Charismatische Bewegung
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Die charismatische Bewegung oder charismatische Erneuerung ist eine christliche, konfessionsübergreifende geistige Strömung, eine geistige Bewegung, welche die besonderen Begabungen hervorhebt, die Gott einem gläubigen Menschen verleiht: Diese Fähigkeiten sind die sogenannten Gnadengaben, oder Geistesgaben (von griech. charis = Gnade). Für die Theologie, für die persönliche Lebensführung, für die kirchliche Organisation und Praxis ist das Wissen um solche charismatischen Begabungen grundlegend. Vermutlich hat eine solche Strömung im Verlauf der Geschichte von Kirche und Theologie von jeher existiert. - Die sogenannte Charismatischen Bewegung selbst (engl. charismatic movement) kam erst in den 1960er Jahren auf als eine innerkirchliche Bewegung innerhalb der anglikanischen, evangelisch-lutherischen, römisch-katholischen Kirche sowie in vielen Freikirchen.
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[Bearbeiten] Wesenszüge
Grundsätzlich gibt es innerhalb der charismatischen Bewegung kein eigenständiges Glaubensbekenntnis oder etwa eine einheitliche Auffassung, die von allen Anhängern oder Vertretern der charismatischen Bewegung geteilt würde. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf einer Reihe von Aspekten und Themen, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der charismatischen Bewegung immer wieder genannt werden. - Wesentliche Züge der charismatischen Erneuerung/Bewegung sind "das Streben nach einer lebendigen Beziehung zu Jesus Christus und das Streben nach dem Wirken und der Erfahrung des Heiligen Geistes", u.a. durch Geistesgaben wie Dienen, Lehre, Trösten, prophetische Rede, "Krankenheilungen", Zungenrede, Evangelisation, Berufung zur Ehe oder zur Ehelosigkeit und durch die Fähigkeit, "Geister zu erkennen" und sicher zu unterscheiden.
Oft sprechen Vertreter über die charismatische Bewegung von der "Dritten Welle" des Geistes (nach Pfingsten und der Pfingstbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts). Schwerpunkte sind unter anderem, "ein erfahrbares Glaubensleben", sowie eine Erwartung "göttlichen Eingreifens" durch Wunder und Zeichen, wenn darum vertrauend gebetet wird (Markusevangelium 9.23ff).
[Bearbeiten] Gebet und Gottesdienst
Die charismatische Erneuerung zeichnet sich besonders aus durch eine ausgeprägte Hinwendung zum "Gebet", wobei neben dem traditionellen Gebet auch besondere Formen wie lautes "freies" Beten, Handauflegen und Segnen durch Mitbetende oder Beten mit erhobenen Händen gepflegt werden. Oft wird spontanes Gebet mit Singen von Lobliedern kombiniert (Lobpreis und Anbetung).
Die Gottesdienste charismatischer Gruppen und Gemeinden sind oft modern gestaltet und sprechen auch junge Leute an. Im Interesse einer verbesserten kulturellen Adaption wird meistens auf traditionelle liturgische Elemente verzichtet. Die musikalische Anbetung im Gottesdienst wird oft von Bands im Pop-, Gospel- oder Folk-Stil geleitet. Die Predigten sind in der Regel weniger theologisch als alltagsbezogen. Entgegen der traditionellen Praxis in den großen Kirchen, die Predigten nach einer so genannten Leseordnung oder Perikope auszurichten, entstehen Predigten häufig aus einem gegebenen Thema, welches durch Bibeltexte erläutert wird.
Die charismatische Bewegung ist ebenso wie die Pfingstbewegung missionarisch orientiert, insbesondere Freundschaftsevangelisation und Glaubenskurse wie der Alpha-Kurs spielen eine Rolle.
[Bearbeiten] Theologie und Ethik
Die charismatische Bewegung sieht sich in der evangelikal-charismatischen Tradition. Wie andere Evangelikale betrachten sie die Bibel als Wort Gottes und verbindlichen Maßstab des Glaubens und der Lebensführung, an dem sich alles andere messen muss. Von daher ist sie tendenziell wertekonservativ, insbesondere gesellschaftspolitisch. Sex außerhalb der Ehe, Selbstbefriedigung, Abtreibung oder praktizierte Homosexualität werden als unbiblisch und damit "sündig" verurteilt. Der Übergang zum christlichen Fundamentalismus ist, je nach Hintergrund der Gruppe oder Gemeinde fließend[1] [2].
[Bearbeiten] Struktur und Organisation
Die charismatische Erneuerungsbewegung hat durch die Überkonfessionalität keine einheitliche Struktur. Es gibt bis auf das Vorhandensein von gelegentlichen Wortführern und Werken, deren Arbeit sich herumspricht, keine Führung, keine Instanz, die für die gesamte charismatische Bewegung spricht. Eine große Gruppierung innerhalb der Charismatischen Bewegung stellen die Pfingstkirchen dar. Sie sind in Deutschland organisiert unter dem Dach des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden. Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die charismatische Bewegung vor allem in der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung organisiert.
Sofern charismatische Gruppen in den bestehenden Kirchen und Gemeinden entstehen, wird die dort vorhandene Grundstruktur meist übernommen. Die Grundstruktur betrifft die Rechtsform (z.B. KdöR, e.V.), die Art und Weise der Finanzierung der gemeindlichen Arbeit, die Ausbildung der Prediger, die Bestimmung von Führungskräften, usw. In diesen Fällen werden allenfalls Elemente wie die Gottesdienstordnung oder die Art und Weise der Anwerbung von Mitgliedern modifiziert oder das "charismatische" Leben spielt sich in privater Umgebung ab.
Außerhalb von traditionellen Kirchen und Gemeinden gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen. Zur Struktur einer freien charismatischen Gemeinschaft kann man feststellen, dass der Status des Leiters einer Gruppierung oder Gemeindeleiters und der Ältesten (Presbyter) besonders herausgestellt wird und eine strikte Hierarchie gilt. Gehorsam gegenüber Führungskräften wird eingefordert, wobei im Gegenzug eine Führungskraft sich durch das Ergebnis ("Früchte") seiner Arbeit messen, sowie sich durch Glaubwürdigkeit, "Bibelfestigkeit", Strenge und Milde stets legitimieren muss, um den Status aufrechtzuerhalten.
Da, wie anfangs erwähnt, die sogenannten Geistesgaben grundlegend für die kirchliche Praxis ist, so orientiert sich der Aufbau von Gruppen und Gemeinden an der Theologie über "Geistesgaben" und das "Wirken des Heiligen Geistes". Ein Grundgedanke basiert auf dem vom Apostel Paulus geprägten Bild der Kirche Christi als "Leib" mit Christus als "Kopf" (1. Kor. 12), wo jedes Körperteil ein Christ darstellt und in aller Unterschiedlichkeit zu einem anderen Körperteil jeder Christ im Rahmen seiner Möglichkeiten, d.h. Fähigkeiten, Begabungen für bestimmte Aufgaben gemäß seiner Begabung in der Kirche zuständig sei.
Die Umsetzung dieser Lehre über die Kirchenstruktur erfolgt in der charismatischen Bewegung mehr oder weniger konsequent dadurch, dass z.B. Führungskräfte in der Regel nicht gewählt werden, sondern anhand ihrer zugedachten Begabung diese Aufgabe übernehmen. Das gleiche gilt beispielsweise für Mitarbeiter im Gottesdienst, die - je nach ihrer zugedachten Begabung dazu - sich in Teams wiederfinden und als "Lobpreis-Team", "Begrüßungsteam", "Infrastruktur-Team", "Seelsorge-Team", "Heilungsteam", etc. in Erscheinung treten. Diese "Gaben"-gemäße Verteilung der Aufgaben wird auch außerhalb der charismatischen Bewegung als Element "erwecklicher" Kirchenpraxis praktiziert.
Es gibt Gebetsgruppen, lockere und verbindliche Hauskreise, Glaubenskurse, Tagungen und Freizeiten, und klosterähnliche Wohngemeinschaften. Soweit es sich um die innerkirchliche Bewegung handelt, ist es schwierig, Zahlen anzugeben.
Außerhalb der Großkirchen gibt es in Deutschland vermutlich über 1.000 freie Gemeinden die in Netzwerken oder zum Teil im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden organisiert sind. In der Schweiz ist die charismatische Bewegung sogar noch stärker. Man schätzt, dass sich weltweit ca. 600 Millionen Menschen (Stand 2005) dem pfingstlich/charismatischen Aufbrüchen zurechnen. Es ist die am stärksten wachsende christliche Bewegung in der Welt. Die Wachstumskerne der Bewegung sind Afrika, Lateinamerika und China (Stand 2006).
Die meisten Mitglieder der innerkirchlichen charismatischen Bewegung bleiben ihrer Kirche treu. Interesse an Ökumene beschränkt sich auf Gleichgesinnte in anderen Gemeinden.
Jedoch entstehen auch viele neue Gründungsprojekte freier charismatischer Gemeinden außerhalb der großen Konfessionen überall auf der Welt.
Aus katholischer Sicht wird mitunter als problematisch angesehen, dass die individuelle Berufung auf das Charisma des Hl. Geistes die kirchliche Ordnung ("regula fidei") überspringen könnte, die dem Katholizismus die eigene, rechtlich gefasste Gestalt gibt. Der einflussreichste Theologe der Charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche war Prof. Heribert Mühlen, Paderborn.
[Bearbeiten] Auflistung einiger Vertreter der charismatischen Bewegung
Name | Nationalität | Stichwort |
---|---|---|
John Wimber | USA | Vineyard Christian Fellowship |
Loren Cunningham | USA | Youth With A Mission (Jugend mit einer Mission) |
C. P. Wagner | USA | Geistliche Kampfführung, Dritte Welle |
Walter Heidenreich | D | Freie Christliche Jugendgemeinschaft Lüdenscheid |
Reinhard Bonnke | D | Christus für alle Nationen |
Keith Warrington | UK | Regents Theological College |
Peter Wenz | D | Biblische Glaubens-Gemeinde |
Benny Hinn | USA | World Outreach Center |
Paul Yonggi Cho | Korea | Impulse aus der größten Gemeinde der Welt |
Siegfried Müller | D | Missionswerk Karlsruhe |
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Informationen und Organisationen der Charismatischen Bewegung
- Geistliche Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche
- Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche, Deutschland
- Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche, Österreich
- Erneuerung aus dem Geist Gottes, Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche, Schweiz
- Geistliche Gemeindeerneuerung im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden
- Marburger Kreis
[Bearbeiten] Unabhängige Beurteilung
[Bearbeiten] Kritische bzw. warnende Stellungnahmen
- Erfahrungsberichte aus der charismatischen Bewegung sowie aus evangelikal- fundamentalistischen Gruppen
- Geistlicher Missbrauch Definitionen und Quellen
- Tendenzen und Entwicklungen in der chrismatischen Bewegung
- "Eine Problemanzeige zu Entwicklungen innerhalb der letzten Jahrzehnte" von Helge Stadelmann und Alexander Seibel
[Bearbeiten] Literatur
Prof.Dr.Peter Zimmerling:Die charismatischen Bewegungen. Theologie, Spiritualität, Anstöße zum Gespräch (Kirche, Konfession, Religion, Bd. 42)., Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 2001, 2. Auflage 2002 ISBN 3525565461.