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Keynesianismus

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John Maynard Keynes
John Maynard Keynes

Keynesianismus [keɪnz-] ist die in den 1930er Jahren von John Maynard Keynes aufgestellte und von seinen Anhängern weiterentwickelte Wirtschaftstheorie, in der die Wirtschaftslenkung durch den Staat im Gegensatz zur neoklassischen Theorie und zum Monetarismus eine Schlüsselrolle einnimmt. Eine Vielzahl „(neo-)keynesianischer“ Theorien haben mit den Ideen von Keynes selber relativ wenig zu tun.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Keynes und Keynesianismus

Allgemein assoziiert man (etwa auch die Mehrzahl der heute benutzten Lehrbücher) mit Keynes' Namen eine „antizyklische Nachfragepolitik“. Demnach soll der Staat, über Rücklagen finanziert, fiskalpolitische und monetäre Maßnahmen anwenden, um die Auswirkungen von Rezessionen und Booms abzuschwächen. Zur Finanzierung kann der Staat kurzfristig Schulden machen, so genanntes Deficit spending. Diese Schulden müssen aber bei einem Wirtschaftaufschwung beglichen werden.

Das erstaunliche ist, dass Keynes weder den Begriff „Deficit spending“ benutzt noch inhaltlich auf dieses Konzept eingeht. In keiner Zeile seines Hauptwerkts „The General Theory“ fordert Keynes antizyklische Nachfragepolitik. Vielmehr sieht er inhärente Unsicherheit als Ursache von schwachen privaten Investitionen. Verstärkt über den Multiplikator führt dies zu schwacher Nachfrage und Arbeitslosigkeit. Keynes Schlussfolgerung ist aber nicht eine Nachfragesteuerung etwa über Steuersenkungen und -erhöhungen, sondern eine Stabilisierung durch langfristige und permanente staatliche Investitionen, etwa in Infrastruktur und Wohnungsbau. Anders als immer noch in vielen Lehrbüchern und in den Medien dargestellt ist nicht Keynes, sondern Abba P. Lerner der Vater des Deficit Spending, und Keynes hat seine Ideen bei einem Treffen 1944 scharf abgelehnt.

Mehrere Schulen tragen den Namen „Keynesianismus“, die häufig wenig miteinander und noch weniger mit den Theorien von John Maynard Keynes zu tun haben. Der Postkeynesianismus (Post Keynesianism) ist die „radikalste“ dieser Schulen und gleichzeitig die, die Keynes' Ideen am nächsten steht. Zentrale Annahme des Postkeynesianismus ist „Fundamentale Unsicherheit“ wie sie von Keynes und Frank Knight entwickelt wurde. Damit steht die Schule außerhalb der heute etablierten Mainstream-Theorie.

Der sogenannte Neokeynesianismus (Neo Keynesianism) ist dagegen im Rahmen der Neoklassischen Synthese in die orthodoxe Neoklassische Theorie integriert worden. Häufig besteht dieser „Keynesianismus“ lediglich in der Annahme von nominal nach unten starren Löhnen und dem kurzfristigen IS/LM-Modell. Die wichtigsten Vertreter dieser Schule sind John Richard Hicks in England und Paul Samuelson in den USA.

In den 1970er und 1980er Jahren erlangte die moderne Informationsökonomie einen Aufschwung. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Vorreiter dieser Theorieschule wie Joseph Stiglitz, George Akerlof und Michael Spence 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften gewonnen haben. Diese Theorien werden manchmal als New Keynesian Economics bezeichnet.

[Bearbeiten] Theorie des Keynesianismus

Gemäß Jürgen Kromphardt behauptet der Keynesianismus, dass die Wirtschaft inhärent instabil sei und keine immanente Tendenz zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht besitze. So erklärt Keynes das saysche Theorem für ungültig und wendet sich gegen die klassische Geldlehre und die von der Neoklassik postulierten Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt.

Er argumentiert gegen die klassische Theorie, derzufolge eine Senkung der Lohnkosten gegen Unterbeschäftigung helfe. Keynes hält diese These für das Ergebnis eines Fehlschlusses. Die Lohnkosten beeinflussen in einer Volkswirtschaft nur das Preisniveau. Für eine reale Volkswirtschaft bewirken Lohnsenkungen aber die Abnahme der Kaufkraft des Großteiles der Konsumenten (= reale Lohnsenkung) und damit eine Verringerung der Nachfrage. Dadurch sinke die Auslastung der Industrie und Kapazitäten würden abgebaut, was wiederum zu Einkommensverlusten (Entlassungen und Lohnsenkungen) der Konsumenten führe, und zu einer Politik, die inländischen Nachfrageprobleme durch Außenhandelsüberschüsse zu kompensieren („beggar-thy-neighbour-policy“) sucht.

Dadurch werde ein antizyklisches Gegenlenken des Staates erforderlich, welches die Auswirkungen von Schwankungen gering halten soll (antizyklische Finanzpolitik). Außerdem soll durch staatliche Nachfrage- und Steuerpolitik die Wirtschaft an die Vollbeschäftigung herangeführt werden. Die globale Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sei möglich (Globalsteuerung).

Man müsse also versuchen, die Konsumnachfrage möglichst auf einem Niveau zu halten, so dass eine angemessene Gesamtnachfrage bestehend aus Konsum- und Investitionsnachfrage für eine Auslastung der Produktionskapazitäten gewährleistet ist. Deswegen bezeichnet man diese Theorie oft auch verkürzt als Nachfragetheorie.

Vielfach wird unter Keynesianismus die absichtliche Erhöhung der Staatsverschuldung gesehen. Danach soll sich, ausgehend von einer grundsätzlich zyklischen Konjunktur, der Staat antizyklisch verhalten und sich verschulden, um diese Konjunkturschwankungen möglichst abfangen zu können. Tatsächlich soll in der Rezession über Rücklagen die Investitionstätigkeit angeregt werden und die dafür finanziell notwendigen Mittel in der Phase der Hochkonjunktur aufgebaut werden (Surplus saving). Obwohl häufig unterstellt, befürwortete Keynes niemals explizites Deficit spending, diese Idee geht auf Abba P. Lerner zurück. Als Keynes als Repräsentant der englischen Schatzkammer 1944 Amerika besuchte, widersprach Keynes vehement Lerners Idee der Belebung der Konjunktur durch Staatsverschuldung.

[Bearbeiten] Unterschied zum Monetarismus

Der Gegensatz zwischen dem fiskalpolitischen Ansatz der Keynesianer und der monetaristischen Wirtschaftstheorie zeigt sich besonders deutlich bei den zugrundeliegenden Vorüberlegungen. Die letztlich auf Adam Smiths et al. fußende „klassische“ und die aus ihr weiterentwickelte „neo-klassische“ ökonomische Theorie geht davon aus, dass ein geschlossenes volkswirtschaftliches System „inhärent“, d.h. von sich aus, stabil ist und es exogene Einwirkungen - wie beispielsweise eine hohe Staatsquote - sind, welche in unerwünschten Schwankungen der Konjunktur abgebaut werden. Daher vertreten Anhänger der neo-klassischen Theorie die Ansicht, der „Fiskus“, also der Staat, solle seine Ausgaben möglichst begrenzen und sich auf geldmengenpolitische (daher „monetaristisch“) Instrumente beschränken (der Fachmann sagt, dem Staat käme nur eine „allokative“, d.h. verteilungsbezogene Aufgabe zu, während er sich ansonsten möglichst aus der Wirtschaft heraushalten soll).

Im Gegensatz dazu geht der (post-)keynesianische Ansatz davon aus, dass ein abgeschlossenes marktwirtschaftliches System inhärent instabil ist und unweigerlich Konjunkturschwankungen auftreten. Diesen Schwankungen der Konjunktur müsse der Staat mit gezielter Ausgabenpolitik (deficit spending) entgegenwirken. Für die Keynesianer reichen monetaristische Maßnahmen nicht aus, um die Konjunktur zu stabilisieren; daher müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Konkret bedeutet dies, dass der „Fiskus“ (Staat) Geld ausgeben muss, um die Konjunktur anzukurbeln. Keynesianer werden daher auch „Fiskalisten“ genannt.

Aufgrund der dargestellten völlig gegensätzlichen Grundannahmen der beiden Wirtschaftstheorien sind Monetarismus und Fiskalismus miteinander unvereinbar.

[Bearbeiten] Kritik

Kritiker der keynesianischen Wirtschaftspolitik führen an, dass das Konzept eines Konjunkturanschubs durch kreditfinanzierte Staatsnachfrage auf Dauer zu Inflation führe. Die Theorie der adaptiven Erwartung weist darauf hin, dass insbesondere die Arbeitnehmer irgendwann erkennen, dass ihre gestiegenen Nominallöhne vom Preisanstieg entwertet werden und darum nicht dauerhaft mehr konsumieren werden - die Geldillusion hält also nicht unbegrenzt an. Die Volkswirtschaft findet sich nach diesem Modell bei höherem Preisniveau in einem Gleichgewicht bei unverändertem realen Volkseinkommen wieder. Keynes selbst soll, als er auf diese Einwände angesprochen wurde ("In the long run, your theory does not work." - „Auf lange Sicht funktioniert Ihre Theorie nicht.“), den legendären Satz gesagt haben: "In the long run, we are all dead!" („Auf lange Sicht sind wir alle tot.“) Der Satz stammt aus Keynes' „Tract on Monetary Reform“ von 1923. Er benutzt ihn im Zusammenhang mit der Quantitätstheorie über den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflationsrate.

Ganz allgemein gibt es die Kritik gegen Reformismus, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer auf die Hilfe des Staates einstellten, sich immer „risikofreudiger“ verhielten, dadurch die Gesamtwirtschaft immer stärker gefährdeten und so die Staatseingriffe immer stärker untergrüben (Moral Hazard).

Weitere Kritik wird durch den sogenannten crowding-out- oder Verdrängungseffekt begründet, nach welchem staatliche Investitionen die privaten Investitionen verdrängen.

[Bearbeiten] Inflation und Anstieg der Arbeitslosenrate in den 1970er Jahren - Probleme des Keynesianismus?

Von seinen Kritikern werden die ansteigenden Arbeitslosenraten der 1970er Jahre als Indiz für das Scheitern des Keynesianismus angeführt.

Keynesianer hingegen sehen im Anstieg von Inflation und Anstieg der Arbeitslosigkeit keinen Zusammenhang zum Keynesianismus, sondern im Gegenteil eine Abkehr von seinen Grundsätzen und eine Umdeutung der Theorie zu einer bloßen Verschuldungspolitik. Hier ist insbesondere die Abkehr von der im Keynesianismus eingebetteten Einkommenspolitik zu nennen, die durch eine staatliche Kreditaufnahme ersetzt wurde. Die Probleme der 1970er Jahre hingegen sieht der Keynesianismus im Übergang von der Mechanisisierung zur Automatisierung der Produktion, die dazu tendiere, den Kapitalbedarf zu senken und die eine Nachfrageschwäche initiiere, die bis heute trotz Abkehr vom Keynesianismus anhält.

[Bearbeiten] Neokeynesianismus

Hauptartikel: Neokeynesianismus

Als Antwort auf die Kritik am Keynesianismus und als Reaktion auf die Erfahrungen der Wirtschaftskrise der 1970er Jahre entwickelte sich in den 1980er Jahren der Neokeynesianismus.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: Keynesianismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
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