Diplom-Sozialwirt
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Diplom-Sozialwirt ist ein akademischer Grad. Er konnte erworben werden durch das Studium der Sozialwissenschaften an Universitäten und der Sozialwirtschaft an Fachhochschulen und Berufsakademien.
Der Diplom-Sozialwirt mit Universitätsabschluss wurde zur akademischen Gruppe der Soziologen gerechnet. Klassische Universitäten waren die Georg-August-Universität Göttingen und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit der europaweiten Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge ist der Diplom-Sozialwirt als Studienabschluss aufgehoben worden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Göttingen
Zur Entwicklung der Sozialwisssenschaften ist zu lesen:
Die Universität Göttingen wurde im Jahr 1737 in Geiste der Aufklärung gegründet. Sie gehört zu den renommiertesten Universitäten Deutschlands. Die Anfänge der Sozialwissenschaften reichen bis in die Gründungszeit der Universität zurück. Als selbstständige Fakultät geht die Gründung der Sozialwissenschaften zurück auf die Zusammenführung (1951) des Göttinger Soziologischen Seminars mit den sozialwissenschaftlichen Disziplinen (Soziologie, Politikwissenschaft, Publizistik, Sozialpolitik). Federführend war Helmuth Plessner verantwortlich. 1962 wurde die Hochschule für Sozialwissenschaften Wilhelmshafen in die in die Georg-August-Universität integrierten. Im Zuge von Neustrukturierungen der Fakultäten traten weitere Institute der Fakultät bei: das Pädagogische Seminar, das Institut für Sportwissenschaften mit seiner international komparatistischen Forschungsorientierung und das Institut für Ethnologie mit der weltweit berühmten Cook/Forster-Sammlung.
[Bearbeiten] Nürnberg
Seit 50 Jahren konnte Sozialwissenschaften als Integration wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Fächer studiert werden:
Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wurden als eine Einheit aufgefaßt. Die Idee des Studiums gründete in einem vernetzten Denken ökonomischer, psychologischer und sozialer Sachverhalte, ihrer empirischen Überprüfung, wissenschaftlich fundierter Begleitung von Modellprojekten, soziologische Beratung und Anwendung. Das Studium war interdisziplinär angelegt. Insofern deckte der Diplom-Sozialwirt ein breites akademisches Berufsfeld ab. Das Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" bei Ludwig Erhard, dem späteren Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister, der selbst 1919 - 1922 Betriebswirtschaftslehre in Nürnberg studierte und 1925 bei dem Frankfurter Soziologen Franz Oppenheimer promovierte, konnte als Leitbild für diesen Studiengang interpretiert werden.
[Bearbeiten] Struktur und Gestalt
[Bearbeiten] Göttingen
Unter dem Begriff Sozialwissenschaften sollten Wissensgebiete zusammen gefasst werden, die durch wissenschaftliche Forschung und Lehre die Wirklichkeit des menschlichen Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft, insbesondere in der industriellen Gesellschaft, erkennen und darzustellen ermöglichen. Dazu wurden die sonst in getrennten Studiengängen behandelten Gegenstände und Gebiete zusammengefügt:
- Sozialwissenschaften im engeren Sinne,
- Wirtschaftswissenschaften,
- Rechtswissenschaften.
Die Integration sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlicher Fächer sollte in Göttingen eine vielseitige wissenschaftliche Ausbildung ermöglichen, die zur Berufstätigkeit in verschiedenen Tätigkeitsfeldern befähigte, die ein breites Grundlagenwissen erfordern: z.B. in der öffentlichen Verwaltung, Industrieverwaltung, wissenschaftlichen Forschung, im Bildungs- und Erziehungswesen, Verbandswesen, in der Presse usw..
An der Universität Göttingen war zum Diplom-Sozialwirt zu lesen:
- Im sozialwissenschaftlichen Studium wurden zwei sozialwissenschaftliche Fächer, ein wirtschaftswissenschaftliches und ein rechtswissenschaftliches Fach gleichrangig studiert.
- Die Gegenstandsbestimmungen sollten theoretische Grundlagen und Methoden der jeweiligen Einzeldisziplinen vermitteln.
- Das Studium zielte auf eine Integration der verschiedenen Fächer.
- Für die sozialwissenschaftlichen Fächer sollten die Gemeinsamkeiten in Theorie und Methoden herausgearbeitet werden.
- Die Beziehungen zwischen Sozialwissenschaften und Wirtschafts- bzw. Rechtswissenschaften wurden dadurch hergestellt, dass die Studierenden gesellschaftliche Teilbereiche und Problemfelder als Studienschwerpunkte wählten, die gleichermaßen Gegenstand der verschiedenen Disziplinen waren.
- Die Unterschiede in den Bearbeitungsweisen, Methoden und theoretischen Bestimmungen des Forschungsgegenstandes sollten im Studium deutlich herausgestellt werden.
- Durch die Gleichrangigkeit verschiedener Fächer und Disziplinen sowie durch den integrativen Ansatz unterschied sich das sozialwissenschaftliche Studium von solchen Studiengängen, die bewusst eine sozialwissenschaftliche Einzeldisziplin ins Zentrum stellten und weitere Fächer als Nebenfächer behandelten (s. Magisterstudium).
[Bearbeiten] Nürnberg
An der Universität Erlangen-Nürnberg wurde unterschieden in einen Diplom-Sozialwirt sozialwissenschaftlicher Richtung mit einer Betonung pädagogisch-psychologischer Fächer und in einen Diplom-Sozialwirt wirtschaftswissenschaftlicher Richtung mit einer Betonung sozialpolitisch-rechtswissenschaftlicher Fächer. Die neuere Studienordnung hatte diese Differenzierung wieder aufgehoben und sprach von einem Diplom-Sozialwirt. Der Diplomstudiengang in Erlangen-Nürnberg bestand aus fünf Pflicht- und Wahlfächern. Der Fächerkanon beinhaltete, je nach Wahl des Studierenden:
- Soziologie und spezielle Soziologien wie Familiensoziologie, Medizinsoziologie, Organisationssoziologie
- Methodologie mit Wissenschaftstheorie, Statistik und empirische Sozialforschung
- Betriebswirtschaftslehre mit Rechnungswesen und speziellen Betriebswirtschaftslehren
- Volkswirtschaftslehre mit Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik; Finanzwissenschaft
- Rechtswissenschaft mit Öffentliches Recht, Privatrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht
- Psychologie
- Pädagogik
- Sozialpolitik
- sonstige Sozialwissenschaften
[Bearbeiten] Aktuelle Entwicklung
Zum Wintersemester 2006/2007 wurden im Zuge des Bologna-Prozesses die Studiengänge zum Diplom-Sozialwirt in Göttingen und Erlangen-Nürnberg eingestellt. In Göttingen wird ein Bachelorstudiengang Soziologie und in Erlangen-Nürnberg ein Bachelorstudiengang Sozialökonomik angeboten. Masterstudiengänge werden folgen.
[Bearbeiten] Namhafte Hochschullehrer und Dozenten
[Bearbeiten] Göttingen
- Prof. Dr. Hans Paul Bahrdt, Soziologe
- Prof. Dr. Horst Kern (Sozialwissenschaftler)
- Prof. Dr. Bassam Tibi, Politologe
[Bearbeiten] Nürnberg
- Prof. Dr. Günter Büschges, Soziologe
- Prof. Dr. Helm, Jurist (Privat- und Wirtschaftsrecht)
- Prof. Dr. Henke, Jurist (Öffentliches Recht)
- Prof. Dr. Joachim Klaus, Volkswirt
- Prof. Dr. Horst Claus Recktenwald, Volkswirt und Finanzwissenschaftler
- Prof. Dr. Karl Gustav Specht, Soziologe
- Dr. Reinhard Wittenberg, Soziologe, insbesondere Alterns-, Betriebs- und Medizinsoziologe
- Prof. Dr. Gerhard Wurzbacher, Sozialanthropologe und Soziologe
[Bearbeiten] Profilierte Sozialwirte
[Bearbeiten] Göttinger Absolventen
- Prof. Dr. Horst Kern, Seminar für Soziologie, Universität Göttingen, (1998 - 2004) Präsident der Georg-August-Universität Göttingen
- Bundesminister a.D. Jürgen Trittin, stv. Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, (1990 - 1994) niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, (1998 - 2005) Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
[Bearbeiten] Nürnberger Absolventen
- Prof. Dr. Martin Abraham, Institut für Soziologie, Universität Bern
- Prof. Dr. Thomas Klein, Institut für Soziologie, Universität Heidelberg
- Prof. Dr. Peter Preisendörfer, Institut für Soziologie, Universität Mainz
[Bearbeiten] Literatur
- Wittenberg, Reinhard: Soziologie in Nürnberg. Forschung und Lehre zwischen 1919 und 2000 (Taschenbuch) Roderer, S, 2001, ISBN-10: 3897832690, ISBN-13: 978-3897832695
- Wittenberg, Reinhard: Sozialwissenschaftler(Innen) aus Nürnberg-Erlangen in Studium und Beruf. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB), 2001, Nr. 1, S. 21-50, ISSN 0724-3464