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Ernst Kapp

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Ernst Kapp
Ernst Kapp

Ernst Christian Kapp (* 15. Oktober 1808 in Ludwigsstadt, Oberfranken; † 30. Januar 1896 in Düsseldorf) war Pädagoge, Geograph und Philosoph. Mit seinem Werk Grundlinien einer Philosophie der Technik von 1877 gilt er als einer der Begründer der modernen Technikphilosophie.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Ernst Kapp wurde als letztes von 12 Kindern am 15. Oktober 1808 in Ludwigsstadt, Oberfranken geboren. Sein Vater, ein wenig bemittelter Justizamtmann, stirbt als Ernst sechs Jahre alt ist. Er wächst bei Verwandten und teils bei Fremden auf, da auch seine Mutter früh verstirbt. Von 1824 bis 1828 studiert Ernst Kapp an der königlichen preußischen Universität Bonn Altphilologie und wird zunächst Gymnasiallehrer in Hamm. 1830 promoviert Ernst Kapp im Fach Geschichte mit der Dissertationsschrift: De re navali Atheniensium. Von 1830 bis 1849 ist Kapp Lehrer für Geschichte und Erdkunde am Gymnasium in Minden. Hier tut er sich mit verschiedenen fachdidaktischen Werken hervor, die eine Betrachtung der Geographie unter historischen und der Geschichte unter geographischen Aspekten fordern (siehe Literatur). "Als reifes Ergebnis langjährigen Nachdenkens" (so Victor Hantsch in der Allgemeinen deutschen Biographie) münden diese Vorüberlegungen schließlich in die Vergleichende allgemeine Erdkunde von 1845.

Mit diesem Werk erweist sich Ernst Kapp als ein Schüler Carl Ritters, dem Begründer der modernen wissenschaftlichen Erdkunde, sowie Hegels kulturanthropolgischen und universalhistorischen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (1832-1845). Bereits hier zeichnet sich Kapps spezifisches Entwicklungsdenken ab, das die gegenseitige Bedingtheit der materiellen Voraussetzungen der menschlichen Umwelt und des Geistes betont. Dabei bleibt Kapp dem Hegelschen Apriori des Geistes verpflichtet. Das Buch enthält weiter Überlegungen zur Biogeographie, Anthropogeographie oder Kulturgeographie, die später von Friedrich Ratzel ausgearbeitet wurden, ferner zum Verhältnis von Land, Meer, Kultur und Geschichte, wie sie später ähnlich in Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes (1923) und in Carl Schmitts geopolitischen Überlegungen in Land und Meer (1942) zu finden sind.

Kapp unterscheidet dabei drei politisch-geographische Kulturkreise:

  • den "potamisch-orientalischen"
  • den "thalassisch-klassischen"
  • sowie den "oceanisch-germanischen".

Als deren bestimmendes und strukturierendes Moment sieht er dabei stets das Wasser an.

Als bekennender Liberaler (Der constituirte Despotismus und die constitutionelle Freiheit (1849)) sieht sich Kapp, als er seine Stellung zu verlieren droht, gezwungen 1849 nach Amerika zu emigrieren. Seine Frau und seine fünf Kinder folgen ihm 1850 nach, ebenso sein Bruder Alexander Kapp, Gymnasiallehrer in Soest und sein Neffe Friedrich Kapp, der später als Geschichtsschreiber und Parlamentarier hervortrat.

Ernst Kapp "vertauscht die Feder mit dem Spaten" (Victor Hantsch, s. o.), er und seine Familie gründeten Sisterdale im texanischen Kendall County, das man auch als ein "Latin Settlement" bezeichnet, und ließen sich dort als Baumwollfarmer nieder. Kapp entfaltete daneben eine Reihe von Aktivitäten: Er wurde zum Präsidenten des "Vereins freier Männer"', einer Freidenkervereinigung, gewählt und beteiligte sich an der Herausgabe der deutschsprachigen San Antonio Zeitung. Seine Stellungnahme für die Sklavenbefreiung im Sezessionskrieg (von 1861 bis 1865) erregte in Texas Ärgernis und zwang ihn zum Verkauf der Zeitung.

1865 kehrt Kapp mit seiner Familie gesundheitlich angeschlagen nach Deutschland zurück und lässt sich in Düsseldorf als Privatdozent nieder. Hier besorgt er die zweite verbesserte Auflage seiner Vergleichenden allgemeinen Erdkunde (1868) und verfasst die Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten. (1877) Weitere philosophische Werke von ihm sind nicht bekannt.

Am 30. Januar 1896 stirbt Ernst Kapp in Düsseldorf mit 87 Jahren.

[Bearbeiten] Die Organprojektionsthese

Das zweite Kapitel der Grundlinien einer Philosophie der Technik: - „Die Organprojektion" (1877, S. 29 ff.) findet sich auch heute noch in vielen Anthologien zur Technikphilosophie und Anthropologie, obwohl das Buch selbst (mit Ausnahme einer schwer erreichbaren photomechanischen Reproduktion von 1978) nie wieder aufgelegt wurde. Zentrale These des Werkes ist, dass alle technischen Artefakte letztlich als Organprojektionen zu verstehen seien. So ist z. B. ein Hammer letztlich als Faust zu verstehen, eine Säge bildet die Schneidezähne ab, ein Fernrohr bildet unbewusst den inneren Aufbau des Auges nach usw. Die Entwicklung des Buches folgt dabei einer zunehmenden Komplexität der technischen Apparaturen, über die damals aufkommende Telegraphie, die als ein Nervensystem verstanden wird, bis hin zum Staat als Abbild des menschlichen Organismus in toto. Die technische Entwicklung als Motor der kulturellen Entwicklung ist dabei stets ein Herausstellen von etwas, das bereits im Menschen organisch wie geistig angelegt ist, um im selben Moment als ihre Konkretion dessen geistige Entwicklung herauszufordern und voranzutreiben.

Die Grundlinien einer Philosophie der Technik stellen vielleicht das erste genuin moderne Werk der Technikphilosophie dar, weil sie die bis dahin vorherrschende cartesianische Metaphorik des Organischen als etwas bloß Mechanischem komplett umkehrt und weil sie das technische Verhalten des Menschen in eine spezifisch moderne Anthropologie des Mängelwesens Mensch einbettet, wie es zuerst in den Schriften Johann Gottfried Herders und später deutlicher bei Arnold Gehlen zu finden ist.

Die denkende Betrachtung, wie verschieden ihr Gegenstand nach Ausdehnung in Raum und Zeit sein mag, vereinsamt oder verliert sich niemals ins Endlose, sondern kehrt über kurz oder lang auf derselben Bahn dahin zurück, von wo sie ausgegangen war, zum Menschen. Mit ihm bleibt ihr Zusammenhang ununterbrochen, und das was sie nach allem Suchen und Entdecken findet, ist immer nur der Mensch, nach des Wortes eigenster Bedeutung der "Denker". (Grundlinien, S.1)

[Bearbeiten] Schriften

  • De re navali Atheniensium (Diss., Bonn, 1830)
  • Beitrag zur Begründung eines sicheren Ganges des geschichtlich-geographischen Unterrichts mit besonderer Rücksicht auf die untere Gymnasialstufe (Minden, 1831)
  • Die Einheit des geschichtlich-geographischen Schulunterrichts (Minden, 1833)
  • Leitfaden beim ersten Schulunterricht in der Geschichte und Geographie (Minden, 1833. Sieben Auflagen bis 1870)
  • Hellas. Historische Bilder für den Jugendunterricht (Minden, 1833)
  • De incrementis quae ratio docendae in scholis historiae et geographiae cepit (Minden, 1836)
  • Philosophische oder vergleichende allgemeine Erdkunde als wissenschaftliche Darstellung der Erdverhältnisse und des Menschenlebens in ihrem inneren Zusammenhange. (2 Bde., Braunschweig, 1845)
  • Der constituirte Despotismus und die constitutionelle Freiheit (Hamburg, 1849)
  • Vergleichende allgemeine Erdkunde in wissenschaftlicher Darstellung. (2. verbesserte Aufl., Braunschweig 1868)
  • Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Kultur aus neuen Gesichtspunkten. (Verlag George Westermann, Braunschweig, 1877)
  • Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Kultur aus neuen Gesichtspunkten. (Photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1877, mit einer Einleitung von Hans-Martin Sass, o.O., 1978)

[Bearbeiten] Literatur

  • Harald Leinenbach: Die Körperlichkeit der Technik. Zur Organprojektionsthese Ernst Kapps. Essen, 1990. ISBN 3892063338
  • Eduard Korte: Kulturphilosophie und Anthropologie. 1992. ISBN 3860640127
  • Hans-Martin Sass Man and His Environment: Ernst Kapp's Pioneering Experience and His Philosophy of Technology and Environment in Essays from the Southwest Symposium 1978 - German Culture in Texas: A Free Earth, ed. Glen E. Lich and Dona B. Reeves-Marquardt (Boston, 1980). ISBN 0805784152
  • Kurt Klotzbach: Ernst Kapp, der Gründer der “Lateinische Kolonie” Sisterdale, in: Mindener Heimatblätter, 54. Jahrgang, Seite 21f., 1982.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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