Nordschleswig
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Nordschleswig (dänisch Nordslesvig) ist eine Region im Süden Dänemarks zwischen deutsch-dänischer Grenze und der Stadt Kolding. In Dänemark wird die Region meist als Südjütland (dänisch Sønderjylland) bezeichnet, was aber streng genommen mit dem gesamten Schleswig synonym ist.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Nordschleswig war ein Teil des Herzogtums Schleswig. Nach der Volksabstimmung von 1920 wurde dieser Teil Schleswigs Dänemark zugeteilt. Schleswig war bis 1864 ein mit Dänemark in Personalunion verbundenes, staatsrechlich jedoch eigenständiges Gebilde (Sekundogenitur). Die dänischen Versuche, aus der Personal- eine Realunion herzustellen und das Herzogtum dem Dänischen Nationalstaat völlig einzuverleiben führten im 19. Jahrhundert zu nationalen und verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen und schließlich 1848 zum als schleswig-holsteinische Erhebung bekannten Bürgerkrieg sowie 1864 zum sog. Deutsch-Dänischen Krieg. Als Folge dieses Kriegs wurden Schleswig von Preußen und Holstein von Österreich besetzt und nach dem Krieg von 1866 zwischen Preußen und Österreich ganz Schleswig-Holstein Preußen zugeschlagen.
In der Kaiserzeit gingen die nationalen Konflikte weiter. Der dänische Bevölkerungsteil forderte kulturelle Freiheit und gab den Gedanken an eine Grenzrevision nie auf. Versuche von deutschen Stellen, den Landesteil stärker zu germanisieren (vor allem unter dem Oberpräsidenten Ernst Matthias von Köller 1897-1901), hatten keinen durchschlagenden Erfolg, sondern heizten den Konflikt weiter an. Wirtschaftlich ging es derweil mit Nordschleswig leicht aufwärts, und die Industrialisierung erreichte zumindest die östlichen Kreisstädte. Allerdings lag der Landesteil abseits der großen Verkehrsströme und wurde durch die nahe Grenze in seiner Entwicklung behindert, so dass er im Vergleich etwa zu Holstein, aber auch zum östlichen Jütland immer mehr ins Hintertreffen getriet. Hadersleben und Apenrade wurden von bislang kleineren Städten wie Kolding oder Vejle hinsichtlich der Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl deutlich überholt.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 markierte den Anfang vom Ende der preußisch-deutschen Herrschaft über Nordschleswig. Zahlreiche junge Männer gleich welcher nationalen Gesinnung starben in den folgenden vier Jahren an den Fronten. Der Landesteil selbst wurde nicht Kriegsschauplatz, doch legte man aus Furcht vor einer britischen Invasion durch das neutrale Dänemark den Bunkergürtel der Sicherungsstellung Nord an. Am Ende des Krieges war der Landesteil wie weite Teile Europas von der Kriegswirtschaft ruiniert.
Der Vertreter der dänischen Volksgruppe in Schleswig im deutschen Reichstag, Hans Peter Hanssen, erhielt im Oktober 1918 von der neuen Reichsregierung das Zugeständnis, dass die Schleswig-Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker entschieden werden sollte - einen definierten Raum "Nordschleswig" gab es jedoch vor der Abstimmung noch nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in den Artikeln 109 bis 114 des Versailler Vertrages festgelegt, dass die Bevölkerung in Schleswig im Rahmen einer Volksabstimmung die Grenzziehung zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark selbst entscheiden könne.
Das Plebiszit wurde in zwei Abstimmungszonen abgehalten. Die Modalitäten der Abstimmung führten jedoch zu Kontroversen. Dänemark definierte zum einen die Grenzen der Abstimmungszonen innerhalb Schleswigs und setzte zum andern durch, dass in der 1. Abstimmungszone en bloc (das heißt die Summe aller Stimmen zählte), in der 2. Abstimmungszone jedoch Stadt für Stadt und Gemeinde für Gemeinde abgestimmt wurde und anschließend die Grenze entsprechend den Ergebnissen weiter verschoben werden sollte. Stimmberechtigt waren sämtliche vor dem 1. Januar 1900 geborene Personen, die entweder aus dem Plebiszitgebiet stammten oder dort zumindest seit 1900 ihren Wohnsitz unterhielten oder, vor 1900 dort wohnhaft, von dänischen (bis 1864) oder deutschen Behörden (bis 1914) ausgewiesen worden waren. Dies setzte entsprechende Aktivitäten beider Volksgruppen zur Mobilisierung von Landsleuten außerhalb der Abstimmungszonen in Gang.
Die 1. Abstimmungszone umfasste das heutige Nordschleswig, definiert durch die “Clausen-Linie“ südlich von Tondern und nördlich von Flensburg, die den heutigen deutsch-dänischen Grenzverlauf markiert. Ziel der Verfechter derselben - neben H. V. Clausen vor allem H. P. Hanssen - war es zum einen, Dänemark ein möglichst großes Gebiet zuzuschlagen, zum anderen, nicht Gefahr zu laufen, durch Einbeziehung der bevölkerungsreichen überwiegend deutschgesinnten Stadt Flensburg eine mögliche Wahlniederlage in der nördlichen Zone zu riskieren, weshalb die Abstimmungsgrenze nördlich Flensburgs gelegt wurde.
Bei der Abstimmung in der 1. Zone am 10. Februar 1920 votierten 74,9 Prozent der Stimmberechtigten für eine Vereinigung mit Dänemark. An einigen Orten (z. B. in Lügumkloster) waren die Mehrheitsverhältnisse äußerst knapp. In den ländlichen Gebieten des Nordens waren 90 Prozent und mehr dänische Stimmen keine Seltenheit. In einzelnen Gemeinden wie Tondern und Hoyer gab es deutsche Dreiviertelmehrheiten. Die En-bloc-Abstimmung führte schließlich dazu, dass auch Städte mit deutscher Mehrheit wie Apenrade, Sonderburg und Tondern, zu Dänemark kamen.
Die 2. Abstimmungszone umfasste das mittlere Schleswig südlich der Clausen-Linie mit Glücksburg, Flensburg, Niebüll, Sylt, Föhr und Amrum. Hier wurde Stadt für Stadt und Gemeinde für Gemeinde abgestimmt. Am 14. März 1920 stimmten 80,2 Prozent der Stimmberechtigten in der 2. Abstimmungszone für einen Verbleib beim Deutschen Reich. Dänische Mehrheiten gab es nur in drei kleinen Gemeinden auf Föhr. In der seit 1871 durch starke Zuwanderung vom Süden (von anfänglich 20.000 auf etwa 80.000 Einwohner) gewachsene Stadt Flensburg stimmte ein Viertel für Dänemark. Eine nationale Gruppierung in Dänemark forderte weiterhin den Anschluss Flensburgs an Dänemark und vermochte so den den König zu bewegen, die Regierung zu entlassen, was zu einer ernsten Verfassungskrise führte (sog. Osterkrise).
Siehe auch: Volksabstimmung in Schleswig
[Bearbeiten] Geografie
Nordschleswig ist im heutigen Sprachgebrauch identisch mit dem Bezirk (dänisch Amt) Sønderjylland und erstreckt sich von der deutsch-dänischen Grenze bis an die Königsau und den Kleinen Belt südlich von Kolding, daher auch die entsprechende Passage im Deutschlandlied. Verwaltungssitz der Region war Apenrade, doch ist Nordschleswig als administrative Einheit 2007 in einer süddänischen Großregion aufgegangen.
Zum ehemaligen Herzogtum gehörten auch der südlich der Königsau gelegene Raum um Ripen, sowie einige Kirchspiele bis zur Küste des Kolding Fjord, ganz bis zur Stadtgrenze Koldings. Diese Gebiete konnte Dänemark nach 1864 behalten, weil durch Landaustausch auf andere königliche Enklaven in Schleswig verzichtet wurde.
Statt von Nordschleswig wird auf dänischer Seite heute meistens von Sønderjylland gesprochen, weil viele das erstere als deutsche oder historische Bezeichnung verstehen, obwohl Sønderjylland eigentlich ein Synonym für das gesamte Schleswig ist. Auch im deutschen Sprachgebrauch ist man oft nicht konsequent und stellt Nordschleswig als südliches Pendant einen Landesteil Schleswig gegenüber.
[Bearbeiten] Sprachen
In Nordschleswig wird neben Dänisch noch Deutsch gesprochen. Denn im Landesteil lebt eine etwa 15.000 Menschen umfassende deutsche Minderheit. [1]
Neben den beiden Hochsprachen hat sich vor allem auf dem Land das charakteristische Sønderjysk erhalten. Sønderjysk ist ein Dialekt der dänischen Sprache, wird aber teilweise schon als eine eigene Sprache verstanden. Sønderjysk hat einerseits starke archaische skandinavische Züge, andrerseits einen starken hoch- und niederdeutschen Einschlag. Sønderjysk oder Südjütisch wird innerhalb der dänischen Mehrheit wie auch von den meisten Angehörigen der deutschen Volksgruppe gesprochen. Für offizielle Anlässe (z.B. Sitzungen der deutschen Volksgruppe) wird Deutsch vorgezogen.[2] In Schleswig, beiderseits der Grenze, gibt es keinen strengen Zusammenfall zwischen gebräuchlicher Sprache und nationalem Standpunkt; besonders früher kam es durchaus vor, dass Dänischsprachige deutschgesinnt waren oder umgekehrt.
Die Neutralität dieses Artikels oder Absatzes ist umstritten. Die Gründe stehen auf der Diskussionsseite und auf der Seite für Neutralitätsprobleme. Entferne diesen Baustein erst, wenn er nicht mehr nötig ist, und gib gegebenenfalls das Ergebnis auf der Neutralitätsseite bekannt. |
Jedoch ist die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig durchgehend zwei- oder dreisprachig, d.h. im Alltag wird oft Sønderjysk oder ab und zu auch Dänisch verwendet, bei offiziellen Anlässen aber vor allem Deutsch gesprochen, das sämtliche Mitglieder der Minderheit beherrschen. Die dänische Volksgruppe in Südschleswig hingegen verwendet überwiegend sowohl im Alltag als auch bei offiziellen Anlässen Deutsch, vereinzelt auch Niederdeutsch. Parteiprogramme und Resolutionen des SSW sind entsprechend auch ausschließlich in deutsch vorhanden, da die Mehrzahl der Mitglieder der dänischen Minderheit des Dänischen nicht mächtig ist.
Die Verbreitung des Niederdeutschen war in Nordschleswig immer relativ gering und mittlerweile wird es nur noch von wenigen Familien gesprochen. Im Nordschleswiger, der Tageszeitung der deutschen Minderheit, gibt es eine kleine tägliche Spalte auf Nordschleswiger Platt.
Die meisten Ortsnamen haben neben der dänischen auch eine deutsche Version. Die Ortsnamen sind meist dänischen Ursprungs, jedoch besaßen die Städte, da vielfach nach Recht deutscher Städte gegründet, sogar ursprünglich deutsche Namen. Apenrade bekam seine dänische Version Åbenrå erst nach der Eingliederung Nordschleswig ins Königreich Dänemark. Siehe auch unter: Schleswigsche Ortsnamen
[Bearbeiten] Politik
In Nordschleswig besteht neben den landesweiten, dänischen Parteien die Schleswigsche Partei (SP). Die SP tritt als Regionalpartei und Interessenvertretung der deutschen Minderheit in Nordschleswig an. SP-Vertreter wurden in drei von den vier Großkommunen Nordscheswigs gewählt, und in der letzten (Hadersleben) wurde durch eine Sonderregelung ein Mandat ohne Stimmrecht zugesichert. (Siehe: Minderheitenwahlrecht)
Nach dem Gebietsreform, mit dem am 1. Januar 2007 das bisherige Bezirk Nordschleswig (Sønderjyllands Amt) in Region Syddanmark aufging, ist die SP nicht mehr an regionaler Ebene vertreten.
Die deutsche Minderheit ist im Kontaktausschuss für die deutsche Minderheit bei Regierung und Folketing in Kopenhagen vertreten und betreibt dort auch ein ständiges Sekretariat. In Kiel nimmt das Gremium für Fragen der deutschen Minderheit den Kontakt zum Schleswig-Holsteinischen Landtag wahr. In beiden Gremien ist der BDN vertreten.
[Bearbeiten] Wirtschaft
Die Region ist vor allem von Landwirtschaft und Tourismus geprägt. An der Westküste spielt der Tourismus eine wichtige Rolle, teilweise aber auch an der Ostküste. Neben mittelständischen Betrieben haben auch einige große Firmen ihren Sitz in der Region, namentlich Danfoss in Norburg, Ecco in Bredebro oder Gram in Woyens.
[Bearbeiten] Medien
In Nordschleswig erscheinen mit Jydske Vestkysten und Der Nordschleswiger je eine Tageszeitung in dänischer und deutscher Sprache. Erstere hat ihre Zentralredaktion in Esbjerg und erscheint mit einigen Lokalausgaben im Landesteil. Neben den Tageszeitungen produziert Danmarks Radio mit Radio Syd ein regionales Programm für die Region. Seit einigen Jahren existiert mit Radio Mojn auch ein privates Radioprogramm. Auf diesem, sowie auch auf Radio 700 laufen dreimal täglich deutschsprachige Nachrichten, die vom Nordschleswiger gestaltet werden.
Über den Fernsehsender TV2 werden regionale Nachrichtenprogramme sowie einige andre Produktionen des TV Syd ausgestrahlt.
[Bearbeiten] Grenzregion
Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern, wurde vor einigen Jahren der Regionalrat Südjütland/Schleswig gegründet. Im Regionalrat arbeiten auf deutscher Seite die Kreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, die Stadt Flensburg und auf dänischer Seite das Amt Sønderjylland zusammen.
[Bearbeiten] Weblinks
- Einrichtungen der deutschen Minderheit
- Region Syddanmark
- Region Sønderjylland/Schleswig
- Institut für Lokalgeschichte
- Der Nordschleswiger - Tageszeitung der deutschen Minderheit
- Geschichte Schleswig-Holsteins - Geschichte Nordschleswigs
- Geschichte Schleswig-Holsteins - Geschichte der Volksabstimmung 1920
- Deutsches Historisches Museum - Kollektives Gedächtnis