Mehrwert
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Mehrwert ist ein Terminus, der in der politischen Ökonomie, der Volkswirtschaftslehre sowie im Steuerrecht mit sehr unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird. Außerdem muss man hierbei noch zwischen Wort und Begriff unterscheiden.
Im Französischen ist die Verwendung des Ausdrucks "plusvalue" im Kommerz von jeher gang und gäbe.
In der Marxschen Arbeitswerttheorie bezeichnet Mehrwert den Teil der Wertmenge, den der Lohnarbeiter durch seine Arbeit produziert und der über den Ersatz des Wertes seiner Arbeitskraft und der eingesetzten Produktionsmittel hinausgeht. Also die für den Kapitalismus spezifische Form des Mehrprodukts.
Das Wort Mehrwert (surplus value) verwendet bereits William Thompson [1], "An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth Most Conducive to Human Happiness" (London 1824, S. 167, 169).
Wie Engels/Kautsky (MEW 21, S. 506) gegenüber Anton Menger nachweisen, bezeichnet Thompson mit diesem Terminus den zusätzlichen Profit, den ein Maschinen einsetzender Kapitalist gegenüber dem Handwerker erzielt; daneben spricht Thompson auch von Zusatzwert (additional value), mit welchem er den insgesamt neu geschaffenen Wert (m+v) bezeichnet. Auch Marx benutzt das Wort schon in seinem Artikel über das Holzdiebstahlgesetz (MEW 1, S. 135, 136, 139), aber dort im Sinne von Entschädigungen für den Waldbesitzer.
In der Wirtschaftswissenschaft wird Mehrwert meist synonym für Wertschöpfung verwendet.
Franz Oppenheimer versteht unter »Mehrwert« denjenigen Wert, den ein Kontrahent im Tauschakt aufgrund seiner Machtposition als Aufpreis erzielen kann.
Dieter Suhr, Augsburger Staatsrechtslehrer, hat den Begriff »Mehrwert des Geldes« anstelle von "Urzins" in die Freiwirtschaftslehre eingeführt.
Die Benennung der Mehrwertsteuer ist im Vergleich zu dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch eher irreführend; denn genau genommen nimmt das betreffende Steuergesetz als Steuerbasis den in Frage kommenden Umsatz eines diesem Steuergesetz Unterworfenen abzüglich der diesem anrechenbaren Vorsteuer. Dies muss nicht mit der Wertschöpfung eines Unternehmens im wirtschaftswissenschaftlichen Sinne zusammenfallen.
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[Bearbeiten] Mehrwert als Begriff der Politischen Ökonomie von Karl Marx
"Wir wissen jedoch bereits, daß der Arbeitsprozeß über den Punkt hinaus fortdauert, wo ein bloßes Äquivalent für den Wert der Arbeitskraft reproduziert und dem Arbeitsgegenstand zugesetzt wäre. Statt der 6 Stunden, die hierzu genügen, währt der Prozeß z.B. 12 Stunden.
Durch die Betätigung der Arbeitskraft wird also nicht nur ihr eigner Wert reproduziert, sondern ein überschüssiger Wert produziert. Dieser Mehrwert bildet den Überschuß des Produktenwerts über den Wert der verzehrten Produktbildner, d.h. der Produktionsmittel und der Arbeitskraft."
[Marx: Das Kapital, S. 307f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3616f (vgl. MEW Bd. 23, S. 223)]
Marx unterscheidet sodann
Das Verhältnis von Mehrwert zum variablen Kapital ist die Mehrwertrate.
[Bearbeiten] Kapitalismus im Unterschied zu früheren Produktionsweisen
In vorkapitalistischen Klassengesellschaften eignen sich die Herrschenden einen Teil der Arbeit unmittelbar durch Zwang an (z.B. als Fronarbeit).
Der Mehrwert ist laut Marx die spezifisch kapitalistische Form des Mehrprodukts. Durch die Theorie des Mehrwerts erklärt Marx, wie im Kapitalismus Ausbeutung möglich ist, obwohl die Lohnarbeiter als formal freie Subjekte, wenn sie ihre Arbeitskraft wie eine Ware verkaufen, gemäß dem Wertgesetz das Äquivalent dessen bekommen, was ihre Ware wert ist.
[Bearbeiten] Die Kapitalformel
Marx analysiert die kapitalistischen Marktbeziehungen in zweierlei Formeln:
Der Austauschprozess Ware-Geld-Ware (W-G-W) meint den Austausch von Waren gleichen Werts und unterschiedlichen Gebrauchswertes; Geld übernimmt hierbei eine Vermittlerfunktion.
Wenn Geld zu Kapital wird, ändert sich der Geldkreislauf qualitativ: Geld-Ware-mehr Geld (G-W-G'). Damit diese Formel für den Kapitalisten ökonomisch Sinn macht, kommt es auf das G' an, d.h. auf die Vergrößerung der ursprünglichen Geldsumme ("Mehrwert").
G' - das den so genannten Mehrwert beinhaltet - wird als neues G wieder Ausgangspunkt der Formel, der Kreislauf beginnt von vorne; diese Formel zielt also auf eine endlose, spiralförmige Bewegung ab. Entscheidend ist hier alleine die Vermehrung des Werts, der Gebrauchswert ist hier bloß Bedingung für Verkäuflichkeit.
[Bearbeiten] Doppelt freier Lohnarbeiter
Laut Marx kann die Kapitalvermehrung nicht aus der Sphäre der Waren-Zirkulation erklärt werden: Wenn z. B. der Kapitalist als Verkäufer einen Preisaufschlag erheben könnte, müsste er ihn als Käufer beim "G-W" wieder verlieren. Die Wertvergrößerung muss also aus der Benutzung der gekauften Ware entspringen: Sie entsteht durch Kauf und produktive Anwendung der menschlichen Arbeitskraft. Damit das Geld in der Hand des Kapitalisten zum Kommandomittel über menschliche Arbeit wird, ist das Vorhandensein einer eigentumslosen Klasse unterstellt, die keine Mittel besitzt, um selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen - also auch kein anderes Lebensmittel hat, als ihre eigene Arbeitskraft zu verkaufen: Der "doppelt freie Lohnarbeiter" (Marx). Doppelt frei in dem Sinne, dass der Lohnarbeiter im Unterschied zum Sklaven oder Leibeigenen frei ist seine Arbeitskraft zu verkaufen an wen er will, aber auch "frei" ist von Eigentum an Produktionsmitteln, so dass er dann doch wieder gezwungen ist - aber eben anders als Sklave und Leibeigener -, seine Arbeitskraft zu verkaufen.
[Bearbeiten] Rechnerisch
Rechnerisch ist der Mehrwert dann die Differenz zwischen dem Wert geleisteter Lohnarbeit - dem Erlös aus ihrem Ergebnis (Produkt) - und dem gezahlten Lohn.
Mehrwertproduktion:
- C1 + V + M = C2
wobei
- C1 = vorgeschossenes ("Constantes") Kapital (Maschinen, Bauten, Material)
- V = Lohn ("Variables Kapital", Wert der Arbeitskraft
- M = Mehrwert (Ergebnis der unbezahlten Mehrarbeit)
- C2 = Verwertetes, erweitertes Kapital
[Bearbeiten] Anmerkungen
Ein bestimmtes Quantum Kapital (Produktionsmittel, c) wird Arbeitenden ("Arbeiter" oder Proletarier) zur Produktion zur Verfügung gestellt. Sie erhalten dafür Lohn, müssen dem Kapitalisten aber den Mehrwert m überlassen, der ihm aus dem Verkauf der produzierten Waren verbleibt. Wenn also Geld angelegt wird und Rendite erwirtschaftet, steckt dahinter - nach Marx - letztlich immer der Mehrwert, den Andere mit ihrer Arbeitskraft geschaffen haben (obwohl man oft hört: das Geld arbeitet).
Um Marxens Argumentation richtig zu verstehen und konkret anzuwenden, ist zu beachten, dass sie sich wie in der Ökonomie üblich unter bestimmten Modell-Voraussetzungen vollzieht, d.h. von Fall zu Fall von konkreten Bedingungen absieht und komplexe Situationen vereinfacht, um die grundsätzliche Logik zu studieren, wie zum Beispiel bei Schwankungen der Marktpreise nach Angebot und Nachfrage:
"Welche Beziehung besteht nun zwischen Werten und Marktpreisen oder zwischen natürlichen Preisen und Marktpreisen? Der Marktpreis für alle Waren derselben Art ist derselbe, wie verschieden immer die Bedingungen der Produktion für die einzelnen Produzenten sein mögen. Die Marktpreise drücken nur die unter den Durchschnittsbedingungen der Produktion für die Versorgung des Markts mit einer bestimmten Masse eines bestimmten Artikels notwendige Durchschnittsmenge gesellschaftlicher Arbeit aus. Er wird aus der Gesamtheit aller Waren einer bestimmten Gattung errechnet. Soweit fällt der Marktpreis einer Ware mit ihrem Wert zusammen. Andrerseits hängen die Schwankungen der Marktpreise bald über, bald unter den Wert oder natürlichen Preis ab von den Fluktuationen des Angebots und der Nachfrage." [Marx: Lohn, Preis, Profit, S. 51f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3260f (vgl. MEW Bd. 16, S. 127-128)]
[Bearbeiten] Siehe auch
- Arbeitsmarkt
- Arbeitswerttheorie
- Mehrprodukt
- Das Kapital
- Fairer Handel
- Mehrwertsteuer
- Objekt klein a
- Wertparadoxon
- Wertschöpfung
[Bearbeiten] Literatur
- Witali S. Wygodski: Die Geschichte einer großen Entdeckung. Über die Entstehung des Werkes 'Das Kapital' von Karl Marx, Berlin 1967 (aus dem Russ., Moskau 1965)
- Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart: Schmetterling Verlag, zweite durchgesehene und erweiterte Auflage 2004, ISBN 3-89657-588-0
- Dieter Suhr: Geld ohne Mehrwert, 1983, Knapp, Frankfurt