Konservative Revolution
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Als Konservative Revolution werden häufig verschiedene antidemokratische, antiegalitäre, antiliberale oder antikommunistische Richtungen in der Weimarer Republik zusammengefasst. Der Begriff ist wissenschaftlich umstritten, da er sehr unterschiedliche, sogar gegensätzliche Denker unter einer Sammelbezeichnung zu kategorisieren versucht.
Armin Mohler faßte „Nationalrevolutionäre“, „Jungkonservative“, „Völkische“, „Bündische“ und „Landvolkbewegung“ als die fünf Hauptgruppen einer „Konservativen Revolution“, die es allerdings unter dieser Sammelbezeichnung in dem Untersuchungszeitraum des Autors, nämlich in den zwanziger und dreißiger Jahren, gar nicht gegeben hat.
Die Autoren der Konservativen Revolution werden gemeinhin zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik gerechnet.
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Begriff
Die widersprüchliche begriffliche Verbindung von Konservatismus und Revolution taucht in der deutschen Sprache - allerdings noch in unpolitischer Konnotation - vermutlich zum ersten Mal in der 1927 von Hugo von Hofmannsthal gehaltenen Rede "Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation" auf. Trotz aristokratischen Gesinnung bezieht Hofmannsthal sich hier weniger auf die staatliche als auf die geistige Bedeutung des Begriffs "Raum". "Der Raumbegriff, der aus diesem geistigen Ganzen emaniert, ist identisch mit dem Geisterraum, den die Nation in ihrem eigenen Bewußtsein und in dem der Welt einnimmt. Nichts ist im politischen Leben der Nation Wirklichkeit, das nicht in ihrer Literatur als Geist vorhanden wäre (...) Alle Zweiteilungen, in die der Geist das Leben polarisiert hatte, sind im Geiste zu überwinden und in geistige Einheit überzuführen (...) Der Prozeß, von dem ich rede ist nichts anderes als eine konservative Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könnte." Der hier zum Tragen kommende Bildungshumanismus und speziell die Literatur als Erzieherin der Nation war das Paradigma der deutschen Pädagogik seit der Weimarer Klassik. Das Primat von Fremdsprachen und der Literatur in der Bildung gilt allerdings seit der Industrialisierung und der gewachsenen Bedeutung von Naturwissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert als bildungspolitisch überholt und seit der Katastrophe des Nationalsozialismus auch als moralisch gescheitert. Auch dem Schriftsteller Thomas Mann wird die Verwendung des Begriffs zugeschrieben. Allerdings wandte er sich schon in der Weimarer Republik von konservativ-monarchistischen Gedankenspielen ab und betonte später in einem Tagebucheintrag die scheußliche Tragik, dass ausgerechnet der Aristokrat Hofmannsthal dem bildungslosen Mob ein Kampfwort gegen die Weimarer Demokratie geliefert habe. Zu Anfang der 1930er Jahre findet der Terminus jedenfalls in den politischen Schriften von Wilhelm Stapel und Edgar Julius Jung Verwendung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff von dem Vordenker der Neuen Rechten Armin Mohler aufgegriffen und unter dem Schlagwort "Konservative Revolution" affirmativ in eine breitere historiographische und politische Debatte eingeführt. Die Verwendung des Begriffs war von Beginn an umstritten. In der heutigen universitären Forschung spielt der Begriff allerdings keine Rolle mehr. Die sowohl von links als auch von rechts kommenden Autoren, die von Mohler der "Konservativen Revolution" zugeordnet wurden, weisen lediglich in ihrer Ablehnung der Weimarer Republik und der Ablehnung von liberalen Gesellschaftsvorstellungen eine Übereinstimmungen auf. Da es mit Sozialismus, Liberalismus und Konservatismus bereits drei Hauptströmungen der politischen Theorie gibt, besteht wenig Berechtigung dafür, die bloße Ablehnung der liberalbürgerlichen Weimarer Republik als Kriterium für eine eigene Kategorie gelten zu lassen. Des Weiteren wird die Auffassung vertreten, das Oxymoron "Konservative Revolution" bringe das widersprüchliche Selbstbild einiger ihrer angeblichen Protagonisten auf den Punkt. Tatsächlich traten viele Autoren der Konservativen Revolution nicht für eine konservative Restaurierung, sondern für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft ein.
Definition
Der Begriff "Konservatismus" bzw. "konservativ" bezeichnet eine Haltung, die eine etablierte Gesellschaftsordnung bewahren will und sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen bezieht. Als politisch-ideologische Bewegung richtete sich die Konservative Revolution allerdings gegen die Aufklärung, den Liberalismus, sowie gegen den Sozialismus. Da die Konservative Revolution aber die politischen Verhältnisse der Weimarer Republik weder bewahren wollte, noch die Monarchie wieder herstellen wollte, kann sie nicht als konservativ bezeichnet werden. Da sie sowohl den Liberalismus wie den politischen Sozialismus ablehnt und noch hinter die Werte der europäischen Aufklärung zurück will, kann sie nicht als revolutionär bezeichnet werden. Tatsächlich wurden viele Ideen der Konservativen Revolution vom Nationalsozialismus aufgegriffen. Laut Verfassungsschutz stellt die Konservative Revolution eine ideologische Strömung innerhalb des Rechtsradikalismus dar.
Entstehung
Nachdem durch verlorenen 1. Weltkrieg und die deutsche Novemberrevolution von 1918 die Weimarer Republik entstanden war, lehnte eine große Mehrheit des konservativen Lagers die neue demokratische Ordnung ab. Wenige engagierten sich für die erste demokratische Republik Deutschlands. Eine sich nationalistisch radikalisierende konservative Strömung grenzte sich darüber hinaus auch scharf gegen die vergangene Ordnung des Kaiserreichs ab, dessen Führung in ihren Augen vor den (innenpolitischen) Herausforderungen des Weltkriegs versagt und sich so nachhaltig diskreditiert hatte.
Gegen die demokratische Ordnung
So vage die gesellschaftlichen Ordnungsentwürfe dieser radikalkonservativen Strömung blieben, so kompromisslos wendeten sich deren Vertreter gegen die demokratische Ordnung. Die Konservative Revolution trat dabei als eine vornehmlich literarisch-publizistische Bewegung in Erscheinung, die innerhalb eines sehr viel breiteren konservativen Spektrums zunehmende intellektuelle Anziehungskraft entfaltete. Selbst der frühe Thomas Mann wird gelegentlich dieser Strömung zugeordnet, insbesondere aufgrund seiner Streitschrift "Betrachtungen eines Unpolitischen".
Verhältnis zum Nationalsozialismus
Die Bewegung wird zu den intellektuellen Wegbereitern des Nationalsozialismus gerechnet (Kurt Sontheimer). Allerdings blieb das unmittelbare Verhältnis zwischen der volkstümlich-populistischen NS-Bewegung und elitären Konservativer Revolution eher ambivalent bis angespannt bzw. feindselig, obgleich in der Publizistik der Bewegung oft Elemente späterer nationalsozialistischer Herrschaftsentfaltung vorweggenommen und propagiert wurden (z.B. das "Dritte Reich") und ihr antidemokratische Kampf von rechts gegen die Weimarer Republik dem Nationalsozialismus den Weg geebnet hat. Der Massencharakter des Nationalsozialismus, der von den konservativen "Revolutionären" auch als "zu demokratisch" diffamiert wurde, war nur schwer vereinbar mit ihrer individualistischen, intellektuellen Bohème-Attitude. Wegen des Elitedünkels, das sie kultivierten, fühlten sie sich vom proletarischen Gestus der nationalsozialistischen Massenbewegung nicht angesprochen. Hannah Arendt schrieb jedoch in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, von edem zeitweiligen Bündnis zwischen Mob und Elite im frühen 20. Jahrhundert.
Weltanschauung und bekannte Vertreter
Die Autoren der Konservativen Revolution bildeten keine feste Gruppe, eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie formulierten keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch übergreifend, die "Phänomene der Moderne" in eine theoretische Synthese mit der konservativen Weltanschauung zu bringen. Die Konservative Revolution kann auch als Reaktion auf eine als krisenhaft empfundene gesellschaftliche Modernisierung verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im Umbruch der sich durchsetzenden Moderne. Als Vordenker dieser Bewegung gilt der Dichter Stefan George. Zu der Bewegung oder ihrem Umfeld werden Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck, die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, Ernst von Salomon, August Winnig, Edgar Jung, Othmar Spann, Hans Freyer, Ernst Niekisch, Wilhelm Stapel, Hans Zehrer und der Tat-Kreis, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Carl Schmitt, Ludwig Klages, Hermann Löns, Hugo von Hofmannsthal, Werner Sombart und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe gezählt.
Der von einigen als "Kronjurist der Nationalsozialisten" bezeichnete und als Verteidiger der Röhm-Morde bekannte rechtskonservativ-katholische Staatsrechtler Carl Schmitt kann dieser Strömung jedoch nur sehr eingeschränkt zugerechnet werden. Obwohl Schmitt dezidierter Antiliberaler war, richtet er sich scharf gegen eine Politische Romantik, der wie Othmar Spann oder der Tat-Kreis viele der konservativen Revolutionäre anhingen. Auch wird Schmitts Geschichtsbild vielfach als linear (eschatologisch) bezeichnet, jenes der Konservativen Revolutionäre dagegen in schlechter Rezeption Nietzsches als zirkulär ("ewige Wiederkehr"). Die Zuordnung Schmitts zur Konservativen Revolution geht auf das o.g. Standardwerk seines Schülers Armin Mohler zurück. Neuere Untersuchungen, etwa von Stefan Breuer, stellen diese Zuordnung jedoch in Frage, wobei Breuer die Konservative Revolution ohnehin für eine unzutreffende Sammelbezeichnung hält.
Literatur
- Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 1962. (ideen- und begriffsgeschichtlich)
- Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993. (begriffskritisch);
- Rolf Peter Sieferle: Die konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen, Frankfurt a. Main 1995. (biographischer Zugang, fünf Exponenten:Lensch, W. Sombart, Spengler, Jünger, Freyer)
- Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932: Ein Handbuch, Darmstadt 1994 (4.Aufl.,apologetisch);
- Klemens von Klemperer: Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München, 1962
- Helmut Kellershohn. Zwischen Wissenschaft und Mythos. Einige Anmerkungen zu Armin Mohlers „Konservative Revolution“. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9