Henning Scherf
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Henning Scherf (* 31. Oktober 1938 in Bremen) war von 1995 bis 2005 Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Von 1971 bis 1978 war Scherf Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, von 1978 bis 2005 Mitglied der Landesregierung.
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[Bearbeiten] Laufbahn
Nach dem Abitur nahm Scherf 1958 in Freiburg das Studium der Rechtswissenschaft und der Soziologie auf, das er in Berlin fortsetzte und mit beiden juristischen Staatsexamen beendete. 1968 promovierte Scherf zum Dr. jur. und war anschließend bis 1971 als Rechtsanwalt in Bremen tätig.
Seit 1963 ist Scherf Mitglied der SPD, von 1972 bis 1978 war er deren Landesvorsitzender in Bremen. Von 1984 bis 1999 gehörte er dem Bundesvorstand der SPD an.
1971 wurde er in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Nachdem ihn der Präsident des Bremer Senats, Bürgermeister Hans Koschnick, zum Senator für Finanzen ernannte, legte Scherf sein Abgeordnetenmandat nieder.
1979 wurde Henning Scherf Senator für Jugend und Soziales. Von 1985 bis 1991 war er (zweiter) Bürgermeister und Stellvertreter des damaligen Präsidenten des Bremer Senats, Klaus Wedemeier, 1987 fungierte er kurzzeitig auch als kommissarischer Senator für Gesundheit und Sport. 1990 wurde Scherf Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst (ab 1991: Bildung und Wissenschaft), zusätzlich übernahm er 1991 das Ressort für Justiz und Verfassung.
1995 wurde Scherf Präsident des Senats und Bürgermeister von Bremen. Nachdem Senatspräsident Wedemeier infolge des enttäuschenden Abschneidens der SPD bei der Bürgerschaftswahl 1995 von seinem Amt zurückgetreten war, lag die Entscheidung über die Nachfolge faktisch bei den Mitgliedern der Bremer SPD: In einer Urabstimmung kandidierte Scherf als Spitzenkandidat der SPD gegen den früheren Chef der Bremer Senatskanzlei, Hans-Helmut Euler. Scherf konnte sich gegen Euler durchsetzen. Interessant daran ist, dass Scherf sich im Gegensatz zu Euler für eine rot-grüne Koalition in Bremen ausgesprochen hatte, die SPD-Mitglieder sich bei einer parallelen Befragung aber für eine Koalition mit der CDU aussprachen. Scherf bildete daraufhin die bis heute regierende "Große Koalition" aus SPD und CDU und erwarb sich bald den Ruf, eine vehementer Befürworter der Zusammenarbeit mit der CDU zu sein.
Als Senatspräsident war Scherf in Personalunion auch Senator für Kirchenangelegenheiten (Kirchensenator) und Senatskommissar für den Datenschutz. Ein Amt mit bundespolitischer Relevanz übte er als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat aus.
Als Bürgermeister bemühte sich Henning Scherf um einen konsensorientierten und "bürgernahen" Politikstil. Seine persönliche Popularität übertraf die seiner Partei und seiner Regierung bei weitem. Im Umgang mit Kritikern konnte er aber auch verletzend und ungerecht sein. Im Bürgerschaftswahlkampf 2003 verknüpfte Scherf das Abschneiden der SPD eng mit seinem eigenen politischen Schicksal: Er kündigte an, nur im Fall eines Wahlsieges der SPD weiter politisch tätig sein zu wollen.
Die Strategie des personalierten Wahlkampfs zahlte sich für die Bremer SPD aus: Die Partei errang bei der Wahl 2003 nicht nur einen überwältigenden Sieg, sondern lag mit diesem Ergebnis auch diametral gegen den bundesweiten Trend der SPD, die seit der Bundestagswahl 2002 in den Ländern eine Kette von Wahlniederlagen hinnehmen musste. Zur Wahlkampftaktik von Henning Scherf gehörte unter anderem eine bewusste Abgrenzung vom damaligen Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder, der sich in einem absoluten Popularitätstief befand: Scherf verzichtete auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Schröder, und in den politischen Kommentaren nach der Bremer Wahl hieß es entsprechend, die SPD habe hier "trotz" Schröder gesiegt.
Im November 2005 trat Henning Scherf als Regierungschef zurück, nachdem er dies kurz zuvor auf einem SPD-Parteitag angekündigt hatte. Scherf machte für sein Ausscheiden persönliche Gründe geltend. Obwohl er in den vorangegangenen Jahren bereits mehrfach laut über seinen Rücktritt nachgedacht hatte, kam sein schneller und völlig unspektakulär vollzogener Abgang letztlich für alle überraschend. Zu Scherfs Nachfolger wurde am 8. November 2005 Jens Böhrnsen gewählt.
[Bearbeiten] Ämter
1978-1979: Senator für Finanzen
1979-1990: Senator für Jugend und Soziales
1985-1991: Bürgermeister der Stadt Bremen (de facto "zweiter" Bürgermeister, Stellvertreter des Senatspräsidenten)
1990-1995: Senator für Bildung und Wissenschaft
1995-2005: Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Zugleich Senator für Justiz und Verfassung und Kirchensenator
Henning Scherf ist Schirmherr der Initiative Schüler Helfen Leben. Im Mai 2005 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Chorverbandes (DCV) gewählt. 2004 wurde er Träger des Ordens wider den tierischen Ernst.
Seit 2006: Vorstandsvorsitzender von Pan y Arte, Münster als Nachfolger von Dietmar Schönherr
[Bearbeiten] Autor
Ein Jahr nach seinem Abschied aus dem Regierungsamt hat Henning Scherf ein - bereits vor seinem Erscheinen - viel beachtetes Buch veröffentlicht, in dem er für einen veränderten Umgang der deutschen Gesellschaft mit alten Menschen wirbt: „Grau ist bunt - was im Alter möglich ist“ (s. Weblink). Scherf widerspricht darin dezidiert den – wie er sagt: populistischen – Thesen des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher, die dieser in seinem Bestseller „Methusalem-Komplex“ aufstellt. In der Generation der Älteren sieht Scherf die „klassische ehrenamtliche Basis“ unserer Gesellschaft, denn wer heute 60 werde, habe im Schnitt noch 30 Jahre Leben vor sich:
„30 Jahre in wunderbaren Bedingungen, weil wir nämlich eine Rente haben, die uns ernährt, weil wir plötzlich Zeit haben, weil wir noch fit sind, weil wir uns noch interessieren können, einmischen können, weil wir uns noch beteiligen können, ohne immer zu fragen: Kriege ich da auch das richtige Gehalt dafür?“
[Bearbeiten] Trivia
Scherf lebt mit seiner Frau Luise in einer 8-köpfigen Wohngemeinschaft in der Bremer Innenstadt.
Henning Scherfs Bürgernähe war während seiner Regierungszeit sprichwörtlich. Er pflegte einen sehr direkten Umgang mit den Bürgern, der ihm als "Omaknutscher" hier und da auch Spott einbrachte.
Während seiner Regierungszeit war Scherf das einzige Mitglied des bremischen Senats ohne eigenen Chauffeur: Er fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad ins Rathaus.
Bei der Bekanntgabe seines Rücktritts (aber auch schon lange vorher) gab Scherf an, er wolle "nicht mit den Füßen voran aus dem Rathaus getragen werden" und trete nicht zuletzt deswegen zurück.
Im Jahre 2004 war Scherf kurzzeitig als SPD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Erich Vagts | Wilhelm Kaisen | Willy Dehnkamp | Hans Koschnick | Klaus Wedemeier | Henning Scherf | Jens Böhrnsen
Personendaten | |
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NAME | Scherf, Henning |
KURZBESCHREIBUNG | Bremer Politiker (SPD) |
GEBURTSDATUM | 31. Oktober 1938 |
GEBURTSORT | Bremen |