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Isolationshaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Isolationshaft (Isolierungshaft) ist eine Haftform, bei der einem Inhaftierten innerhalb eines Gefängnisses oder einer ähnlichen Einrichtung Kontakt zu anderen Mitgefangenen und Beschäftigungsformen verweigert wird. Isolationshaft wird meistens angewandt zur Unterbindung des Informationsflusses und zur Verhinderung von Absprachen zwischen Gefangenen und kann auch als Bestrafung für Regelverstöße ausgesprochen werden.

In Deutschland wurde der Begriff vor allem in den 1970er Jahren mit den Haftbedingungen von Mitgliedern der Rote Armee Fraktion u. a. in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim in Verbindung gebracht.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Rechtliche Einordnung

Mit Blick auf die gesetzlich verankerte, jedoch zeitlich und im Ausmaß der eingesetzten Deprivation (in diesem Fall Ausgrenzung aus dem sozialen Umfeld) klar eingegrenzte Einzelhaft (in Deutschland siehe u.a. § 88 f. StVollzG / angrenzend auch u.a. § 67 ff., § 91, § 103 ff. StVollzG) ist die Isolationshaft in Deutschland rechtlich nicht genau definiert. Problematisch ist, dass nicht genau festgelegt ist, mit welchen Maßnahmen (Art und Ausmaß der Deprivation) und wann (Länge der Deprivation) die Grenze zur Folter überschritten wird.

Die Isolationshaft als solche (und damit auch ihre Rahmenbedingungen) ist gesetzlich nicht festgeschrieben, sondern die Unterbringung von Gefangenen unter Isolationsbedingungen wird im Gegenteil weltweit von Menschenrechtsorganisationen geächtet und als Foltermethode bezeichnet, aber auch vermutlich weltweit im offiziellen und inoffiziellen Justizvollzug ohne Rechtsgrundlage eingesetzt.

[Bearbeiten] Geschichte, Aufklärung und Widerstand

Obgleich Isolation und Deprivation schon seit Jahrhunderten zur Bestrafungszwecken eingesetzt werden, wurde die Isolationshaft erst Anfang des 19. Jahrhunderts, etwa um 1821, eine Form der Bestrafung innerhalb von Gefängnissystemen in Philadelphia (USA) eingeführt und seitdem ständig neu erforscht und fortentwickelt. Die Gefangenen durften damals nicht arbeiten und als einzigen Besuch einen Geistlichen empfangen. Das System wurde zu dieser Zeit noch Bußhaft genannt.

Freidenker und Quäker setzten sich damals für das Bußhaus als vermeintlich humane Alternative zur Todesstrafe, Verstümmelung und Körperstrafe ein.

Schon 1842 protestierte der Schriftsteller Charles Dickens gegen die Isolationshaft und bezeichnete sie, da sie körperlich keine deutlich sichtbaren Spuren hinterlässt, als Weiße Folter und als grundsätzlich schlimmer als jegliche in erster Linie körperlich wirkende Folter.

Das ehemalige Mitglied des Kommunistischen Bundes und derzeitige Linkspartei.PDS-Bundestagsabgeordnete und seit 1981 als Strafvollzugshelferin aktive Ulla Jelpke behauptet, dass die Isolationshaft sich mittlerweile in den JVAs etabliert habe und auch gegen „ganz normale soziale Gefangene“ angewandt werde. [1]

Bereits seit 1983 ist in den USA der Gefängnistyp des Supermax in Anwendung. Dieser sieht die Verwahrung der Gefangenen in vollkommener Isolationshaft 23 Stunden am Tag vor (zeitweise auch bei ständiger Beleuchtung). Isolationshaft gab es unter anderem auch im nordirischen Bürgerkrieg gegen katholische Aktivisten in so genannten H-Blocks. In der Türkei kämpfen seit Jahren Gefangene und deren Angehörige gegen die Legalisierung der Isolationshaft durch die Einführung so genannter F-Typen-Gefängnissysteme, die die in Deutschland entwickelten Normen für Isolation von Gefangenen übernehmen.

[Bearbeiten] Rote Armee Fraktion

Von Mitgliedern und Sympathisanten der Rote Armee Fraktion wird bis heute behauptet, dass in den 1970er Jahren auch gegen Angehörige der RAF Isolationshaft angewendet worden sein soll. Dies wurde nie bewiesen. RAF-Mitglied Horst Mahler sagte hierzu: „Der Foltervorwurf war nichts anderes als eine Propagandalüge, darauf berechnet, die Linke in der Bundesrepublik moralisch zu erpressen und Faschismus vorzutäuschen, um die brutalisierte Kampagne der RAF zu legitimieren.” [2] So seien in Stammheim die Zellentüren teilweise schalldicht isoliert worden, um jedweden Kontakt der Insassen untereinander zu verhindern, wie die Terroristin Ulrike Meinhof in einem Brief aus dem sogenannten „Toten Trakt“ in der JVA Köln-Ossendorf, wo sie vom 16. Juli 1972 bis 9. Februar 1973 einsaß, behauptete. Sie erwähnte jedoch nicht, dass diese Vorkehrungen nur nachts umgesetzt wurden und Meinhof die Möglichkeit zum Hofgang und Umschluß mit anderen Nicht-RAF-Gefangenen selbst ausschlug. Mit Isolation meinte sie offenbar die Isolation von anderen Gefangenen aus der RAF. Dies wurde ihr zwischen 1972 und 1973 verwehrt, da die Staatsanwaltschaft befürchtete, die Gefangenen würden weitere Aktionen planen. 1973 wurden die RAF-Kader sogar zusammengelegt und genossen Hafterleichterungen, die weit über das normale Maß hinausgingen. Es gab täglich Umschluß mit anderen Gefangenen, also das Einschließen von zwei oder mehr Häftlingen in einer Zelle, sie durften Plattenspieler betreiben, hatten hunderte Bücher und bezogen diverse Zeitschriften. Auch wurde Meinhof während ihrer angeblichen Isolation 25 Mal von Angehörigen und 72 Mal von Anwälten im Gefängnis besucht.[3] Dies bedeutet fast täglichen Besuch. Ihre und auch entsprechende Schilderungen anderer Gefangener wurden auch durch die Schilderungen des Vollzugsbeamten Horst Bubeck und die mit einer eingeschmuggelten Kamera gemachten Fotos der Gefangenen stark relativiert. Da sie sich gegenseitig fotografieren konnten, konnten sie nicht isoliert sein.[4] Butz Peters schreibt hierzu: „Teile einer ganzen Generation verfielen im ideologischen Sperrfeuer der Achtundsechziger der Paranoia von einem menschenverachtenden Staat. Die verurteilten RAF-Mitglieder wurden als politische Gefangene deklariert, ihre Haftbedingungen als Isolationsfolter skandalisiert, die Selbstmorde der RAF-Gründer in Stammheim als Politmorde umgedeutet.” [5] In der Fachliteratur gibt es heute keine vernünftigen Argumente mehr, die eine Isolation von RAF-Gefangenen belegen könnten.

[Bearbeiten] Auswirkungen bei zu langer Isolationshaft

Die akuten und langfristigen, zum Teil chronischen Folgen von Isolationshaft sind, je nach Länge, Art und Ausmaß der Deprivation, unterschiedlich. Ebenso finden sich individuelle Unterschiede dahingehend, wann Folgen der Isolationshaft bei einem Menschen auftreten, nicht jedoch, dass sich Auswirkungen zeigen. Dies ist lediglich eine Frage der Zeit und keine Frage der Persönlichkeit oder Art der Deprivation. In Untersuchungen von Häftlingen vor, während und nach außerordentlich langer Isolationshaft konnten u. a. folgende Auswirkungen als "klassische Erscheinungen der Isolationshaft im Sinne der sensorischen Deprivation und sozialer Isolation" (Stöwsand in: Klusmeyer, 1985: 46) dokumentiert werden:

  • erhebliche Beeinträchtigung der Wahrnehmung und der kognitiven Leistungsfähigkeit (was insbesondere im Hinblick auf Gerichtsverfahren / Strafverteidigung Probleme schafft)
    • starke Störung der Verarbeitung von Wahrnehmungen
    • starke Störungen des Körpergefühls
    • starke allgemeine Konzentrationsschwierigkeiten
    • starke Schwierigkeiten bis hin zum Unvermögen, zu lesen bzw. das Gelesene gedanklich zu erfassen, nachzuvollziehen und in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen
    • starke Schwierigkeiten bis hin zum Unvermögen, zu schreiben bzw. Gedanken schriftlich zu verarbeiten (Agraphie / Dysgraphie)
    • starke Artikulations-/Verbalisierungsschwierigkeiten, die sich besonders in den Bereichen Syntax, Grammatik und Wortwahl zeigen und bis hin zu Aphasie, Aphrasie und Agnosie reichen können
    • starke Schwierigkeit oder Unvermögen, Gesprächen zu folgen (nachgewiesenermaßen aufgrund einer Verlangsamung der Funktion des primären akustischen Kortex der Schläfenlappenanteile aufgrund von Reizmangel)
  • Gesundheitliche Langzeitfolgen
    • soziale Kontaktstörungen bis hin zur Unfähigkeit emotional enge und langfristige partnerschaftliche Beziehungen einzugehen
    • Depressionen
    • Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls
    • Wiederkehren der Haftsituation in Träumen
    • behandlungsbedürftige Störungen des Blutdrucks
    • behandlungsbedürftige Hauterkrankungen
    • Nicht Wiedererlangen von insbesondere kognitiven Fähigkeiten (z.B. im Bereich der Mathematik), die vor der Isolationshaft beherrscht wurden
    • extrem lange und strenge Isolationshaft führt zum Tod, da der menschliche Organismus auf lange Sicht gesehen das Fehlen von Außenreizen nicht allein durch sich selbst (Körperreize) kompensieren kann

Insbesondere die Langzeitfolgen von Isolationshaft zeigen diverse Überschneidungspunkte mit den Symptomen des sogenannten Überlebenden-Syndroms, das bei vielen ehemaligen Gefangenen, die in Konzentrationslagern inhaftiert waren, beobachtet werden kann.

[Bearbeiten] Therapie

Die Behandlung von Menschen, die an Folgen einer zu langen Isolationshaft unter Isolationsbedingungen leiden, ist bei körperlichen Symptomen (sofern sie nicht in erster Linie in einer Psychosomatik begründet sind) teils durch Medikamente möglich. Psychische und psychosomatische Folgen bedürfen einer Psychotherapie bei einem auf die Behandlung psychisch traumatisierter Menschen spezialisierten Therapeuten

[Bearbeiten] Quellen

  1. http://www.freilassung.de/erkl/terz62000.html
  2. Butz Peters, RAF-terrorismus in Deutschland, S. 159
  3. Stefan Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 234
  4. s. etwa Kurt Oesterle: "Stammheim. Die Geschichte des Vollzugsbeamten Horst Bubeck". Klöpfer und Meyer, 2003. Dazu Renée Zucker, Ein deutsches Leben, taz vom 8.10.2003, S. XI, 249 Z.: "Den Umgang beider Seiten (Staat und Gefangene) mit dem Thema 'Isolationsfolter' stellt Oesterle als eine Art Doppelpass-Spiel dar. Der Staat tat nichts gegen die Lügen, weil er so die Mehrheit des Volkes beruhigen konnte: Die Terroristen bekämen doch, was sie verdienten. Und die Gefangenen konnten sich als Märtyrer gerieren und jeder Menge prominenter Unterstützung sicher sein."
  5. Butz Peters, Wer erschoß Wolfgang Grams - der letzte Mythos der RAF, S. 45

[Bearbeiten] Literatur

  • Ahrens, U. (Hrsg.): Machen Sie sofort die Schranktür zu! Zweiunddreißig Zeichnungen und eine Plastik zur Isolationshaft. Gezeichnet und modelliert nach Schilderungen ehemaliger Isolationshäftlinge (Berlin, 1986)
  • ai - amnesty international (Hrsg.): Arbeit zu den Haftbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Isolation und Isolationshaft (Bonn, 1980)
  • Bakker Schut, P. H. (Hrsg.): Todesschüsse - Isolationshaft - Eingriffe ins Verteidigungsrecht (Berlin, 1995)
  • Birck, A. / Pross, C. / Lansen, J. (Hrsg.): Das Unsagbare - Die Arbeit mit Traumatisierten im Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (Berlin, 2002)
  • Bungard, W.: Zur Validität der Forschung über soziale Deprivation (in: Gruppendynamik - Forschung und Praxis, Heft 3, Juni 1977, Seite 170 –185)
  • Engels, A.: Sensorische Deprivation - Isolation gleich Folter oder Isolation gleich Therapie? (in: Gruppendynamik - Forschung und Praxis, Heft 3, Juni 1977, Seite 163 – 170)
  • Gross, J. & Svab, L.: Soziale Isolation und Sensorische Deprivation und ihre gerichts- psychologischen Aspekte (Prag, 1967)
  • Koenen, Gerhard: Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus (Köln, 2003)
  • Komitee gegen Isolationshaft: Todesstrafe auf Raten (Zürich, 1976)
  • Richter, L.: Die Geschichte der Folter und Hinrichtung vom Altertum bis zur Neuzeit (Wien, 2001)
  • Maurer, Sabine: Isolationshaft in Justizvollzugsanstalten der Bundesrepublik Deutschland - Eine Haftform in der Grauzone zwischen legitimer Sicherungsmaßnahme und bewusster Rechtsverletzung - erläutert am Beispiel der ehemaligen Rote Armee Fraktion (2004) [1]
  • Oesterle, Kurt : Stammheim- die Geschichte des Vollzugsbeamten Horst Bubeck ISBN 3453620070
  • Teuns, S.: Isolation / Sensorische Deprivation - Die programmierte Folter (in: Folter in der BRD - Zur Situation der Politischen Gefangenen, Kursbuch 32, Hrsg. AutorInnenkollektiv, Berlin, 1973)


[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Siehe auch

Kontaktsperre, Camera silens, Hungerstreik, Isolationstank, Einzelhaft, Folter

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