Nationalrat (Schweiz)
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Der Nationalrat (abgekürzt NR, französisch Conseil national (CN), italienisch Consiglio nazionale, rätoroman. Cussegl naziunal) ist die grosse Kammer des Schweizer Parlaments. Der Ständerat (kleine Kammer) ist die Vertretung der Kantone. Beide Parlamentskammern bilden zusammen die Vereinigte Bundesversammlung mit ihrem Sitz im Berner Bundeshaus.
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[Bearbeiten] Mitgliederzahl
Die Mitglieder des Nationalrats werden als Nationalrätinnen und Nationalräte bezeichnet.
Der Nationalrat hatte 1848 1 Mitglied pro 20'000 Einwohner, woraus sich eine Mitgliederzahl von 111 ergab. Nach jeder Volkszählung musste die Mitgliederzahl angepasst oder das Quorum für einen Sitz erhöht werden. Im Jahre 1963 wurde die Grösse des Nationalrats endgültig auf 200 Mitglieder festgelegt.
[Bearbeiten] Wahlkreise
Jeder der 26 Kantone (und in der früher üblichen Terminologie auch jeder "Halbkanton") bildet einen Wahlkreis.
Jeder Wahlkreis hat unabhängig von seiner Bevölkerungszahl Anrecht auf mindestens einen Abgeordneten. Die restlichen 174 Sitze werden proportional auf die Wahlkreise (= die Kantone) verteilt. Massgeblich für die Zuteilung ist jeweils die gesamte Wohnbevölkerung der Kantone gemäss den Ergebnissen der letzten Volkszählung. Die Zuteilung erfolgt nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren.
Zuletzt wurden die Nationalratssitze auf Basis der Volkszählung von 2000 für die Wahlen 2003 an die Kantone zugeteilt (in Klammern die früheren Sitzansprüche):
- Zürich: 34
- Bern: 26 (27)
- Waadt: 18 (17)
- Aargau: 15
- St. Gallen: 12
- Genf: 11
- Luzern: 10
- Tessin: 8
- Solothurn : 7
- Basel-Landschaft: 7
- Wallis: 7
- Freiburg: 7 (6)
- Thurgau: 6
- Basel-Stadt: 5 (6)
- Graubünden: 5
- Neuenburg: 5
- Schwyz: 4 (3)
- Zug: 3
- Schaffhausen: 2
- Jura: 2
- Uri: 1
- Obwalden: 1
- Nidwalden: 1
- Glarus: 1
- Appenzell Ausserrhoden: 1 (2)
- Appenzell Innerrhoden: 1
[Bearbeiten] Wahlverfahren
Eine Legislaturperiode dauert vier Jahre. Die letzte Wahl fand 2003 statt.
Der Nationalrat wird seit 1919 nach der Annahme einer entsprechenden Volksinitiative mittels Proporzwahl gewählt, wobei jeder Kanton einen Wahlkreis bildet. Jeder Wahlkreis bildet ein in sich geschlossenes Wahlgebiet. Eine künstliche Sperrklausel, wie die in Deutschland übliche sog. Fünf-Prozent-Hürde gibt es nicht. Kantone, die nur einen Vertreter in den Nationalrat entsenden können, wählen mittels Majorzwahl.
Bei den Wahlen stellen die Parteien in den Kantonen Listen mit Kandidaten auf. Jede Liste enthält maximal soviele Kandidaten, wie dem Kanton Nationalratssitze zustehen. Es ist möglich, einen oder mehrere Kandidaten doppelt aufzuführen.
Ausserdem kann jede Partei mit mehreren Listen pro Kanton antreten (z.B. Männer- und Frauen-, Jugend- und Senioren-, in größeren Kantonen auch Stadt- und Landlisten usw.). Ebenfalls möglich ist eine Listenverbindung zwischen mehreren verschiedenen Parteien.
Jeder Stimmbürger hat so viele Stimmen, wie seinem Kanton Nationalräte zustehen. Ein Bewohner des Kantons Zürich hat also 34 Stimmen, ein Urner nur eine.
Die Stimmbürger haben die Möglichkeit, die Listen unverändert abzugeben oder sie durch Kumulieren bzw. Panaschieren zu verändern. Einerseits kann er nur einem Kandidaten die Stimme geben und die restlichen seiner Partei überlassen. Andererseits ist es möglich, dass der Wähler die ihm zustehenden Stimmen auf Kandidaten von Dutzenden von Parteien verteilt.
[Bearbeiten] Sitzverteilung nach Parteien
In den Wahlkreisen erfolgt die Sitzzuteilung wiederum nach dem Hagenbach-Bischoff-Verfahren. Zunächst werden nicht die Stimmenanzahlen der einzelnen Listen, sondern die der Listenverbindungen berücksichtigt. Erst nach stimmenproportionaler Verteilung aller im Wahlkreis zu vergebenden Sitze auf die einzelnen Listenverbindungen werden die errungenen Sitze innerhalb der Listenverbindungen auf die einzelnen Listen wiederum nach Hagenbach-Bischoff unterverteilt.
Gewählt sind auf den Parteilisten die Kandidaten gemäss den erhaltenen Stimmenzahlen. Nachträgliche Umreihungen durch die Parteizentralen, um als wichtig erachteten Kandidaten doch den Einzug in den Nationalrat zu sichern, sind nicht möglich.
Bei den Nationalratswahlen 2003 ergab sich für die Legislaturperiode von 2003 bis 2007 folgende Verteilung (zum Vergleich noch die Zahlen von 1999):
Partei | Sitze 2003 |
Wähleranteil 2003 |
Sitze 1999 |
Wähleranteil 1999 |
---|---|---|---|---|
SVP | 55 | 26,7% | 44 | 22,5% |
SP | 52 | 23,3% | 51 | 22,5% |
FDP | 36 | 17,3% | 43 | 19,9% |
CVP | 28 | 14,4% | 35 | 15,9% |
GPS | 12 | 7,4% | 9 | 5,0% |
EVP | 3 | 2,3% | 3 | 1,8% |
Liberale | 4 | 2,2% | 6 | 2,3% |
EDU | 2 | 1,3% | 1 | 1,3% |
SD | 1 | 1,0% | 1 | 1,8% |
PdA | 2 | 0,7% | 3 | 1,0% |
CSP | 1 | 0,4% | 1 | 0,4% |
Lega | 1 | 0,4% | 2 | 0,9% |
SolidaritéS | 1 | 0,5% | 0 | 0,5% |
SGA | 1 | 0,5% | 0 | 0,0% |
GLP | 1 | 0,5% | 0 | 0,3% |
Eine Abwahl oder ein Ausschluss eines Mitglieds des Nationalrats ist nicht möglich. Auch die vorzeitige Auflösung des Nationalrates ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Nur im Falle einer vom Volk beschlossenen Totalrevision der Bundesverfassung wird die gesamte Bundesversammlung (National- und Ständerat) aufgelöst und neu gewählt.
[Bearbeiten] Fraktionen
In der Vereinigten Bundesversammlung schliessen sich die Parlamentarier kammerübergreifend zu Fraktionen zusammen, d.h. die Fraktionen bestehen aus National- und Ständeräten. Eine Fraktion muss mindestens 5 Mitglieder umfassen. Nur Fraktionen haben das Recht, in den parlamentarischen Kommissionen vertreten zu sein. Deshalb schliessen sich kleine Parteien regelmässig untereinander oder mit grösseren Parteien zu Fraktionsgemeinschaften zusammen.
Gegenwärtig (24. September 2004) bestehen folgende Fraktionen (in Klammern die Mitglieder aus dem Nationalrat):
- Fraktion der Schweizerischen Volkspartei (V): 56 (55 SVP, 1 Lega)
- Sozialdemokratische Fraktion (S): 52 (52 SP)
- Freisinnig-Demokratische Fraktion (RL): 40 (36 FDP, 4 Liberale)
- Christlichdemokratische Fraktion (C): 28 (28 CVP)
- Grüne Fraktion (G): 14 (12 Grüne, 1 CSP, 1 Links-Alternativer)
- EVP-EDU-Fraktion (E): 5 (3 EVP, 2 EDU)
- Ohne Fraktionszugehörigkeit: 5 (2 PdA, 1 SolidaritéS, 1 SD, 1 GLP)
[Bearbeiten] Kompetenzen
Die beiden Kammern Nationalrat und Ständerat sind politisch völlig gleichberechtigt - ein Beschluss ist nur gültig, wenn er von beiden Kammern in derselben Fassung verabschiedet wird. Alle Geschäfte werden nacheinander von beiden Räten behandelt. Die Ratsvorsitzenden legen gemeinsam fest, welcher Rat ein Geschäft zuerst behandelt ("Erstrat").
Können sich National- und Ständerat nach der ersten Behandlung nicht auf einen gemeinsamen Text einigen, so findet ein Differenzbereinigungsverfahren statt, wobei das Geschäft zwischen beiden Räten hin- und herpendelt. Nach drei erfolglosen Durchgängen muss die Einigungskonferenz auf den Plan treten. Weitere Erläuterungen zu diesem Prozedere: Gesetzgebungsverfahren (Schweiz).
Jeweils für ein Jahr wählt der Nationalrat den Nationalratspräsidenten, welcher die Sitzungen des Nationalrats und der Vereinigten Bundesversammlung leitet und deswegen auch als "höchster Schweizer" bezeichnet wird.
[Bearbeiten] Mitglieder
Siehe: Liste der Mitglieder des Schweizer Nationalrats
[Bearbeiten] Sitzungsprotokolle
Die Wortprotokolle (Protokoll) des Nationalrates werden im amtlichen Bulletin der Bundesversammlung veröffentlicht; seit 1891 auf Papier und seit der Wintersession 1995 auf der Website des Parlaments.