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Festung Jülich

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Die Festung Jülich bezeichnet die Gesamtheit der Befestigungsanlagen um die rheinische Stadt gleichen Namens, welche in der frühen Neuzeit zwischen 1547 und 1860 bestanden. Sie gehört zu den ältesten und ungewöhnlichsten Zeugnissen von Festungsarchitektur dieser Epoche nördlich der Alpen. Ihre Überreste mit renaissancezeitlicher Zitadelle und napoleonischem Brückenkopf stellen eines der bedeutendsten Ensembles frühneuzeitlicher Wehrarchitektur in Deutschland dar.

Der von den Franzosen geplante Endausbau der Festung Jülich
Der von den Franzosen geplante Endausbau der Festung Jülich

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Antike und Mittelalter

Seit der Gründung der Siedlung als römischer vicus entlang der Römerstraße Boulogne-Heerlen-Köln hatte sie eine strategische Bedeutung gehabt, da sie einen der wenigen gangbaren Rurübergänge kontrollierte und wohl bereits in römischer Zeit eine Brücke bestand. Aus diesem Grunde wurde Ivliacvm bereits im 4. Jahrhundert zu einem befestigten Kastell ausgebaut, das wohl sechzehn Türme aufwies und das Gebiet um den heutigen Marktplatz umschloss. Diese Befestigung, ursprünglich zur Abwehr barbarischer Einfälle aus östlicher Richtung gedacht, geriet beim Rückzug der Römer im 5. Jahrhundert in fränkische Hand und wurde zur Keimzelle des Jülich-Gaues, aus dem dann erst die Grafschaft und im 14. Jahrhundert das Herzogtum Jülich hervorgingen. Im westlichen Teil der Befestigung ist die Burg der Jülicher Herren zu suchen, die vermutlich einen Abschnitt der römischen Umwallung als Außenmauer nutzte. Im heutigen Ortsteil Altenburg entstand im 12. Jahrhundert eine Motte, die bereits im 13. Jahrhundert wieder zerstört wurde. An der Wende vom 13. Jahrhundert zum 14. Jahrhundert erfuhr die Stadt eine komplette Neubefestigung, die bereits einen erheblichen Teil der heutigen Altstadt umfriedete. Es handelte sich dabei um eine gotische Befestigung, die zur Armbrustverteidigung eingerichtet war. Relikte dieser Bauphase sind der Hexenturm und ein erhalten gebliebener Abschnitt der Stadtmauer im Innern der Bebauung des Blockes, der zwischen Stiftsherrenstraße und Großer Rurstraße liegt (Hinterhofgrundstücke Stiftsherrenstraße 7 und 9, Zugang beschränkt möglich).

[Bearbeiten] Neuzeitliche Befestigung

Zwischenzeitlich waren die Jülicher Herzöge reich und mächtig geworden, das Jülicher Land stellte einen Teil der Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg dar. Ihr Beherscher, Herzog Wilhelm V., hegte große Ambitionen und wollte seine Herrschaft auch auf das Herzogtum Geldern ausdehnen, auf das er nach dem Aussterben des dortigen Herrscherhauses einen Erbanspruch besaß. Kaiser Karl V. betrachtete sich ebenfalls als legitimen Erben, und beide Herrscher gerieten in der Gelderner Fehde aneinander. Der Herzog unterlag dabei dem Kaiser, da sich die mit ihm verbündeten Franzosen nicht für ihn einsetzen wollten, er musste Geldern dem Kaiser überlassen und eine Habsburgerin heiraten. Ein wesentlicher Grund für die Niederlage war die schnelle Eroberung der herzoglichen Festungen gewesen, die noch im Mittelalter verhaftet und der modernen Artillerie nicht mehr gewachsen waren. Der Herzog fasste den Plan, mehrere Städte seines Herrschaftsgebietes zu modernen Landesfestungen und zum Teil auch Residenzstädten auszubauen – Düsseldorf als Residenz des Herzogtums Berg, Orsoy als klevischen Hauptwaffenplatz und Jülich als Residenz des Herzogtums Jülich. Jülich war dem Kaiser kampflos übergeben worden und deshalb unzerstört geblieben, man hatte bereits mit dem Bau einer neuen, modernen Stadtbefestigung im rondellierten System begonnen. Das genügte dem ehrgeizigen Herzog aber nicht mehr, ihm schwebte eine völlig neue Stadt nach Idealvorstellungen vor. Er hörte sich nach einem geeigneten Baumeister um und verfiel auf Alessandro Pasqualini aus Bologna, einen versierten Architekten und Festungsbaumeister, der schon seit längerer Zeit in den Niederlanden arbeitete. Wilhelm stellte ihn in seine Dienste und übertrug ihm den Ausbau der drei großen Landesfestungen und Residenzstädte.

Das Hauptaugenmerk fiel dabei auf Jülich, wo eine perfekte, völlig neue Stadt nach dem Geschmack der Renaissance entstehen sollte – eine Idealstadt. Die mittelalterliche Stadt stand noch, so dass erste Planungen darauf Rücksicht nehmen mussten. Doch bereits 1547 brannte fast die ganze Stadt in einer einzigen Nacht (vom 25. auf den 26. Mai) nieder, böse Zungen vermuteten Brandstiftung – lediglich das Gebiet um den Hexenturm und die heutige Kleine Rurstraße blieb verschont. Jedenfalls war der Weg nun frei für einen völligen Neuaufbau nach idealen Gesichtspunkten, und Pasqualini legte bald seine Pläne vor. Der Entwurf sah an der Nordseite der Stadt eine gewaltige Zitadelle mit vier Bastionen vor, mit etwa 500 Meter Kantenlänge von Bastionsspitze zu Bastionsspitze und einer doppelten Befestigung, in deren Zentrum das herzogliche Residenzschloss als palazzo in fortezza liegen sollte, ein damals viel diskutiertes, aber selten ausgeführtes Konzept. Die Stadt war als gestrecktes Pentagon konstruiert, zwei der fünf Ecken sollten von der Zitadelle abgedeckt werden, während der Rest von einer modernen bastionierten Befestigung geschützt wurde. Der Plan der Stadt folgte idealen Gesichtspunkten, alle Straßen waren breit und gerade angelegt und auf die Zitadelle ausgerichtet, um eine Beherrschung der Stadt von ihr aus möglich zu machen. Die Häuser folgten einer strengen Bauordnung, welche die Gefahren durch Feuer oder Straßenkämpfe verringern sollten. So war z. B. die Straßenbreite so berechnet, dass der Trümmerschutt eines eingestürzten Hauses nur die Hälfte ihrer Breite verstopfte und die andere Hälfte für den Durchgangsverkehr frei blieb. Alle Häuser sollten in Steinbauweise ausgeführt werden, um die Gefahr eines verheerenden Stadtbrandes zu minimieren.

[Bearbeiten] Baubeschreibung

Darstellung Jülichs vor der ersten Belagerung. Bezeichnung der Bastionen: I. Zitadellenbastion Wilhelmus, II. Zitadellenbastion Maria Anna, III. Zitadellenbastion St. Salvator, IV. Zitadellenbastion St. Johannes, 1. Stadtbastion St. Sebastianus, 2. Stadtbastion St. Eleonore, 3. Stadtbastion St. Jakob, 4. Stadtbastion St. Franziskus. Bezeichnung der Tore: A. Kölntor, B. Bongardpforte, C. Aachener Tor oder Rurtor (noch in alter Position), D. Dürener Tor
Darstellung Jülichs vor der ersten Belagerung. Bezeichnung der Bastionen: I. Zitadellenbastion Wilhelmus, II. Zitadellenbastion Maria Anna, III. Zitadellenbastion St. Salvator, IV. Zitadellenbastion St. Johannes, 1. Stadtbastion St. Sebastianus, 2. Stadtbastion St. Eleonore, 3. Stadtbastion St. Jakob, 4. Stadtbastion St. Franziskus. Bezeichnung der Tore: A. Kölntor, B. Bongardpforte, C. Aachener Tor oder Rurtor (noch in alter Position), D. Dürener Tor

Es ist anzunehmen, dass der ursprüngliche Plan anfangs umgesetzt werden sollte, die Verschiebung der Schlosskapelle aus der Mittelachse des Ostflügels spricht dafür, dass man den ursprünglich größer angelegten Bau verkleinern musste. Auch die Zitadelle wurde schließlich nur etwa halb so groß wie geplant, und die Stadtbefestigung bekam statt drei nun vier Bastionen, eine davon als Halbbastion, und wurde mit zwei zusätzlichen unregelmäßigen Mauern an die verkleinerte Zitadelle angeschlossen. Dennoch galt die Festung, als sie gegen 1580 fertiggestellt wurde, als die mächtigste und modernste in ganz Europa. Sie bestand aus folgenden Elementen, die bis zum Ende der Festungszeit fast unverändert blieben, sie wurden allerdings mehrfach modernisiert und um zahlreiche Vorwerke und Aufbauten bereichert:

Zitadelle

  • Bastion Wilhelmus oder auch Zitadellenbastion No. I
Südöstliche Bastion der Zitadelle, nur gering bedroht und vergleichsweise schwach ausgebaut
  • Bastion Marianne oder Maria Anna, auch Zitadellenbastion No. II
Nordöstliche Bastion, wegen ihrer Lage gegenüber der Merscher Höhe am meisten gefährdet und am schwersten befestigt
  • Bastion St. Salvator, auch Zitadellenbastion No. III
Nordwestliche Bastion, ebenfalls stark bedroht und gut ausgebaut
  • Bastion St. Johannes, auch Zitadellenbastion No. IV
Südwestliche Bastion, wenig gefährdet und daher schwach ausgebaut

Stadtbefestigung

  • Bastion St. Sebastianus oder Stadtbastion No. I
Nordwestliche Bastion der Stadtbefestigung, wegen der Nähe zur Zitadelle und der wenig bedrohten Position nur als Halbbastion ausgelegt
  • Bastion St. Eleonore oder Stadtbastion No. II
Westlichste Bastion, schützte das Aachener Tor und den Rurübergang
  • Bastion St. Jakob oder Stadtbastion No. III
Südlichste Bastion, eher wenig bedroht. Schützte Aachener Tor und Bongardpforte
  • Bastion St. Franziskus oder Stadtbastion No. IV
Östliche Stadtbastion, schützte das Kölntor

Die Wälle und Bastionen bestanden aus Erde, eingefasst von Blendmauern aus Ziegeln, die nach der Feldseite hin bis zu fünf Meter stark war. Hinter der feldseitigen Blendmauer lag ein System aus Tonnengewölben, das die Erde des Hauptwalles in kleine Portionen unterteilte und bei einer Bresche in der Mauer das Auslaufen der Erdmassen verhinderte, wodurch das Entstehen einer gangbaren Bresche verzögert wurde, durch die ein etwaiger Gegner den Wall hätte stürmen können. Dabei war die Befestigung der Zitadelle deutlich stärker ausgelegt als die der Stadt, die Mauern waren dort zwölf bis fünfzehn Meter hoch anstatt nur acht bis zehn Metern bei der Stadtmauer, und sie waren mit bis zu 42 Metern auch deutlich stärker als der maximal 20 Meter dicke Stadtwall. Sowohl die Stadtmauer als auch der Zitadellenwall waren im unteren Teil geböscht, was die Mauer verstärkte und dazu führte, dass Wurfgeschosse von oben in Richtung des Feindes abprallten. Im Innern der Bastionen verlief ein System aus bombensicheren Kasematten, die zu den Kanonenhöfen in den zurückgezogenen Flankenstellungen der Bastionen führten, die Zitadelle wies daneben noch Kommunikationsgänge hinter der vorderen Blendmauer und zum Teil auch hinter der hofseitigen Mauer auf, die nachträglich eingebaut wurden.

Sowohl Zitadelle als auch die Stadtbefestigung besaßen mehrere Tore, wobei nur die Stadttore Namen trugen.

  • Kölntor: Das Kölntor bildete den östlichen Stadtzugang von der alten Römerstraße Richtung Köln. In späterer Zeit wurde es durch ein vorgeschaltetes Ravelin gesichert. Es war neben dem Aachener Tor der wichtigste Zugang zur Stadt, ganz besonders für den Durchgangsverkehr.
  • Bongardpforte: Die Bongardpforte war niemals eines der Haupttore, sondern eher als Ausfall- und Versorgungstor gedacht. Sie durchbrach den südöstlichen Stadtwall und führte auf das dieser Front vorgeschaltete Ravelin. Sie verschwand gegen 1633.
  • Aachener Tor oder auch Rurpforte: Der südwestliche Zugang zur Stadt von der Rurbrücke her. Neben dem Kölntor das wichtigste Stadttor.
  • Dürener Tor: Das Dürener Tor lag an der Nordseite der Stadt zwischen der Zitadelle und der Stadtbastion I. Es hatte nie eine große Bedeutung und verschwand irgendwann im 17. Jahrhundert.

Die Zitadelle besaß im Norden und im Süden je ein Haupttor, das sie mit der Stadt und mit der nördlichen Feldseite verband. In späterer Zeit wurden auch Tore nach Westen und Osten angelegt, die allerdings nicht dem Durchgangsverkehr dienten, sondern lediglich der Kommunikation mit den östlichen und westlichen Vorwerken.

[Bearbeiten] Das 17. Jahrhundert

Darstellung der Belagerung Jülichs 1610
Darstellung der Belagerung Jülichs 1610

Die erste Bewährungsprobe für die neue Festung kam schon 1610. Im Zuge des Jülich-Klevischen Erbfolgestreites nach dem Aussterben des Herrscherhauses besetzten kaiserliche Truppen die Festung, da der Kaiser Rudolf II. den Standpunkt vertrat, die Lehen würden mit dem Ende der herzoglichen Linie an ihn zurückfallen. Sowohl Brandenburg-Preußen als auch das Kurfürstentum Pfalz machten Erbansprüche geltend, und es kam zum Krieg.

Niederländische Truppen, die mit den Brandenburgern und Pfälzern verbündet waren, verstärkt um Truppen aus England, Frankreich und der Protestantischen Union, zogen unter der Führung von Moritz von Oranien-Nassau vor der Festung auf und belagerten sie vom 28. Juli an, begleitet von einem starken Aufgebot internationaler Beobachter, welche die Operationen gegen die damals stärkste Festung Europas gespannt verfolgten. Die Belagerer zernierten die Festung mit einem Ring aus Schanzen und gingen auf der Merscher Höhe in Stellung, einer Erhebung nordöstlich der Zitadelle, von der aus man einen guten Überblick über das Geschehen und auch eine gute Schussposition für einen Angriff auf die Zitadelle hatte. Durch die überhöhte Position konnte man von dort aus gut in die Festung hineinschießen, angeblich war der hohe Nordostturm des Schlosses ein besonders beliebtes Ziel.

In der Festung wurden Bargeld und Nahrungsmittel bald knapp, der kaiserliche Festungskommandant Johann von Reuschenberg hatte es versäumt, ausreichende Vorräte anzulegen. Das Tafelsilber des kaiserlichen Reichskommissars Erzherzog Leopold wurde in kleine Stücke geschnitten und, mit einem Stempel versehen, als Notklippen ausgegeben. Die Belagerer trieben Laufgräben gegen die Zitadellenbastionen Marianne und St. Salvator vor und legten Breschen, die kaiserlichen Verteidiger mussten sich auch wegen der mangelnden Vorräte nach nur 35 Tagen am 1. September ergeben.

Darstellung der Belagerung von 1621/22. Deutlich sind die der Festung vorgelagerten Hornwerke zu erkennen
Darstellung der Belagerung von 1621/22. Deutlich sind die der Festung vorgelagerten Hornwerke zu erkennen

Die Festung war nun in niederländischer Hand, und die neuen Herren legten vor der Stadt und der Zitadelle einige neue Außenwerke an, vornehmlich zeittypische Hornwerke in Erdbauweise. Dabei wurde das Hauptaugenmerk auf die Nordseite der Zitadelle gelegt, die nachweislich am stärksten bedroht war. Zwischenzeitlich hatten sich Brandenburg und Pfalz im Vertrag von Xanten über eine Aufteilung der Vereinigten Herzogtümer geeinigt: Die Pfalz erhielt Jülich und Berg, während Brandenburg Kleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg erhielt.

Mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges geriet die Stadt wiederum in den Brennpunkt des Interesses. Die Spanier wollten den niederländischen Einfluss in der Gegend beschneiden, um im Achtzigjährigen Krieg um die Niederlande selbst eine bessere Position zu erlangen, und begannen unter General Ambrosio Spinola 1621 eine weitere Belagerung. Wieder wurde die Festung durch einen Ring aus Schanzen von der Außenwelt abgeschnitten, und die Spanier griffen wie schon bei der vorherigen Belagerung die Zitadelle von der Merscher Höhe aus an. Die Niederländer leisteten zähen Widerstand und führten immer wieder Ausfälle durch, um die Arbeit der Belagerer zu stören. Ein besonders erfolgreicher Ausfall führte bis in das Lager der Belagerer, das dabei erheblichen Schaden nahm. Erneut kam es zur Ausgabe von Notgeld. Die heftigen Kämpfe hielten den Winter über an, und erst am 3. Februar 1622 mussten die Verteidiger kapitulieren. Für den Rest des Krieges hielten die Spanier die Festung besetzt und führten einige Um- und Ausbauten durch, in diese Zeit fällt wohl auch die Verlegung des Aachener Tores an seine heutige Position. Angeblich waren die Spanier bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt und wurden als Unterdrücker angesehen. Die Spanier verließen Jülich aber erst 1660 und räumten seinen Besitz den Pfälzern wieder ein.

1678 wurde die Stadt im Französisch-Niederländischen Krieg von französischen Truppen blockiert, es fand aber kein ernsthafter Angriff statt. Ab 1693 führten die Pfälzer und später die Bayern erhebliche Ausbauten an der Festung durch. Die Zitadelle erhielt ein vierteiliges Oberwallsystem (Kavaliere) und wurde mit einem Kranz aus vorgeschobenen Ravelins und Kontregardes umgeben, auch ein Glacis wurde angelegt. Die Stadt erhielt ähnliche Vorwerke, wenn auch nicht in der gleichen Stärke wie die Zitadelle, da diese eindeutig die am meisten bedrohte Position darstellte.

[Bearbeiten] Das 18. Jahrhundert

Plan von Jülich um 1800. Man beachte die zahlreichen hinzugekommenen Vorwerke. Dies ist einer der wenigen Pläne, auf denen die Sternschanze (links oben) auftaucht
Plan von Jülich um 1800. Man beachte die zahlreichen hinzugekommenen Vorwerke. Dies ist einer der wenigen Pläne, auf denen die Sternschanze (links oben) auftaucht

Um 1741 und von 1756 bis 1762 besetzten französische Truppen während des Siebenjährigen Krieges die Stadt mit Genehmigung des Herzogs, und erneut von 1772 bis 1778, diesmal ohne Genehmigung. Im späten 18. Jahrhundert verfiel die Festung, und als die Franzosen nach der Zweiten Schlacht bei Aldenhoven 1794 auf sie vordrangen, wurde sie am 3. Oktober kampflos übergeben. Mit der Etablierung der Rheingrenze erhielt Jülich (nun als Juliers eine französische Mairie im Département de la Roer) eine neue Bedeutung als Etappenfestung auf der wichtigen Heerstraße vom Rhein ins französische Mutterland. Die Franzosen schmiedeten weitreichende Ausbaupläne, die sie auch gleich umzusetzen begannen. Die kaiserliche Festungsdoktrin sah die festen Plätze nicht mehr nur als Defensivwaffe an, sie sollten vielmehr als fester Rückhalt für das bewegliche Feldheer dienen. Entsprechend sahen die Planungen vor, das von der Festung beherrschte Gebiet enorm auszuweiten, damit es für ein starkes Heer als Rückzugsort, Lagerplatz und Operationsbasis dienen konnte. Die südwestliche Front wurde durch den neu geschaffenen riesigen Brückenkopf (ab 1799) abgedeckt, zudem wurde eine neue Rurbrücke (ab 1806) errichtet, die als Schleusenbrücke ausgelegt war. Mit ihr konnte man das Wasser des Flusses stauen und das Gebiet südlich der Stadt unter Wasser setzen, was jedem Angreifer den Zugang unmöglich machte. Ein Kranz von sieben vorgeschobenen Lünetten wurde um die Stadt gelegt, um ihr Umfeld beherrschen zu können und einem Angreifer die Annäherung zu erschweren, weitere derartige Werke waren geplant, wurden aber nicht begonnen. Zwischen ihnen sollten Feldbefestigungen angelegt werden, die einem von Jülich aus operierenden kaiserlichen Heer als Rückhalt und Lagerbefestigung dienen sollten. Auch auf der Merscher Höhe wurde um diese Zeit eine Schanze angelegt, die heute allgemein als Sternschanze bezeichnet wird. Vermutlich wurde sie von den Franzosen nach der Inbesitznahme der Stadt als Sofortmaßnahme in Erdbauweise errichtet, um die gefährdete Nordflanke der Stadt abzudecken. Ihre Überreste wurden bei den Ausschachtungsarbeiten eines Neubaugebietes Ende des 20. Jahrhunderts nahe Neu-Lich-Steinstraß aufgefunden und führten zur Benennung der Straße Sternschanze. Die Pläne und Ausgrabungsbefunde weisen sie als nach hinten offene Redoute aus, welche die Merscher Höhe beherrschen und einem etwaigen Belagerer das Festsetzen auf der zum Angriff am besten geeigneten Merscher Höhe erschweren sollte. 1811 wurde das Pulvermagazin auf der Zitadellenbastion St. Johannes fertiggestellt, bereits 1806 war sein kleinerer Bruder am Brückenkopf begonnen worden. Ein weiteres großes Projekt war die Anlage von drei großen Forts auf der Merscher Höhe, welche es einem etwaigen Belagerer unmöglich machen sollten, sich der Festung von dort aus zu nähern. Sie wurden 1804 begonnen, wobei Kaiser Napoleon selbst den Grundstein legte, die ältere Sternschanze musste den Neubauten weichen.

[Bearbeiten] Das 19. Jahrhundert

Die Arbeiten an den Forts waren aber noch nicht weit gediehen, als die Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig die Franzosen 1813 zum Rückzug hinter den Rhein zwang. Jülich ergab sich nicht, wurde aber von preußischen, dänischen und mecklenburgischen Verbänden 1814 den Winter über blockiert. Kampfhandlungen gab es dabei kaum, es kam den Belagerern vornehmlich darauf an, die Franzosen in der Festung festzuhalten. Der entbehrungsreiche Winter der Belagerung wurde von Johann Wilhelm Schirmer in seinen Lebenserinnerungen beschrieben. Die Festung Jülich wurde dabei ihrem von den Franzosen intendierten Zweck nicht gerecht - weder gab es ein starkes Feldheer, dem sie als Rückhalt dienen konnte, noch erwies sie sich als Hindernis für die Operationen der Alliierten, welche einige Kilometer südlich der Stadt eine eigene Brücke über die Rur schlugen und die Festung schlicht umgingen. Die Besatzung war für wirkungsvolle Ausfälle viel zu schwach, entsprechend bot sie schon früh die Kapitulation an. Am 28. April 1814 ergaben sich die Verteidiger, und 4. Mai zogen die Franzosen ab.

Darstellung von Jülich um 1837 mit allen je gebauten und projektierten Vorwerken. Deutlich sind die unvollendeten Forts auf der Merscher Höhe zu erkennen, aber auch der Lünettenring
Darstellung von Jülich um 1837 mit allen je gebauten und projektierten Vorwerken. Deutlich sind die unvollendeten Forts auf der Merscher Höhe zu erkennen, aber auch der Lünettenring

Mit dem Friedensschluss 1814 kam Jülich zu Preußen. Die neuen Herren führten weitere Ausbauten durch. Die begonnenen französischen Forts auf der Merscher Höhe wurden nicht fertiggestellt, alle anderen von den Franzosen begonnenen Bauten dagegen vollendet. Unter diesen waren die sieben Lünetten A-G, welche die Stadt als vorgeschobene Stellungen umgaben. Nicht weniger als fünf von ihnen deckten dabei die Zitadelle nach allen Richtungen ab, die anderen beiden schützten die Stadt von Süden aus. Hinzu kam die Neue Flesche, die den großen Zwischenraum zwischen den Lünetten C und D an der Ostflanke der Zitadelle abdeckte. Die Lage der Lünetten A, B und C lässt sich heute noch am Verlauf der Artilleriestraße ablesen, der Verlauf der Wilhelmstraße folgt dem ehemaligen gedeckten Weg zur Lünette D. Das Grundstück von Lünette F ist heute noch im Kataster zu sehen, und der Zuweg zu diesem Vorwerk ist heute eine öffentliche Straße (An der Lünette). Von Lünette A sind zudem noch einige Erdreste erhalten.

1831 wurde die Festung wegen der Revolution in Frankreich in Alarmbereitschaft versetzt, wohl auch wegen des Freiheitskampfes in Belgien. Bereits 1833 folgte aber der Befehl zur Desarmierung, bis zur Schleifung 1860 wurden nur noch Unterhaltsarbeiten durchgeführt.

[Bearbeiten] Belagerungsübung und Schleifung

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Waffentechnologie rasant weiter. Mit der Verbesserung der Metallurgie war es möglich geworden, Hinterladergeschütze und –gewehre billig zu produzieren, was die Feuergeschwindigkeit sehr erhöhte. Ihre Läufe wurden zudem mit Zügen versehen, was die Geschosse durch den damit verbundenen Drall stabilisierte und Reichweite sowie Zielgenauigkeit enorm steigerte. Da man nun nicht länger auf Kugeln als Geschosse angewiesen war, sondern drallstabilisierte Langgeschosse verwenden konnte, wuchs auch die Durchschlagkraft enorm. Dieser neuen Entwicklung waren kleinere und ältere Festungen wie Jülich nicht länger gewachsen, und das preußische Kabinett entschloss sich 1859, die Festung aufzuheben. Das stieß auf entschiedenen Widerstand der Bürger, die zu einem nicht unerheblichen Teil ihr Auskommen dem Unterhalt der Festungswerke und den Aufträgen durch die Garnison verdankten, und die Bürgerschaft reichte Petitionen bei König Wilhelm ein, die um Erhalt der Festung oder doch zumindest der Garnison baten. Darauf blieb Jülich Garnisonsstadt, und es wurde eine Unteroffiziersvorschule in der Zitadelle eingerichtet, welche diesem Umstand ihre Erhaltung verdankt.

Bresche in der nördlichen Face der Zitadellenbastion Marianne vom 27. September 1860
Bresche in der nördlichen Face der Zitadellenbastion Marianne vom 27. September 1860

Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Aufhebung der Festung beraumte das preußische Oberkommando für den Zeitraum vom 8. bis zum 29. September 1860 eine großangelegte Belagerungsübung in Jülich an, bei der die neuen Waffen im Einsatz gegen eine zeitgenössische Festung erprobt werden sollten. Es kamen dabei die neuesten Kruppgeschütze zum Einsatz, die Brisanzgranaten verschossen, sowie das neuartige Dreyse-Zündnadelgewehr, das im Deutschen Krieg 1866 so entscheidend zum Erfolg der Preußen beitragen sollte. An den Vorwerken, aber auch an der Zitadelle selbst wurden neue Schussverfahren und Angriffstaktiken praktisch erprobt, dabei entstand auch die Große Bresche in der nördlichen Face der Bastion Marianne. Dabei ergab sich, dass die neuen Waffen den Angriff auf eine Festung wie Jülich, die bisherigen Ansprüchen genügt hatte, ganz wesentlich vereinfachten. Ihre gegenüber den alten Glattrohrgeschützen ganz wesentlich gesteigerte Feuerkraft, Schussfolge und Zielgenauigkeit verschob das Gewicht im Belagerungskrieg erheblich zugunsten der Angreifer, und auch die neuen zielgenauen und weitreichenden Kleinwaffen trugen dazu bei, dass in Europa zwischen 1860 und 1880 ein großes Festungssterben einsetzte. Kleine Anlagen wie Jülich konnten den neuen Waffen nicht mehr standhalten, und man setzte nun auf wesentlich größere Festungen mit einem Netzwerk aus sich gegenseitig unterstützenden Forts. Wie sehr die neuen Waffen gegen alte Festungen wirkten, mussten die Franzosen im Deutsch-Französischen Krieg feststellen, als die Deutschen Festungen wie Straßburg ohne viel Federlesens überrannten.

Breschen in der rechten Flanke der Zitadellenbastion St. Salvator vom 26. September 1860
Breschen in der rechten Flanke der Zitadellenbastion St. Salvator vom 26. September 1860

In den Jahren 1859 bis 1861 wurden die weitaus meisten Festungswerke um Jülich planmäßig geschleift. Dem fielen sämtliche Vorwerke und der größte Teil der Stadtbefestigung zum Opfer, lediglich die Zitadelle und der Brückenkopf blieben erhalten. Sie nahmen allerdings im Zweiten Weltkrieg schweren Schaden und wurden neuen Nutzungen zugeführt (siehe jeweilige Spezialartikel).

[Bearbeiten] Erhaltene Reste

Von der Stadtbefestigung existieren noch folgende Reste:

  • Stadtbastion I St. Sebastianus: Bodenwellen im Bereich der Ecke Schirmerstraße-Bastionsstraße, die den Grabenverlauf andeuten.
  • Stadtbastion II St. Eleonore: Bodenwellen in der Blockbebauung
  • Aachener Tor: Der Torbogen und die Blendmauer der sich im Süden anschließenden Kurtine sind bis zur Stadtbastion III erhalten, auch der Graben entlang der heutigen Realschule existiert noch
  • Stadtbastion III St. Jakob: unterirdisch fast vollständig erhalten, umfangreiche Kasematten werden als Getränkemarkt genutzt
  • Stadtbastion IV St. Franziskus: Grabenrest hinter dem Neuen Rathaus, einige unterirdische Gewölbe sind noch erhalten
  • Schwanenteich: ursprünglich als Lösch- und Trinkwasserteich angelegt
  • Promenade: folgt weitgehend dem Verlauf der alten Stadtbefestigung, der sich an ihr ablesen lässt.
  • Anschluss des Stadtgrabens an den Zitadellengraben: beide Anschlüsse des Stadtgrabens sind noch klar auszumachen, am westlichen Anschluss unter dem Bonhoefferhaus existieren in der Kontereskarpe noch Überreste der ehemaligen Schleusenanlage.
  • An der Lünette / Kolfs Insel: Das Neubaugebiet Kolfs Insel liegt auf dem Grundstück der Lünette F.
  • Wilhelmstraße: Die Wilhelmstraße folgt dem Verlauf des gedeckten Weges zur Lünette D, das Finanzamt beiderseits der Straße liegt auf dem Grundstück dieses Vorwerkes.

Reste der Vorwerke der Zitadelle:

  • Kontregarde III vor Bastion St. Salvator, erhebliche Wall- und Grabenreste entlang der Nordwestseite des Grabens
  • Kontregarde II vor der Bastion Maria Anna, ein flacher Erdwall am Grabenrand vor der Bastionsspitze
  • Ravelin I (auch Ravelin Lyebeck) vor der Ostkurtine, bedeutende Kasemattenreste unter dem Kindergarten, teils als Luftschutzkeller ausgebaut
  • Ravelin II vor der Nordpoterne, Wall- und Grabenreste beiderseits des Zufahrtsweges
  • Ravelin III (auch Ravelin Judas) vor der Westkurtine, erhebliche Erdreste und Schleusenanlage im Grabenbereich. Das Ravelin war ein Erdwerk und ist nicht überbaut worden, es ließe sich mit relativ geringem Aufwand wiederherstellen
  • Ravelin IV vor der stadtseitigen Poterne, Größe im Pflasterbelag angedeutet, Reste des Torhauses
  • Lünette A am westlichen Ende der Artilleriestraße hinter dem Pennymarkt, erhebliche Erdreste
  • Forts auf der Merscher Höhe: bis in die 1970er Jahre waren die begonnenen Ausschachtungen deutlich zu sehen, dann wurden sie von der Friedhofserweiterung und dem Bau der Fachhochschule vernichtet. Lediglich auf dem Postgelände nahe der Sendeanlage des Kurzwellenzentrums sind geringe Reste erhalten, die nicht öffentlich zugänglich sind.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Büren, Guido von; Kupka, Andreas: Schloss und Zitadelle Jülich. 2004. ISBN 3-7954-1482-2
  • Hartwig Neumann: Stadt und Festung Jülich auf bildlichen Darstellungen, Bonn 1991. ISBN 3-7637-5863-1
  • Hartwig Neumann: Die Zitadelle Jülich: Ein Gang durch die Geschichte. Verlag Jos. Fischer (Jülich), 1971.
  • Hartwig Neumann: Der Brückenkopf Jülich. Verlag Jos. Fischer (Jülich). 1973.
  • Hartwig Neumann: Das Ende einer Festung. Verlag Jos. Fischer (Jülich), 1987. ISBN 3-87227-016-8
  • Hartwig Neumann: Zitadelle Jülich: Großer Kunst- und Bauführer. Verlag Jos. Fischer (Jülich), 1986. ISBN 3-87227-015-X

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Bildergalerie

Koordinaten: 50° 55′ 31" n. Br., 6° 21′ 36" ö. L.

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