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Sozialismus

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Dieser Artikel erläutert den politischen und sozialwissenschaftlichen Begriff Sozialismus, für die gleichnamige Zeitschrift siehe Sozialismus (Zeitschrift).

Der Sozialismus ist neben dem Liberalismus und dem Konservatismus eine der drei großen politischen Ideologien die sich im 19. Jahrhundert voll entfalteten. Die Trennung zwischen der Weltanschauung selbst, den theoretischen Grundlagen und der sozialen Bewegung ist gerade beim Sozialismus schwierig, da anfangs auch die sozialistischen Politiker sich um die Fortentwicklung der Theorie bemühten.

Sozialistische Positionen betonen besonders die Werte Gleichheit und Solidarität und befürworten mittels staatlicher Eingriffe in die Produktion und Verteilung von Gütern eine egalitärere Verteilung. Ursprünglich sahen die sozialistischen Vertreter dazu staatliche Lenkung von Produktionsmitteln als notwendig an.

In der Theorie des 'klassischen' Sozialismus wird die Auffassung vertreten, dass die Profitinteressen der Kapitaleigner die Produktion im Ergebnis nicht nach dem Bedarf der Gesellschaft ausrichten. Profitinteresse bringe privates Kapital dazu, sich in wenigen Händen zu konzentrieren. Diese Entwicklung führe zu einer finanziellen Oligarchie, deren Macht auch von einer demokratischen Gesellschaft immer weniger kontrolliert werden könne. Daraus wird in der Theorie des klassischen Sozialismus der Schluss gezogen, dass es notwendig sei, die Produktionsmittel mittels Vergesellschaftung oder Verstaatlichung (beispielsweise von Industrieunternehmen) der Verfügungsgewalt der Klasse der Kapitalisten zu entziehen.

Im Unterschied zum Liberalismus bezieht sich die sozialistische Theorie nicht allein auf Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, sondern auf die materielle Gleichheit im Ergebnis (gleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums), im Idealfall mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Freiheit wird als Möglichkeit zur Emanzipation verstanden, die sich nur durch eine soziale Integration aller Menschen in die Gesellschaft erreichen lasse. Der Sozialtheoretiker Karl Marx ging davon aus, dass nach der Weltrevolution der Staatsapparat mit der Zeit überflüssig sein und absterben werde (ausführlicher erläutert in Lenins "Staat und Revolution"). Der Staat habe vor allem die Aufgabe, die erwirtschafteten Güter zum Wohle aller sozial gerecht zu verteilen.

Die Theorie des sozialistischen Anarchismus hingegen lehnt staatliche Strukturen als Herrschaftsinstrument ab. Der Anarchismus baut auf die freiwillige Verbindung der Individuen in Kollektiven, Räten und Kommunen, um dieselben Ziele zu erreichen. Insofern versucht der Anarchismus eine Synthese zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung.

Eine explizit sozialistische Bewegung entwickelte sich erst in Folge von Aufklärung und industrieller Revolution zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war eng verwoben mit der Entstehung der Arbeiterbewegung. Wie bei allen -ismen trat der Sozialismus historisch in vielfältigen Formen auf: Von den genossenschaftlichen Ideen der Frühsozialisten über die parteipolitische Organisation in sozialdemokratischen, sozialistischen und danach Kommunistischen Parteien, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts oft unterschiedliche Ausprägungen annahmen, bis hin zu den verschiedenen Auslegungen des sozialistischen Anarchismus. Inwieweit die moderne Sozialdemokratie, die sich in einigen Staaten (Großbritannien, Deutschland u.a.) den Ideen des Neoliberalismus gegenüber geöffnet hat, noch als sozialistisch betrachtet werden kann, ist hingegen umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Frühsozialismus

Thomas Morus (Utopia) und Jean-Jacques Rousseau werden von vielen Sozialisten als gedankliche Vorläufer bezeichnet.

Gerade in der Ausbildung des eigentlichen Sozialismus gab es vielfältige Varianten. Frühsozialisten wie François Noël Babeuf, Claude-Henri Comte de Saint-Simon, Louis-Auguste Blanqui, Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon, William Godwin, Robert Owen oder Moses Hess legten politische Konzepte von quasi-absolutistischen Diktaturen bis hin zu einem anarchistischen Föderalismus vor. Einig waren sie sich einerseits in einer abwehrenden Reaktion gegen Effekte des Frühkapitalismus wie in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die mittelalterliche Standesunterschiede ebenso überwinden würde wie neuere Klassengegensätze. Oftmals argumentierten sie sehr moralisch, eine sozialwissenschaftlich inspirierte Analyse wie sie von Marx geleistet wurde, fehlte.

Sozialstrukturell gesehen wurde der Frühsozialismus nicht von der Arbeiterklasse getragen, sondern von Handwerkern und Kleinbürgertum. Diese begannen bereits die Verwerfungen der industriellen Revolution zu spüren, ohne dass es schon zur Bildung eines Industrieproletariats gekommen wäre.

Einige wie Robert Owen versuchten den Aufbau abgeschlossener sozialistischer Gemeinschaften in einer so empfundenen feindlichen Umwelt. Die meisten Sozialisten zielten auf eine grundlegende Veränderung der gesamten Gesellschaft.

Sozialistisch inspirierte Aktivisten beteiligten sich an der französischen Revolution von 1789 bis 1799 und an den im wesentlichen als bürgerlich geltenden europäischen Revolutionen bis 1848/1849 (siehe Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/1849); einen letzten Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatten diese frühsozialistischen Bewegungen in der Pariser Kommune von 1871, die als erste proletarische Revolution gilt und die schon nach kurzer Zeit blutig niedergeschlagen wurde.

Durch die historische Entwicklung bedingt wurden die Diskussionslinien danach klarer: Die vielfältigen Ansätze des Frühsozialismus spalteten sich in drei Hauptlinien, den Anarchismus und die vom Marxismus inspirierten kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen. Vereinzelt, wie im 20. Jahrhundert bei den russischen Revolutionen von 1905 und der Februarrevolution 1917 (bei der Oktoberrevolution 1917 nur noch sehr bedingt), der Münchner Räterepublik 1919 oder dem spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 kam es zur Zusammenarbeit der drei Gruppen. Diese war jedoch jeweils nur kurzfristig, meist von heftigen internen Auseinandersetzungen geprägt und endete im Sieg einer Gruppe oder der Niederlage aller.

Siehe auch: Utopischer Sozialismus

Marxistischer Sozialismus

Der Marxismus hatte lange Zeit die Deutungshoheit in der sozialistischen Bewegung. Seit dem Verfall der ersten Internationale 1876, über den größten Teil des gesamten 20. Jahrhunderts, wurden Diskussionen innerhalb des und über den Sozialismus überwiegend mit den von Karl Marx und Friedrich Engels analytischen Begriffen geführt. Wobei ihre Ansätze häufig verkürzt aufgenommen wurden ("Vulgärmarxismus") und bis heute das Bild "des" Marxismus in der Öffentlichkeit prägen.

Die marxistischen Intellektuellen betrachteten den Frühsozialismus als 'Utopischen Sozialismus' und stellten ihm den Marxismus als 'wissenschaftlicher Sozialismus' gegenüber. Aus diesem Anspruch entwickelt sich ein erstes Modell weltgeschichtlicher Entwicklungsmöglichkeit: Da der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen ist, sei der Sozialismus eine erste (niedere) Phase des Kommunismus. Bei Marx selber – jedoch nicht bei Lenin und anderen Nachfolgern – ist die Entwicklung über den Sozialismus zum Kommunismus unvermeidlich. Ziel des Kommunismus wie des Sozialismus ist die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung des Menschen von der Ausbeutung durch den Menschen. In der ersten Phase (Sozialismus) sind dabei noch nicht alle Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Bourgeoisie) überwunden, aber Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln sind bereits weitestgehend aufgehoben. Dabei wird von einem nebeneinander existieren beider Produktionsweisen ausgegangen, in deren Entwicklung die kapitalistische von der kommunistischen Produktionsweise langsam abgelöst wird. Diese Entwicklung führt letztendlich zum Kommunismus. Marx dazu: „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.“

Sozialismus kann mit dem Schlagwort „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ beschrieben werden, im folgenden Kommunismus soll der Grundsatz „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ gelten.

Während Marx selbst noch eine ausgefeilte sozialwissenschaftliche Methode benutzte, um seine Analysen zu belegen, geriet seine Theorie immer mehr zum politischen Machtinstrument. In seinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit schon gegebene Absolutheitsanspruch wurde nach der Machtübernahme sozialistischer Bewegungen immer mehr zum Mittel, um (politisch gewünschte) wahre Weltanschauung und (politisch unerwünschte) falsche Ideologie zu unterscheiden.

Realsozialismus

Hauptartikel:Realsozialismus Der Begriff des Realsozialismus bzw. auch „Real existierender Sozialismus“ wurde in den sich „realsozialistisch“ nennenden Staaten geprägt, die von der Kommunistischen Partei der jeweiligen Länder in der Regel in Ein-Parteien-Systemen regiert wurden. Zu ihnen gehörten insbesondere die UdSSR mit der KPdSU an der Spitze, und die ab Mitte/Ende der 1940er Jahre an ihr ausgerichteten Staaten des so genannten europäischen Ostblocks: Polen, ČSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, DDR; aber auch andere Staaten wie etwa die Mongolische Volksrepublik (Mongolei von 1924 bis 1992). Weiterhin bestehen bis heute einige weitere sehr unterschiedliche, sich teilweise widersprechende von manchen als realsozialistisch bezeichnete Systeme, beispielsweise in der Volksrepublik China (seit 1949), im nach dem Vietnamkrieg vereinigten Vietnam (spätestens seit 1975), Laos (seit 1975), Kuba (seit 1959) oder Nord-Korea (seit 1948). In der Mongolei wurde die reformiert kommunistische MRVP auch unter pluralistisch-demokratischen Vorzeichen von 1992 bis 1996 und erneut im Jahr 2000 wieder an die Regierung gewählt, ebenso die Kommunistische Partei Moldawiens, die unter pluralistischen Vorzeichen seit 2001 in Moldawien regiert.

Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland bot sich die Gelegenheit, die Ideen des Sozialismus in die Praxis umzusetzen. Nach der Oktoberrevolution bildeten sich weltweit kommunistische Parteien, die zumeist aus Abspaltungen von schon bestehenden gemäßigt reformorientierten sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien hervorgingen.

Der Begriff des Realsozialismus sollte erklären, warum viele Vorhersagen der Marxschen Theorie wie zum Beispiel die Weltrevolution und die rasche Entwicklung größeren Wohlstands in den sozialistischen Staaten nicht eintraten. Er sollte weiterhin darauf hinweisen, dass sich diese Staaten weiterhin auf dem Weg zum Kommunismus befanden, allerdings mit Problemen der Realpolitik ebenso wie mit feindlicher Einflussnahme durch 'konterrevolutionäre Kräfte' zu kämpfen hatten.

Stalin vertrat die Theorie, dass anstatt einer Weltrevolution, die in allen Ländern gleichzeitig hätte stattfinden sollen, zuerst der Sozialismus in einem Land, im konkreten historischen Fall der Sowjetunion aufgebaut werden könne und solle.

Spätestens seitdem sich Stalin nach dem Tode Lenins gegen dessen Willen in der Sowjetunion gegen Trotzki durchgesetzt hatte, wurden die utopischen Hoffnungen der sozialistischen Bewegungen in den realsozialistischen Staaten de facto aufgegeben. Der Realsozialismus geriet zu einer Mischung aus Machtpolitik der Sowjetunion und einem im Westen als diktatorisch-technokratisch bezeichneten Kommunismus, der vielen nur als Scheinkommunismus erschien.

Seit der Wende von 1989 gilt der Realsozialismus, zumal der des europäischen „Ostblocks“ bis dahin, insbesondere bedingt durch die rigorosen Maßnahmen Stalins bis 1954 (vgl. Stalinismus), aber auch seiner Nachfolger nach Chruschtows Entstalinisierung seit 1956, vor allem in Europa und Nordamerika weitgehend als historisch diskreditiert. Insbesondere massive Verstöße gegen die Menschenrechte in den großen realsozialistischen Ländern, neben der UdSSR auch in China und anderen Nationen trugen wesentlich zu einer moralischen Diskreditierung des Realsozialismus bei.

Die Ursachen für das Scheitern des Realsozialismus auf anderen Ebenen, jedenfalls dem des europäischen Ostblocks, sind vielfältig. Als Hauptursachen werden von vielen unter anderen die folgenden Entwicklungen angesehen:

  • Entgegen der Voraussagen des Marxismus entwickelten die kapitalistisch geprägten Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Ostasiens auf Druck der Arbeiterbewegung ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes soziales Sicherungssystem in einem Sozialstaat, der die schlimmsten sozialen Unterschiede und die Armut in diesen Ländern abfederte und somit auch ein potenzielles revolutionäres Potenzial dort deutlich unterminierte.
  • Der Staatsapparat der meisten realsozialistischen Staaten erwies sich aufgrund mangelnder demokratischer Mitbestimmung als zunehmend unflexibel, und aufgrund ideologischer und anderer Hemmnisse kaum fähig, mit dem Komplexitätsgrad moderner westlicher Gesellschaften umzugehen.
  • Die Staaten des realen Sozialismus orientierten sich an einem in der Regel kapitalistisch geprägten Modernisierungsmodell, nur konnten sie den Grad der Modernisierung dieser Staaten, von wenigen technologischen Ausnahmen abgesehen, kaum aufholen. Sie versuchten, trotzdem - etwa durch Subventionen in vielen Bereichen (Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, Grundnahrungsmittelproduktion, Wohnungsbau usw.) - die sozialen Leistungen der kapitalistischen Staaten zu übertreffen, was Ursache für die Aussage „Überholen ohne einzuholen“ wurde.
  • Die politischen Systeme realsozialistischer Staaten wurden auf Dauer nur selten von der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung getragen, insbesondere dort nicht, wo das entsprechende System (ohne eigene Revolution) von außen aufgezwungen wurde (vor allem in Ungarn, der ČSSR, Rumänien, Polen, der DDR und Bulgarien). Diese Systeme wurden gegen eine sich regende Opposition von den herrschenden sozialistischen oder kommunistischen Parteien auf Dauer auch durch einen zunehmend ausufernden Polizeistaat (Bespitzelung, Repressionen, Zensur) am Leben erhalten. Der unwillige Teil der Bevölkerung, der zum Teil lieber ausgewandert wäre, wurde oft durch Sperranlagen und strenge Visa-Bestimmungen am Verlassen des Staates gehindert. Realsozialistische Staaten setzten auch Mittel ein, unter denen die Verfechter des Sozialismus im 19. Jahrhundert gelitten hatten, beispielhaft hierfür ist die politische Verfolgung von Trotzkisten.
  • Der in den meisten realsozialistischen Staaten umgesetzten staatlich und zentral gelenkten Planwirtschaft fehlte es oft an Übersicht über die Bedingungen und den Bedarf vor Ort. Durch langfristige wirtschaftliche Planung ohne eine Rückmeldung von den Produzenten und Konsumenten ging oft die Flexibilität verloren, kurzfristig auf komplexe Wirtschaftsvorgänge zu reagieren. Die Folge war, dass häufig am Bedarf vorbei produziert wurde, ökonomisch notwendige Investitionen unterblieben, Ressourcen unzweckmäßig eingesetzt und Innovationen nicht umgesetzt wurden. Eine weitere wirtschaftliche Ursache für das Scheitern des Realsozialismus war die hohe Verschuldung der entsprechenden Staaten, die insbesondere im Kalten Krieg zunahm, beispielsweise, um in der Rüstungsproduktion mit der militärischen Entwicklung der USA und der NATO Schritt zu halten (vgl. Wettrüsten, Rüstungswettlauf).

Sozialdemokratie

In der Sozialdemokratie setzte sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Auffassung durch, den Sozialismus nicht durch eine Revolution, sondern durch demokratische Reformen erreichen zu können.

Zunächst orientierte sich die Sozialdemokratie im Wesentlichen am revolutionären Ideal des Kommunismus im Sinne der Marxschen Theorien. Eine explizite Abgrenzung zu kommunistischen Positionen trat nach und nach ab dem Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert auf. Exemplarisch für die Diskussion um diese Unterscheidung und die letztlich daraus resultierenden Aufspaltungen der Sozialdemokratie, die sich im Grunde inhaltlich ähnlich in den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien vieler Länder abspielte, werden im Folgenden die einander entgegengesetzten Entwicklungen in Deutschland und Russland angerissen:

In Deutschland begann die Sozialdemokratie ihre parteipolitische Organisierung mit dem ADAV (Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein), der 1863 von Ferdinand Lassalle gegründet wurde. 1869 folgte mit der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) unter Wilhelm Liebknecht und August Bebel eine weitere Vorgängerpartei der späteren SPD. Radikaler als der ADAV vertrat sie zunächst eine kommunistisch inspirierte Umgestaltung der Gesellschaft. 1875 vereinigten sich der ADAV und die SDAP zur SAP (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands), aus der 1890, nach Aufhebung der repressiven Bismarckschen Sozialistengesetze, schließlich die bis heute unter diesem Namen firmierende SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) hervorging.

In Deutschland begann die Auseinandersetzung, ob der Weg zum Sozialismus über die Revolution oder über Reformen führen sollte, mit der Revisionismustheorie und der entsprechenden hitzig geführten, nach dieser Theorie benannten Grundsatzdebatte (Revisionismusdebatte) Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Debatte wurde wesentlich vom reformorientierten Theoretiker der SPD, Eduard Bernstein, ausgelöst. Seine Position blieb zunächst noch in der Minderheit. Erst nach dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel 1913 und die Amtsübernahme durch Friedrich Ebert setzte sich die Reformorientierung in der deutschen Sozialdemokratie durch - verstärkt mit der Burgfriedenspolitik der Partei im Ersten Weltkrieg. Während des Krieges spaltete sich die USPD aus Opposition zur kriegsbilligenden Haltung der SPD von der Mutterpartei ab. Aus dem linken Flügel der USPD, dem Spartakusbund, bildete sich im Verbund mit anderen linksrevolutionären Gruppen nach der Novemberrevolution von 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) auf wesentliche Initiative der Anführer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die kurz nach der KPD-Gründung ermordet wurden.

Damit war die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie in zwei Parteien, die reformorientierte SPD und die marxistisch-revolutionäre KPD, unumkehrbar vollzogen. Die USPD wurde bis 1922 zwischen diesen beiden Polen im Grunde zerrieben und spielte nach 1922 nur noch eine unwesentliche Rolle in der Weimarer Republik.

In Russland spaltete sich die Sozialdemokratie schon 1903 in zwei Fraktionen auf, die reformorientierten Menschewiki (= Minderheitler) und die marxistisch-revolutionär orientierten Bolschewiki (= Mehrheitler), deren führender Theoretiker und Leitfigur Lenin war. Nach einer relativ kurzen Phase der neuerlichen Zusammenarbeit kam es 1912 zur endgültigen Spaltung der beiden Fraktionen. In der Februarrevolution 1917, die zur Absetzung des Zaren führte, konnten sich zunächst die Menschewiki mit der Regierung Kerenski durchsetzen. Mit bedingt durch deren fehlende Bereitschaft und Initiative, den ersten Weltkrieg für Russland zu beenden, kamen mit einer erneuten Revolution, der Oktoberrevolution von 1917, die Bolschewiki unter Lenin an die Macht. Sie begründeten nach dem 5-jährigen Russischen Bürgerkrieg gegen die verschiedenen zarentreuen so genannten „Weißen Truppen“ (vgl. Weiße Armee) die UdSSR mit der aus den Bolschewiki hervorgegangenen Kommunistischen Partei als herrschender Staatspartei (ab 1952 nach verschiedenen Umbenennungen Kommunistische Partei der Sowjetunion KPdSU). Die zerschlagene Sozialdemokratie hatte darauf in Russland bzw. der UdSSR in den folgenden Jahrzehnten bis fast zum Ende des 20. Jahrhunderts keine machtpolitische Bedeutung mehr.

Im Gegensatz dazu steht die Entwicklung in Deutschland, wo die Macht- und die Systemfrage 1919 zugunsten der reformorientierten Sozialdemokratie entschieden wurde - wenn auch unter Mithilfe von rechtsnationalistischen Militärs und Freikorpsverbänden. Obwohl die SPD in ihrer Programmatik die Überwindung der kapitalistischen zu einer sozialistischen Produktion, also die Vergesellschaftung der Produktionsmittel bis in das Heidelberger Programm von 1925 hinein verfolgte, ging sie in der politischen Alltagspraxis einen anderen Weg, nämlich den der Reformpartei, die ihre Ziele nicht auf revolutionärem, sondern auf parlamentarischem Weg durchzusetzen suchte. In der Weimarer Republik wurde ihr Einfluss auf Regierungsebene jedoch schon sehr bald von konservativen und rechtsnationalistischen Parteien zurück gedrängt; sie blieb aber eine der größten Parteien in der ersten deutschen Republik, bis sie 1933 nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus in der faschistischen Diktatur unter Adolf Hitler (Zeit des Nationalsozialismus), wie alle anderen Parteien auch (sofern sie sich nicht selbst auflösten), verboten wurde.

Erst nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und dem Ende der NS-Diktatur konnte die SPD sich regenerieren und wurde nach ihrer Wiederzulassung ab 1946 in den westlichen Besatzungszonen neben der CDU zur einflussreichsten politischen Partei in der westdeutschen, 1949 gegründeten, Bundesrepublik Deutschland.

Dagegen kam es in der ostdeutschen Sowjetischen Besatzungszone unter sowjetischem Einfluss zur Zwangsvereinigung der SPD mit der dominierenden KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die in der DDR von 1949 bis zu deren Niedergang 1989/1990 an der Macht blieb und sich an der KPdSU und dem politischen System der UdSSR ausrichtete.

Die SPD in der Bundesrepublik kam das erste Mal in einer großen Koalition mit der CDU 1966 an die Regierung. Willy Brandt war Außenminister dieser Regierung. Die SPD stellte danach, zwischen 1969 und 1982, mit den Kanzlern Brandt (1969 bis 1974) und Helmut Schmidt (1974 bis 1982) die Regierungschefs. Zwischen 1998 und 2005 war in der Bundesrepublik erneut eine SPD-geführte Regierung mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler an der Macht. Seit 2005 regiert wieder eine große Koalition aus Union und SPD.

Mit dem Godesberger Programm hatte sich die SPD 1959 von einer Klassenpartei zur Volkspartei gewandelt (vgl. auch Volkspartei (Parteityp)). Damit einhergehend wurde eine Neudefinition des Begriffes „Sozialismus“ erforderlich. Man entledigte sich der bis dahin vorherrschenden marxistisch verstandenen Ausrichtung des Begriffs „Sozialismus“ und wählte als neue Begrifflichkeit „Demokratischer Sozialismus“, um damit die Anerkennung des pluralistischen Systems der westlichen Demokratien zu implizieren.

Demokratischer Sozialismus, Neue Linke

Der Demokratische Sozialismus war daher lange Zeit praktisch ein Synonym für die Sozialdemokratie. In der DDR wurde der demokratische Sozialismus abwertend als „Sozialdemokratismus“ bezeichnet. Seit dem Scheitern des Realsozialismus und zunehmender Liberalisierung der Sozialdemokratie bis hin zum modernen Neoliberalismus (in der Sozialdemokratie vor allem von der SPD unter Gerhard Schröder und der britischen Labour Party unter Tony Blair propagiert), für viele eine besonders aggressive Steigerung des internationalen Kapitalismus, nehmen die Bestrebungen nach einem eigenständigen Demokratischen Sozialismus zu. Viele sich explizit nicht als sozialdemokratisch empfindende Sozialisten sind auf der Suche nach neuen politischen Konzepten. Die Sozialdemokratie selbst rückt immer weiter von Marxistischen Gesellschaftsanalysen und dem damit verbundenen Konzept des Sozialismus ab; in der Partei wird darüber diskutiert, ob das Konzept des demokratischen Sozialismus aus dem Parteiprogramm zu tilgen sei.

Demokratischer Sozialismus in entsprechenden neuen Varianten setzt zum einen auf einen Ausbau des Sozialstaats, auf der anderen Seite auf eine stärkere Orientierung des Parlamentarismus hin zu Elementen direkter Demokratie.

In Deutschland sieht sich die 1990 aus der SED hervorgegangene Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), auf der Außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages vom 17. Juli 2005 in Berlin umbenannt in Die Linkspartei., diesem Ziel verbunden. In anderen Staaten Westeuropas hatten sich ähnliche Inhalte in einigen Kommunistischen Parteien, die den revolutionären Kurs im eigenen Land abgelegt hatten, mit der ideologischen Richtung des Eurokommunismus schon Mitte bis Ende der 1960er Jahre niedergeschlagen. Beispiele für Vertreter des Eurokommunismus waren etwa die Kommunistische Partei Italiens (KPI, italienisch Partito Comunista Italiano – PCI), die sich 1990 umbenannte in „Demokratische Partei der Linken“ (italienisch Partito Democratico della Sinistra – PDS) oder die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) (französisch PCF).

Als Vertreter des Demokratischen Sozialismus werden auch bestimmte so genannte „undogmatische“ oder „antiautoritäre“ Strömungen der „Neuen Linken“ betrachtet, die aus der APO (Außerparlamentarische Opposition) der Studentenbewegungen seit Mitte der 1960er Jahre hervorgingen. Die Neue Linke trat und tritt in verschiedenen Parteien auf, die in Westdeutschland von den sehr unterschiedlichen, kleinen, als K-Gruppen bezeichneten Splitterparteien über die SPD bis zu der 1980 neu gegründeten Partei „Die Grünen“ (heute „Bündnis 90/Die Grünen“) reichen; WASG - die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (gegründet Januar 2005; ab 18. September 2005 mit 12 Abgeordneten im Bundestag) nicht zu vergessen. Andere blieben weiterhin außerhalb von Parteien, beispielsweise in verschiedenen sozialen Bewegungen (vgl. Neue soziale Bewegungen), politisch engagiert.

Perspektiven

Angesichts des Wandels zur Produktionsweise des High-Tech-Kapitalismus (Wolfgang Haug) und den damit verbundenen Lebensweisen fordern linkspolitische Intellektuelle, aus den historischen Erfahrungen zu lernen und das sozialistische Projekt zu aktualisieren. In der Bundesrepublik lassen sich neue "Unterhaltungen über den Sozialismus" beobachten. Eine kritische Bestandsaufnahme unternimmt unter anderem die Zeitschrift Das Argument und die dort ebenfalls angesiedelte Edition des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM).

Kritik

Referenzen

    Literatur

    • Rudolf Bahro: Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. 1977 Informationen
    • Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien. 1789-1945. Wiesbaden, Westdeutscher Verlag. 2002. ISBN 3-531-13875-8
    • B. Crick: Socialism. Milton Keynes, Open University Press. 1989.
    • Eric Hobsbawm: Revolution und Revolte. Aufsätze zu Kommunismus, Anarchismus und Umsturz im 20. Jahrhundert. Frankfurt, Suhrkamp. 1972.
    • Ludwig von Mises "Die Gemeinwirtschaft"
    • S. Mukherjee / S. Ranaswamy: A History of Socialist Thought. London. Sage. 2000.
    • J.L. Talmon: Geschichte der totalitären Demokratie. Köln, Westdeutscher Verlag. 1961/1963 (2 Bände).
    • P. Weber: Sozialismus als Kulturbewegung. Frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus. Düsseldorf, Droste. 2000.

    Siehe auch

    Weblinks

    wikt:
    Wiktionary
    Wiktionary: Sozialismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen


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