Rakete
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Eine Rakete (vom italienischen rocchetta = Spindel) ist ein Flugkörper mit Rückstoßantrieb (Raketenantrieb), der von der Umgebung unabhängig ist und daher auch im luftleeren Raum beschleunigt werden kann.
Im Gegensatz zu Geschossen haben Raketen lange Beschleunigungsphasen. Wegen der dadurch deutlich geringeren Belastungen kann die Struktur der Rakete sehr leicht gehalten werden.
Bei Raketen reichen die Größenordnungen von den allbekannten Feuerwerksraketen der Silvesternacht über militärische Raketen bis hin zu der riesigen Energija oder der Saturn V, die im Apollo-Programm - dem bemannten Flug zum Mond - eingesetzt wurde.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
- Hauptartikel: Geschichte der Raumfahrt
Der erste überlieferte Raketenstart fand 1232 im Kaiserreich China statt. Im Krieg gegen die Mongolen setzten die Chinesen in der Schlacht von Kai-Keng eine Art Rakete ein: Dabei schossen sie eine Vielzahl simpler, von Schwarzpulver angetriebener Geschosse auf die Angreifer ab. Die Raketen sollten weniger den Gegner verletzen, als die feindlichen Pferde erschrecken.
In Europa fand der erste dokumentierte Start einer Rakete 1555 im siebenbürgischen Hermannstadt (heute Sibiu in Rumänien) statt. Der Flugkörper verfügte bereits über ein Drei-Stufen-Antriebssystem.
1942 hob die erste Großrakete Aggregat 4 in Peenemünde ab und leitete damit nicht nur die Nutzung von Raketen als Massenvernichtungswaffen ein, sondern auch die Weltraumfahrt.
1957 verließ eine leicht modifizierte Interkontinentalrakete vom Typ R-7 die Erdatmosphäre und brachte den Satelliten Sputnik in eine Umlaufbahn um die Erde.
[Bearbeiten] Raketengrundgleichung
Obgleich es sehr unterschiedliche technische Realisierung von Raketen gibt, beruhen alle auf der Übertragung von Impuls auf entgegen der gewünschten Richtung der Beschleunigung der Rakete ausgeworfenen Masse. Der Zusammenhang zwischen den Massen der Rakete und des Antriebsstoffs beschreibt die Raketengrundgleichung. Sie folgt aus der Newtonschen Mechanik und wurde 1903 von Konstantin Ziolkowski erstmals aufgestellt.
[Bearbeiten] Herleitung der Raketengrundgleichung
Die Raketengrundgleichung folgt unmittelbar aus dem Impulserhaltungssatz. Wenn Gase mit einer Geschwindigkeit vg relativ zur Rakete mit der Masse m austreten, folgt
Dabei ist dm eine kleine Masse, die nach hinten ausgestoßen wird. Die Impulsänderung der Rakete durch die Geschwindigkeitsänderung ist entgegengesetzt gerichtet und vom gleichen Betrag wie der Impuls der ausgestoßenen Masse .
Teilen durch die Masse liefert
Die Endgeschwindigkeit folgt durch Summieren über die gesamte ausgestoßene Masse. Diese Integration
ergibt als Ergebnis die Raketengleichung
Dabei ist
- vb die Raketengeschwindigkeit nach der Beschleunigung,
- vg die Ausströmgeschwindigkeit des Antriebsstrahles (typisch: 4,5 km/s bei chemischen Raketentriebwerken)
- ma die Startmasse der Rakete und
- mb die Endmasse der Rakete (also um den verbrauchten Treibstoff verkleinerte Startmasse)
[Bearbeiten] Anwendung der Raketengrundgleichung
Die Raketengrundgleichung gilt auch im Vakuum des Weltraums. Um eine bestimmte Endmasse mb auf eine vorgegebene Geschwindigkeit vb zu beschleunigen, müssen auch die ausgestoßenen Gase beschleunigt werden. Bezeichnen wir mit x das Verhältnis der Ausströmgeschwindigkeit vg zur Endgeschwindigkeit, errechnet sich diese Energie der ausgestoßenen Gase zu
Die benötigte Energie wird minimal für x = 0,6275 also für 62,75 % der Endgeschwindigkeit.
Für Raketenstarts von der Erde muss die Formel noch um die Erdanziehungkraft ergänzt werden und lautet dann:
- g steht dabei für die Fallbeschleunigung von zunächst 9,81 m/s²
Da g von der Höhe abhängt, heißt es mit dieser Korrektur:
In der Realität hat man den Vorteil, dass sich die Erde dreht und man diese Geschwindigkeit mitbenutzen kann. (Am Äquator sind das etwa 0,46 km/s bei einem Start nach Osten.).
Flugzeuge, die durch Strahltriebwerke angetrieben werden, führen zwar ihren Brennstoff mit, saugen aber Luft an, verwenden deren Sauerstoff für die Verbrennung des Treibstoffs und stoßen das entstehende heiße Gasgemisch aus. Sie führen also nur einen Teil ihrer Antriebsmasse mit sich. Für solche Flugkörper gilt die Raketengrundgleichung nicht.
[Bearbeiten] Aufbau
Jede Rakete besteht aus den folgenden Baugruppen:
- Triebwerk (Raketentriebwerk bestehend aus Brennkammer, Düse (z.B. Aerospike-Düse), Pumpensystem und Kühlung)
- Stabilisierungs- und/oder Steuereinheit
- Nutzlast (Sprengkopf, Satellit, Mannschaft, Rückkehrmodul usw.)
Die Baugruppen werden durch die Hülle zusammengehalten. Dabei können einzelne Baugruppen auch mehrfach vorkommen (Mehrstufenrakete).
[Bearbeiten] Triebwerk
Für eigenstartfähige Flugkörper werden wegen des hohen Beschleunigungsbedarfs chemische Raketentriebwerke verwendet. Bereits erprobte Kernenergie-Raketentriebwerke wurden aus Sicherheits- und Umweltschutzgründen nicht eingesetzt. Elektrische Raketentriebwerke funktionieren nur im Vakuum und werden nur für bereits gestartete Raumsonden und Satelliten verwendet (Ionenantrieb).
[Bearbeiten] Steuer und Lenkeinrichtungen
[Bearbeiten] Ungelenkte Raketen
Ungelenkte Raketen werden durch den Abschusswinkel ausgerichtet und während des Fluges lediglich aerodynamisch stabilisiert. Dies erfolgt durch Drall, einen Stabilisierungsstab oder Leitwerke, wobei auch Leitwerke Drall erzeugen können. Die Leitwerke befinden sich dabei stets am hinteren Ende der Rakete, hinter dem Schwerpunkt.
[Bearbeiten] Beispiele
- Feuerwerksrakete
- Modellrakete
- kleinere Höhenforschungsrakete, wie die MMR06-M
- zahlreiche militärische Raketen kürzerer Reichweite, wie die Stalinorgel, einfache Boden-Boden-, Boden-Luft-Raketen oder Geschosse von Raketenpistolen und Raketengeschützen
[Bearbeiten] Gelenkte Raketen
Gelenkte Raketen unterliegen während des Fluges einer Kursüberwachung und haben die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren. Dabei kann die Kurskorrektur autonom oder durch eine wie auch immer geartete Leitstation erfolgen.
Die Kurskorrektur wird meist durch ein die Raumlage überwachendes Kreiselsystem eingeleitet. Dies kann durch folgende Steuerglieder erfolgen:
- Leitwerke wirken auf die umgebende Luft und können damit bei Flügen in der Atmosphäre auch nach Brennschluß genutzt werden
- Strahlruder wirken direkt im ausgestoßenen Gasstrom
- schwenkbare Expansionsdüse(n)
- Steuertriebwerke
Im militärischen Bereich werden gelenkte Raketen als Flugkörper bezeichnet.
[Bearbeiten] Beispiele
- militärische Raketen größerer Reichweite (erste in Serie gebaute gesteuerte Rakete war die A4)
- Moderne Luftabwehr- und Panzerabwehrraketen
- größere Höhenforschungsraketen
- Weltraumraketen
[Bearbeiten] Hülle
Die Hülle von Raketen muss zu Gunsten des Treibstoffes und der Nutzlast möglichst leicht sein. Um nach Abbrand einer gewissen Treibstoffmenge möglichst wenig Totlast mitzuführen, werden größere Raketen mehrstufig ausgelegt. D.h. nach Brennschluss einer Stufe wird diese abgetrennt und die nächste Stufe zündet, dabei kann die Abtrennung (meist Absprengen) auch durch Zündung der nachfolgenden Stufe erfolgen.
Die Auslegung der Hülle hängt sehr stark vom Anwendungsbereich der Rakete ab. Für Flüge in der Atmosphäre muss die Hülle aerodynamisch günstig ausgelegt werden, weiterhin wirken bei hoher Geschwindigkeit erhebliche aerodynamische Kräfte auf die Hülle ein und es kann zu erheblichen thermischen Belastungen durch Reibung kommen.
Bei manchen Raketen, wie der amerikanischen Atlas-Rakete, wird die Hülle durch einen erhöhten Innendruck gehalten.
[Bearbeiten] Anwendungen
- als Waffe (von der Raketenpistole zur bis Interkontinentalrakete)
- Raumfahrt
- Höhenforschung
- Technische Experimente
- Seerettung
- Freileitungsbau (zum Schießen von Vorseilen über Täler)
- Feuerwerk
- Notsignale
- zur Simulation von Druckkräften auf die Spitze hoher Bauwerke (als 1957 die Freileitungsmasten der Leitung über die Straße von Messina fertig gestellt wurden, wurde die Eigenschwingdauer dieser Konstruktionen ermittelt, indem man an ihrer Spitze Raketen befestigte und diese zündete; Quelle Turmbauwerke, Bauverlag GmbH, Wiesbaden (Deutschland), 1966)
[Bearbeiten] Trägerraketen, Höhenforschungsraketen und militärische Raketen
Für mehr Informationen zu Trägerraketen siehe den Hauptartikel Trägerrakete
(Auswahl, siehe auch Liste der Raketentypen)
- USA: Aerobee, Vanguard, Thor, Atlas, Redstone, Saturn, Scout, Titan, Delta, Pegasus, Space Shuttle, Booster von Trägerraketen
- Russland/Sowjetunion/GUS: MMR06, R-7, Sojus, N1, Zyklon, Zenit, Kosmos, Proton, Energija, Angara, Wolna
- Europa: Ariane 1-3, Ariane 4, Ariane 5, Cirrus, Meteor, Europa, Vega, Monica, Zenit (Schweizer Höhenforschungsrakete)
- Volksrepublik China: Chang Zheng (Langer Marsch), Feng Bao
- Japan: My - Serie, N-Serie,Kappa oder J - Serie, H-1, H-II
- Pakistan: Hatf V (Ghauri), Shaheen I und II
- Brasilien: VLS-1
[Bearbeiten] Raketenunfälle
Hauptartikel: Katastrophen der Raumfahrt
Obwohl bei der Entwicklung und Erprobung von Raketen sich viele Explosionen ereigneten, gab es, da im Regelfall sehr strenge Sicherheitsmaßnahmen angewandt wurden, nur wenige Raketenunfälle mit Personenschaden.
[Bearbeiten] Tödliche Raketenunfälle, bei denen Personen am Boden Opfer waren
Datum | Unglücksort | Anzahl der Todesopfer | Art des Unglücks |
---|---|---|---|
17. Mai 1930 | Berlin, Deutschland | 1 | Max Valier stirbt bei Brennkammerexplosion |
10. Oktober 1933 | Deutschland | 3 | Explosion in der Werkstatt von Reinhold Tiling |
16. Juli 1934 | Kummersdorf, Deutschland | 3 | Triebwerksexplosion bei Bodentest |
1944? | Tucheler Heide, Polen | ? | Bei einem Versuchsstart stürzt eine A4-Rakete in einem Schützengraben, in dem sich mehrere Personen befinden. Mehrere Tote |
24. Oktober 1960 | Baikonur, Kasachstan | über 126 | Explosion einer R-16 auf der Startrampe (siehe Nedelin-Katastrophe) |
14. April 1964 | Cape Canaveral, USA | 3 | Rakete zündete im Montageraum |
7. Mai 1964 | Braunlage, Deutschland | 3 | Bei der Vorführung von Postraketen von Gerhard Zucker explodiert eine Rakete kurz nach dem Start, und Trümmer treffen Leute in der Zuschauermenge |
14. Dezember 1966 | Baikonur, Kasachstan | 1 (?) | Fehlstart eines unbemannten Sojusraumschiffes. Der Rettungsturm setzt die Rakete in Brand, die daraufhin explodiert. Siehe Kosmos 133. |
26. Juni 1973 | Plessezk, Russland | 9 | Explosion einer Kosmos-3M auf der Startrampe |
18. März 1980 | Plessezk, Russland | 48 | Explosion einer Wostok-2M auf der Startrampe |
14. Februar 1996 | Xichang, Volksrepublik China | 6 | Absturz einer LM-3B Rakete kurz nach dem Start in einem nahegelegenen Dorf |
15. Oktober 2002 | Plessezk, Russland | 1 | Explosion beim Start einer Sojus-Rakete |
22. August 2003 | Alcantara, Brasilien | 21 | Explosion einer VLS-1 Rakete auf der Startrampe |
[Bearbeiten] Tödliche Raketenunfälle bei bemannten Flügen und Raumfahrtmissionen
Datum | Fluggerät | Anzahl der Todesopfer | Art des Unglücks |
---|---|---|---|
2. März 1945 | Bachem Ba 349 Natter | 1 | Absturz nach Start |
28. Januar 1986 | STS-51-L (Challenger) | 7 | Explosion kurz nach dem Start. Aus einer undichten Starthilfsrakete austretende Abgase verursachen Explosion des Haupttreibstofftanks. |
1. Februar 2003 | STS-107 (Columbia) | 7 | Auseinanderbrechen des Shuttles beim Wiedereintritt in Erdatmosphäre. Ursache war ein beim Start durch abfallende Isolationsteile des Außentanks verursachter Defekt im Hitzeschutzmantel des Shuttles. |
[Bearbeiten] Literatur
- Volkhard Bode, Gerhard Kaiser: Raketenspuren. Peenemünde 1936-1996 - Eine historische Reportage mit aktuellen Fotos. Christoph Links Verlag - LinksDruck GmbH, Berlin, 1996 ISBN 3-86153-112-7
- Gerhard Reisig: Raketenforschung in Deutschland. Wie die Menschen das All eroberten. Agentur Klaus Lenser, Münster, 1997, ISBN 3-89019-500-8
- Michael J. Neufeld: Die Rakete und das Reich. Wernher von Braun, Peenemünde und der Beginn des Raketenzeitalters. Henschel Verlag, Berlin, 1999, ISBN 3-89487-325-6
- Harald Lutz: Die vergessenen Raketenexperimente von Cuxhaven. Sterne und Weltraum 44(3), S. 40 - 45 (2005), ISSN 0039-1263
[Bearbeiten] Siehe auch
- Liste der Raketentypen, Rakete (militärisch)
- Marschflugkörper, Raketengleichung, Raketentreibstoff, Höhenforschungsrakete, Experimentalrakete, Amateurrakete, Treibsatz, Wasserrakete, Raketenstartplatz, Weltraumbahnhof, Raketengrundgleichung, Raketenkamera, Rettungsrakete, Pogoeffekt, Space Shuttle, ESA, NASA
- William Congreve (Erfinder), Wernher von Braun, Conrad Haas, Robert Goddard, Hermann Oberth, Johannes Winkler, Sergei Pawlowitsch Koroljow, Konstantin Ziolkowski, Berthold Seliger, Abdul Kalam, Reinhold Tiling
- Mannheimer Rakete (Musik)
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Rakete – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Treibstoffe deutscher Raketenwaffen
- Rockets, Gregory L. Vogt, NASA Unterlagen für den Unterricht über Raketenwissenschaft unter Verwendung kostengünstiger Materialien
- Sehr gut gestalltete Seite mit diversen Berichten über Hybrid-Raketen. Unter Langeweile gibts einige Bauanleitungen um einfache und ungefährliche Raketen nachzubauen.