Chinchay
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Chinchay (nach Chinchaysuyu, der nördlichen Region des Inka-Reiches Tawantinsuyu) oder Quechua II b (Nebenast des Wampuy) ist die linguistische Bezeichnung (nach Alfredo Torero) für die nördlichen Varianten der Quechua-Sprachfamilie, nämlich im Norden und Osten (Amazonien) Perus, außerdem sämtliches Kichwa in Ecuador und Kolumbien.
Charakteristisch für das Chinchay-Quechua ist, dass der uvulare Plosiv [q] zu einem velaren Plosiv [k] (entsprechend dem deutschen k) geworden ist, auf Grund dessen der Laut [i] niemals wie [e], [u] dagegen niemals wie [o] gesprochen wird. Daher kommt auch die Bezeichnung Kichwa gegenüber Qhichwa oder Qiĉwa in anderen Quechua-Varianten. Wie im Südlichen Quechua, jedoch im Gegensatz zum Yunkay (Quechua II a) ist ursprüngliches retroflexes [ĉ] mit [č] (ch) zusammengefallen.
Weitere phonetische Eigenheiten hat es mit den nordperuanischen Yunkay-Varianten (Cajamarca-Quechua, Inkawasi-Kañaris) gemeinsam: "ll" wird wie in Argentinien ausgesprochen (j in französisch Journal), "mp" wie [mb], "nt" wie [nd] und "nk" wie [ng]. Die stimmhaften Plosive b, d, g sind jedoch nicht phonemisch und werden deshalb - auch in Angleichung an andere Quechua-Varianten - in der modernen Quechua-Rechtschreibung als p, t, k wiedergegeben. Das "ch" fällt vor "n" durch Assimilation in der Aussprache mit dem "ll" zusammen. Anders als in den südlichen Dialekten hat sich das ursprüngliche "sh" (wie deutsch: sch) erhalten und hat phonemischen Charakter (z. B. pushak = "Führer"; pusak = "acht"). Bei den peruanischen Chinchay-Mundarten ist außerdem wie im Yunkay-Quechua anlautendes [h] verstummt. Auch grammatikalisch überwiegen die Gemeinsamkeiten, so etwa bei der Pluralform des Verbs durch Anhängen von -llapa oder -sapa.
Das Kichwa von Nordperu umfasst das Lamas-Quechua (in San Martín) sowie alle Quechua-Mundarten von Loreto. Desgleichen gehört zum Chinchay das Chachapoyas-Quechua, bei welchem als einziger Variante dieser Gruppe das [ĉ] erhalten geblieben ist.
Das Kichwa in Ecuador und Kolumbien gehört zwar auch zum Chinchay-Quechua - so zeigt es sämtliche beschriebenen phonetischen Eigenschaften -, hat aber eine ganz eigene Sprachentwicklung (Kreolisierung) durchgemacht und hält darum allen anderen Quechua-Varianten gegenüber eine sprachliche Sonderstellung inne.