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Jüdische Philosophie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Begriff Jüdische Philosophie meint die Verbindung von wissenschaftlichen philosophischen Studien und jüdischer Theologie.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Einführung

Eine Fusion von Religion und Philosophie ist in jedem Fall ein schwieriges Unterfangen, denn klassische Philosophen beginnen mit ihren Untersuchungen ohne Vorgaben, während klassische Gläubige von bestimmten religiösen Glaubensprinzipien ausgehen und voraussetzen, dass man daran glauben müsse.

Wegen dieser unterschiedlichen Ziele und Ansichten meinen einige, man könne nicht gleichzeitig ein Philosoph und ein wahrer Anhänger einer Offenbarungsreligion sein. Dieser Sichtweise zufolge sind alle Versuche einer Synthese von vornherein zum Scheitern verurteilt. Rabbi Nachman von Bratslav zum Beispiel, ein chassidischer Mystiker, betrachtete alle Philosophie als falsch und ketzerisch. Die Gegenposition verkörpert Baruch Spinoza, ein Pantheist, der die Offenbarungsreligion der Philosophie unterordnete und deshalb die traditionelle jüdische Philosophie als intellektuell fehlerhaft ansah.

Andere halten eine Synthese von Philosophie und Religion für möglich. Ein möglicher Weg zu einer solchen Synthese bestünde darin, philosophische Argumente zur Begründung religiöser Glaubensprinzipien zu verwenden. Dies ist eine verbreitete Technik in vielen religiösen Traditionen, einschließlich des Judentums, des Christentums und des Islam, aber es wird von Philosophen nicht generell als wahre Philosophie akzeptiert. Ein Beispiel für diesen Ansatz stellt Lawrence Kelemens "Permission to Believe" (Feldheim 1990) dar.

Ein anderer Weg zu einer Synthese ist denkbar, indem man davon absieht, irgendwelche religiösen Prinzipien des eigenen Glaubens für wahr zu halten, so lange sie nicht durch philosophische Analyse bestätigt werden. In gewisser Weise wurde dieser Weg von dem rekonstruktionistischen Rabbi Mordechai Kaplan (20. Jahrhundert) beschritten. Allerdings wird dieser Weg von anderen Gläubigen nicht immer als glaubenstreu akzeptiert.

Ein weiterer möglicher Weg zur Synthese besteht darin, analytische Philosophie auf die eigene Religion anzuwenden, um die Basis des Glaubens zu stärken. Unter den jüdischen Denkern, die diese Ansicht vertreten haben, sind Saadia Gaon, Gersonides und Abraham Ibn Daud zu nennen. In diesem Fall wäre ein religiöser Mensch ein Philosoph, wenn er Fragen stellt wie:

  • Was ist die Natur Gottes? Wie können wir wissen, dass Gott existiert?
  • Was ist die Natur der Offenbarung? Wie können wir wissen, dass Gott seinen Willen der Menschheit offenbart?
  • Welche unserer religiösen Traditionen müssen wörtlich interpretiert werden?
  • Welche unserer religiösen Traditionen müssen allegorisch interpretiert werden?
  • Was muss man wirklich glauben, um als wahrer Anhänger unserer Religion betrachtet zu werden?
  • Wie kann man die Erkenntnisse der Philosophie mit der Religion in Einklang bringen?
  • Wie kann man die Erkenntnisse der Naturwissenschaft mit der Religion in Einklang bringen?

Einigen Ansichten zufolge könnte dies die Aufgabe der jüdischen Philosophie sein, aber ein Ende der Debatte ist nicht abzusehen.

[Bearbeiten] Frühe jüdische Philosophie

Die frühe jüdische Philosophie war stark beeinflusst von Platon, Aristoteles und der islamischen Philosophie. Viele jüdische Philosophen des Frühmittelalters (vom 8. Jahrhundert bis zum Ende des 9. Jahrhunderts) waren vor allem beeinflusst von den islamischen Mutaziliten; sie leugneten alle einschränkenden Attribute Gottes und kämpften für die Einheit und Gerechtigkeit Gottes.

Mit der Zeit galt dann Aristoteles unter den jüdischen Denkern als der Philosoph par excellence. Diese Tendenz wurde nicht zuletzt von den islamischen, den christlich-byzantinischen und den lateinisch-christlichen Denkschulen hervorgehoben.

[Bearbeiten] Philon von Alexandria

Philon von Alexandria (20 v. Chr. - 40 n. Chr.) war ein hellenistischer jüdischer Philosoph aus Alexandria, Ägypten. Philon bezog in seine Philosophie sowohl die Weisheit des antiken Griechenland als auch das Judentum mit ein, und er versuchte sie zu verschmelzen und zu harmonisieren durch die Kunst der Allegorie, die er ebenso von der jüdischen Exegese wie von den Stoikern gelernt hatte. Sein Werk wurde nur eingeschränkt akzeptiert. Philon machte seine Philosophie zum Instrument der Verteidigung und Rechtfertigung der jüdischen Religionslehren. Diese religiösen Wahrheiten betrachtete er als festgelegt, und die Philosophie sollte nur als ihr Hilfsmittel dienen, als Instrument, diese Wahrheiten zu erreichen. Mit diesem Ziel vor Augen verwarf Philon diejenigen griechischen Lehren, die sich nicht mit der jüdischen Religion harmonisieren ließen, z. B. die aristotelische Lehre von der Ewigkeit und Unvergänglichkeit der Welt.

[Bearbeiten] Avicebron, Solomon ibn Gabirol

Der jüdische Dichterphilosoph Solomon ibn Gabirol, auch bekannt unter dem Namen Avicebron, starb um 1070. Er war von Platon beeinflusst. Sein klassisches philosophisches Werk war Mekor Chayim, "Die Quelle des Lebens". Sein Buch über Ethik trägt den Titel Tikkun Middot HaNefesh, "Die Qualitäten der Seele korrigieren".

In Gabirols Werken ist Platon der einzige namentlich genannte Philosoph. Charakteristisch für beide ist die Konzeption eines mittleren Wesens zwischen Gott und Welt, zwischen Gattung und Individuum. Aristoteles hatte bereits den Einwand gegen Platons Ideenlehre formuliert, dass ein vermittelndes drittes Sein zwischen Gott und Universum, zwischen Form und Materie fehle. Dieser "dritte Mensch", diese Verbindung zwischen körperlosen Substanzen (Ideen) und ideenlosen Körpern (Materie), ist, nach Philon, der Logos; nach Gabirol ist es der göttliche Wille. Philon gibt dem Problem einen intellektuellen Aspekt, während Gabirol es als eine Frage des Willens konzipiert und sich damit so modernen Denkern wie Arthur Schopenhauer und Wilhelm Wundt annähert.

Gabirol war einer der ersten Lehrer des Neoplatonismus in Europa. Seine Rolle ist mit der Philons verglichen worden: Philon hatte als Vermittler zwischen der griechischen Philosophie und der orientalischen Welt gedient; tausend Jahre später okzidentalisierte Gabirol die graeco-arabische Philosophie und führte sie zurück nach Europa. Die philosophischen Lehren Philons und Gabirols wurden von ihren jüdischen Zeitgenossen größtenteils ignoriert; die Parallelität kann noch ausgeweitet werden, wenn man hinzufügt, dass Philon und Gabriol gleichermaßen einen beträchtlichen Einfluss auf nichtjüdische Kreise ausübten: Philon auf das frühe Christentum, Ibn Gabirol auf die Scholastik des christlichen Mittelalters.

Gabirols Philosophie hinterließ nur wenig Eindruck bei späteren jüdischen Denkern. Am stärksten wirkten seine Lehren auf dem Gebiet der jüdischen Liturgie. Er wird zitiert bei Moses ibn Ezra und Abraham ibn Ezra. Christliche Scholastiker, einschließlich Albertus Magnus und dessen Schüler Thomas von Aquin, bezogen sich regelmäßig und mit Dankbarkeit auf Gabirol.

[Bearbeiten] Jüdische Mystik, Kabbala

Ein fundamentaler Unterschied zwischen den Kabbalisten und den Vertretern der Philosophie liegt in ihrer Einschätzung der Macht der menschlichen Vernunft: Kabbalisten verwerfen die Schlussfolgerungen der Vernunft und vertrauen stattdessen auf Tradition, Inspiration und Intuition. Im Gegensatz dazu halten Philosophen die Vernunft für die wichtigste Voraussetzung jeder Wahrnehmung und Erkenntnis.

[Bearbeiten] Saadia Gaon

Saadia Gaon (892-942) wird als einer der bedeutendsten frühen jüdischen Philosophen angesehen. Sein Werk Emunoth ve-Deoth hieß ursprünglich Kitab al-Amanat wal-l'tikadat, "Das Buch der Glaubensartikel und dogmatischen Lehren". Es war die erste systematische Darlegung und philosophische Begründung der jüdischen Dogmen und erschien im Jahr 933.

In diesem Buch postuliert Saadia Gaon die Rationalität des jüdischen Glaubens, mit der Einschränkung, dass die Vernunft kapitulieren muss, wann immer sie in Widerspruch zur Tradition gerät. Das Dogma muss den Vorrang vor der Vernunft haben. So lehrt die Vernunft bei der Frage nach der Ewigkeit der Welt seit Aristoteles, dass die Welt ohne Anfang sei, dass sie nicht geschaffen worden sei; im Gegensatz dazu behauptet das jüdische Dogma eine Schöpfung aus dem Nichts. Seit der Zeit des Aristoteles hieß es, das logische Denken könne nur eine allgemeine Form der Unsterblichkeit beweisen, aber eine individuelle Unsterblichkeit könne es nicht geben. Die jüdische Dogmatik dagegen lehrte die Unsterblichkeit des Individuums. Deshalb muss nach Saadias Ansicht die Vernunft nachgeben.

In der Systematik seines Werks hielt sich Saadia streng an die Regeln der Mutaziliten (einer rationalistischen Glaubensrichtung des Islam, denen er teilweise auch seine Thesen und Argumente entnahm), wobei er meistens der mutazilitischen Schule des al-Jubbai folgte. Er hielt sich an den mutazilitischen Kalam, vor allem in dem Sinne, dass er in den ersten zwei Kapiteln die metaphysischen Fragen der Schöpfung (I) und der Einheit Gottes (II) diskutiert, während er in den folgenden Kapiteln die jüdische Theorie der Offenbarung (III) behandelt, sowie die Glaubenslehren, die auf der göttlichen Gerechtigkeit beruhen, inklusive Fragen des Gehorsams und Ungehorsams (IV), und auch Verdienst und Schuld (V). Eng verbunden mit diesen Kapiteln sind jene, die von der Seele und dem Tod handeln (VI), und von der Wiederauferstehung von den Toten (VII), die dem Autor zufolge einen Teil der Theorie von der messianischen Erlösung (VIII) bildet. Das Werk schließt mit einem Kapitel über die Belohnungen und Bestrafungen im jenseitigen Leben (IX).

[Bearbeiten] Karäische Philosophie

Die Karäer, eine Sekte, die die Lehren des rabbinischen Judentums ablehnt, entwickelten ihre eigene Form der Philosophie, eine jüdische Version des islamischen Kalam. Die frühen Karäer legten ihrer Philosophie den mutazilitischen Kalam zu Grunde; einige spätere Karäer, wie Aaron ben Elijah von Nikomedia (14. Jahrhundert) in seinem Buch Etz Hayyim ("Baum des Lebens"), gingen zurück zu den Lehren des Aristoteles.

[Bearbeiten] Bahya ibn Paqudas Pflichten des Herzens

Bahya ibn Paquda lebte in Spanien in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Er verfasste das erste jüdische System der Ethik, geschrieben 1040 in Arabisch unter dem Titel Al Hidayah ila Faraid al-hulub, "Wegweiser zu den Pflichten des Herzens", 1161-1180 von Judah ben Saul ibn Tibbon ins Hebräische übersetzt unter dem Titel Hovot ha-Levavot, "Pflichten des Herzens".

Obwohl er häufig Saadia Gaons Werke zitierte, gehörte er nicht zur rationalistischen Schule der Mutaziliten, denen Saadia folgte, sondern wie sein jüngerer Zeitgenosse Solomon ibn Gabirol (1021-1070) war er ein Anhänger der neoplatonischen Mystik Oft hielt er sich an die Methoden der arabischen Enzyklopädisten, die als "Brüder der Reinheit" bekannt sind. Weil er zur kontemplativen Mystik und zur Askese neigte, entfernte Bahya aus seinem System alle Elemente, die seiner Ansicht nach den Monotheismus verschleiern oder mit dem jüdischen Gesetz in Konflikt geraten könnten. Er strebte ein religiöses System an, das gleichzeitig erhaben und rein und in vollkommener Übereinstimmung mit der Vernunft sei.

[Bearbeiten] Yehuda Halevi

Der jüdische Dichterphilosoph Yehuda Halevi (12. Jahrhundert) argumentierte in seinem polemischen Buch Kuzari heftig gegen die Philosophie. Er wurde so zum jüdischen Al-Ghazali, dessen Destructio Philosophorum als Vorbild für den Kuzari gedient hatte.

Die menschliche Vernunft zählte für ihn nicht viel: Innere Erleuchtung, emotionale Vision war ihm alles. Im Kuzari diskutieren die Repräsentanten unterschiedlicher Religionen und Philosophien vor dem König der Chasaren über die Verdienste der von ihnen vertretenen Systeme - der Siegespreis wird am Ende dem Judentum verliehen.

[Bearbeiten] Der Aufstieg des aristotelischen Denkens

Yehuda Halevi konnte die Verbreitung des aristotelischen Denkens unter den arabisch-schreibenden Juden nicht aufhalten. So wie die Araber Ibn Sina und Ibn Roshd entlehnten unter den jüdischen Denkern Abraham ibn Daud und Maimonides mehr und mehr von Aristoteles.

Rabbi Levi ben Gershon, auch bekannt als Gersonides oder der Ralbag (1288-1345) ist vor allem bekannt für sein Buch Milhamot HaShem (oder einfach Milhamot), "Kriege des Herrn". Unter den Scholastikern war Gersonides vielleicht der fortgeschrittenste, er stellte die Vernunft über die Tradition. Milhamot HaShem ist nach dem Vorbild des Führers der Unschlüssigen von Maimonides gestaltet. Von einem philosophischen (vor allem averroistischen) Standpunkt wird hier der Synkretismus aus Aristotelismus und jüdischer Orthodoxie, wie er sich bei Maimonides findet, kritisiert.

Hasdai Crescas (1340-1410) ist der Autor des Buches Or Hashem ("Licht des Herrn"). Crescas' erklärtes Ziel bestand darin, das Judentum von den Fesseln des Aristotelismus zu befreien, der seiner Ansicht nach durch die Einflüsse des Ibn Sina auf Maimonides und des Ibn Roshd auf Gersonides die Authentizität des jüdischen Glaubens zu verwässern drohte, weil er die Lehrinhalte des Judentums zu Surrogaten aristotelischer Begriffe reduzierte. Sein Buch Or Hashem besteht aus vier Teilen (ma'amar), untergliedert in kelalim und Kapitel (perakim): Der erste behandelt die Grundlage allen Glaubens - die Existenz Gottes; das zweite die grundlegenden Lehrsätze des Glaubens; das dritte weitere Lehrsätze, die für alle Anhänger des Judentums bindend sind; das vierte Lehrsätze die zwar traditionell, aber nicht bindend sind und deshalb offen für philosophische Überlegung.

Joseph Albo war ein spanischer Rabbi und Theologe des 15. Jahrhunderts, bekannt vor allem als Autor des Buches über die jüdischen Glaubensprinzipien, sein Ikkarim. Albo beschränkte die Zahl der fundamentalen jüdischen Glaubensprinzipien auf drei: 1) Der Glaube an die Existenz Gottes; 2) an die Offenbarung; 3) an die göttliche Gerechtigkeit, verbunden mit der Idee der Unsterblichkeit. Albo kritisiert die Ansichten seiner Vorgänger, aber er will sie damit keinesfalls der Ketzerei beschuldigen. Eine bemerkenswerte Breite an Interpretationsmöglichkeiten ist erlaubt, so sehr, dass es nach Albos Theorien schwierig wäre, die Orthodoxie sogar der liberalsten Juden anzufechten. Albo verwirft die These, dass die Schöpfung ex nihilo eine wesentliche Implikation des Glaubens an Gott sei. Er kritisiert freimütig Maimonides' dreizehn Glaubensprinzipien und Crescas' sechs Prinzipien.

[Bearbeiten] Maimonides

Rabbi Moshe ben Maimon (1135 - 1204), רבי משה בן מיימון, allgemein bekannt unter seinem griechischen Namen Maimonides, war ein jüdischer Rabbi, Arzt und Philosoph.

Maimonides lehrte, dass Gott nicht mit positiven Attributen bezeichnet werden könne. Die Zahl der Attribute Gottes würde die Einheit Gottes beeinträchtigen. Um die Doktrin der Einheit Gottes aufrecht erhalten zu können, müssen alle anthropomorphen Attribute, wie Existenz, Leben, Macht, Wille, Wissen - die verbreiteten positiven Attribute Gottes im Kalâm - vermieden werden, wenn die Rede von Gott ist. Zwischen den Attributen Gottes und den Attributen der Menschen gibt keine Ähnlichkeit, außer der des Begriffs (Homonymie), es gibt keine Entsprechung im Wesen (Führer der Unschlüssigen, I 35, 56). Die negativen Attribute implizieren, dass nichts über das wahre Wesen Gottes gewusst werden kann. So wie Immanuel Kant das Ding an sich für unerkennbar erklärt, sagt Maimonides über Gott, man könne nur wissen, dass er ist, aber nicht, was er ist.

Maimonides formulierte dreizehn Glaubensartikel, von denen er sagte, alle Juden seien verpflichtet, daran zu glauben. Die ersten fünf behandeln das Wissen vom Schöpfergott, die folgenden vier behandeln Prophezeiung und den göttlichen Ursprung der Tora, und die letzten vier behandeln Fragen der Belohnung, Bestrafung und Erlösung im Jenseits.

Das Prinzip, das Maimonides' ganze philosophische Aktivität beeinflusste, war identisch mit dem fundamentalen Prinzip der Scholastik: Es kann keinen Widerspruch geben zwischen den Wahrheiten, die Gott offenbart hat, und den Entdeckungen des menschlichen Geistes in Wissenschaft und Philosophie. Unter Wissenschaft und Philosophie verstand er Wissenschaft und Philosophie des Aristoteles. In einigen wichtigen Punkten wich er jedoch auch von den aristotelischen Lehren ab, so meinte er zum Beispiel, die Welt sei nicht ewig, wie Aristoteles meinte, sondern ex nihilo erschaffen, wie es in der Bibel steht. Auch verwarf er die Lehre des Aristoteles, die Fürsorge Gottes erstrecke sich nur auf die Menschheit und nicht auf das einzelne Individuum. Während Maimonides in diesen wichtigen Punkten die Scholastiker vorwegnahm und zweifellos beeinflusste, war er durch seine Bewunderung für die neoplatonischen Kommentatoren und durch seinen eigenen, im Wesen jüdischen Geist dazu geneigt, viele Ansichten zu vertreten, die die Scholastiker nicht akzeptieren konnten.

[Bearbeiten] Stellung in der Geistesgeschichte

Die Scholastiker bewahrten die Kontinuität des philosophischen Denkens. Ohne die Aktivitäten der arabisch-jüdischen Philosophen hatte die Kultur der westlichen Welt sich wohl in eine andere Richtung entwickelt, zumindest wäre die Entwicklung nicht mit dieser Geschwindigkeit abgelaufen, die sie dann im Humanismus und der Renaissance gewann. Die jüdischen Philosophen der arabisch-sprechenden Welt waren die Humanisten des Mittelalters. Sie knüpften und stärkten eine Verbindung zwischen den Philosophen, Ärzten und Dichtern der arabischen und der lateinisch-christlichen Welt.

Gersonides, Gabirol, Maimonides und Crescas gelten als sehr wichtig für die Kontinuität der Philosophie, denn sie erleuchteten nicht nur die Giganten der christlichen Scholastik, Albertus Magnus und Thomas von Aquin, sondern ihr Licht strahlte noch viel weiter in die Philosophie der modernen Zeit.

[Bearbeiten] Renaissance-Philosophen

In der Renaissance entwickelte sich ein neuer Zweig der jüdischen Philosophie, der sich auf die Lehren des Tora-Mystizismus stützte, der wiederum aus den esoterischen Lehren des Sohar und den Lehren des Rabbi Isaak Luria entstanden war. Diese Philophie findet sich vor allem im umfangreichen Werk des Rabbi Judah Löw, auch bekannt als Maharal von Prag.

[Bearbeiten] nach-aufklärerische jüdische Philosophen

[Bearbeiten] moderne jüdische Philosophie

Ein Haupttrend der modernen jüdischen Philosophie war der Versuch, eine Theorie des Judentums durch den Existenzialismus zu entwickeln. Auf diesem Gebiet trat vor allem Franz Rosenzweig hervor. Während der Recherchen für seine Dissertation über Georg Wilhelm Friedrich Hegel wandte sich Rosenzweig gegen Hegels Idealismus und favorisierte einen existenzialistischen Ansatz. Zeitweise erwog Rosenzweig eine Konversion zum Christentum, aber 1913 bekannte er sich zur jüdischen Philosophie. Er studierte bei Hermann Cohen. Rosenzweigs Hauptwerk, Der Stern der Erlösung, ist Ausdruck seiner neuen Philosophie, in der er die Beziehung zwischen Gott, Menschheit und Welt und ihren Zusammenhang durch Schöpfung, Offenbarung und Erlösung darstellt. Als spätere jüdische Existenzialisten sind die konservativen Rabbis Neil Gillman und Elliot N. Dorff zu nennen.

Die vielleicht umstrittenste Form der jüdischen Philosophie, die sich im frühen 20. Jahrhundert entwickelte, war der religiöse Naturalismus des Rabbi Mordechai Kaplan. Seine Theologie war eine Variante der Philosophie von John Dewey. Deweys Naturalismus kombinierte atheistische Überzeugungen mit religiöser Terminologie, um eine religiös zufriedenstellende Philosophie für diejenigen zu konstruieren, die den Glauben an die traditionelle Religion verloren haben. In Übereinstimmung mit den klassischen jüdischen Denkern des Mittelalters lehrte Kaplan, dass Gott keine Person sei und alle anthropomorphen Beschreibungen im besten Fall unzureichende Metaphern. Kaplans Theologie ging nach weiter zu der These, Gott sei die Summe aller Naturprozesse, die dem Menschen ein erfülltes Leben erlauben. Kaplan schrieb, "an Gott glauben bedeutet, es für selbstverständlich halten, dass die Bestimmung des Menschen darin liegt, sich über das Animalische zu erheben und alle Formen der Gewalt und Ausbeutung aus der menschlichen Gesellschaft zu eliminieren."

Unter den neueren Trends gibt es den Ansatz einer Neugestaltung der jüdischen Theologie durch die Perspektive der Prozessphilosophie bzw. Prozesstheologie. Die Prozessphilosophie bezeichnet die grundlegenden Elemente des Universums als Erfahrungsereignisse. Demzufolge sind das, was man gemeinhin als konkrete Dinge bezeichnet, tatsächlich Abfolgen von Erfahrungsereignissen. Erfahrungsereignisse können in Gruppierungen zusammengefasst werden; etwas so Komplexes wie ein menschliches Wesen ist demnach eine Gruppierung vieler kleinerer Erfahrungsereignisse. Aus dieser Sicht ist alles im Universum charakterisiert durch Erfahrung (die nicht mit Bewusstsein verwechselt werden darf); es gibt keine Geist-Körper-Dualität in diesem System, denn "Geist" ist einfach eine sehr hoch entwickelte Art von Erfahrung.

Zu dieser Philosophie gehört auch die Annahme, dass alle Erfahrungen durch frühere Erfahrungen beeinflusst sind, und dass sie alle zukünftigen Erfahrungen beeinflussen werden. Dieser Prozess der Einflüsse ist nie deterministisch; ein Erfahrungsereignis besteht aus einem Prozess des Verstehens anderer Ereignisse und aus einer Reaktion darauf. Dies ist der "Prozess" in der Prozessphilosophie. Die Prozessphilosophie gibt Gott einen bestimmten Platz im Universum der Erfahrungsereignisse. Gott umfasst alle anderen Erfahrungsereignisse, aber transzendiert sie gleichzeitig; so ist die Prozessphilosophie eine Form des Panentheismus.

Die Ideen der Prozesstheologie wurden anfänglich entwickelt von Charles Hartshorne (1897-2000), und sie beeinflussten zahlreiche jüdische Theologen, einschließlich des britischen Philosophen Samuel Alexander (1859-1938), sowie die Rabbis Max Kaddushin, Milton Steinberg und Levi A. Olan, Harry Slominsky, und in geringerem Maße Abraham Joshua Heschel. Heute vertreten einige Rabbis, wie Donald B. Rossoff, William E. Kaufman, Harold Kushner, Anton Laytner, Gilbert S. Rosenthal, Lawrence Troster und Nahum Ward, eine abgeschwächte Form der Prozesstheologie.

Die vielleicht erstaunlichste Entwicklung im jüdischen religiösen Denken des späten 20. Jahrhunderts war das wiedererwachende Interesse an der Kabbala. Viele Philosophen betrachten dies nicht als Form der Philosophie, denn die Kabbala ist eine Form der Mystik. Mystik wird generell verstanden als Alternative zur Philosophie, nicht als Variante der Philosophie.

[Bearbeiten] Holocaust-Theologie

Das Judentum hat traditionell gelehrt, dass Gott omnipotent (allmächtig), omniscient (allwissend) und omnibenevolent (allgütig) sei. Aber diese Behauptungen stehen im Kontrast zu der Tatsache, dass es viel Böses in der Welt gibt. Die wohl schwierigste Frage, mit der Monotheisten konfrontiert sind, ist die Frage, wie wir diese Sichtweise Gottes mit der Existenz des Bösen vereinbaren können. Dies ist das Problem des Bösen. In allen monotheistischen Glaubensrichtungen gibt es Lösungsversuche dieser Frage (Theodizeen). Angesichts der Größe des Bösen, das im Holocaust sichtbar wurde, haben viele Menschen die klassischen Sichtweisen dieses Problems neu untersucht. Wie können Menschen nach dem Holocaust noch an Gott glauben? Diese Problematik der jüdischen Philosophie bezeichnet man als Holocaust-Theologie.

[Bearbeiten] moderne jüdische Philosophen

Die folgenden Philosophen hatten einen deutlichen Einfluss auf die Philosophie der zeitgenössischen Juden, sofern sie sich als solche verstehen. Es handelt sich um Autoren, die bewusst philosophische Themen in einem jüdischen Rahmen behandelten.

[Bearbeiten] orthodoxe jüdische Philosophen

Hauptartikel orthodoxes Judentum

  • Shalom Carmy
  • Eliyahu Eliezer Dessler
  • Samson Raphael Hirsch
  • Yitzchok Hutner
  • Menachem Kellner
  • Steven T. Katz
  • Abraham Isaac Kook
  • Norman Lamm
  • Joseph Soloveitchik

[Bearbeiten] konservative jüdische Philosophen

Hauptartikel konservatives Judentum

[Bearbeiten] liberale jüdische Philosophen

Hauptartikel liberales Judentum

  • Emil Fackenheim

[Bearbeiten] rekonstruktionistische jüdische Philosophen

Hauptartikel Rekonstruktionismus

  • Mordecai Kaplan

[Bearbeiten] Andere

[Bearbeiten] durch ihren jüdischen Hintergrund geprägte Philosophen

[Bearbeiten] siehe auch

Portal:Judentum

[Bearbeiten] Weblinks

Diskussion

Quellenmaterial

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