Wem die Stunde schlägt
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Wem die Stunde schlägt (amer.: For Whom the Bell Tolls) ist ein Roman von Ernest Hemingway aus dem Jahr 1941. Die bislang einzige deutsche Übersetzung stammt von Paul Baudisch und erschien 1942 im Verlag Bermann-Fischer, Stockholm. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Buch auch im deutschsprachigen Raum zu einem Bestseller.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Plot
Der Roman erzählt eine Episode von vier Tagen aus der Geschichte des US-amerikanischen Guerillakämpfers Robert Jordan im spanischen Bürgerkrieg.
Die Rahmenhandlung stellt der Auftrag an den Sprengstoffexperten Jordan dar, eine Brücke zeitgleich zum bevorstehenden Angriff der Republikaner auf die Stadt Segovia zu sprengen. Hinter den Linien der Feinde sucht Jordan die Zusammenarbeit mit der Guerrillagruppe um Pablo. Pablos zögerlicher Einsatz für die Operation steht Jordans Pflichtgefühl entgegen. Weitere Spannungen werden durch Robert Jordans erwachende romantische Liebe zu María, einer Mitkämpferin Pablos, ausgelöst.
Ein bedeutender Teil des Romans ist aus der Sicht Jordans geschrieben. Seine Erzählung ist mit Erinnerungen an einige Treffen mit Russen in Madrid sowie an seinen Vater und Großvater durchsetzt. Daneben berichtet Pilar, eine energische, 'urwüchsige' Spanierin und Frau von Pablo, in erschreckender Realitätsnähe von der Brutalität des Bürgerkrieges: Einmal in Gestalt einer aufgebrachten republikanischen Menschenmenge, ein anderes Mal durch nationalistische Regierungstruppen.
[Bearbeiten] Geschichtlicher Zusammenhang
Der Roman bezieht in ideologischen Auseinandersetzung zwischen Volksfrontlern (linksgerichtet, Anarchosyndikalisten, Kommunisten, linksliberale Republikaner) und Nationalisten (rechtsgerichtet, Faschisten) Partei, indem Robert Jordan die Hoffnung wachhält, dass weltweite Unterstützung dem Anliegen der Republikaner zum Sieg verhelfen könne.
Daneben wird die Unterstützung beider Seiten durch fremde Mächte (Sowjetunion für die Volksfront, Deutschland und Italien für die Faschisten) deutlich gemacht.
In dem Roman selbst geht Hemingway jedoch kaum direkt auf die weltpolitischen Hintergründe des Bürgerkrieges und dessen Folgen für Spanien ein, sondern lässt die Schicksale der Figuren für die Situation des Landes sprechen.
[Bearbeiten] Interpretation
[Bearbeiten] Titel
Für den Titel des Romans verwendete Hemingway ein Zitat des englischen Dichters John Donne (1572-1631). Ausschnitte des geistlichen Gedichtes Meditation Nr. 17 stellt er dem Buch auch als Motto voran:
- "No Man is an Island, entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main; [...] and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee.
- Kein Mensch ist eine Insel, in sich selbst vollständig; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinentes, ein Teil des Festlands; [...] und darum verlange nie zu wissen, wem die [Toten-]Glocke schlägt; sie schlägt dir.
Es bezieht sich auf die Verantwortung, die jeder einzelne in der Gemeinschaft trägt. Ein Ideal, das die Zentralgestalt Jordan vorbildlich erfüllt. Als Motto ist dieser Satz aber auch als moralische Aufforderung an jeden einzelnen Leser gerichtet.
[Bearbeiten] Autobiographischer Ansatz
Hemingways eigene Erlebnisse als Kriegsfreiwilliger auf Seiten der Republikaner gaben Anstoß zu diesem Thema und begründen die Wirklichkeitsnähe der Darstellung. Hemingway konnte neben seinen Erlebnissen im spanischen Bürgerkrieg auch Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg verarbeiten. Nach Anthony Burgess gleicht eine Abschiedsszene Hemingways Aufbruch an die italienische Front.
Auch die letzten Gedanken Robert Jordans klingen an Hemingways eigene an, als er bei Fossalta verwundet wurde.
Die Romanfigur María hat deutliche Parallelen zu Catherine Barkley aus dem teil-autobiographischen Roman A Farewell to Arms. Allerdings ist María weniger komplex entwickelt und erscheint eher farblos.
[Bearbeiten] Erzählstil
Wem die Stunde schlägt ist ein uneinheitlicher Roman. Er wechselt zwischen einem allwissenden Erzähler in der dritten Person, Dialogen zwischen den Romanfiguren und umfangreichen Betrachtungen Robert Jordans hin und her.
Das Werk ist in einem lapidaren Stil geschrieben und bedient sich des von Hemingway deutlich mitgeprägten Kunstmittels der Kurzgeschichte. Damit soll eine Unmittelbarkeit erzielt werden, die die Absicht hat, den Leser zu begeistern und ins Geschehen hineinzuziehen. Der Protagonist Robert Jordan wird dabei so leidenschaftlich geschildert, dass damit die oben bereits erwähnten Parallelen zu Hemingways persönlichen Erlebnissen möglich scheinen.
Die bewusst verwendete vereinfachte Syntax und der begrenzte Wortschatz verhindert jedoch eher, dass die Figuren eine lebhaft-lebendige Wirkung erzielen. Das über weite Strecken mit spanischen Brocken durchsetzte, archaisierende mittelalterliche Englisch (thou, thee anstelle des modernen you) soll Alter und formale Struktur der spanischen Sprache vermitteln. Es soll den Leser unter anderem daran erinnern, dass die Sprache der Romanfiguren nicht Englisch ist. Die Ansicht, dass das Spanisch der Loyalisten sich besonders gut durch mittelalterliches Englisch wiedergeben lässt, wird von Spaniern im allgemeinen nicht geteilt.
Im letzten Abschnitt des Romans teilt sich der Erzählstrang. Inhaltlich folgt auch Andrés, der eine Nachricht an die Republikaner übermitteln soll.
[Bearbeiten] Motive
Ein Hauptthema des Buches ist die Kameraderie. (Orwell beschreibt sie in Homage to Catalonia) als einen engen Zusammenhalt inmitten der alltäglichen Bedrohung durch den Tod sowie der selbstlose Einsatz des Einzelnen für ein Ideal oder den gemeinschaftlichen Besitz. Körperlichen Ausdruck findet diese enge Gemeinschaft der 'Schicksalsgefährten' in Gesten wie Umarmen oder Schulterklopfen. Stärke ziehen die Kämpfer ebenfalls aus einer Verbundenheit mit dem Land (Spanien), oft symbolisiert durch den Waldboden mit seinen Kiefernnadeln.
Ein weiteres Motiv ist das des Suizids. Hemingway versucht im Roman den Freitod aus 'edlen Motiven' zu rechtfertigen. Die Kämpfer ziehen sämtlich den Tod einer eventuellen Gefangenschaft vor, und sind bereit, sich im Notfall das Leben zu nehmen oder aber dieses jemand anderem anzuvertrauen. Dieses Motiv ist angesichts Hemingways Suizid 21 Jahre später für die autobiographische Deutung interessant.
Hemingway zeichnet im Roman ein Bild von Gewalt und Tod in Gestalt der militärischen Vernichtungsmaschine. Damit wird die klassische Darstellung des Krieges als Kampf zwischen Menschen auf eine andere Ebene gebracht. Heldentaten werden durch 'Abschlachtszenen' abgelöst. Ein Beispiel hierfür ist die Erschießung von Marías Eltern an der Schlachthauswand.
Ein anderer Aspekt von Gewalt findet sich in der Beziehung zwischen den Hauptfiguren. Hier wird physische Gewalt durch psychische Gewalt ersetzt. Beispielhaft ist die Auseinandersetzung zwischen Robert und Pablo, wobei Robert letzteren zu provozieren versucht, um einen Vorwand zu haben, ihn zu erschießen. Pilar ist gleichfalls eine Figur, die vielfach psychische Gewalt anwendet, ohne je jemanden physisch zu verletzen.
[Bearbeiten] Verfilmung
Der Roman wurde 1943 mit Gary Cooper, Ingrid Bergman, Akim Tamiroff und Katina Paxinou in den Hauptrollen verfilmt. Die Bearbeitung des Romans zum Drehbuch stammte von Dudley Nichols, Regie führte Sam Wood.
Der Film Wem die Stunde schlägt wurde für eine Reihe von Oscars nominiert: Katina Paxinou gewann den Oscar als beste Nebendarstellerin. Weiter waren Gary Cooper (Hauptrolle), Ingrid Bergman (Hauptrolle) und Akim Tamiroff (Nebendarsteller) nominiert; daneben bestanden Nominierungen für Ausstattung, Kamera, Schnitt, Musik und als bester Film.
[Bearbeiten] Musik
"For Whom the Bell Tolls" ist auch ein Lied von Metallica aus dem Album Ride the Lightning (1984). Es thematisiert eine Episode, in der Guerrillaführer El Sordo auf einem Hügel eingeschlossen ist, und gemeinsam mit fünf Gefährten bei einem Luftangriff umkommt.