Oberschlesien
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Oberschlesien (polnisch: Górny Śląsk; tschechisch: Horní Slezsko; oberschlesisch: Ślonsk) ist eine historische Landschaft im südöstlichen Schlesien, welche heute größtenteils zu den polnischen Woiwodschaften Schlesien und Oppeln und zu einem kleinen Teil zu Tschechien (Hultschiner Ländchen) gehört.
Im östlichen, zu Polen gehörigen, Teil Oberschlesiens erstreckt sich ein weiträumiges Industriegebiet. Vor der auf der Teheran-Konferenz beschlossenen Westverschiebung Polens gehörte Oberschlesien als Regierungsbezirk Oppeln zur preußischen Provinz Schlesien und wurde nach dem Ersten Weltkrieg eine eigenständige Provinz.
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[Bearbeiten] Geschichte
Zur allgemeinen Geschichte Schlesiens siehe Schlesien (Geschichte)
Nach der Völkerwanderungszeit kamen die slawischen Opolanen (nach ihnen ist die Hauptstadt Oppeln benannt) ins Land und vermischten sich vereinzelt mit zurückgebliebenen Germanen. Im Laufe des Mittelalters kamen deutsche Siedler auch nach Oberschlesien. Die deutsche Kolonisation setzte in Oberschlesien jedoch relativ spät ein, da es zum einem östlicher als andere Zielgebiete lag und zum anderen wegen der großen Wald- und Feuchtgebiete eher widrige Bedingungen herrschten. Als schließlich in den Jahren 1347/48 die Große Pest im Reich ausbrach, nahm der Strom der Zuwanderer aus dem Reich stark ab und die Ostsiedlung kam praktisch zum Erliegen. Dadurch stockte im Gegensatz zu Niederschlesien der sprachliche Assimilierungsprozess.
[Bearbeiten] Entwicklung der oberschlesischen Sprache
In den Städten dominierte bald die deutsche Sprache. Auf dem Land entstand jedoch, neben den wenigen deutschen Sprachinseln, eine deutsch-slawische Mischbevölkerung, die ihre ursprüngliche slawische Sprache behalten konnte, die aber mit zahlreichen Germanismen versetzt wurde, das so genannte Wasserpolnisch. Neben diesem Dialekt sprachen die meisten seit spätestens dem 19. Jh als Zweitsprache Deutsch, in der Dialektform Oberschlesisch, das sich vom Niederschlesischen und vom Hochdeutschen durch besonders harte Rachenlaute und systematische Entrundung der vorderen gerundeten Vokale (z.B.: Bühne = Biene, lösen = lesen) unterschied, was auch sonst für Deutschsprechende mit slawischer Muttersprache charakteristisch ist.
Während die Niederschlesier zu etwa 96 % (allein) deutschsprachig waren, gebrauchten etwa 58 % der Oberschlesier trotz deutscher Nationaliät und (zumeist) Loyalität zum Deutschen Reich das Wasserpolnische als Erstsprache. Diese Situation herrschte bis zur Zeit der Industrialisierung des oberschlesischen Industriegebietes vor: Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Verstädterung stark zu. Es kamen zu den Oberschlesisch sprechenden Schlesiern auch viele Deutsche aus Niederschlesien oder den benachbarten sudetendeutschen Gebieten und außerdem eine große Zahl von Polen aus der Provinz Posen oder dem angrenzenden russischen „Kongresspolen“ nach Oberschlesien. Außerhalb des Industriegebietes, den Gebieten um Oppeln, dem späteren Westoberschlesien konnte sich die o.g. ursprüngliche Situation erhalten, jedoch verlor das Wasserpolnisch besonders in der Zwischenkriegszeit immer mehr an Sprechern.
[Bearbeiten] Teilung nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg sollten nach dem Versailler Vertrag Teile des Grenzverlaufs zwischen Polen und Deutschland per Volksabstimmungen geregelt werden. Zwischen Kriegsende und Abstimmung kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Einwohnern, die den Anschluss an Polen forderten, und deutschen Polizeieinheiten sowie Freikorps. Am Abstimmungstag 20. März 1921 stimmte bei einer Wahlbeteiligung von 97,8 Prozent 707.554 (59,6 Prozent) Oberschlesier, also auch viele, die in Volkszählungen Oberschlesisch bzw. Polnisch als Muttersprache angegeben hatten, für Deutschland und 478.820 (40,4 Prozent) für Polen.
Im Mai kam es zu einem weiteren Aufstand mit dem Ziel der kompletten Angliederung an Polen, der aber erfolglos blieb. Danach wurde der kleinere (29%) Teil Oberschlesiens („Ostoberschlesien“), mit ihm aber der Großteil des Oberschlesischen Industriegebiets mit der Hälfte aller Hüttenwerke, einem Großteil der Kohle- und Eisenerzvorkommen und den wirtschaftlich bedeutenden Bergbauregionen, auf Beschluss des Völkerbundes am 10. Oktober 1921 Polen zugeschlagen. Die Städte und Industrieorte Königshütte, Kattowitz, Myslowitz, Laurahütte, Bismarckhütte, Schwientochlowitz, Lipine, Godullahütte, Morgenroth und Ruda wurden polnisch. Der Rest blieb bei Deutschland („Westoberschlesien“); ein Teil des Kreises Ratibor, das so genannte Hultschiner Ländchen, war bereits mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 an die Tschechoslowakei abgetreten worden. Am 3. September 1922 wurde im deutsch gebliebenen Teil Oberschlesiens eine Volksabstimmung durchgeführt, bei der über die Bildung eines eigenen Landes Oberschlesien im Deutschen Reich entschieden werden sollte. Jedoch sprachen sich über 90% für den bisherigen status quo, also den Verbleib Oberschlesiens im Freistaat Preußen der Weimarer Republik aus.[1]
[Bearbeiten] Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg
Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Oberschlesien 1945 von der Roten Armee erobert und fiel bis auf das Hultschiner Ländchen, welches wieder zur Tschechoslowakei kam, an Polen. Anders als in Niederschlesien gab es im oberschlesischen Industriegebiet aus ethnischen und ökonomischen Gründen keine flächendeckende Vertreibung, da viele Einwohner zweisprachig waren, weil sie entweder den schlesischen Dialekt gebrauchten oder in der Zeit zwischen den Weltkriegen in der Woiwodschaft Schlesien polnisch erlernen mussten. Darüber hinaus verfügten viele Oberschlesier über berufliche Qualifikationen, die in der Kohle- und Stahlindustrie nicht kurzfristig ersetzt werden konnten. Wer einen mehr oder weniger streng gehandhabten polnischen Sprachtest bestand und als „autochthon“ eingestuft wurde, erhielt ein Bleiberecht. Auch Oberschlesier, die als (allein) deutschsprachig eingestuft wurden, erhielten ein Bleiberecht, wenn sie in wichtigen Industrien arbeiteten. Schließlich wurden von der oberschlesischen Bevölkerung "nur" etwa 40 % und nicht, wie in Niederschlesien, mehr als 90 %, vertrieben. Insbesondere um Oppeln und Kattowitz blieb daher bis heute eine deutsche und oberschlesische Minderheit zurück, die nicht vertrieben wurde oder spätaussiedelte.
Heute gehört der größte Teil Oberschlesiens zu Polen, das Hultschiner Ländchen zu Tschechien. Die Region ist auch die Heimat der nach den ethnischen Oberschlesiern (Volkszählung 2002) größten ethnischen Minderheit Polens, der Polendeutschen. Etwa 250.000 Bewohner Oberschlesiens sind Doppelstaatler und verfügen neben der polnischen zugleich über die deutsche Staatsbürgerschaft.
[Bearbeiten] Gebiet und Bevölkerung
Provinz Schlesien: 37.013 km²; 4.846.333 Einwohner (Mai 1939), von denen der Großteil römisch-katholischen Glaubens war, was eine (weitere) Besonderheit darstellte, da die Mehrheit im östlichen Deutschland protestantisch war.
[Bearbeiten] Anmerkungen
[Bearbeiten] Siehe auch
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