Prolet
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Prolet ist die umgangssprachliche Verkürzung des Begriffs „Proletarier“ und bezeichnete seit dem 19. Jht. absprechend Menschen der städtischen und industriellen Unterschicht, seit Aufkommen des Marxismus aber auch positiv Arbeiter im Kontext des Klassenkampfes. In den letzten Jahrzehnten kam es zu einer Bedeutungsverschiebung. Heute wird Prolet wieder - in einer weiteren Verkürzung auch Proll - umgangssprachlich als diskriminierende Bezeichnung für jemanden verwandt, dessen Verhalten von anderen sozialen Schichten als unkultiviert und unzivilisiert bzw. dessen Erscheinungsbild als ungepflegt oder geschmacklos wahrgenommen wird, da er über ein geringeres kulturelles Kapital verfügt. Damit findet eine Bedeutungsverschiebung statt von „Angehöriger des Proletariats“ in Richtung „Angehöriger des Pöbels“, und somit eine Verstärkung der abwertend-diskriminierenden Konnotation.
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[Bearbeiten] Geschichte
Das Wort „Prolet“ leitet sich aus dem lateinischen Wort proletarius ab, welches in der Antike als Bezeichnung für alle römischen Bürger der untersten Volksschicht verwendet wurde, die nur Nachkommen (proles) ihr Eigen nennen konnten. Darin spiegelte sich in erster Linie die abwertende und geringschätzige Haltung aller höheren Volksschichten wider, vornehmlich aber die des Adels, der Patrizier und der plebejischen Nobilitas, gegenüber allen ungebildeten und ungepflegten Arbeitern. Im Gegensatz zu den Sklaven waren die als proletarius bezeichneten Bürger hingegen freie römische Bürger, die für ihr Schicksal somit selbst verantwortlich sein konnten, aber aus Sicht der oberen Schichten mangels finanzieller Mittel und Ausbildung nichts aus sich machen konnten.
Der Begriff „Prolet“ wurde im Zuge der Arbeiterbewegungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen. Insbesondere Karl Marx verwendete den Begriff des Proletariers als Sinnbild für die „schwer schuftende“ Klasse der Arbeiter, die von der Bourgeoisie ausgebeutet und ausgenutzt wurden. Demzufolge beruhte der feine Lebensstil der höheren Schichten - wie schon im alten Rom - vor allem auf der Tatsache, dass diese es verstanden, andere für sich auszubeuten. Die Proletarier aber bildeten - nach Marx - das Rückgrat des Staates, weil sie zahlenmäßig den Großteil eines Volkes darstellten, für einen Hungerlohn zum Wohle der anderen schuften mussten, sich dabei (gesundheitlich) aufarbeiteten und es ihnen deswegen nicht gelang, die Schicht der Proletarier durch bessere Aus- und Weiterbildung zu verlassen. Aus dem Begriff des „Proletariers“ (Proletarier aller Länder, vereinigt euch!) wurde die Kurzform „Prolet“ abgeleitet: Prolet - wie lange noch? Wirf ab das Ochsenjoch!
[Bearbeiten] Heute
Der Begriff „Prolet“ wurde in der Nachkriegszeit nach 1948 in der BRD zunächst immer ungebräuchlicher, bzw. vor allem dessen negative Konnotation. In der DDR wurde es stark positiv besetzt. Da dieses Zurücktreten bzw. diese Aufwertung des „Proleten“ den Verlust einer Beschimpfungsmöglichkeit bedeutete, trat in den 1980er Jahren das Wort „Proll“ an diese Stelle. Auch ähnliche Varianten wie 'Prol' und vor allem 'Prolo' haben sich eingebürgert.
[Bearbeiten] In der Darstellung
Die humorvolle Darstellung von Proleten ist z.B. in folgenden Werken Kulturgut geworden:
- Werke des Berliner Karikaturisten Heinrich Zille
- die parodistische Darstellung des Dittsche von Olli Dittrich
- Eine Milieustudie über Proleten ist die österreichische Fernsehserie Ein echter Wiener geht nicht unter.
[Bearbeiten] Stereotypisierung zum Klischee „Proll“
Der umgangssprachliche Begriff Proll ist (noch mehr als der Begriff Prolet) vergleichsweise unscharf und entfernt sich in der Benutzung teilweise erheblich von der Bezeichnung einer gesellschaftlichen Gruppe im soziologischen Sinne (Schicht, Klasse, soziales Milieu), sondern assoziiert (anstelle ökonomischer Ungleichheit) meist eher kulturelle Wertungen im Sinne von derb, vulgär, nicht kultiviert, ungebildet oder kulturlos, manchmal auch in Abgrenzung zu intellektuell.Der Begriff „Proll“ hat sich dabei zu einer klischeehaft-verengten Bezeichnung für Menschen aus proletarischen Milieus entwickelt, der ein ganzes Bündel (z.T. widersprüchlicher) Eigenschaften zugeschrieben wird. Diese klischeehaften Vorstellungen vom Proll beruhen auf sehr unterschiedlichen Stereotypen, die damit das Feld der Assoziationen abstecken, die mit Proll in Verbindung gebracht werden. Der Begriff steht - wenn er als Substantiv allein steht - meist für Männer, wenn Frauen gemeint sind, werden Hilfkonstruktionen, wie Proll-Frau o.ä. verwendet.
Die folgenden Beispiele sind eine Auswahl weit verbreiteter Klischees, die in bewusst abwertender Zuschreibung bestimmte Bevölkerungsgruppen diskriminieren (Klassismus). Als Beispiele für etablierte Stereotypen (bzgl. männlicher Prolls) seien genannt:
Das Stereotyp des ungebildeten, biertrinkenden Prolls mit Bierbauch, der wenig auf Äußerlichkeiten achtet, den man mit Trainingsanzug und Aldi-Tüte auf der Straße oder in seiner Stammkneipe trifft und der zu Hause mit Bierdose (oder Flasche) in der Hand sowie mit Jogginghose und Unterhemd bekleidet vorm Fernseher sitzt und vom Sofa nicht hochkommt, vorzugsweise wenn im Fernsehen Fußball übertragen wird. Am Stammtisch nimmt er gern und entschieden zu allen Fragen der Weltpolitik Stellung und hat für alles eine einfache Lösung, auf die „die da oben“ wohl nicht kommen. Dieses Muster kann als Stereotypisierung und damit als Diskriminierung des traditionellen Arbeitermilieus gemäß der Typologie von Jörg Ueltzhöffer oder des Harmoniemilieus gemäß der Typologie Gerhard Schulzes aufgefasst werden.
Das Stereotyp des action-orientierten Angeber-Prolls mit lässig-coolem Habitus und lockeren Sprüchen, der mit einem solarium-gebräunten Bodybuilding-Körper, mit auffälligen Gold- oder Silberkettchen sowie sonstigen prestigeträchtigen Accessoires auf sich aufmerksam macht und zu imponieren sucht und / oder der im tiefergelegten Auto mit quietschenden Reifen und laut dröhnender Musik-Anlage vorfährt. Dieses Muster kann als Stereotypisierung und damit als Diskriminierung des traditionslosen Arbeitermilieus gemäß der Typologie von Jörg Ueltzhöffer oder des Unterhaltungsmilieus gemäß der Typologie Gerhard Schulzes aufgefasst werden.
Das Stereotyp vom Ballermann-Proll, der in alkoholiserten Gruppen in Diskos, Kneipen und danach auch auf der Straße lauthals grölend und pöbelnd anzutreffen ist, z.T. in übermütiger Laune zu jeglicher Art von Schandtat bereit: anzügliche Bemerkungen, Machogehabe, „Anbaggern“ von Frauen, Provokationen, Normenverletzungen bis hin zu Vandalismus. Für ihn ist das Leben eine Party. Anheizende Musik, exzessiver Alkoholkonsum, erotischer Kick und ausgelassenen Stimmung sind seine Ziele.
All diese Stereotype gibt es in unterschiedlichsten Variationen und Mischformen, sie werden nicht selten durch Kabarett, Witze und Filme ironisiert, zugespitzt und hochstilisiert in eine plakative Form. Darüber hinaus bestehen noch spezifischere Stereotype bezüglich Szenen, die klischee-gemäß dem Proll-Spektrum zugeschrieben werden: Fußballfans, Opel Manta-Fahrer, Bodybuilding-Fans, etc.
In Comedysendungen wird weiter an der Stilisierung dieser Klischee gearbeitet:
- die Comedyrollen von Tom Gerhardt, vor allem der Kohlenpottjugendliche Rambo
- die Fernsehserie Alles Atze
- Mantawitze
- der Film Ballermann 6
Außerdem unterliegen all diese genannten (und noch folgenden) Stereotypisierungen einem gesellschaftlichen Wandel und sind daher nur Momentaufnahmen.
[Bearbeiten] Auswahl an klischeehaften Versatzstücken, die häufig mit dem Begriff Proll assoziiert werden:
- Fortbewegungsmittel: „getuntes“ Auto mit Ofenrohr-Auspuffblende, leistungsstarker Musikanlage und abgedunkelten Scheiben, bevorzugt Opel, VW oder alter 3er-BMW, aggressiver Fahrstil
- Haare: bei älteren Jahrgängen VoKuHiLa; jüngere Semester mit diversen Kurzhaarschnitten, häufig blondiert und mit Gel (Pomade) gestylt
- Schmuck: Gold- oder Silberkettchen o.ä. ("Bling-Bling" ), rituelle Piercings und Tätowierungen (bei weibl. Vertretern oft als Arschgeweih)
- Kleidung: leger und Jeans-lastig, entweder nachlässig (Trainings- und Jogginganzüge bzw. wenig geschmackvolle Kombinationen) oder auffällige, teure Markenkleidung mit großen Logos und z.T. Pseudo-Pelz, die mit Neureichen-Allüren und Imponiergehabe vorgeführt wird, dazu Turnschuhe, früher oft auch Cowboystiefel (heute seltener assoziiert)
- Sprache: Eingeschränkter Wortschatz, grammatikalisch bedenkliche bis falsche Ausdrucksweise ("Ich geh Disco"), limitierte Ausdrucksfähigkeit, übermäßiger Gebrauch von Interjektionen, Floskeln und festen Ausdrücken, drastische Formulierungen mit Zitaten aus der Fäkalsprache und Metaphern aus dem Bereich des Sexuellen, unreflektierter Gebrauch von jugendsprachlichen Modewörtern.
- Sozialverhalten: Rüpelhaftes Verhalten, wenig bis keine Rücksichtnahme auf Fremde in der Öffentlichkeit (extrem laut geführte Unterhaltungen, Abspielen von Musik).
- Schulische Bildung: höchstens Hauptschulabschluss.
- Literatur: Groschenromane, Bild-Zeitung.
- Fernsehen: RTL, RTL 2, Musiksender.
- Ernährung/Gesundheit: Fast Food, übermäßiger Alkoholkonsum (vor allem Alcopops), oft Kettenrauchen.
- Freizeitbeschäftigungen: Fernsehkonsum, Bodybuilding, Dauergast im Solarium und/oder beim Friseur, Besuch so genannter "Bagger"-Discos, Autotuning, lauter Konsum eintöniger Musik (meist Techno-oder Hip Hop-Musik), ständige Beschäftigung mit dem Handy, entweder durch lautes Telefonieren (auch und gerade in der Öffentlichkeit), das Versenden von SMS oder das laute Abspielen o.g. Musik auf dem Handy.
Diese Assoziationen, die ein bzw. verschiedene gesellschaftliche Bilder vom "Proll" produzieren sind zu unterscheiden von real existierenden Menschen proletarischer Herkunft. Das Stereotyphafte bzw. Klischeehafte an diesen Assoziationen besteht in der Zuschreibung dieser Eigenschaften an Menschen proletarischer Herkunft und in der empirisch nicht fundierten Verallgemeinerung.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Prolet – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
- Man spricht deutsh in der Internet Movie Database – Satire von 1988 über eine „mittelschicht“ Proletenfamilie im Italienurlaub, mit Gerhard Polt in der Hauptrolle