Barocke Stadtbefestigung Bonn
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Die Barocke Stadtbefestigung Bonn mit der Bastion „Alter Zoll“ ergänzte den mittelalterlichen Mauerring Bonns im 17. Jahrhundert. An einzelnen Stellen im Stadtgebiet wird die Erinnerung daran wachgehalten.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Überblick
Zu den Gründen für die Verstärkung der 300 Jahre bewährten mittelalterlichen Stadtmauer, die Matthäus Merian d.Ä. 1646 im Kupferstich aus der Topographia Germaniæ zeigt, mögen die Bedrohung durch die Rheinschanze „Pfaffenmütz“ an der Siegmündung und der Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (insbesondere 1642–44) zählen. Die Fortschritte in der Herstellung von Geschützen zwangen viele Städte zum Bau von Befestigungen mit verringerter Trefferfläche durch ein entsprechend geneigtes Mauerwerk.
[Bearbeiten] Alter Zoll
[Bearbeiten] Geographische Lage
Das wichtigste und markanteste Relikt aus dieser neuzeitlichen Epoche ist die Wasserbastion „Alter Zoll", auch „Dreikönigenbastion“ genannt, im Ortsteil Bonn-Zentrum am Rhein (Brassertufer) nahe den Schiffsanlegestellen der Köln-Düsseldorfer und Bonner Personenschifffahrt beim Stadtgarten am Ostflügel der Schlossresidenz, dem heutigen Uni–Hauptgebäude, gelegen.
[Bearbeiten] Bauwerk
Den linksrheinischen Uferabschluss im Süden der ehemaligen Haupt- und Landesfestung Kurkölns bildet seit dem Dreißigjährigen Krieg um 1644 der bis auf 15 m aufragende „halbe“ Bastionsbau mit 150 m Umfang. Dessen 80° geneigte südliche Face ist mit Ziegeln, Trachyt und Basaltquader-Zwischenlagen aus Unkel vollbekleidet (Escarpe mit umlaufendem Cordon (hier Bauzierteil) und Brustwehr in italienischer Bauart). Zwei von Bäumen beschattete Kanonen lenken auf der etwa 0,122 ha großen Fläche den Blick in Richtung Rhein- und Siebengebirgslandschaft. Für Spaziergänger: Hunde sind an der Leine zu führen!
[Bearbeiten] Baumeister
Anstelle eines federführenden Hauptbaumeisters wird auf den Einfluss des Münchener Bauwesens im Umfeld von Kurfürst Ferdinands Verwandtschaft und den zeitgenössischen Festungsbau von Sébastien Le Prestre de Vauban hingewiesen. So verwundert es nicht, dass die meisten Ing.-Offiziere der italienischen oder französischen Schule entstammten. 1688 wird Ing. Choisy, Gouverneur von Saarlouis, als der „Erste Mann nach Vauban“ genannt. 1701 hält der Kurfürst Joseph Clemens die formelle Leitung inne.
[Bearbeiten] Zeittafel
- 1622/23: Beginn der Bastionsbefestigung am nahegelegenen Stockentor.
- 1635–42: Bau der Zollbastion im Bereich des ehemaligen Renaissance-Zollgebäudes aus der Zeit des früheren Kurfürsten Salentin von Isenburg.
- 1644: Gesicherte Erwähnung im Urplan der Festungsanlage.
- 1672/73, 1688/89, 1703, 1811: Besetzungen, teilweise Zerstörungen, insbesondere 1689, Instandsetzung. Als „Schlossterrasse“ im barocken Gesamtkonzept des 18. Jahrhunderts ist der „Alte Zoll“ ein friedlicher Aussichtspunkt und Gegenstand von Reiseliteratur und romantisch-gefühlsbetonter Malerei. Am 27. Juli 1815 bewertet Johann Wolfgang von Goethe dort die Rheinansicht, „daß man sich eines Versuchs, sie mit Worten zu beschreiben, kaum enthalten kann“, positiv.
- 1865: Einweihung von B. Afingers Ernst-Moritz-Arndt–Denkmal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung.
- 1921: Die trauernde Muse von Hubert Melzer mit dem Medaillon und Büstenrelief des Berghauptmanns Hermann Brassert, des Schöpfers des allgemeinen Berggesetzes für die preußischen Staaten, vis à vis des ehemaligen, königlich–preußischen Oberbergamtes unterhalb des Gärtnerhauses, das mit dem Gartenbaumeister Dr. Peter Joseph Lenné d.J. in Verbindung steht.
- 1962/63: Ehrenmal für das Husaren-Regiment König Wilhelm I. (1.Rhein.) Nº 7 zwischen den sichtbaren Pilastern und dem Architrav: Das Bronzerelief von Ernemann Sander wird ergänzt durch die historischen Motive Pelzmütze, Eisernes Kreuz und Säbeltasche.
- 1971, 1982 und 1989: Abrundung des Ensembles durch die „Schwingende“ von Lajos Barta zum Gedenken an den ungarischen Volksaufstand 1956, Ulrich Rückriems Heinrich Heine-Denkmal in der Formensprache eines Grabmals und Tempelportals (die polierte Granitfläche spiegelt: „… Du siehst Heine und dich selbst.“), sowie eine Lenné-Büste. (Stifter im weiteren Zusammenhang: Clemens August Kaiser, der Senat von Berlin, der Deutsche Herold und die Deutsche Bank).
Die Schwingende (1971) von Lajos Barta |
Heine-Denkmal (1982) von Ulrich Rückriem |
Lenné–Büste |
[Bearbeiten] Veranstaltungen und Betrieb
Seit 1995 gibt es in loser Folge Besichtigungen im Rahmen des Tages des offenen Denkmals. Neben der Außengastronomie am Rheinufer ist dort bei schönem Wetter der Biergarten geöffnet. Wie die Florentiusgrabenmauer (s.u.) wurde auch der Alte Zoll in den „Lehrpfad Stadtökologie Bonn“ mit einbezogen, wobei hier natürlich die Mauerbegrünung interessiert. Es wird gerne Boule gespielt, der Skaterlauf BonnSkating 2004 hatte hier seinen Start- und Zielpunkt. Hin und wieder gibt es Konzerte mit (Rock-)Musik.
[Bearbeiten] Weitere Abschnitte des Festungsmauerwerks
Seit 2000
Ein Clou: In der Kaiserpassage kann man nun durch die Kurtine/Courtine der Bastionen Ferdinand und Cassius (1642) hindurchgehen. Zugang über die Wesselstraße, den Martins- oder Kaiserplatz.
(Bronzeplan-Foto: Zwischen A und B)
2006
Die Bronzeplatte und Markierungen mit Bodensteinen erinnern an den den Verlauf der südwestlichen Face der Bastion Cassius (1642) in der Fußgängerzone (Gangolfstraße).
1972
Bei Bauarbeiten wird die Bastion Maximilian / „Botterweck“ (1642–48) erkennbar. Deren Südostecke (Kurtinenwinkel) wird später in einem Galeriegeschäft sichtbar belassen (Maximilianstraße westlich der Poststraße bei der Cassiuspassage in der Cassiusbastei).
(Bronzeplan-Foto: Links von Nr. 1)
1989
Bastionsbrunnen mit dem bronzenen Grundriss nahe der Kurtine Bastion Maximilian – Bastion Heinrich. Dahinter guter Aussichtspunkt (Windeckstraße westlich eines Textilkaufhauses, Florentiusgraben)
(Bronzeplan-Foto: Bei Nr. 3)
1999
Ein Teil der Kurtine der Bastionen Heinrich und Sterntor / St. Maria (1658–64) ist in der neuen „Mälzerei“ im Keller einer Brauhaus-Gaststätte freigelegt worden (Sterntorbrücke 4).
(Bronzeplan-Foto: Bei Nr. 4)
Seit 1996
Die nördliche und südliche Face am Annagraben der Bastion Sterntor / St.Maria (1658–64) bildet ein Gegengewicht zu den neuen Justizgebäuden. Ein weiterer Mauerteil wurde sichtbar in die Tiefgarage Oxfordstraße/Wilhelmstraße einbezogen.
(Bronzeplan-Foto: Bei Nr. 4)
Nicht direkt sichtbar, aber als topographische Spur zu ahnen, ist der Verlauf des Bastonärsystems im Stadtbild von der Wilhelmstraße bis zur Wachsbleiche in der Gegend der Beethovenhalle am Rheinufer. Die Beethovenhalle selbst steht auf den Resten der Bastion, die Bonn am Rheinufer in nördlicher Richtung geschützt hat. Dahinter stand der „Dicke Turm“ (verschwunden) der mittelalterlichen Stadtmauer.
Im dortigen nördlichen Festungsvorland des 17. Jahrhunderts am Rheinufer beim ehemals umwallten Römerlager (54 n.Chr.–9.Jhd.) steht das Schänzchen mit einer Erinnerung an Justus Wilhelm Lyra, der die Melodie zu Emanuel Geibels „Der Mai ist gekommen“ schrieb. Biergarten der Burschenschaft Alemannia Bonn (Leinpfad/Rosental/Am Schänzchen).
[Bearbeiten] Einzelstücke der mittelalterlichen Stadtmauer
2006
Ebenfalls mit einer Bronzetafel und Zeichen im Pflaster versehen wurde auch die nach Verleihung der Stadtrechte durch Erzbischof Konrad von Hochstaden am 18. März 1244 errichtete Stadtmauer, von der ein originaler Mauerturm (s.u.) erhalten blieb (Gangolfstraße).
um 1900
Das auf Protest von Kaiser Wilhelm II. dort geschaffene Stadtmauerensemble (auch Ludwig I. hatte in Bayern einen wesentlichen Einfluss auf die zeitgenössischen Denkmalschutz-Bestrebungen und die Gesetzgebung) verweist mit dem feldseitigen Spitzbogentor und wichtigen Bauteilen auf das frühere Sterntor, zitiert die charakteristischen Rundbogenstellungen und ist ein sehr beliebtes Fotomotiv. In vielerlei Variationen der „Lichtblicke“-Installation 2002 der Lichtkünstler Regine Vogel / Johannes Dinnebier erstrahlte es von innen und außen neu.
Das Ecktürmchen und der umlaufende Zinnenkranz lassen es selbst schon als ein Zeugnis der Stilrichtung des Historismus um 1900 erscheinen (Vivatsgasse).
1987/88
Gegenmauer zur mittelalterlichen Befestigung (Contrescarpe) vor Ort als Sitzmäuerchen in der neuen Fußgängerzone. Hinweis im Bodenbelag: Standort inneres Sterntor (Friedensplatz)
1993
Sterntorbrücke: Pflastermarkierung von Befestigungswerk und Brücke (1662) (Sterntorbrücke)
Nicht direkt sichtbar, aber zu ahnen ist der Verlauf der Stadtmauer im Stadtbild entlang der Theaterstraße in der Gegend der Beethovenhalle zum Rheinufer hin.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Stadtbefestigung, allgemein
- Viele Fundstellen in der Regional-Literatur und der Tagespresse.
- Winand Kerkhoff: Bonn neu entdecken, Edition Lempertz GmbH, 2006, ISBN 3-93307-057-0
[Bearbeiten] Zum „Alten Zoll“
- Rut Wirtz: „Tag des offenen Denkmals 1995“. Der Alte Zoll in Bonn, in: Archäologie im Rheinland 1995, Rheinland Verlag GmbH, Köln / Bonn 1996, S.177–180 ISBN 3-7927-1594-5
[Bearbeiten] Siehe auch
- Beueler Schanze Mit ausführlichem geschichtlichem Überblick.
- Fachbegriffe Festungsbau