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Felix und Regula - Wikipedia

Felix und Regula

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Grossmünster (Grablege), Wasserkirche (Hinrichtungsstätte) und Fraumünster (Reliquien) bildeten im Mittelalter eine Prozessionsachse im Herzen der Stadt Zürich
Grossmünster (Grablege), Wasserkirche (Hinrichtungsstätte) und Fraumünster (Reliquien) bildeten im Mittelalter eine Prozessionsachse im Herzen der Stadt Zürich

Felix und Regula sind zwei der drei Zürcher Stadtpatrone und Heilige der katholischen Kirche. Laut einer Legende des Frühmittelalters starben sie während der diokletianischen Christenverfolgung als Märtyrer. Bis zur Reformation wurden sie in Zürich verehrt und das Grossmünster, die Wasserkirche sowie das Fraumünster sind ihnen gewidmet. Ihr Gedenktag ist der 11. September, an dem heutzutage traditionellerweise das Knabenschiessen abgehalten wird.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die Legende

[Bearbeiten] Handlung und spätere Versionen

Die älteste schriftliche Form der Legende von Felix und Regula stammt aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (Codex 225, Stiftsbibliothek St. Gallen). Die Einleitung mit der Formel «Tempore illo» (in jener Zeit) weist auf das karolingische Zeitalter. Die Legende entstand also nach der «Passio acaunensis martyrum», in der die Legende von der Thebäischen Legion überliefert ist. Die Geschichte des Exuperantius taucht erst im 13. Jahrhundert auf und war ursprünglich nicht Teil der Legende.

Nach der Legende sollen die Geschwister Felix und Regula Mitglieder der Thebäischen Legion gewesen sein, die um 302/03 n. Chr. bei Agaunum (Saint-Maurice) im Wallis den Märtyrertod erlitt. Zusammen mit ihrem Diener Exuperantius seien sie auf den Rat des Kommandanten der Legion, Mauritius, über die Furka, das Reusstal und den Klausenpass ins Glarnerland geflohen. Sie folgten der Linth zum Zürichsee und gelangten nach Turicum (Zürich), wo sie ihre Zelte aufschlugen und Tag und Nacht Gott dienten.

Der nach der Heiligengeschichte besonders grausame römische Kaiser Maximian schickte ihnen aber seine Häscher nach. Als die drei Heiligen gerade ihr Gebet verrichteten, wurden sie von den kaiserlichen Soldaten überrascht. Durch ein Wunder wurden sie jedoch nicht gleich erkannt. Erst als man ihnen die Frage stellte, ob sie Gefährten der übrigen flüchtigen Angehörigen der Thebäischen Legion, Exuperius, Candidus und Viktor, seien, enthüllten sie treu ihre Identität. Trotz Folter liessen sie sich nicht zum Opfer an die römischen Götter Merkur und Jupiter zwingen. Auf Befehl des Kommandanten der Häscher, Decius, wurden sie daraufhin auf einer kleinen Insel in der Limmat enthauptet. Engel hätten danach die Leiber der Enthaupteten, die ihre Köpfe in den Armen trugen, genau 40 Ellen den Berg hinaufgetragen, wo sie begraben wurden.

Ausgehend von der ersten Niederschrift in Latein verbreitete sich die Legende in den folgenden Jahrhunderten unter dem Volk. Die letzte bekannte Nacherzählung stammt vom Zürcher Schriftsteller Heinrich Brennwald [1]. Die Abfassung seiner Schweizer Chronik, die auch eine Neufassung der Legende beinhielt, fiel in die Jahre 1508 bis 1516, der Zeit kurz vor der Reformation. Sein Manuskript wurde massgeblich von seiner Verehrung für die katholische Kirche und die Heiligen Felix und Regula beeinflusst, obwohl er im Frühjahr 1523 zum neuen Glauben überwechselte. Anders als die erste Version veröffentlichte Brennwald seine Geschichte in der Mundartsprache. Brennwalds Chronik war der erste Versuch einer pragmatischen Darstellung der Schweizergeschichte, wobei er in seinem Bestreben die Lücken zu schliessen oft auf mündliche Überlieferungen oder auf seine eigene Phantasie zurückgriff. 1576 wurde die Chronik vom Wettinger Abt Cristoff Silberseyen ein weiteres Mal veröffentlicht. Dieser liess in seiner Version zusätzlich noch kolorierte Federzeichnungen hinzufügen.

[Bearbeiten] Sprache und Stil

Die Legende bedient sich vom Stil und der Wortwahl her stark an der Heiligen Schrift. Teilweise übernahm der unbekannte Autor ganze Stellen wörtlich aus dem Alten und Neuen Testament. Oft brauchte er auch Wendungen, die zum Sprachgut der Heiligen Schrift gehörten. Nebst diversen Psalmen wurden gewisse Redewendungen aneinandergereiht, wie sie in der lateinischen Bibel häufig vorkommen. „Zelte aufschlagen“ für Wohnen, „dem Herrn anhängen“, „mit Fasten und Wachen“, „Tag und Nacht in Gebeten und im Wort Gottes verharren“. Zusammengefügt ergeben diese Fragmente dann den Satz „... wo sie ihre Hütten aufschlugen und dem Herrn treu und fromm ergeben anhingen, indem sie Tag und Nacht in Fasten, Nachtwachen, Gebeten und im Wort Gottes verharrten“.[2] An anderen Stellen wiederum kleidet der Dichter biblische Sätze in seine eigenen Worte. So ist der Satz „Unseren Leib hast du zwar in deiner Gewalt, unsere Seelen aber hast du nicht in deiner Gewalt, sondern allein Gott, der uns gebildet hat“ eine Abwandlung von Jesu Ermahnung „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, sondern fürchtet vielmehr den, der Seele und Leib verderben kann in der Hölle“ (Mt 10,28).

Ziemlich wahrscheinlich benutzt der Autor die Bibel nicht als Nachschlagewerk, sondern ist lediglich vom täglichen Beten in der Liturgie mit ihr vertraut. Das zeigen einige Stellen, in denen das ursprüngliche Zitat falsch wiedergegeben wurde. Im originalen, lateinischen Text weicht etwa der Vers „Kommt ihr Gesegneten meines Vaters, empfangt das Reich, das euch Gott seit Anbeginn bereitet hat“ von der Überlieferung der Vulgata (Mt 25,34) ab. Die Verheissung der Heiligen „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Herr Jesus Christus, wir loben dich, wir preisen dich in die Ewigkeiten der Ewigkeit. Amen“ stimmt jedoch mit der Version überein, die in karolingischen Liturgiebüchern gelehrt wird.[3] Der Satz der singenden Engel gegen Ende der Legende „Ins Paradies mögen euch die Engel führen und mit Herrlichkeit die Märtyrer euch aufnehmen“ stammt zudem aus der gelasianisch-gallikanischen Totenliturgie des 8. Jahrhunderts und wurde auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof gebetet. In gewissen Beerdigungsrythmen der katholischen Kirche begleiten diese Worte auch heute noch die Toten ins Grab. Die Legende von Felix und Regula ist die älteste, bekannte Handschrift, die das Gebet in vollem Wortlaut wiedergibt.

Von der Thematik her gehört die Legende zu der Gattung der Martyriumsgeschichten, welches in der christlichen Literatur eine eigene Unterart bildet. Sie zeigen die Standhaftigkeit und die Stärke eines Heiligen auf, der selbst bei schlimmsten Verhältnissen zu seinem Glauben steht. Vorlage dazu bildet die Leidensgeschichte Jesus, dass Wort Passio (Passion) in „Passio sanctorum Felicis et Regula“ verdeutlicht dies. Den beiden Heiligen wird der Prozess gemacht, da sie den Göttern nicht opfern wollen. Die Aufforderungen des Richters, in diesem Fall diejenigen von Decius, am Staatskult teilzunehmen wird ignoriert, auch nachdem Felix und Regula gefoltert und schlussendlich getötet werden.

[Bearbeiten] Historischer und geographischer Hintergrund

Die Legende berichtet, dass der gottlose Maximian zur Verfolgung von Felix und Regula grausame Schergen ausschickte. Der Verfolger der beiden heisst Decius. Als Zeitraum und Hintergrund der Geschichte dient die diokletianische Christenverfolgung, die von 302 bis 305 andauerte und das Leben zahlreicher Christen forderte. Maximian ist eine historische Figur, die von Diokletian 286 zum Mitkaiser gemacht wurde. Als zweiter Regent erscheint er in vielen Märtyrerberichten als Urbild des tyrannischen Christenverfolgers, wobei historische Wirklichkeit weicht je nach Region vom vorherrschenden Klischee ab. Die Quellenlage in Zürich bezüglich der Verfolgungen ist nur spärlich vorhanden und auch über ein mögliches Martyrium zu dieser Zeit ist praktisch nichts überliefert.

Anders als beim geschichtlichen Hintergrund, der nur vage beschrieben wird, zeigt der Autor ein umfangreiches Bild der Geographie auf. In der kurzen Einleitung erfährt man, dass Felix und Regula mit ihren Gefährten nach dem Ratschlag des Heerführers Mauritius zur Wanderschaft im Dienste des Herrn aufgebrochen waren. Ihr Weg führt durch Glarus weiter bis zum Kastell Turicum. Die Landschaften werden ähnlich geschildert, wie sie auch in den Werken anderer zeitgenössischer Autoren zu finden sind. Das Motiv der Reise, das Aufgeben seiner materiellen Güter um sein Leben in den Dienst von Gott zu stellen, findet sich in einer Vielzahl von zeitgenössischen Legenden. Die Beschreibung des Glarus als „wüste und öde Gegend“ veranschaulicht hierbei das harte Leben eines Pilgers und ist somit nicht wörtlich zu verstehen. Der Ort war sowohl in der Spätantike, als auch in karolingischer Zeit gut besiedelt [4].

Das Ziel der Wanderschaft von Felix und Regula liegt beim Abfluss des Zürichsees in die Limmat, unweit des Kastells Turicum. Hier treffen die Heiligen auf ihren Verfolger Decius und erleiden das Martyrium. Von der Hinrichtungsstätte am Fluss schreiten sie 40 Dextri (Schritte) den Berg hinauf zu ihrer Grabstätte, 200 Dextri vom Kastell entfernt. Laut der Überlieferung liegt der Richtplatz auf der Insel, auf der später die Wasserkirche errichtet wurde. Hinweise dieser Art fehlen jedoch in der ältesten Variante. Der Autor berichtet weder von der Insel, noch berichtet er über eine christliche Verehrung der Blutstätte. Anders sieht die Situation bei den Gräbern aus; der Dichter erzählt von Blinden und Lahmen, die beim Aufsuchen des Ortes geheilt wurden. Vieles spricht dafür, dass es der gleiche Ort ist, an dem später das Grossmünster errichtet wurde. Auch die Distanzangabe von 200 Dextri unterstützt diese Theorie.

Gegen Ende der Legende wird berichtet, die Geschichte von Felix und Regula sei dem heiligen Mönch Florencius durch den heiligen Geist offenbart worden. Dieser Umstand trägt nur wenig zur Forschung bei, da der Name Florencius zur Merowingerzeit weit verbreitet war. Auch die Bezeichnungen "heilig" und "Mönch" helfen nicht weiter. In vergleichbaren Schriften trugen auch die Eremiten den Titel eines Mönchs und der Titel "heilig" stand zu dieser Zeit jedem Anhänger des kirchlichen Standes zu. Der "heilige Mönch Florencius" bleibt ein Unbekannter, wie der Autor, der sich auf ihn bezieht.[5]

[Bearbeiten] Der Festtag

Die Legende endet mit dem Hinweis, dass das Fest der Heiligen am dritten Tag vor den Iden des September (III Idus Septembris) gefeiert wird. Im römischen Kalender bezeichnet man damit den 11. September, der als Gedenktag an Felix und Regula auch heute noch im Kalender von Zürich vermerkt ist und an dem traditionellerweise das Knabenschiessen veranstaltet wird. Die Festlegung des Datums ist unter den Forschern stark umstritten [6]. Im Kalendarium Carthaginense, einem Verzeichnis der kirchlichen Fest- und Gedenktage des 6. Jahrhunderts sind am dritten Tag vor den Kalenden des September (III Kalendas Septembris, 30. August) die Namen Felix, Eva und Regiola eingetragen. Das Kalendarium ist einzig durch die Abschrift des französischen Gelehrten Jean Mabillon überliefert. Seine bereits damals stark beschädigte Vorlage ist schon lange verloren.

Einige Wissenschaftler sehen den Grund für die zwei verschiedenen Daten darin, dass die römische, abgekürzte Schreibweise der beiden – III Id. Sept. und III Kl. Sept. – sich sehr ähnlich sieht [7]. Dieser Umstand hatte bereits bei anderen wichtigen Tagen zu Unstimmigkeiten geführt. Die im Kalender von Karthago genannten Heiligen Felix und Regiola gehören angeblich zu einer Gruppe Märtyrer aus Abitinae, einem Gebiet in der römischen Provinz Africa. Aufgrund dessen bildete sich die Theorie heraus, dass die Reliquien der afrikanischen Märtyrer nach Zürich gebracht worden seien, wo man sie mit der Zeit heimisch machen wollte und eine eigene Legende erfand. Einer weiteren Vermutung zufolge bildete die Geschichte aus Abitinae lediglich eine Vorlage für die Schweizer Heiligen und hätte ansonsten keine Verbindung zu selben.

[Bearbeiten] Reformation und Gegenreformation

[Bearbeiten] Der Bildersturm

Ausschnitt aus dem geretteten Teil des Altarbilds von Hans Leu d.Ä.: Felix, Regula und Exuperantius
Ausschnitt aus dem geretteten Teil des Altarbilds von Hans Leu d.Ä.: Felix, Regula und Exuperantius

Anders als in vielen weiteren Regionen, in denen die Reformation vonstatten ging, geschah der Bildersturm, das heisst die Entfernung der Altäre, Bildwerke und des Kirchenschatzes in Zürich relativ geordnet. Der Obrigkeit gelang es, die Bildergegner zu beschwichtigen und einen Sturm auf die Kirchen zu verhindern. Eine Ausnahme stellte die Revolte vom Pfingsttag 1524 in Zollikon dar. Der Vorfall veranlasste den Rat dazu, schnell zu handeln. Gemäss eines ersten Beschluss sollten die Bilder aus den Kirchen entfernt, aber nicht zerstört werden [8]. Das Traktandum wurde am 15. Juli erlassen. Vom 20. Juni bis zum 2. Juli erfolgte die Räumung der Kirchen hinter verschlossenen Türen. Mit der Aufgabe waren die drei Prediger Zwingli, Engelhart und Leo, sowie ein Mann von jeder Zunft, der gesamte Rat und die Handwerker der Stadt, darunter Zimmerleute, Schlosser, Schmiede, Steinmetze und Hilfsarbeiter beauftragt worden [9].

Die Gräber der Stadtheiligen waren von dieser ersten Aushebung noch nicht betroffen. Die Zürcher Kultstätte wurde erst am 12. Dezember 1524 auf das Geheiss der Stadträte aufgehoben. Offizielle Ratsakten zu diesem Vorkommnis fehlen, dennoch berichten zahlreiche zeitgenössische Autoren, darunter Gerold Edlibach und der Chronist Bernhard Wyss von der Öffnung der beiden Särge. Wenige Tage, am 17. Dezember, später folgte der Abbruch des Felix und Regula Altars. Im September 1525 beschloss der Rat daraufhin, auch die restlichen Kirchenschätze einzuziehen. Als Begründung gab man an, dass dieses Geld für die verursachten Kosten der Reformation gebraucht würde [10]. Das Stift des Grossmünster vermochte zwar einen kurzfristigen Aufschub zu erwirken, doch seine Intervention beim Stadtrat am 30. September brachte nicht die gewünschte Wende. Die knapp 30 (von 200) anwesenden Ratsherren beharrten auf ihren Forderungen. Am 2. Oktober vormittags um 7 Uhr erschien eine Ratsdelegation in der Sakristei der einstigen Grabstätte von Felix und Regula. Mit der Beschlagnahmung der kirchlichen Güter verlor sich vorerst die Spur der Reliquien der Stadtheiligen im Grossmünster.

[Bearbeiten] Die geretteten Reliquien

Die Pfarrkirche St. Peter und Paul, in der die angeblichen Häupter von Felix und Regula aufbewahrt werden.
Die Pfarrkirche St. Peter und Paul, in der die angeblichen Häupter von Felix und Regula aufbewahrt werden.

Die einst im Grossmünster ausgestellten Häupter von Felix und Regula werden heute angeblich in der Sakristei der Pfarrkirche zu Andermatt aufbewahrt. Die noch erhaltenen Quellen, die die Echtheit dieser Reliquien bezeugen und deren Weg von Zürich nach Urseren schildern, sind verhältnismässig jung und nur wenig präzise. Die älteste bekannte Nachricht ist auf das Jahr 1648 datiert. Ihr zufolge erhielt die Jagdtmattkapelle in Erstfeld eine Haarreliquie von Regula als Geschenk aus Andermatt. Das Beglaubigungsschreiben, das von Pfarrer Nicolaus Thong ergänzt in einer Abschrift in der Kapelle vorangebracht ist, hält fest, dass die Reliquie in einem Sarg gefunden wurde, welchen die Einwohner von Urseren 1525 von Zürich heimlich erhalten haben. Angeblich sei dieser zuvor in der Stadt versteckt gewesen, bis Zwingli von ihm erfuhr. Daraufhin wurde der Sarg dem sich damals in Zürich aufhaltenden Urserer Hansli Benet anvertraut, der ihn mit nach Andermatt nahm. In den folgenden Jahren befand er sich in der Obhut diverser Fürsten, die ihn auf ihren Schlössern verwahrten. [11]

Die Geschichte des Sarges wird in einem Protokoll von 1688 neu aufgegriffen, laut dem er zu dieser Zeit in Andermatt im Beisein kirchlicher und weltlicher Vertrauensmänner geöffnet wurde [12]. Der Schreiber Cristoph Christen berichtet, dass sich nebst den Reliquien anderer Heiliger sich auch die Häupter von Felix und Regula darin befanden. Der Sarg wurde daraufhin wieder verschlossen und blieb weitere 80 Jahre der Öffentlichkeit verborgen. Erst 1730 orderte der Rat von Urseren an, zwei Schaukästen für die Häupter der Heiligen anzufertigen und sie auf dem 1716 von Jodocus Ritz erstellten Hochaltar dem Volk zur Betrachtung auszustellen [13].

Dass die in Andermatt ausgestellten Reliquien tatsächlich denjenigen aus Zürich entsprechen, wird stark bezweifelt. Einerseits finden sich keine Indizien darauf, dass bei der Räumung des Grossmünsters am 2. Oktober 1525 etwas gefehlt hätte. Wären die Häupter von Felix und Regula verschwunden gewesen, so hätte dies für Aufsehen gesorgt. Die erste Nachricht über die Schädel findet sich allerdings erst 1648, gut 120 Jahre nach dem Bildersturm. In Thongs Abschrift werden zudem die Namen Felix und Regula mit keinem Wort erwähnt. Das Protokoll aus dem Jahr 1688 wiederum zählt eine Vielzahl von Reliquien auf, die im Sarg lagen. Viele der genannten Heiligen wurden in Zürich kaum oder gar nicht verehrt. All dies deutet darauf hin, dass die Häupter aus Andermatt nicht identisch mit den früheren aus Zürich sind. Anscheinend war man im 17. Jahrhundert darum bestrebt, die Verehrung von Felix und Regula in Andermatt neu zu beleben, nachdem diese in Zürich nach der Reformation beinahe in Vergessenheit geraten war.

1950 wurden die Reliquien erneut geöffnet und von den beiden Schädeln je ein im Durchmesser etwa fünf Zentimeter grosses Stück aus dem Bereich des Hinterhaupts herausgeschnitten. Sie wurden der in dieser Zeit neu erbauten Kirche St. Felix und Regula in Zürch geschenkt. Ein paar Jahrzehnte später öffnete man die Reliquien vorerst das letzte Mal, um sie einer eingehenden Betrachtung unterziehen zu können. Mit dieser Untersuchung wollte man das Alter der Köpfe datieren und somit Aufschluss über die Frage erhalten, woher sie stammen.

[Bearbeiten] Untersuchung der Reliquien

[Bearbeiten] Der Schädel von Felix

Der Schädel von Felix erwies sich bei der Untersuchung als nahezu vollständig und gut erhalten, bei dem jedoch der gesamte Unterkiefer fehlte.. Am hinteren Teil des rechten Scheitelbeins fehlte zudem die 1950 herausgesägte Knochenscheibe. Auf der Schädelunterseite schräg links hinter der Austrittsstelle des Rückenmarks am Hinterhauptbein war ein kleines Knochenstück herausgebrochen. Die Gelenkwalzen für die bewegliche Verbindung zwischen Kopf und Wirbelsäuleerwies sich als zerstört, ob auf natürliche Weise, durch Zersetzung oder durch künstlichen Eingriff war nicht festzustellen. Auf beiden Seiten an den Warzenfortsätzen waren hingegen Spuren einer absichtlichen Beschädigung festzustellen. Die ursprünglich kräftigen Fortsätze sind symmetrisch in zwei Ebenen von aussen oben nach unten innen an ihrer Basis abgesägt.

Quer über dem Hinterhaupt klebt ein ungefähr elf Zentimeter langer Papierstreifen mit einer Aufschrift aus Tusche. Wahrscheinlich führte er ursprünglich als geschlossenes Band um den ganzen Schädel herum, das nun mitten im Text entzwei gerissen worden ist. Die noch vorhandenen Wörter lauten: „Anno 312 Caput S. Felicis Martyris ex Thebae oder 30. Legion.. Tyguri martyrizati“. Das "z" in martyrizati, die Grossbuchstaben an Wortanfängen sowie die Deklinationsfehler („ex Thebae“ anstelle von „ex Thebis“) und Erläuterungen in Deutsch („oder 30. Legion“) weisen auf einen weniger gebildeten Kirchenmann als Verfasser hin. Dieser gehörte wahrscheinlich den Kapuzinern an, die seit 1688 in Andermatt als Pfarrer fungierten.

Unter dem Papierstreifen und hinter dem Loch im Hinterhaupt war ein Siegel befestigt, dessen Ausmasse etwa 26 auf 22 Millimeter betragen. Oben, unten und seitlich ist es nicht bis zum Rand ausgeprägt und auf der linken Seite ist die Schrift teilweise verwischt. In der Mitte steht der Erzengel Michael auf einem Lindwurm mit ausgebreiteten und gespreizten Schwingen und einem Speer in der Hand, den er dem Ungeheuer in den Rachen stösst. Er trägt Beinkleider und einen Rock mit V-förmigen, wulstig gefasstem Ausschnitt. Auf der rechten Hälfte sind die Buchstaben „...en Engel“ auszumachen. Bei dem Siegel handelt es sich wahrscheinlich um eines aus dem Kapuzinnerinnenkloster in Attinghausen bei Altdorf. Ein gleiches Exemplar hängt an einem Aussteuerbrief von 1644 aus dem Kloster und ist mit der Aufschrift „Zuo allen Heiligen Engeln“ gekennzeichnet. Das Kloster brannte 1676 vollständig nieder, woraufhin ein neues in Altdorf gebaut wurde. 1677 weihten die Nonnen das neue Kloster St. Karl ein. Es ist anzunehmen, dass die Schädel von Felix und Regula jenen Frauen anvertraut wurden, um sie zu überarbeiten. Dabei kennzeichnete man sie mit dem aus dem alten Kloster geretteten Siegel, wobei nur der Abdruck auf Felix' Kopf erhalten geblieben ist.

Die Oberfläche des Schädels weist eine braune Färbung auf und ist durchwegs glatt, das heisst kaum angewittert. Auch dünnwandige Stellen wie beispielsweise die Augenhöhlen sind vollständig erhalten. Die Knochensubstanz ist aussergewöhnlich hart, was darauf hinweist, dass das Haupt von Felix weniger als zwei Jahrhunderte im Boden ruhte. Mit den deutlich ausgeprägten Überaugenwülsten, der hohen fliehenden Stirn, der profilierten Nackenplatte, den gut sichtbaren Randwülsten, der grossen Kaumuskeln im Bereich der Schläfen, den breiten kräftigen Wangenbeinen, den breiten Basen der Warzenfortsätze sowie dem Fehlen deutlicher Stirnhöcker ist die Zuordnung des Schädels zum männlichen Geschlecht gut abgesichert. Das Sterbealter des Mannes kann hingegen nur aufgrund der Verschmelzungszustände der Schädelnähte und der Zahnfächer geschätzt werden. Die Zahnfächer aller Zähne sind gut ausgebildet. Sehr wahrscheinlich fehlten dem Mann keine Zähne im Oberkiefer. Die Befunde weisen insgesamt darauf hin, dass er zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr verstarb. Dem entspricht auch der Zustand der Schädelnähte. Sie zeigen weder auf der Innen- noch auf der Aussenseite eine beginnende Verschmelzung, was ein Ableben zwischen 25 und 35 am Wahrscheinlichsten macht. Vom Umfang her gehört der Schädel eher zu den kleineren. Von den Proportionen, der Masse und den Konturen entspricht er weitgehend dem, was aus zahlreichen Grabungen in Zürich aus dem Früh- und Hochmittelalter bekannt ist.

[Bearbeiten] Die Heiligen im Alltag

[Bearbeiten] Auf Siegeln

Durch das gesamte Mittelalter hindurch wurden verschiedene Siegel mit den Heiligenmotiven versehen. Eines der ersten wurde 1224 im Fraumünster hergestellt und wird der Äbtissin Adelheid von Murghart zugeschrieben, obschon ihr Name nicht auf dem Siegel steht. Typisch für die Fraumünster Siegel aus dieser Zeit ist die spitzovale Form und ein Bild mit den Köpfen Felix und Regulas sowie einer knienden Äbtissin darunter und der Hand Gottes an oberster Stelle. 1258 verwendete man erstmals ein anders Motiv: die Heiligen von der Seite gezeichnet, die ihre Häupter in ihren Händen halten. Abermals findet sich eine kniende Äbtissin unterhalb der Szene. Diese Darstellung wurde in der Folge bestimmend für alle weiteren Siegel des Fraumünster. Sie findet sich unter anderem auch in demjenigen der Elizabeth von Spiegelberg (1298) und dem der Elizabeth von Matzingen (1308). In den folgenden Jahrzehnten wurden die Darstellungen immer detailreicher und aufwändiger gestaltet.

[Bearbeiten] Auf Münzen

Die frühste Darstellung der Stadtheiligen auf Münzen findet sich auf einem Denar zur Amtszeit Kaiser Heinrich II. (HRR), von dem lediglich ein Stück in Stockholm gefunden wurde. Auf der Rückseite sind die Buchstaben „FELIX (REG) VL (A)“ eingraviert. Die vordere Seite mit der Abbildung ist nicht erkennbar.[14]

Zürcher Dukat aus dem 17. Jahrhundert. Das Motiv auf der Vorderseite zeigt die Heiligen Felix und Regula, auf der Rückseite ist Karl der Grosse abgebildet.
Zürcher Dukat aus dem 17. Jahrhundert. Das Motiv auf der Vorderseite zeigt die Heiligen Felix und Regula, auf der Rückseite ist Karl der Grosse abgebildet.

Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Kopf von Felix für die folgenden hundert Jahre auf dem Zürcher Pfennig verwendet. Der Kopf steht für sich allein, ohne Name oder Heiligenschein. Dass es sich um den heiligen Felix handeln muss geht aus Siegelbildern des Heiligen hervor, die zur gleichen Zeit entstanden. Die periodischen Münzerneuerungen erforderten jeweils auch eine Änderung im Münzbild. So gibt es zwischen dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts und dem Beginn des 14. Jahrhunderts neun verschiedenen Pfennigtypen. Bei einigen schaute Felix nach rechts, bei anderen wiederum nach links. Ebenfalls uneinheitlich zeigt sich der Stadtname, der sowohl lateinischer (TURICUM) als auch deutscher Sprache (ZVRICH) vorhanden ist. Auf einem Pfennig wurde er zudem rückwärts geschrieben. In den folgenden Jahren wurde Felix durch Abbildungen der Fraumünsteräbtin und der Stadtherrin ersetzt.

Mit dem Aufkommen der grossen Silbermünzen der Neuzeit wurden Motive der Heiligen wieder verwendet. Münzen von 1504 und 1505 zeigen Felix und Regula mit abgetrennten Köpfen und Heiligenscheinen. Zu ihren Füssen liegt das Stadtwappen und auf der rechten und linken Seite sind die Namen eingraviert. Ein Taler von 1512 wurde nach dem Vorbild eines Siegels aus dem 14. Jahrhundert geschaffen. Erstmals zeigte er alle drei Stadtheiligen auf einer Münze vereint. Auf den Goldmünzen der gleichen Zeit wurde Karl der Grosse abgebildet, der Gründer des Grossmünsters.

Nach der Reformation wurden die Stadtheiligen lange Zeit nicht mehr als Münzmotive genutzt. Etwa hundert Jahre später fanden Felix und Regula Verwendung auf einem undatierten Zürcher Dukaten. Auf der Rückseite befand sich eine Abbildung Karls des Grossen. Zeitlich dürfte seine Prägung etwa im selben Rahmen liegen, in dem der Zürcher Theologe Johann Jakob Ulrich seine Schriften veröffentlichte. In ihnen setzte er sich stark für die Wiedereinführung der Heiligen auf Münzen ein [15]. Seiner Meinung nach waren sie die ersten Vertreter des christlichen Glaubens in Zürich und als solche verdienten als solche eine besondere Ehrung. Trotz seines Einflusses als Verwalter des Grossmünsterstiftes verwendete der Dukat als letzte Münze das Heiligenmotiv von Felix und Regula.

[Bearbeiten] Referenzen

  1. R. Luginbühl (Hrsg.): Heinrich Brennwald, Schweizerchronik im Anschluss zur Schweizergeschichte, S. 613
  2. Urs Baur, Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula, S. 21
  3. Iso Müller, Die frühkalingorische Passio der Zürcher Heiligen, In: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte Bd. 65, S. 152-53
  4. Urs Baur Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula, S. 26
  5. Iso Müller Die frühkalingorische Passio der Zürcher Heiligen, In: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte Bd. 65, S. 180-185
  6. Urs Baur Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula, S. 28
  7. Emil Egli, Reallexikon für protestantische Theologie und Kirche Bd. 6, S. 30
  8. Emil Egli (Hrsg.), Aktensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533, Nr. 543
  9. J. Hottinger und H. Vögeli (Hrsg.), Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte Bd. 3, S. 175
  10. Konrad Escher, Rechnungen und Akten zur Baugeschichte des Grossmünsters in Zürich bis 1525, In: Anzeiger für schweizerische Altertumskunde Bd. 32, S. 42-43
  11. Edurard Wymann, Ein Beitrag zur Geschichte der Felix- und Regula-Verehrung, In: Historisches Neujahrs-Blatt, S. 37-100
  12. Urs Baur, Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula, S. 92-93
  13. Eduard Wymann, S. 73
  14. Dietrich Schwarz, Ein Zürcher Dukat des 11. Jahrhunderts In: Dona Numismatica, S. 96-97
  15. Hans Jakob Leu, Allgemeines Helvetisches Lexikon Bd. 18, S. 587

[Bearbeiten] Literatur

  • Hansueli Etter, Urs Baur, Jürg Hanser, Jürg Schneider, Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula. Hochbauamt der Stadt Zürich/Büro für Archäologie, Zürich 1988 ISBN 3-90524301-6
  • Iso Müller, Die frühkalingorische Passio der Zürcher Heiligen, In: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte Bd. 65. Zürich 1971

[Bearbeiten] Sekundärliteratur

  • Rudolf Pfister, Kirchengeschichte der Schweiz, Bd. 1, Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Zürich 1964, S. 24–26.
  • Ernst Meyer, Zürich von der Urzeit zum Mittelalter. Zürich 1971
  • Denis van Berchen, Le Martyre de la Légion Thébaine. Basel, 1956
  • Jürg Hanser, Armin Mathis, Ulrich Ruoff, Jürg Schneider, Das neue Bild des Alten Zürich. Zürich 1983
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