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Inayat Khan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Inayat Khan (* 5. Juli 1882 in Baroda, heute Varodada; † 5. Februar 1927 in Neu-Delhi) ist der Gründer des "Sufi Order International" und "International Sufi Movement". Zudem gilt er als Wegbereiter zahlreicher sufischer Organisationen in Europa und den USA, die unter dem Dachverband "Federation of the Sufi Message" agieren.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Religionsgeschichtliche Zeitumstände

Inayat Khan wurde in eine im westindischen Gujarat angesiedelten Familie geboren, die dem indischen Chishti Orden (Chishtiyya) zuzurechnen ist. Die Chishti-Tradition zeigt sich für Khans Lehre und Praxis vor allem hinsichtlich der Betonung von Musikveranstaltungen als wichtiges religiöses Ritual, der ethischen Ausrichtung auf Pazifismus und Gewaltlosigkeit und der Tendenz zum Synkretismus prägend. Da der später in den USA von Khan gegründete Orden an Amerikaner und Europäer und deren ganz speziellen Bedürfnissen adressiert war und somit aus den sozialen und historischen Rahmenbedingungen der Chishtiyya enthoben war und ist, lässt sich der Sufi Order International als Neugründung begreifen, die nur schwer in der Chishti-Tradition zu verorten ist.

[Bearbeiten] Leben

Inayat Khans Vater, Rahmat Khan (1843-1910) entstammt einer im Panjab ansässigen alten sunnitischen Sufi-Familie, die bedeutsame Heilige, Poeten, Musiker und Landbesitzer hervorgebracht haben soll. Auch mütterlicherseits (Mutter: Khadidja Bibi 1868-1902) lässt sich ein berühmter Vorfahre Khans nachweisen: Der in Indien bekannte Musikvirtuose und Dichter Maula Bakhsh. Khans Großvater Maula Bakhsh ließ sich nach langen Reisen durch Indien schließlich im zu dieser Zeit sehr fortschrittlichen Staate Baroda nieder. Dort lernte er Rahmat Khan, Inayats Vater, kennen. Es entwickelte sich schnell ein enges freundschaftliches Verhältnis, das schließlich zu einer Vermählung zwischen Maula Bakhshs Tochter und Rahmat Khan führte. Die gesamte Familie errang innerhalb weniger Jahre hohes gesellschaftliches Ansehen und beeinflusste die kulturelle, aber vor allem die musikalische Entwicklung der Region. Zu nennen sind Maula Bakhshs Leistungen als Direktor der Gayanshala Musikakademie, die von ihm in Baroda gegründet wurde, und seine Arbeit an einem einheitlichen Notensystem, welches die nördlich und die südliche Tradition vereinen sollte. Maula Bakhsh war als musikalische Autorität hoch geschätzt und für seine interreligiöse Toleranz und Offenheit bekannt. Sein Haus war „a temple of talent“, in dem Persönlichkeiten aller Religionen und Kasten musizierten und diskutierten.

[Bearbeiten] Kindheit und Jugend

Wie schon erwähnt, wurde Inayat Khan in ein familiäres Umfeld geboren, welches durch den Glauben seines Großvaters (18331896), der mit 15 Jahren der Chishtiyya beitrat, geprägt war. Zwei Aspekte standen dabei im Mittelpunkt des familiären Lebens: Zum einen die Musik, zum anderen eine zwar undogmatische und tolerante, aber dennoch tief religiöse Frömmigkeit. Dabei war die Musik wichtigster Ausdruck von Religiosität und zugleich Erkenntnisinstrument für religiöse Wahrheit. Musik zu reinen Unterhaltungszwecken stellte für Maula Bakhsh eine Degeneration einer hohen „geheiligten“ Kunstform dar. Maula Bakhsh hatte bis zu seinem Tode 1896 einen großen Einfluss auf die Erziehung Inayat Khans. Ihre Beziehung zeugte von gegenseitigem Respekt und Freundschaft. Der junge Inayat Khan betrachtete seinen Großvater als Ideal eines Menschen. Er lernte von ihm viel über andere Religionen und Weltanschauungen. Persönlich interessierte er sich sehr für den Hinduismus, jedoch wurde in seiner Erziehung darauf großen Wert gelegt, dass der Glaube an Allah im Mittelpunkt der täglichen Religionsausübung steht. Er sehnte sich schon in seiner Kindheit nach Gott, den er in seiner Umgebung, in seinen Freunden und Bekannten und schließlich in sich selbst zu finden glaubte. Zudem entwickelte er ein Bewusstsein für die Liebesmystik der Chishtiyya, welche er als zentrales Thema seiner Lehre später theoretisch weiterentwickelte. Trotz seiner Intelligenz – er soll relativ mühelos Sanskrit, Hindi, das Marathi der Hindugelehrten, seine Muttersprache Urdu und das parsische Gujarati gelernt haben – mochte er die Schule nicht. Auf der Hindu-Schule in Baroda, in der er seine Schulzeit verbrachte, herrschten stark autoritäre Lehrmethoden vor, mit denen Inayat große Schwierigkeiten zu haben schien. Andererseits widmete er Themen seines Interesses die volle Aufmerksamkeit. Er investierte dabei viel Energie und vollbracht aus Sicht seines Umfeldes außergewöhnliche Leistungen. Zum Beispiel veröffentlichte er schon mit 14 Jahren sein erstes musiktheoretisches Buch, Bala sangit mala, und wurde schon mit 20 Jahren vollwertiger Professor an der Musikakademie von Baroda. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Musik für ihn der Zugang für spirituelle Erfahrung und Erkenntnis war.

[Bearbeiten] Reisen durch Indien

Der Tod Maula Bakhsh 1896 bedeutete für Inayat Khan den Verlust seines Freundes und ersten Lehrers, den er nur schwer verkraftete. Ein Ortswechsel sollte ihm psychische Entlastung bringen und so durfte er seinen Vater mit 14 Jahren zum Maharaja Bhim Shamsher nach Nepal begleiten. Dies war nur der Anfang von weiteren sieben Reisen auf denen er den gesamten indischen Kontinent kennen lernte. Nach seiner ersten weiten Reise kehrte er mit seinem Vater 1897 nach Baroda zurück. Nachdem drei Jahre später sein zehn Jahre jüngerer Bruder Karemat Khan und fünf Jahre später seine Mutter verstarb, begann Inayat Khan allein zu reisen. Zunächst führte ihn sein Weg 1902 nach Madras und Mysore, wo er musikalischen Erfolg und großes Ansehen errang. Er kehrte dann für ca. ein Jahr in seine Heimatstadt zurück, wo er eine Anthologie seiner Gedichten und Lieder, Sayaji Garbawali, die in verschiedenen indischen Regionalsprachen erschien, veröffentlichte. Ein wichtiger Grund für seine Rückkehr war zudem die Vorbereitungen für eine zweite arrangierte Ehe. Ein enger Freund der Familie bot seine Schwester für eine Eheschließung an, jedoch musste Inayats Vater diesen Wunsch zurückweisen, da die Familie des Freundes aus Jaipur der Schia angehörten. Später heiratete er dann eine sunnitische Frau.

Den Höhepunkt seiner musikalischen Karriere errang er in Hyderabad (von ca. 1903-1908), wo es ihm gelang in wichtigen politischen und künstlerischen Kreisen Fuß zu fassen. Hier wurde er als musikalische Autorität und zunehmend auch als außergewöhnliche religiöse Erscheinung geschätzt. Der musikalischen Karriere kam zu Gute, dass Hyderabad, ehemals ein Zentrum moguler Herrschaft und Kultur, auch am Anfang des 20. Jahrhunderts eine wichtige und einflussreiche Metropole Indiens für Kunst und Kultur war. Daher ist es verständlich, dass sich mit der Einladung bei Hofe der Bekanntheitsgrad Khans im ganzen Land erhöhte. In den ersten sechs Monaten seiner Anwesenheit in Hyderabad schrieb er sein letztes 300 Seiten starkes, musiktheoretisches Buch (Minqar-i Musiqar), indem er das musikalische System seines Großvaters in Urdu zusammenfasste.

[Bearbeiten] Inayat Khan als religiöser Schüler

Bisher hatte sich Inayat noch keinem spirituellen Führer und Lehrer anvertraut. Jedoch merkte er, dass eine solche Führung notwendig ist. Er hatte in Hyderabad eine Vision, nach der er sich auf die Suche nach einem geistigen Führer begab. Inayat Khan lernte im Hause eines Freundes Sayyid Abu Hashim Madani - ein damals bedeutsamer chishti Scheich - kennen, der ihm schon bei ihrer ersten Zusammenkunft die Initiation erteilte. Obwohl er Inayat Khan sehr schätzte, schonte er ihn in seiner Ausbildung nicht und unterzog ihn anfangs anstrengenden Tests, die seinen Mut, seine Widerstandskraft, seinen Glauben und seine körperliche und geistige Selbstbeherrschung prüfen sollten. Dies alles erschütterte Inayats starkes Vertrauen in seinen Lehrer nicht, denn er war es seit frühester Kindheit gewöhnt, sich auf die genannten Gesichtspunkte hin durch Versenkung und anderer körperlichen Askese zu prüfen. Er blieb bis zum Tod Maulana Khair-ul-Mubin 1908 in Hyderabad. In jener Zeit schrieb er zu Ehren seines Lehrers eine große Zahl von Gedichten, von denen einige erhalten geblieben sind. Dann begab sich Inayat Khan auf eine zweijährige Pilgerschaft durch Indien, um zum einen zahlreiche Musikveranstaltungen abzuhalten, zum anderen mit Geistlichen der Chishtiyya zusammenzutreffen. Seiner Hagiographie nach zu urteilen, erreichte Inayat in Kolkata seinen musikalische und spirituelle Vervollkommnung. Am 13. September 1910 verließ er sein Heimatland Indien, um in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern und dort seine Musik und seine Lehre bekannt zu machen.

[Bearbeiten] Inayat Khans Mission in den USA und Europa

Auf seinem Weg in den Westen wurde er von seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Maheboob Khan und seinem Cousin und lebenslangen Gefährten Mohammad Ali Khan begleitet. Beide gaben eine vielversprechende Musikkarriere in Indien auf, um Inayat als Schüler nahe zu sein. Sechs Monate nachdem sie in die USA (New York) eingereist waren, folgte der jüngste Bruder Inayat Khans, Musharaff, nach. Zunächst konnten Inayat Khan und seine Gefährten ihre Sufi-Botschaft noch nicht effektiv verbreiten. Sie waren schlichtweg zu unbekannt und exotisch, als dass sich ein größeres Publikum für ihre Weltanschauung interessierte. Als sie 1910 einwanderten, gehörten sie mit zu den Personen der ersten Immigrationswelle aus dem indo-pakistanischen Raum. Bevor 1917 der „Immigration Act“ verabschiedet wurde, war die Einwanderung vom indischen Subkontinent uneingeschränkt möglich. Der latente und offene Rassismus, unter dem auch die indischen Musiker alltäglich zu leiden hatten, manifestierte sich auf höchster Ebene 1923 als der „Supreme Court“ Indern die Einbürgerung, von einigen Ausnahmen abgesehen, mit der Begründung verweigerte, dass die amerikanische Öffentlichkeit Personen indischer Herkunft nicht als „Weiße“ anerkennen würden. Um also bekannter zu werden und natürlich um sich eine finanzielle Existenzgrundlage zu verschaffen, gab Inayat Khan und seine Schüler zunächst eine große Zahl von Konzerten. Zwar ergaben sich aus dieser Tätigkeit erste Kontakte, jedoch behoben erstens die Konzerte und musiktheoretischen Vorträge nur unzureichend die finanzielle Notlage und zweitens war das Interesse der Menschen für den Sufismus noch zu wenig ausgeprägt, um wirklich ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen. Trotz der Schwierigkeiten vermochte es Inayat Khan eine kleine Schar von Schülern um sich zu sammeln. Zu den ersten westlichen Schülern gehörte Ada Martin (1871-1927), die später als unabhängige „Lehrerin“ die Geschäfte der Sufi-Bewegung in den USA leitete. Laut ihrer eigenen Autobiografie hatte sie schon ein Jahr vor ihrer Begegnung eine starke Vision von Inayat Khan. Unter seinen ersten Muriden war auch seine zukünftige Gemahlin Ora Ray Baker (spätere Amina Begum, 1892-1927), die er 1912 in London heiratete. Sie hatten zusammen vier Kinder: Die beiden Söhne Vilayat (geb. 1916), Hidayat (geb. 1917) und zwei Töchter Noorunnisa (1914-1944) und Khairunnisa (geb. 1919).

Nach einem kurzen und auch nicht sehr erfolgreichen Aufenthalt in England, siedelte er mit seiner Familie nach Paris über, wo er auf eine größere Resonanz hoffte. Diese Erwartung wurde in der Tat erfüllt. Zudem hatte Inayat Khan in Frankreich inspirierende Begegnungen mit musikalischen Größen der Zeit, wie zum Beispiel mit dem französischen Komponisten Claude Debussy. Außerdem unternahm er von Frankreich aus einige Reisen, so zum Beispiel nach Russland, wo er an das kaiserliche Musikkonservatorium eingeladen wurde. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 zog sich Inayat Khan erneut nach London zurück, wo er dann während der Kriegsjahre verweilte. Auch diese Zeit gestaltete sich für Inayat Khan und seine Gefolgsleute schwierig. Der Krieg beherrschte die Gedanken der Menschen und nur wenige wollten sich mit der pazifistischen Lehre Inayat Khans befassen. Trotzdem vollzog sich eine stetige Missionierung und immer mehr Schüler schlossen sich ihm an.

Auch das Ordensleben gewann an Kontur: So wurde zum Beispiel ein universeller Gottesdienst ausgestaltet und es erschienen erste Publikationen, die als „Sprachrohr“ der Sufi-Bewegung dienten. Zudem nutzte Inayat Khan diese Zeit, um die Psychologie der Menschen zu studieren, damit er sich noch besser an die Verhältnisse und Bedingungen anpassen konnte.

1920 zog Inayat mit seine Familie zurück nach Paris. Inayat Khans Wunsch war es nach Genf überzusiedeln, um dort ein Hauptquartier der internationalen Sufi-Bewegung zu gründen. Seine Frau Amina Begum wollte aber in Paris bleiben. Dennoch gründete er in Genf das Hauptquartier der Sufi-Bewegung und setzte seine Schülerin Miss Goodenough als Generalsekretärin ein. Er pendelte seitdem zwischen seinem Wohnort Suresnes einem Vorort von Paris und der Schweiz hin und her.

Je größer der Orden wurde, desto größer wurden Inayat Khans Verpflichtungen. So musste er neben der Initiation und Unterrichtung der Schüler, das Geben von Konzerten, Vorträgen und Kursen, auch die sich in den einzelnen europäischen Ländern gründenden nationalen Gruppen betreuen. Aufgrund der zahlreichen Verpflichtungen konnte er meist nur in den Sommermonaten in Frankreich verweilen. Diese wollte er anfangs zur religiösen Versenkung und Einkehr nutzen, jedoch hinderte ihn weitgehend das Bedürfnis seiner Schüler nach individueller Betreuung und die eingerichtete Summer School an der Verrichtung dieser Praktiken. Die Summer School, welche sich zwischen 1921 und 1926 jedes Jahr erst in Wissous (nahe Paris), in Katwijk (Niederlande) und letztlich in Suresnes konstituierte, war schon bald die beliebteste Einrichtung der Sufi-Gemeinschaft und Inayat Khans wichtigste Möglichkeit seine Schüler zu unterrichten. Aufgrund seiner vielseitigen und in anspruchnehmenden Tätigkeiten, musste er selbst das Musizieren aufgeben.

Im Oktober 1926 reiste Inayat Khan nur begleitet von seinem persönlichen Referenten erstmals seit 16 Jahren wieder nach Indien. Längst hatte sich seine erfolgreiche Tätigkeit herumgesprochen und als er Anfang November in Neu-Delhi eintraf, musste er die Tätigkeit, die er in Europa abgebrochen hatte, wieder aufnehmen und Vorträge und Einführungen in den Sufismus geben. Die enorme Inanspruchnahme schien ihn sehr zu schwächen, denn nach der Rückkehr einer kurzen Reise zur Grabstätte von Khwadja Muin al-Din Chishti erkrankte er an einer Grippe, der er am 5. Februar 1927 in Tilak Lodge (Neu-Delhi) erlag.

Auf den Lehren von Inayat Khan basiert auch der Orden Sufism Reoriented, der in den 1950er Jahren in den USA gegründet wurde.

[Bearbeiten] Werke

  • Aus einem Rosengarten Indiens, Zürich 1925
  • Die Einheit religiöser Ideale, den Haag o.J.
  • Es war einmal... Erinnerungen aus frühen Tagen an meine geliebten Eltern, Heilbronn 1999
  • Musik und kosmische Harmonie aus mystischer Sicht, Heilbronn 1987

[Bearbeiten] Literatur

  • Elisabeth de Jong-Keesing: Inayat Khan. A Biography. East-West Publications, London, Den Haag 1974
  • Andres Rawlinson: The Book of Enlightened Masters. Western Teachers in Eastern Traditions. Open Court, Chicago 1997
  • Hendrikus J. Witteveen: Universaler Sufismus. Die Sufi-Botschaft von Hazrat Inayat Khan. Verlag Heilbronn, Heilbronn 1998

[Bearbeiten] Weblinks

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