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Kognitive Dissonanz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kognitive Dissonanz („gedanklicher Missklang“) ist eine Theorie in der Psychologie. Sie besagt, dass miteinander unvereinbare Kognitionen – Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten – einen inneren Konflikt erzeugen.

Typische Kognitive Dissonanzen treten auf, wenn neue Erkenntnisse der eigenen Meinung widersprechen oder Zusatzinformationen eine getroffene Entscheidung als falsch entlarven. Sie führen dazu, dass unangenehme Neuigkeiten missachtet und angenehme umso mehr geschätzt werden. Es sei der Wunsch, diesen inneren Konflikt zu beseitigen, der den Menschen dazu treibe, die eigene Meinung zu ändern oder neue Ideen zu entwickeln.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

In den 1950er Jahren gab Marian Keech (eigentlich Dorothy Martin) aus Lake City (Utah, USA) an, Nachrichten von der Außerirdischen „Sananda vom Planeten Clarion“ zu empfangen. Sie scharte in Wisconsin (USA) einen Kult um sich, der ihren Vorhersagen glaubte, eine gewaltige Flut werde alle Menschen auf der Erde töten und nur die Anhänger des Kults würden von fliegenden Untertassen gerettet.

Als die prophezeite Flut ausblieb sah sich die Gruppe der Lächerlichkeit preisgegeben. Statt das Versagen des Kults zu akzeptieren und sich von ihrer Führerin abzuwenden, sahen sich die Anhänger in ihrem Glauben nur um so mehr bestärkt. Sie behaupteten, ihre Gebete hätten Gott umgestimmt, und versuchten mit einem Mal fieberhaft, andere Leute zu ihren Ansichten zu bekehren.

Leon Festinger entwickelte auf Basis dieses Geschehens die Theorie der Kognitiven Dissonanz: Nach der persönlichen Überzeugung der Kultanhänger hätte die Welt in der Flut versinken müssen. Da dies nicht eintrat, sei es zu einer Kognitiven Dissonanz zwischen der eigenen Einstellung und der Erfahrung der Wirklichkeit gekommen. Um diesen Konflikt aufzulösen, habe es nur zwei Möglichkeiten gegeben: die eigene Meinung ändern oder die Meinung aller anderen ändern. Für die Anhänger des UFO-Kultes sei nur die zweite Möglichkeit in Betracht gekommen, ergo hätten sie ab da versucht, alle anderen von ihrem Glauben zu überzeugen.

Festinger veröffentlichte seine Theorie 1957 in seinem Buch A Theory of Cognitive Dissonance (deutscher Titel: „Theorie der Kognitiven Dissonanz“, s. u. Literatur).

[Bearbeiten] Theorie

Leon Festinger begründete 1957 mit seinem Buch „A Theory of Cognitive Dissonance“ die Theorie der kognitiven Dissonanz. Kognitive Elemente können zueinander konsonant, dissonant oder irrelevant sein. Grundlage von Festingers Theorie sind folgende Hypothesen:

  • Das Vorhandensein von Dissonanz übt auf den Menschen Druck aus, diese zu beseitigen oder zu reduzieren. Die Stärke des Drucks zur Dissonanzreduktion ergibt sich aus der Stärke der Dissonanz.
  • Die Dissonanz zwischen zwei kognitiven Elementen kann nicht größer sein, als notwendig ist, um das weniger widerstandsfähige der beiden Elemente zu ändern. Das Ausmaß an Dissonanz kann nicht stärker sein, weil sich zum Zeitpunkt größtmöglicher Dissonanz das weniger widerstandsfähige Element ändern würde – die Dissonanz wäre somit beseitigt.

Das bedeutet, dass Menschen konsonante Kognitionen als angenehm empfinden und daher aktiv suchen. Daher versuchen Menschen u.a., dissonante Informationen zu vermeiden (Seeking-and-Avoiding-Hypothese). Die Folge des geschilderten Verhaltens ist die selektive Wahrnehmung von Informationen, also beispielsweise von dargebotenen Medieninhalten. Menschen neigen demnach, einmal getroffene Entscheidungen zunächst beizubehalten. Deshalb werden alle neuen Informationen, die zu der getroffenen Entscheidung in Widerspruch stehen, tendenziell abgewertet, während alle konsonanten Informationen tendenziell überschätzt werden. Erst wenn die durch die Dissonanz erzeugte innere Spannung zu groß werde, also die individuelle Toleranzschwelle überschreite, ändere das Individuum die getroffene Entscheidung, um so Erfahrung und Entscheidung wieder zur Konsonanz zu bringen. Je toleranter und veränderungsbereiter ein Mensch ist, desto geringer seien die durch neue Informationen erzeugten Spannungen.

[Bearbeiten] Theorien der kognitiven Dissonanz

Die sozialpsychologischen Modelle der kognitiven Dissonanz werden in der Literatur auch bezeichnet als:

  • Kongruenzmodell
  • Balance-/Gleichgewichtstheorie
  • Verstärkerhypothese
  • Dissonanzmodell.

Trotz erheblicher Differenzierung und empirischer Variationsbreite beruhen sie auf den gleichen Grundannahmen.

Grundannahmen im Konsonanzmodell:

1. kognitiv = rational, verstandesorientiert, logisch, informationsverarbeitend

2. Die durch Erfahrung entstandenen, komplexen Vorstellungen des Menschen (kognitive Landkarten) zu einzelnen Themen, die sich hierarchisiert aus Werten, Einstellungen und Meinungen zusammensetzen, streben nach Ausgleich, Harmonie, Übereinstimmung (= Konsonanz).

3. Die selektive Aufnahme von Informationen (u.a. durch Massenmedien) folgt deshalb in erster Linie der Verstärkung bestehender Einstellungen. Ausgewählt, verarbeitet und erinnert werden konsonante, passende Informationen, die problemlos in bestehende Landkarten eingebaut werden können.

4. Inkongruente (unpassende, dissonante) Informationen werden gemieden, nicht selektiert, vergessen oder kongruent umgedeutet, um Widersprüche zu vermeiden.

5. Sind Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Elementen kognitiv nicht zu überbrücken, so bricht die Landkarte an der schwächsten Stelle und wird neu in Richtung auf Harmonie geordnet.

6. Findet auf der emotionalen und persönlich-sozialen Ebene (Status) eine Veränderung oder Verunsicherung statt, werden neue (passende) Informationen gesucht. Unter dem Zwang äußerer Faktoren entsteht Druck, sich neu zu orientieren.

7. Widersprüche zwischen Kognition und Emotion können balanciert werden durch Verdrängung, Sublimierung und Umdeutung.


(Quelle: Studienmaterial aus der Vorlesung Kommunikationssoziologie WS05/06 FHTW Berlin)

[Bearbeiten] Beispiele

[Bearbeiten] Raucher

Wikipedia:Quellenangaben
Quellenangaben
Dieser Abschnitt nicht durch Quellenangaben (Literatur, Webseiten usw.) belegt worden, wodurch eine Löschung droht. Bitte hilf der Wikipedia, indem du gute Belege für die Informationen nennst. 8. März 2007
  • Einstellung: "Ich rauche gern!"
  • Erfahrung/Information: "Rauchen verursacht Krebs."

Erläuterung zum ersten Beispiel: Wenn Raucher z.B. in Zeitschriften auf Artikel stoßen, die über die schlimmen Folgen ihres Zigarettenkonsums berichten, schenken sie diesen Artikeln deutlich weniger Aufmerksamkeit als Nichtraucher. Der Raucher wird durch die Information unangenehm berührt und blendet sie daher vorzugsweise aus. Dies kann auch als Begründung gesehen werden, dass Raucher (auch nach eigenen Angaben) die gesundheits- oder todesbezogenen Warnhinweise auf den Zigarettenpackung kaum wahrzunehmen scheinen.

[Bearbeiten] Verdacht

  • Einstellung: "A ist dringend verdächtig, deshalb eröffne ich das Hauptverfahren."
  • Information: "überraschender Alibizeuge in der Hauptverhandlung"

Erläuterung zum zweiten Beispiel: Nach deutschem Strafprozessrecht muss der Richter nach der Anklageerhebung zunächst prüfen, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist (so genanntes Zwischenverfahren). Nur dann darf er die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen und das Hauptverfahren eröffnen. Hat er aber eröffnet, so hält er notwendig die Aussage "Der Angeklagte ist der Täter" für wahrscheinlich und wird deshalb alle Information, die dazu in Widerspruch steht (beispielsweise den überraschenden Alibizeugen), tendenziell in ihrer Bedeutung unterschätzen.

[Bearbeiten] Kognitive Dissonanz im Marketing

Das Konzept der kognitiven Dissonanz spielt auch beim Marketing eine Rolle, besonders beim Verkauf von Konsumgütern.

Da kognitive Dissonanzen von Menschen als unangenehm empfunden werden, versuchen sie positive Aspekte eines Produktes zu verstärken und negative abzuschwächen. Dem kommt entgegen, dass Konsumenten gewillt sind, zur Rechtfertigung ihrer Entscheidungen Informationen selektiv wahrzunehmen (siehe Selektive Wahrnehmung). Dennoch entstehen häufig kognitive Dissonanzen.

Ursachen:

  • Nachträgliches Bedauern der Kaufentscheidung (Kaufreue)
  • Neue Informationen über das gewählte Produkt (z.B. Veröffentlichungen der Stiftung Warentest)
  • Neue Informationen über Konkurrenzprodukte
  • Ausbleiben des „Social Support“
  • Neue Informationen über bessere Informationsquellen.

Kognitive Dissonanzen treten dabei um so eher auf, je

  • wichtiger die Entscheidung,
  • ähnlicher die Alternativen,
  • vorhersehbarer die Entscheidungskonsequenzen,
  • dringlicher der Entschluss,
  • niedriger der Informationsgrad des Entscheidungsträgers.

In diesen Situationen versucht der Konsument die Dissonanz zu reduzieren durch Umbewertung der Alternativen, Selektion geeigneter Informationen sowie Einstellungs- und Verhaltensänderungen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Leon Festinger: Theorie der Kognitiven Dissonanz. Huber-Verlag, Bern 1978, ISBN 3-456-80444-X
  • Jürgen Beckmann: Kognitive Dissonanz – eine handlungstheoretische Perspektive. Springer-Verlag, Berlin 1984, ISBN 3-540-13772-6

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Siehe auch

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