Neue Institutionenökonomik
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Die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) ist eine neuere Theorie der Volkswirtschaftslehre, die die Wirkung von Institutionen auf die Wirtschaftseinheiten (privater Haushalt, Unternehmen) untersucht. Zu unterscheiden ist die Neue Institutionenökonomik von der („alten“) Institutionenökonomik.
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[Bearbeiten] Annahmen
Es werden Spielräume bei Preisen, Marktmacht, anhaltende Ungleichgewichte des Marktes, unvollständige Verträge, asymmetrische Informationen, veränderbares Wissen, beschränkte Rationalität, Opportunismus und Transaktionskosten explizit berücksichtigt.
Die neue Institutionenökonomik unterscheidet sich somit in wesentlichen Punkten von der neoklassischen Theorie, deren einfaches Modell des Homo oeconomicus sie um realitätsnähere Annahmen ergänzt.
[Bearbeiten] Gegenstand
Institutionen im Sinne der Institutionenökonomik sind Systeme von Regeln oder Normen (einschließlich der Mechanismen ihrer Durchsetzung). Definiert man Ökonomie als die Lehre von der Generierung gemeinsamer Vorteile durch Kooperation (was insbesondere die Entscheidungstheorie quasi ausklammert), so ergibt sich als Gegenstand der Institutionenökonomie die Wirkung von Institutionen auf die Ökonomie (im Sinne von Analyse und Design von Institutionen).
Beispiel:
Rudi Ratlos möchte ein Auto besitzen und ist bereit, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen. Elli Pirelli möchte ihr Auto loswerden, wenn sie dafür einen angemessenen Preis bekommt. Somit könnte Rudi Ellis Auto kaufen (Preis ist offensichtlich kein Problem). Dann hätten beide ihre Situation durch diese Kooperation verbessert (im Gegensatz zu vorher). Allerdings weiß Rudi nicht, ob der Wagen vielleicht schon nach wenigen Kilometern den Geist aufgibt (egal, ob Elli um diese Schwächen weiß oder nicht). Da er keine Ahnung von Autos hat, kann er dies nicht einschätzen und das Geschäft kommt nicht zustande. Somit können beide ihre Situation nicht verbessern.
Erlässt der Staat, welchem beide angehören, nun ein Gesetz, welches Rudi ein entsprechendes Rückgaberecht einräumt, so etabliert er damit eine Institution. Diese gibt Rudi nun ein sicheres Gefühl, so dass er das Geschäft eingeht, was letzten Endes zum Vorteil beider Parteien führt.
Somit hat eine Institution (in diesem Fall ein staatliches Gesetz) zur Realisierung eines gemeinschaftlichen Vorteils geführt.
Es kann allgemein gesprochen betrachtet werden: Wie wirken sich vorhandene Institutionen aus? Wie sollten neue Institutionen aussehen? Hieraus ergibt sich die Fragestellung: Wie (d. h. mit Hilfe welcher Institutionen) können welche ökonomischen Aktivitäten (von der Arbeitsgruppe bis hin zur kompletten Volkswirtschaft) am besten koordiniert werden (siehe 2.)?
- Basis der Institutionenökonomik ist die Interaktionstheorie, worauf die eigentliche Institutionentheorie aufsetzt.
- Anwendungsrichtungen sind im wesentlichen Theorie von Staat und Gesellschaft sowie die Analyse betrieblich/organisatorischer Fragestellungen.
- Bekannte Teilgebiete sind: Prinzipal-Agent-Theorie, Theorie der Verfügungsrechte (property rights theory), Transaktionskostentheorie
[Bearbeiten] Koordination ökonomischer Aktivitäten
Die Koordination zwischen Anbieter und Nachfrager ist abhängig von der Organisationsform. Unter „Organisation“ soll hier eine Institution sowie die beteiligten Personen verstanden werden. Es können folgende Koordinationsformen unterschieden werden:
Markt:
- Vorteile
- Verträge werden spontan geschlossen
- die Individuen sind unabhängig in ihrer Entscheidung
- die Koordination erfolgt über Preise
- hohe Flexibilität
- geringe administrative Kosten
- Markttest
- hohes Innovationspotenzial
- Die Person des Akteurs spielt keine Rolle
- höchstmögliche Leistungsanreize
- Nachteile
- Gefahr des Opportunismus (keine Voice-Option)
- Nur klar spezifizierte Leistungen können ausgetauscht werden
- der Wissenstransfer ist eingeschränkt (tacit knowing)
Hierarchie/Unternehmen:
- Vorteile
- feste Verträge (z. B. Arbeitsvertrag)
- Koordination erfolgt über Weisungen (von Vorgesetzten zum Mitarbeiter)
- der Koordinationsaufwand ist geringer als beim „Markt“
- Aktivitäten können besser geplant werden
- vertrauliche Infos und Wissen können offener ausgetauscht werden
- Kultur
- Offenheit des (Leistungs-)Spektrums
- Voice-Option
- Nachteile
- Bürokratiekosten
- keine Wettbewerbsanreize
- (beschränkte) Exit-Option
- Beharrungsvermögen der Strukturen
Kooperation
- die Planbarkeit ist besser als beim Markt
- die Flexibilität ist höher als bei der Hierarchie
- Beispiele sind Absprachen (Kartelle), strategische Allianzen, virtuelle Unternehmen
Unternehmen existieren laut Ronald Coase deshalb, weil der Gebrauch des marktlichen Preismechanismus mit Kosten, genauer mit Transaktionskosten verbunden ist. Diese lassen sich durch eine Koordination innerhalb eines Unternehmens vermeiden. Zu diesen Kosten zählen beispielsweise die Kosten für die Aushandlung von detaillierten Verträgen oder Kosten der Unsicherheit hinsichtlich der Zuverlässigkeit eines Lieferanten (z. B. Insolvenzrisiko beim Lieferanten).
Märkte existieren, weil die Integration von Aktivitäten in ein Unternehmen ihrerseits auch Kosten verursacht. Diese Kosten setzen einer zunehmenden Integration Grenzen (siehe auch X-Effizienz).
Kooperation ist eine Mischform von Markt und Hierarchie in dem Sinne, dass die Parteien sich beidseitig freiwillig vertraglichen Regeln unterstellen. Diese begrenzen zwar die Handlungsmöglichkeiten beider Seiten, führen aber dennoch zu einem größeren gegenseitigen Vorteil als nach den Regeln des Marktes alleine. Probleme bei der Koordination gemäß dieser übergeordneten vertraglichen Regeln können dann eskaliert werden – z. B. vor Gericht.
Mit der Frage der Koordination unternehmensübergreifender Lieferketten, die als übergeordnete (virtuelle) Organisationseinheit anzusehen sind, beschäftigt sich aus logistischer Sicht das Supply Chain Management (SCM). Theoretische Ansätze des SCM gründen wiederum teilweise auf der Institutionenökonomik.
[Bearbeiten] Geschichte
Bereits einige Klassiker befassten sich mit dem, was wir heute unter Institutionen verstehen. So geht bereits Adam Smith auf Handlungsrestriktionen in Form informeller Institutionen ein und David Hume thematisiert Eigentumsrechte. John Stuart Mill erkannte die Bedeutung von Gewohnheiten für die Bildung von Marktpreisen. Doch sowohl die Neoklassik als auch der Keynesianismus vernachlässigten letztlich Institutionen. Die Neue Institutionenökonomik lässt sich auf den 1937 erschienen Aufsatz The Nature of the Firm von Ronald Coase zurückführen und hat spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts große Anerkennung in der Volkswirtschaftslehre gefunden. Wesentlichen Anteil hatte daran auch der Nobelpreisträger Douglass North.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Mathias Erlei u.a.: Neue Institutionenökonomik, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7910-1287-8
- Elisabeth Göbel: Neue Institutionenpolitik. Konzeption und betriebswirtschaftliche Anwendungen, Lucius & Lucius, Stuttgart 2002, ISBN 3-8252-2235-7
- Douglass C. North: Institutions, institutional change and economic performance, CUP, Cambridge 2002, ISBN 0-521-39416-3
- Rudolf Richter, Eirik Furubotn: Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-148060-0
- Stefan Voigt: Institutionenökonomik, Fink, München 2002, ISBN 3-8252-2339-6
- Clemens Wischermann, Anne Nieberding: Die institutionelle Revolution, (Grundzüge der modernen Wirtschaftsgeschichte; Bd. 5), Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08477-0