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Windpocken

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Klassifikation nach ICD-10
B01 Varizellen (Windpocken)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Windpocken (Varizellen), auch als Wasserpocken, Feuchtblattern, Spitze Blattern, Wilde Blattern, in Österreich als Schafplattern bzw. Schafblattern bezeichnet (ICD-10-Kode B01), ist eine durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöste und per Tröpfcheninfektion übertragene Erkrankung. Der Name Windpocken kommt von der hohen Ansteckungsfähigkeit dieser Viren, die auch über einige Meter in der Luft übertragen werden. Die Erkrankung, von der überwiegend Kinder im Vorschulalter betroffen sind, führt bei 80 Prozent der Infizierten zu einer lebenslangen Immunität.[1]

Eine Impfung ist möglich. Eine Mehrfachimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken ist seit Sommer 2006 möglich, eine zweifache Impfung erhöht den Impfschutz von 72 % auf über 90 %.

Die Windpocken sind nicht zu verwechseln mit den Pocken, med.: Variola, eine gefährliche Infektionskrankheit, die von Viren der Gattung Orthopoxvirus verursacht wird.

Inhaltsverzeichnis

Erreger

Varizella-Zoster-Virus (VZV)
Varizella-Zoster-Virus (VZV)

Als Erreger der Windpocken ist das Varizella-Zoster-Virus (VZV) – auch als Humanes-Herpes-Virus-3 (HHV-3) bezeichnet – nachgewiesen. Dieses Virus ist ein behülltes, doppelsträngiges DNA-Virus (dsDNA) und gehört zur Familie der Herpesviridae, zur Unterfamilie Alphaherpesvirinae und zur Gattung der Varicellaviren. Alle Viren dieser Familie sind mit einem ikosaedrischen Kapsid (mit einer aus Dreiecksflächen bestehenden Proteinhülle) ausgestattet, die jeweils noch von einer Hüllmembran umgeben ist. Das Varizella-Zoster-Virus ist mit den Herpes-simplex-Viren nahe verwandt und wird häufig bereits in der Kindheit übertragen. Ein Großteil der europäischen Bevölkerung ist Träger des Virus.

Die vom Erreger verursachte Erkrankung nimmt nur sehr selten einen tödlichen Verlauf, da nur erheblich vorgeschädigte Menschen und bei nicht erfolgter Doppelinfektion oder Sekundärinfektion (siehe auch Infektion) hiervon bedroht sind. Dies zeigt auch, dass VZV-Viren sehr stark an den Menschen als ihren Reservoirwirt angepasst sind und sie daher als „wirtsspezifisch teiladaptiert“ eingestuft werden.

Übertragung

Die hoch ansteckenden Erregerviren werden per Tröpfcheninfektion, also direktes Einatmen von Ausatmungströpfchen (Expirationströpfchen) infizierter Personen, oder über Kontaktinfektion beziehungsweise Schmierinfektion mit den Viren der auf Gegenständen oder Körperoberflächen niedergegangenen infektiösen Expirationströpfchen übertragen, wenn sie anschließend sofort über die Schleimhäute beispielsweise in Mund, Nase oder Augen in den Körper gelangen. Da die Erreger an der Luft nur für etwa zehn Minuten überlebensfähig sind, ist eine Übertragung durch herumliegende Kleidung oder Spielzeug in der Regel nicht zu befürchten. Nach einer Virusexposition infizieren sich über 90 von 100 empfänglichen (d. h. zuvor seronegativen) Personen mit diesem Virus und erkranken auch anschließend, d. h. die Windpocken treten bei ihnen sichtbar auf. [2]

Windpocken sind schon zwei Tage vor Auftreten des Hautausschlags ansteckend und bleiben dies sieben bis zehn Tage nach Bildung der ersten Bläschen bzw. bis das letzte Bläschen verkrustet ist. In dieser Zeit sollte die erkrankte Person nicht in Kontakt mit anderen kommen, vor allem nicht mit älteren Menschen oder Frauen, die sich in der achten bis 21. Schwangerschaftswoche befinden, da bei den letzt genannten eine Gefährdung des ungeborenen Kindes beispielsweise durch Ausbildung von Missbildungen möglich ist. Die Meinung, dass die Ansteckungsfähigkeit bis zum Abfallen der letzten Kruste vorhanden sei, gilt als überholt.

Krankheitsverlauf/Symptome

Kleinkind mit Windpocken
Kleinkind mit Windpocken

Nach einer Inkubationszeit von zehn bis 21 (meist 14 bis 17) Tagen kann es zum Auftreten von leichtem und kurzanhaltendem Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen kommen. Tags darauf können im Bereich des Rumpfes und Gesichtes, typischerweise aber auch des behaarten Kopfes, erst später an den Gliedmaßen bis zu linsengroße, manchmal juckende rote Flecken bzw. später Knötchen folgen, in deren Zentrum sich innerhalb von Stunden bis maximal Tagen reiskorngroße Bläschen bilden können. Diese können gedellt sein und entwickeln sich in weiterer Folge rasch zu Pusteln (mit Eiter gefüllten Bläschen in der Oberhaut). Seltener können auch die Schleimhäute im Bereich des Mundes (hier vor allem am Gaumen als gelblich belegte Erosionen sichtbar), der Nase, der Augen, sowie die Haut der Genitalien und des Afters betroffen sein. Die Bläschen platzen schließlich, und es bildet sich eine hellbraune Kruste. Da die Läsionen nicht gleichzeitig entstehen, findet sich zu einem gegebenen Zeitpunkt eine vielgestaltige Ausprägung der Hauterscheinungen, so dass oft von einem Bild ähnlich einem „Sternenhimmel“ gesprochen wird, was oft eine Blickdiagnose ermöglicht.

Der Krankheitsverlauf ist meist gutartig. Die Krusten fallen ohne Narbenbildung ab, sofern darauf geachtet wird, dass das Kind nicht kratzt und damit eine bakterielle Superinfektion mit Streptokokken oder Staphylokokken herbeiführt.

Erstinfektion mit dem Varizella-Zoster-Virus im Erwachsenenalter (Varicellae adultorum) sind aufgrund der hohen Durchseuchung sehr selten und nehmen meist einen schwereren, manchmal tödlichen Krankheitsverlauf mit Meningoenzephalitis, Pneumonie und Hepatitis.

Komplikationen

Die häufigsten Komplikationen betreffen Lungenentzündung (bei Erwachsenen 0,2 bis 0,3 %), eine kleinhirnbedingte Koordinationsstörung Ataxie oder eine bakterielle Blutvergiftung (Sepsis) ausgehend von der Haut (bei Kindern 2–3/10.000). Weitere schwere Komplikationen sind das Reye-Syndrom, Enzephalitis oder Meningitis – also eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute sowie Leber- oder Gelenksbeschwerden. In Folge solcher Komplikationen wird die Todesrate bedingt durch Varizelleninfektion auf 25 bis 40 Fälle pro Jahr in Deutschland geschätzt.[3] [4]

Windpocken in der Schwangerschaft können eine ernste Gefährdung des Embryos bedeuten (besonders im ersten und zweiten Trimenon, 13. bis 20. Woche). Rund um den Geburtstermin (ca. fünf Tage vor und zwei Tage nach der Geburt) kann es beim Neugeborenen, besonders wenn es nicht behandelt wird, zu ernsteren Komplikationen kommen. Daher sollten sich Frauen mit Kinderwunsch, die sich nicht sicher sind, ob sie die Windpocken schon hatten, beim Frauenarzt auf Antikörper untersuchen und gegebenenfalls impfen lassen. In diesem Fall sollte allerdings etwa drei Monate mit einer Schwangerschaft gewartet werden, um eine Schädigung des Kindes auszuschließen.

Da Windpocken keine meldepflichtige Krankheit ist, sind die Daten zu Komplikationen umstritten, da viele Windpocken-Komplikationen bei älteren Kindern, Heranwachsenden oder Jugendlichen möglicherweise gar nicht als solche behandelt bzw. erfasst wurden. Bei einer Studie wurde hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland eine Komplikationsrate von 5,6 % ermittelt (inkl. leichtere Komplikationen wie Otitis media). Die Hospitalisierungsrate wegen Varizellen liegt bei 2,5 bis 7 pro 100.000 Einwohner in Deutschland.[3]

Gürtelrose als Zweiterkrankung

Gürtelrose (Herpes zoster)
Gürtelrose (Herpes zoster)

20 % der Menschen, die an Windpocken erkrankt waren (als seropositiven Individuen), können später ein oder mehrmals an der Gürtelrose (Herpes Zoster) erkranken.[1] Die Ursache bilden nach der Erkrankung im Körper verbliebene Varicella-Zoster-Viren, die entlang sensibler Nervenfasern in die Spinalganglien wandern und dort latent verbleiben. Bei einem geschwächten Immunsystem, auch bedingt durch Stress, können nun diese Viren reaktiviert werden und eine Gürtelrose im Versorgungsgebiet der betroffenen Nerven verursachen.

Patienten mit Gürtelrose können Windpocken auf Ungeschützte übertragen, während umgekehrt ein windpockenkrankes Kind keine Infektionsquelle für eine Gürtelrose darstellt.

Therapie

Die Behandlung der Windpocken beschränkt sich meist auf die Linderung eines bestehenden Juckreizes, indem kühle und feuchte Kompressen aufgelegt oder – besser – adstringierende Emulsionen aufgetragen werden. Die Fingernägel des Kindes sollten geschnitten werden, um die Gefahr der Entwicklung einer bakteriellen Superinfektion zu minimieren. Ein bestehendes Fieber sollte, wenn überhaupt, nicht mit Acetylsalicylsäure, sondern mit Paracetamol behandelt werden, da Acetylsalicylsäure bei viralen Infektionen mit der Entstehung eines Reye-Syndroms in Zusammenhang gebracht wird. Aciclovir oder Vidarabin soll die Symptome bei Kindern, die älter als zwei Jahre sind, minimieren helfen, sofern es innerhalb 24 Stunden eingenommen wird. Bei einer bestehenden Immunschwäche sollte eines dieser Medikamente ebenfalls verabreicht werden.

Vorbeugung

Eine Impfung ist verfügbar und wird von der STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlen. Der Impfstoff besteht aus abgeschwächten, lebenden Viren (Varizella-Zoster-Viren), die sich im Geimpften vermehren. Die Impfung kann ab einem Alter von neun bzw. zwölf Monaten (je nach Impfstoffhersteller) gegeben werden. Kinder vor dem 13. Geburtstag erhalten eine Injektion. Bei Kindern ab dem 13. Geburtstag und Erwachsenen ist eine zweite Injektion im Mindestabstand von sechs Wochen notwendig. Bei normaler Immunkompetenz wird ca. 4 (± 1) Wochen nach der Impfung (letzten Injektion) eine Immunität erworben.

Ein neuer Vierfachimpfstoff von GlaxoSmithKline gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV, Handelsname „Priorix-Tetra“) wurde im August 2006 in Deutschland zugelassen und war kurz danach allgemein verfügbar. Das Präparat ist für Kinder zwischen 9 Monaten und 12 Jahren zugelassen und muss zweimal geimpft werden.[5]

Wer sollte geimpft werden?

  • Kinder im Alter von elf bis 14 Monaten, parallel zur ersten MMR-Impfung oder frühestens vier Wochen nach dieser, oder eben o. g. MMRV-Vierfachimpfung.
  • Die Impfung wird für bestimmte Personen empfohlen, die die Windpocken noch nicht durchgemacht haben und bisher auch nicht dagegen geimpft wurden:
    • neun- bis 17-jährige Jugendliche
    • Frauen mit Kinderwunsch
    • Patienten mit schwerer Neurodermitis
    • Patienten mit Leukämie, Patienten vor geplanter, die Funktion des Immunsystems unterdrückender (immunsuppressiver) Therapie oder Organtransplantation
    • Personen mit Kontakt zu den oben genannte Patienten mit Neurodermitis etc.
    • Medizinisches Personal, besonders in der Kinderheilkunde, Onkologie, Frauenheilkunde/Geburtshilfe, Intensivmedizin
    • Neuangestellte in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter

Wer sollte nicht geimpft werden?

Wer an einer akuten, behandlungsbedürftigen Krankheit mit Fieber (über 38,5 °C) leidet, sollte nicht geimpft werden. Im Allgemeinen werden auch Personen mit geschwächtem Immunsystem nicht gegen Windpocken geimpft, allerdings sind Ausnahmen unter Umständen möglich und notwendig. Während einer Schwangerschaft wird in der Regel keine Impfung vorgenommen, da das Impfvirus auf das Kind im Mutterleib übertragen werden könnte. Aus dem gleichen Grund ist für die Dauer von mindestens drei Monaten nach der Impfung eine Schwangerschaft zu vermeiden. Sollte jedoch zufällig eine Schwangere geimpft worden sein, zum Beispiel weil die Schwangerschaft noch nicht festgestellt wurde, besteht kein Anlass zu einem Schwangerschaftsabbruch, weil in solchen Fällen bislang keine Schäden des ungeborenen Kindes nachgewiesen worden sind.

Quellenangaben

  1. a b Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Infektiologie: Zoster und Zosterschmerzen, Epidemiologie. http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-023.htm
  2. http://www.rki.de/cln_048/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__Mbl__Varizellen.html Varizellen (Windpocken), Herpes zoster (Gürtelrose), Infektionsweg
  3. a b Begründung der STIKO für eine allgemeine Varizellenimpfung, PDF
  4. Epidemiology and Prevention of Vaccine-Preventable Diseases des Centers of Disease Control (CDC), PDF, engl.
  5. www.scientificjournals.com

Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: Windpocken – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
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