Müller-Thurgau
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Müller-Thurgau ist eine weiße Rebsorte, die heute aus Marketinggründen auch Rivaner genannt wird. Sie wurde 1882 von dem Schweizer Rebforscher Hermann Müller an der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau gezüchtet. Müller-Thurgau ist mit 42.000 ha Anbaufläche weltweit die erfolgreichste Neuzüchtung.
Die Sorte stellt an Klima und Bodenbeschaffenheit relativ geringe Ansprüche. Die Reben reifen früh und bringen große Ertragsmengen. Die Sorte Müller-Thurgau ist aufgrund ihrer geringen Säure mild, aber dennoch fruchtig. Die Weine sollen noch relativ jung getrunken werden, mit wenigen Ausnahmen werden sie durch die Lagerung nicht besser.
Trocken und halbtrocken ausgebaut wird die Sorte heute sehr häufig als "Rivaner" bezeichnet, nach den ursprünglich vermuteten Elternreben Riesling und Silvaner. Der Grund: Obwohl sich aus Müller-Thurgau durchaus hochklassige Weine keltern lassen, hat die Traube mittlerweile beim Publikum einen sehr schlechten Ruf, weil sie aufgrund des erzielbaren hohen Ertrags allzu oft für minderwertige Massenweine missbraucht wurde. Die in der Schweiz gebräuchliche Bezeichnung "Riesling x Silvaner" ist älteren Ursprungs, Hermann Müller wollte nicht, dass sein Kreuzungsprodukt in seinem Heimatland unter seinem Namen bekannt wird.
Die Rebe ist starkwüchsig und bevorzugt tiefgründige, frische, nicht zu trockene Böden. Sie hat geringe Ansprüche an den Standort, ist aber empfindlich gegen Trockenheit. Die Holzausreife kann schwach sein, dadurch häufig schon bei -15 °C Frostschäden. Eine hohe Anfälligkeit gegen Peronospora, Phomopsis, Roter Brenner und Botrytis cinerea ist gegeben. Die Erziehungsart ist so zu wählen, dass eine gute Durchlüftung der Laubwand möglich ist. Die Rebsorte hat eine große Blütefestigkeit nach Maifrösten, durch fruchtbare Beiaugen, meist kommt es nur zu geringem Ertragsausfall. Reife ab Mitte September. Ein Mostgewicht von 65-90 Grad Öchsle kann bei 100-150 hl/ha erzielt werden, in manchen Jahren sind auch über 200 hl/ha möglich.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte der Rebsorte
[Bearbeiten] Entwicklung der Müller-Thurgau-Rebe
- ab 1882 Kreuzungsversuche in Geisenheim durch Hermann Müller
- bis 1890 Vorprüfung der Neuzuchten
- 1891 Wechsel von Hermann Müller nach Wädenswil (Schweiz)
- 150 Stecklinge der Geisenheimer Neuzuchten werden in die Schweiz gesandt
- 1892-1893 Anzucht der Stecklinge in der Schweiz
- 1894 Auspflanzung von 73 Sorten ins Freiland
- Riesling x Silvaner trägt die Zucht-Nr. 58
- 1897 Vermehrung des Holzes der Stecklinge durch Schellenberg (Eidgenössische Forschungsanstalt Wädenswil)
- 1901 erste Veredelung auf Unterlagsreben
- 1903 die ersten Ertragsanlagen der neuen Sorte werden erstellt
- 1906-1907 Versuchsanlage aus 894 veredelten Riesling x Silvaner auf 7 Unterlagsreben
- 1908 Distribution von 22.000 Pfropfreben in die Schweiz und das Ausland
- 1913 erste Rückführung von 100 Reben nach Deutschland durch Dern und Verwendung der Sortenbezeichnung Müller-Thurgau-Rebe
- 1920-1930 Erstellung von Versuchsanlagen in allen deutschen Weinbaugebieten, sowie Selektionen durch Fueß
- 1938 Sichtung der Anbauergebnisse auf einer Müller-Thurgau-Tagung in Alzey
- seit 1945 zunehmend im Wiederaufbau und bei Umstellungen gepflanzt
- 1956 saatgutrechtliche Eintragung
- ab 1969 Müller-Thurgau in die Sortenliste nach dem Saatgutverkehrsgesetz mit Erhaltungszüchtern und Klonen eingetragen
- ab 1970 als empfohlene Sorte in allen Weinbaugebieten Deutschlands klassifiziert
- bis 1975 Müller-Thurgau dringt auf den ersten Platz bezogen auf Flächenausdehnung vor
- ab 1980 Vermehrung als Klone der Sorte Müller-Thurgau, Basis- und zertifiziertes Pflanzgut
[Bearbeiten] Kreuzungspartner
Müller selbst war sich jedoch nicht ganz sicher, welche Eltern-Rebsorten tatsächlich von ihm verwendet wurden. Deswegen gab es auch von Anfang an Zweifel. Versuche, die Züchtung nachzuvollziehen, scheiterten. Lange Zeit ging man davon aus, dass es sich um eine Kreuzung aus Riesling mit sich selbst handele.
1998 konnte in der Klosterneuburger Weinbauschule in Österreich mit Hilfe gendiagnostischer Verfahren (Verwendung spezifischer Mikrosatelliten) Silvaner als Kreuzungspartner ausgeschlossen werden. Das Ergebnis liess auf Chasselas als Kreuzungspartner (Vater-Kandidat) schliessen. Wissenschaftler der Deutschen Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Siebeldingen/Pfalz konnten vor einigen Jahren mit neuen, erweiterten gendiagnostischen Möglichkeiten die Herkunft der Müller-Thurgau-Rebe noch genauer bestimmen: Sie definierten die Rebsorte Madeleine Royale als Vater. Madeleine Royale ist eine Züchtung aus dem Formenkreis des Chasselas (Gutedel).
[Bearbeiten] Nachkommen
Durch weitere Kreuzung eines Sämlings (Silvaner x Riesling) mit Müller-Thurgau entstand 1933 die weiße Rebsorte Bacchus. Müller-Thurgau war ebenfalls beteiligt an folgenden weiteren Neuzüchtungen: Cantaro, Faber, Fontanara, Gloria, Goldriesling, Gutenborner, Kanzler, Muscabona, Optima, Ortega, Perle, Regent, Reichensteiner, Schantl-Traube, Septimer, Tamara und Thurling.
[Bearbeiten] Ampelografische Beschreibung
In der Ampelographie wird der Habitus folgendermaßen beschrieben: Blatt mittelgroß, fünf- bis siebenlappig, tief gebuchtet, stark gewellt; Blattoberseite schwach blasig, kahl; Unterseite spinnwebig, verkahlend; Stielbucht überlappend; Blattrand abgesägt. Triebspitze hellgrün, leicht flaumig mit rötlichem Anflug. Trauben mittel bis groß, locker- bis dichtbeerig, konisch, oft geschultert. Beere mittelgross, oval, gelblichgrün, leicht beduftet; Beerenfleisch saftig mit deutlichem Muskatbukett.
[Bearbeiten] Müller-Thurgau-Wein
Die Moste werden vorwiegend zu süffigen, leichten, eleganten Qualitätsweinen mit angenehmem Muskatton und milder Säure ausgebaut. Je nach Standort sind sie mehr oder weniger blumig. In manchen Jahren muss mit geringer Säure gerechnet werden. Als Zechwein, frisch getrunken, ist er am schönsten. Lagerzeiten von 2 bis 3 Jahren sollten nicht überschritten werden, da sonst das feine Muskataroma verloren geht. Die Anbaufläche der Rebsorte Müller-Thurgau in Deutschland betrug im März 2004 17.280 ha, das entspricht 16,8 % der Rebfläche.
[Bearbeiten] Verbreitung
[Bearbeiten] Weinbau in Deutschland
- Baden (Weinbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 3530 ha
- Franken (Weinanbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 2260 ha
- Pfalz (Weinbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 3195 ha
- Rheinhessen (Weinbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 5000 ha
- Saale-Unstrut mit einer Anbaufläche von 144 ha
- Mosel-Saar-Ruwer mit einer Anbaufläche von 1660 ha
- Nahe (Weinbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 713 ha
- Sachsen (Weinbaugebiet) mit einer Anbaufläche von 91 ha
[Bearbeiten] Europa
- Weinbau in Ungarn mit einer Anbaufläche von 8000 ha
- Weinbau in Österreich, mit rund 5236 ha (7,8%) die vierthäufigste Rebsorte
- Tschechische Republik
- Slowakei ca. 5 300 ha
- Luxemburg
- Weinbau in der Schweiz, als Riesling x Silvaner oder Johannisberg (Wallis),
- Weinbau in Italien, vorwiegend in Norditalien
- Weinbau im Vereinigten Königreich
- Slowenien
- Weinbau in Frankreich
- Weinbau in Moldawien
In Österreich wird der Müller-Thurgau bei stark rückläufiger Bedeutung vor allem als Verschnittpartner für leichte Tafelweine bzw. für den Sturm verwendet.
[Bearbeiten] Außereuropäische Anbaugebiete
Synonyme: Rivaner (Österreich, Luxemburg & Deutschland), Riesling-Sylvaner (Österreich, Schweiz, Luxemburg), Riesling x Sylvaner (Schweiz), Müller, Müllerka, Müllerovo (Slowakei), Müller Thurgeau (Chile), Rizvanac Bijeli, Rizvanec (Kroatien, Slowenien).
Abstammung: Riesling x Madeleine Royale (eine Abart des Gutedel)
[Bearbeiten] Literatur
- Oz Clarke & Margaret Rand: Clarkes grosses Lexikon der Rebsorten, München 2001
- Helmut Becker: 100 Jahre Rebsorte Müller-Thurgau, Der Deutsche Weinbau 12/1982
[Bearbeiten] Weblinks
- geisenheimer.de - Dr. Hermann Müller - sein Leben und Wirken