderen, deutschen Werwolffall - dem Werwolfstein von Eggenstedt
[Bearbeiten] Werwölfe in der Unterhaltungsindustrie
Auswahl von Filmen, die das Thema „Werwolf“ aufgreifen:
- „Der Wolfsmensch“ (1941)
- „Der Werwolf von Washington“ (1973)
- „American Werewolf“ (1981)
- „Der Werwolf von Tarker Mills“ (1985)
- „Wolf – Das Tier im Manne“ (1994)
- „American Werwolf in Paris“ (1997)
- „Ginger-Snaps“-Trilogie (2000, 2004, 2005)
- „Dog Soldiers“ (2002)
- „Underworld“ (2003)
- „Van Helsing“ (2004)
- „Romasanta“ (2004)
- „Verflucht“ (2005)
- „Underworld: Evolution“ (2006)
- ,,Blood and Chocolate" (2006)
[Bearbeiten] Literatur
- Richard Andree: Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Maier, Stuttgart 1878 (mit Kapitel über Werwölfe u. Lykanthropie)
- Utz Anhalt: Der Werwolf. Ausgewählte Aspekte einer Figur der europäischen Mythengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Tollwut. Magisterarbeit, Universität Hannover 1999 (E-Text)
- Hermann von Bruiningk: "Der Werwolf in Livland und das letzte im Wendenschen Landgericht und Dörptschen Hofgericht i. J. 1692 deshalb stattgehabte Strafverfahren", in: Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 22 (1922-28), Seite 163-220 (wichtige Quelle zur Geschichte der Werwolfprozesse)
- Walter Burkert: Homo necans: Interpretation altgriechischer Opferriten und Mythen. 2., um ein Nachwort erweiterte Auflage der Erstausgabe von 1972. De Gruyter, Berlin und New York 1997, ISBN 3-11-015098-0 (mit Kapitel „Werwölfe um den Dreifußkessel”)
- Robert Eisler: Man into Wolf: An Anthropological Interpretation of Sadism, Masochism and Lycanthropy. With an introduction by Sir David K. Henderson. Spring Book, London um 1948/1950. Nachdruck: Ross-Erikson, Santa Barbara 1978, ISBN 0-915520-16-8 (psychoanalytische Studie von eher historischem Wert, aber zahlreiche sonst schwer erreichbare Quellen)
- Wilhelm Fischer: Dämonische Mittelwesen. Vampir und Werwolf in Geschichte und Sage. (= Aberglaube aller Zeiten, Band 3). Strecker & Schröder, Stuttgart 1906
- Brian J. Frost: The Essential Guide to Werewolf Literature. Wisconsin Press, Madison WI 2003, ISBN 0-87972-859-0 bzw. ISBN 0-87972-860-4
- Wilhelm Hertz: Der Werwolf. Ein Beitrag zur Sagengeschichte. Kröner, Stuttgart 1862. Unveränderter Neudruck: Sändig, Walluf 1973, ISBN 3-500-26840-4 (erste wissenschaftliche Abhandlung zum Thema, auch heute noch unverzichtbar)
- Peter Kremer: Wo das Grauen lauert. Erschröckliche Geschichten von Blutsaugern und kopflosen Reitern, Werwölfen und Wiedergängern an Inde, Erft und Rur. PeKaDe-Verlag, Düren 2003, ISBN 3-929928-01-9 (kommentierte Sagensammlung)
- Peter Kremer: Der Werwolf von Bedburg. Versuch einer Rekonstruktion des Hexereiprozesse aus dem Jahre 1589. Selbstverlag, Düren 2005
- John Cuthbert Lawson: Modern Greek Folklore and Ancient Greek Religion. Cambridge University Press, Cambridge 1910
- Rudolph Leubuscher: Wehrwölfe und Tierverwandlungen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Psychologie. Reimer, Berlin 1850
- Elmar Lorey: Henrich der Werwolf. Eine Geschichte aus der Zeit der Hexenverfolgungen. Anabas, Frankfurt a. M. 1999, ISBN 3-87038-297-X (wichtig, fundiert, und gut lesbar)
- Gaël Milin: Les chiens de Dieu. La représentation du loup-garou en Occident (XIe-XIXe siècles). Centre de Recherche Bretonne et Celtique, Brest 1993, ISBN 2-901737-12-9
- Konrad Müller: Die Werwolfsage. Studien zum Begriff der Volkssage. Macklot, Karlsruhe 1937 (zugl. Phil. Diss., Univ. Marburg, 1937)
- Leander Petzoldt: Werwolf. In: Ders.: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. 3. Aufl. Verlag C.H. Beck. München 2003 (Erstauflage 1990), ISBN 3-406-49451-X, 182-183.
- Sabine Richter: Werwölfe und Zaubertänze. Vorchristliche Vorstellungen in Hexenprozessen der frühen Neuzeit. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2004, ISBN 3-631-51386-0 (zugl. Phil. Diss., Univ. Gießen, 1998)
- Bernhard Schmidt: Das Volksleben der Neugriechen und das hellenische Alterthum. Teubner, Leipzig 1871
- Rolf Schulte: Hexenmeister. Die Verfolgung von Männern im Rahmen der Hexenverfolgung von 1530-1730 im Alten Reich. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2000, ISBN 3-631-35556-4 (zugl. Phil. Diss., Univ. Kiel, 1999; sehr wichtige Arbeit)
- Harry Anthony Senn: Were-Wolf and Vampire in Romania. (= East European Monographs; Band 99). Boulder, New York 1982, ISBN 0-914710-93-1
- Homayum Sidky: Witchcraft, lycanthropy, drugs, and disease : an anthropological study of the European witch-hunts (= American university studies: Series 11, Anthropology and sociology; Band 70). Lang, New York u. a. 1997, ISBN 0-8204-3354-3
- Montague Summers: The Werewolf. K. Paul, London 1933 (Uraltklassiker, aber immer noch über weite Strecken brauchbar)
- Adolf Wuttke: Der deutsche Volksaberglauben der Gegenwart. 4. erw. Auflage Ruhl, Leipzig 1925 (Erstausgabe: Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1860)
[Bearbeiten] Siehe auch
- Bestie vom Gévaudan
- Fabelwesen
- Wrukolakas (Griechenland)
- Hypertrichose
[Bearbeiten] Weblinks
- Chronologische Übersicht über die Werwolfprozesse in der Frühen Neuzeit; mit ausführlicher Bibliographie
- Aufsatz von Elmar M. Lorey: „Wie der Werwolf unter die Hexen kam. Zur Genese des Werwolfpozesses“
- Magisterarbeit von Utz Anhalt zum Thema "Werwolf" bei historicum.net
- Dries Vanysacker, „Werwolfprozesse in den südlichen und nördlichen Niederlanden im 16. und 17. Jahr-hundert“,
- Englischsprachige Webseite mit ausführlicher Listung und teilweiser Bewertung unzähliger Bücher und Romane zum Thema