Elard von Oldenburg-Januschau
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Elard Kurt Maria Fürchtegott von Oldenburg-Januschau (* 20. März 1855 in Beisleiden, heute Bezledy, Kreis Preußisch Eylau; † 16. August 1937 in Marienwerder) war ein deutscher Großagrarier, Lobbyist und Reichstagsabgeordneter. Er gilt in der historischen Forschung als eines der einflussreichsten Mitglieder der so genannten Kamarilla um den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, also jenem Kreis, der die Politik des deutschen Reiches in der Spätphase der Weimarer Republik maßgeblich bestimmte, und in diesem Zusammenhang als eine Schlüsselfigur im Zusammenhang mit den Entwicklungen die schließlich zur Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler führten.
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[Bearbeiten] Jugend
Elard von Oldenburg-Januschau wurde - zunächst als Elard von Oldenburg-Beisleiden - als Sohn einer ostelbischen Rittergutsbesitzerfamilie geboren, die seit dem 18. Jahrhundert in Ostpreußen ansässig war. Die Familie entstammte dem bremischen Uradel und wurde erstmals 1247 urkundlich erwähnt. Der Urgroßvater war als junger Mann in den Dienst Friedrich des Großen getreten und schließlich zu dessen Flügeladjutanten aufgestiegen. Nach dem Siebenjährigen Krieg nahm er seinen Abschied und heiratete die Adelige Dorothea von der Trenck.
Nach der Eheschließung war Oldenburg-Januschau nach Ostpreußen ausgewandert und hatte dort 1801 das Gut Beisleiden erworben, das Januschaus Vater 1843 zur Bewirtschaftung übernommen hatte. In 1. Ehe war der Vater mit der Freiin Brunsig von Brun verheiratet, mit der er drei Töchter und einen Sohn hatte, der frühzeitig starb. Aus seiner 2. Ehe mit Maria von Arnim entstammte Sohn Elard. Er war der vierte Sohn aus dieser Verbindung. Die beiden ältesten Söhne starben schon als Kinder, während Elard und sein älterer Bruder im Elternhaus aufwuchsen. Im Jahre 1862 kaufte der Vater Oldenburg-Januschaus das östlich von Rosenberg gelegene heruntergewirtschaftete Gut Januschau mitsamt dem spätklassizistischen Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert, um seinem Sohn Elard später einen landwirtschaftlichen Besitz hinterlassen zu können. Ein Dorf Januschau wurde 1312 erstmals erwähnt und erhielt die Handfeste 1362.
Der junge Oldenburg-Januschau besuchte die Schule in Königsberg, Wernigerode, Brandenburg und Halle. Dann wurde er Soldat und besuchte die Ritterakademie in Brandenburg. Nach bestandenem Fähnrichsexamen trat er in das traditionsreiche 2. Garde-Ulanen-Regiment in Berlin ein, wo er 1875 zum Leutnant befördert wurde. Während der acht Jahre seines aktiven Militärdienstes in Potsdam lernte Januschau Kaiser Wilhelm I., Otto von Bismarck, Helmuth von Moltke und den Kriegsminister Albrecht von Roon persönlich kennen. Obwohl vom soldatischen Leben sehr angetan, nahm er 1883, zu diesem Zeitpunkt im Rang eines Sekonde-Leutnants, nach dem frühen Tod seines Bruders Boto (1852-82) seinen Abschied, um sich der Verwaltung und Bewirtschaftung des Familienguts widmen zu können. 1885 nach dem Tod des Vaters übernahm er auch das Gut Beisleiden.
1884 heiratete Januschau Agnes Gräfin von Kanitz. Aus der Ehe, die bis zu seinem Tod hielt, gingen drei Töchter hervor, welche Januschau achtzehn Enkel gebaren. Durch seine Heirat knüpfte er Bande zu einer der politisch einflussreichsten Familien des Kaiserreiches. Sein Schwager, der Landrat Gerhard Graf von Kanitz - einer der bedeutendsten Parlamentarier seiner Zeit -, führte Januschau in die Politik ein und betrieb seine Aufnahme in den Kreis der konservativen Reichstagsabgeodneten. Sein Schwippschwager war der General Heinrich Graf von Lehndorff, der Generaladjudant Wilhelm I.
[Bearbeiten] Politisches Wirken im Kaiserreich
Oldenburg-Januschau war einer der Führer der Deutschkonservativen. Der konservative Politiker (von seinen Standesgenossen “Januschauer” genannt) galt sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik als der Prototyp des urkonservativen, militaristischen, antidemokratischen und antiparlamentarischen ostelbischen Junkers. Als einer der führenden Landwirte Westpreußens leitete er über zwei Jahrzehnte sowohl den Provinzialverband des "Bundes der Landwirte" als auch die Westpreußische Landwirtschaftskammer.
Seine Karriere führte ihn über den Kreistag, den Provinziallandtag und den Provinzialausschuss ins Preußische Abgeordnetenhaus (1901 bis 1910) sowie schließlich in den Reichstag, dem er von 1902 bis 1912 (für die Konservative Partei) und 1930 bis 1932 (für die DNVP) als Mitglied angehörte. Er war wegen seiner radikal antiparlamentarischen und antidemokratischen Auffassungen bei seinen Mitparlamentariern und in der Öffentlichkeit berüchtigt. In den Gremien trat er mit seiner unkonventionellen, derben und humorvollen Art insbesondere für die Interessen der Landwirtschaft, des Militärs und des Hauses Hohenzollern ein. Insbesondere fiel er wegen der markigen Wortwahl, mit der er diese Ansichten kundtat, auf. So sorgte er am 29. Januar 1910 während der Reichstagsdebatte über den Militäretat reichsweit für großes Aufsehen, als er im Plenum des Reichstages in seiner Rede erklärte: "Der König von Preußen und der Deutsche Kaiser muss jeden Moment imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag!" Bei seinen konservativen Fraktionskollegen erregte er mit dieser Aufforderung zum direkten Verfassungsbruch lebhaften Zuspruch, bei den übrigen Parlamentariern hingegen - insbesondere bei den Sozialdemokraten - rief er damit energischen Protest hervor. Die Rede zog tumultartige Szenen im Parlament nach sich, so dass Oldenburg-Januschau sich genötigt sah, sich tagelang nicht im Reichstag sehen zu lassen und sich eine zeitlang vor der empörten Öffentlichkeit im Offizierskasino einer Kaserne verbergen musste (der "Volkszorn" gegen Januschau ging soweit, dass ein Mann der fälschlicherweise für ihn gehalten wurde, vor dem Portal des Reichstages von einer aufgebrachten Menschenmenge attackiert wurde). In einigen Städten kam es sogar zu öffentlichen Protestversammlungen gegen Januschau. Am 27. November 1910 legte er in diesem Zusammenhang sein Mandat in der preußischen Abgeordnetenkammer in Berlin nieder.
In weiteren aufsehenerregenden Ansprachen inner- und außerhalb des Parlaments äußerte Januschau auf die Bemerkung, die Thematik seiner eigenen Rede habe doch der Abgeordnete Richter schon direkt vor ihm ausführlich erläutert, dass es ihn mehr interessiere, "wieviele Ferkel eine Sau in Januschau bekommt, als die geistreichste Rede des Abgeordneten Richter" und dass er den Deutschen gern "eine Verfassung einbrennen" wolle, dass ihnen "Hören und Sehen vergehen" würde. Sein Lieblingsfeind im Parlament war August Bebel, der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, mit dem er sich u.a. eine heftige verbale Auseinandersetzung über Sinn bzw. Unsinn und Notwendigkeit bzw. Entmenschlichtheit des Stechschrittes der preußischen Soldaten lieferte. Während der Daily-Telegraph-Affäre stellte er sich als einziger Abgeordneter schützend vor den Kaiser, titulierte die Sozialdemokraten die seine Rede störten, als "Schweinebande".
Neben seiner Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter war Januschau auch als Präsident der Westpreußischen Landwirtschaftskammer tätig. Zu dem damals pensionierten General von Hindenburg pflegte er aufgrund der gemeinsamen, "standesgemäßen", Zugehörigkeit zum "Herrenklub" freundschaftliche Beziehungen.
[Bearbeiten] Mitglied der "Kamarilla"
Nach dem 1. Weltkrieg, in dem Januschau trotz seines fortgeschrittenen Alters Befehlshaber eines Infanerieregiments wurde, blieb sein EInfluss in Politik und Agrarwirtschaft ungebrochen. In den 1920er Jahre spielte Januschau als Vorsitzender des Reichsbundes der Großagrarier erneut eine prominente Rolle auf der öffentlichen Bühne. Insbesondere auf seinen persönlichen Freund Paul von Hindenburg hatte er nach dessen Wahl zum Reichspräsidenten 1925 großen Einfluss. Heute wird er zu jenem machtvollen Kreis von "Schattenmännern" um Hindenburg gezählt, der die politischen Entscheidungen des Reichspräsidenten maßgeblich beeinflusste und mitunter sogar steuerte, der heute in der relevanten Literatur zumeist als Kamarilla bezeichnet wird. In seinen "Erinnerungen", die weite öffentliche Verbreitung fanden, räumt Januschau ein, dass seine "Versuche der Einflussnahme" auf den Reichspräsidenten "auf eine Beseitigung des Parlamentarismus und Herstellung einer Diktatur" abzielten. Infolgedessen befürwortete er energisch das System der Präsidialkabinette sowie Papens Preußenschlag am 20. Juli 1932.
[Bearbeiten] Verstrickung in den Osthilfeskandal
Zwanzig Kilometer von Januschau lag das alte Hindenburgische Stammgut Neudeck, das dem Bruder des Feldmarschalls und Reichspräsidenten gehört hatte. Es war in der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre nicht zu halten gewesen, musste von der Familie aufgegeben werden und befand sich infolgedessen im Besitz einer Bank. In den späten 1920er Jahren - nachdem Paul von Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten gewählt worden war - bemühte sich Januschau, um den Rückkauf des Hindenburg'schen Gutes, um es dem Freund und Vertrauten zurückschenken zu können. Der Graf wandte sich dazu zunächst an Vertreter der Großlandwirtschaft, dann auch an solche der Schwerindustrie, die schließlich die Mittel für einen Rückkauf des Gutes und sogar noch für einen Neubau des Gutshauses und zur Renovierung der dazugehörigen Gebäude spendeten. Das Gut wurde Hindenburg 1927 anlässlich seines 80. Geburtstages zum Geschenk gemacht. Die Schenkungsurkunde wurde ihm auf dem Gut Januschau überreicht. Die Besitzurkunde wurde jedoch auf seinen Sohn Oskar von Hindenburg ausgestellt, um so die Erbschaftssteuer zu umgehen. Dieser Steuertrick war zwar vollkommen legal, jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass er mit Wissen und Billigung und zum Profit des Reichspräsidenten - also dem Oberhaupt und obersten Repräsentanten des Staates, der naturgemäß eine Vorbildfunktion erfüllen sollte - und seiner Familie vollzogen wurde, moralisch im höchsten Maße anrüchig. Als im Rahmen der Weltwirtschaftskrise viele der ostelbischen Großgrundbesitze existentiell bedroht waren, kam Hindenburg seinen Standesgenossen zur Hilfe, indem er ihnen großzügige staatliche Zuschüsse zur Sanierung ihrer Güter zukommen ließ. In diesem Zusammenhang traten jedoch Unregelmäßigkeiten (übergebührlich hohe Zahlungen an einzelne Junkerfamilien, Bezuschussung von Verwandten des Reichspräsidenten, zweckfremder Einsatz der staatlichen Mittel für rein private Zwecke u. ä.), die 1932 in den Fokus der Presse und der Öffentlichkeit zu gelangen begannen. Die Folge war der sogenannte Osthilfeskandal zu dem sich die Angelegenheit im Herbst 1932 durch immer weiter gehende Enthüllungen der Presse auszuweiten begann. Man nimmt heute an, dass die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei bzw. der parteiinterne Geheimdienst verschiedene belastende Tatsachen, die ihm bekannt geworden waren, absichtsvoll der Presse zutrug, um so durch immer neue bedrohliche Enthüllungen in der Öffentlichkeit, den Druck auf den - eine Ernennung Hitlers zum Reichskanzler zu dieser Zeit kategorisch ablehnenden - Hindenburg zu erhöhen, indem man zunächst seine persönlichen Freunde und Standesgenossen ins Fadenkreuz öffentlicher Kritik und Verärgerung rückte, gleichzeitig aber dem Umfeld des Reichspräsidenten zu verstehen gab, dass eine Regierung Hitler die Erhebung neuer Vorwürfe verhindern und die bestehenden Angriffe unterbinden würde. Besonders unangenehm wurde die Lage für die Familie, als in der Presse erste Indizien bezüglich der zweifelhaften Praktiken ruchbar wurden, die bei der Schenkung des Gutes Neudeck an den Reichspräsidenten angewandt worden waren (insbesondere die zweifelhafte Umgehung der Erbschaftssteuer). Joseph Ersing (Zentrum) und Kurt Heinig (SPD), die Berichterstatter des parlamentarischen Untersuchungsauschusses brachten hervor, dass der Hindenburg-Freund ein unstatthaftes Entschuldungsdarlehen von 621.000 Reichsmark erhalten hatte. Der Ministerialdirektor Ernst Reichard vom Reichskommissariat für die Osthilfe musste am 20. Januar gegenüber dem Ausschuss den Fall Oldenburg-Januschau bestätigen. Der Reichslandbund wurde infolgedessen beim Reichspräsidenten vorstellig mit der Forderung, Reichskanzler von Schleicher zu entlassen.
Oldenburg-Januschau besuchte Hindenburg in der letzten Woche des Januar 1933 auf Gut Neudeck. Die dabei erfolgende Aussprache trug nach Aussage des damaligen Staatssekretärs des Reichspräsidenten Otto Meißner bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen viel zu Hindenburgs Entscheidung bei, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.
[Bearbeiten] Letzte Jahre und Nachwirken
Nach der sogenannten "Nacht der langen Messer" am 30. Juni 1934 intervenierte Januschau bei Hindenburg zugunsten des von den Nazis inhaftierten ehemaligen Stahlhelmführers Theodor Duesterberg, dessen Freilassung er so erreichen konnte. (Hindenburg, der von dieser Maßnahme nichts erfahren hatte, war darüber sehr erbost.) Der letzte öffentliche Auftritt Oldenburg-Januschaus war die Teilnahme am Begräbnis seines Freundes Paul von Beneckendorff und von Hindenburg 1934 im Tannenberg-Denkmal, zu der er in der Uniform der Garde-Ulanen erschien. Zu dieser Zeit schrieb er auch seine Memoiren nieder. Im Sommer 1937 verstarb Oldenburg-Januschau im Alter von 83 Jahren. Drei Jahre später, im August 1940, folgte ihm seine Gattin.
Nach dem Tode des Großvaters übernahm sein Enkelsohn Heinfried Graf von Lehndorff das Gut Januschau und verwaltete es bis 1945. Das Gut war zuletzt 2.826 ha groß. 1945 wurde das Gutshaus Januschau Sitz der sowjetischen Kommandantur für die Region. Nach dem Abzug der Roten Armee und massiven Plünderungen ist das Gutshaus im Laufe der Jahre immer mehr verfallen, bis nur noch eine Ruine übrig war. Seit 2001 befindet sich das Gut im Besitz der polnischen Familie Zdun, die den Plan verfolgt, die Überreste des Guts in ein Hotel umzuwandeln.
[Bearbeiten] Literatur
- Elard von Oldenburg-Januschau: Erinnerungen. Koehler & Amelang, Leipzig 1936
- D. Gotter: Oldenburg-Januschau, ein Repräsentant des preußischen Junkertums, s.l. 1978.
Personendaten | |
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NAME | Oldenburg-Januschau, Elard Kurt Maria Fürchtegott von |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Großagrarier, Lobbyist und Reichstagsabgeordneter |
GEBURTSDATUM | 20. März 1855 |
GEBURTSORT | Beisleiden, Kreis Preußisch-Eylau |
STERBEDATUM | 16. August 1937 |
STERBEORT | Marienwerder |