Sonderschule
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine Sonderschule, auch Förderschule oder Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt, ist eine Schule für Kinder, die in der allgemeinen Schule nicht oder nicht ausreichend gefördert werden können, weil die notwendigen Rahmenbedingungen dort nicht vorhanden sind. Je nach Behinderung gibt es verschiedene Sonderschultypen beziehungsweise Förderschwerpunkte.
Da in Deutschland das Bildungswesen in der Verantwortung der Länder liegt, werden in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Bezeichnungen gebraucht.
Manchmal ist mit Sonderschule speziell die frühere Hilfsschule, die heutige Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder Sonderschule für Lernbehinderte gemeint.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Zum Begriff
Durch die Umbenennung der früheren Hilfsschulen in Sonderschulen für Lernhilfe oder Förderschule sollte unter anderem der zunehmenden Stigmatisierung der Schüler entgegen getreten werden. Ab Mitte der 1990er Jahre gehen immer mehr Bundesländer dazu über, den Begriff Sonderschule bei allen Sonderschulformen durch andere Begriffe wie Förderschule oder Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt zu ersetzen. Mit dem hier eingebauten Begriff der Förderung soll deutlich gemacht werden, dass die Schulen bestrebt sind, Beeinträchtigungen abzubauen und zu kompensieren. Demnach genügt es nicht, einem Schüler die Nicht-Eignung für die allgemeine Schule zu attestieren. Vielmehr ist es notwendig, durch eine eingehende und begleitende Förderdiagnostik die geeignete sonderpädagogische Einrichtung zu finden. Allerdings liegt bei den mehrfachen Umbenennungen auch der Gedanke an eine Euphemismus-Tretmühle nicht fern.
[Bearbeiten] Spezifische Förderung und Integration
Grundlage für die Aufnahme beziehungsweise Überweisung eines Kindes in eine Sonderschule ist die Feststellung eines spezifischen sonderpädagogischen Förderbedarfs nach einem von den Bundesländern gesetzlich geregelten Verfahren. Der Förderbedarf orientiert sich an Art und Umfang der Behinderung. Diesem Förderbedarf kann grundsätzlich in einer Sonderschule oder auch durch Integration in einer allgemeinen Schule entsprochen werden. In einigen Bundesländern gibt es ein weitgehendes Wahlrecht der Eltern behinderter Kinder zwischen beiden Formen. Einer häufig qualitativ und quantitativ besseren technischen und pädagogischen Ausstattung der Sonderschulen steht die Möglichkeit einer besseren gesellschaftlich-sozialen Integration des Kindes in einer allgemeinen Schule gegenüber.
Um zusätzliche Kosten bei der sonderpädagogischen Förderung in der allgemeinen Schule zu reduzieren und pädagogisches Know-how zu bündeln, sind so genannte Integrationsschulen entstanden; das sind Schulen, in denen in mehreren Klassen häufig auch zwei oder drei Kinder mit Behinderung am Unterricht teilnehmen.
[Bearbeiten] Förderzentrum und mobiler Dienst
Der Begriff Förderzentrum hat in der Fachliteratur noch keine einheitliche Definition. Eine Sonderschule kann ein Förderzentrum sein ohne diesen Namen zu tragen.
Förderzentren sind häufig aus Sonderschulen entstanden, indem der Aufgabenbereich der Schulen „nach außen“ erweitert wurde. Die Sonderschullehrer des Förderzentrums sind nun nicht mehr nur für den Unterricht an der Sonderschule und die Betreuung der Schüler mit Behinderung dort zuständig, sondern zusätzlich für die Betreuung der Schüler mit Behinderung in allgemeinen Schulen.
Diese Form der Betreuung wird durch den mobilen Dienst gewährleistet. Sonderschullehrer suchen die Schüler mit Behinderung ihrer Schule auf, beraten die Lehrer dort und unterstützen die Schüler. Mobiler Dienst wird zum Beispiel von Schulen für Kinder mit Hörschädigung angeboten.
[Bearbeiten] Sonderschultypen im Überblick
Man unterscheidet folgende Schultypen, die auf den jeweiligen Förderbedarf gezielt eingehen können:
- Förderschule Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
- Sonderschule für Blinde
- Sonderschule für Sehbehinderte
- Sonderschule für Geistigbehinderte
- Sonderschule für Gehörlose
- Sonderschule für Schwerhörige
- Sonderschule für Körperbehinderte
- Sonderschule für Lernbehinderte
- Sonderschule für Sprachbehinderte
- Sonderschule für Verhaltensgestörte/Verhaltensauffällige/Erziehungsschwierige/Erziehungshilfe
- Sonderschule für Taubblinde
- Förderschule für Erziehungshilfe
- Schule für Kranke bzw. Kinder in längerer Krankenhausbehandlung
- Förderschulen für Hochbegabung
Die Sonderschulen für blinde und sehbehinderte Kinder und die Sonderschulen für gehörlose und schwerhörige Kinder (zusammengefasst als Schule für Hörgeschädigte) befinden sich oft unter einem Dach.
[Bearbeiten] Pädagogisch-audiologische Beratungsstellen an Sonderschulen für hörgeschädigte Kinder
Pädagogisch-audiologische Beratungsstellen dienen der Beratung von Eltern hinsichtlich einer vermuteten oder diagnostizierten Hörschädigung bei ihrem Kind. Auf Wunsch kann bis zur Einschulung eine Frühförderung durchgeführt werden.
[Bearbeiten] Geschichte der Sonderschule
[Bearbeiten] Geschichte der Sonderschulen für gehörlose und schwerhörige Kinder
Die Sächsische Landesschule für Hörgeschädigte Leipzig, Förderzentrum Samuel Heinicke wurde 1778 als erste Gehörlosenschule Deutschlands durch Samuel Heinicke gegründet.
Siehe auch: Gehörlosigkeit
[Bearbeiten] Geschichte der Hilfsschule bzw. Sonderschule für Lernbehinderte
Bereits 1835 wurde in Chemnitz die Notschule gegründet. Sie war für Schüler mit mangelndem Wissen für die Konfirmation gedacht. In Halle (Saale) richtete ein Rektor 1859 eine Nachhilfeklasse für "nicht vollsinnige Kinder" ein. Im weiteren Verlauf besuchten die Notschule vor allem lernschwache Schüler. Heinrich Ernst Stötzner (1832 - 1910) gründete 1881 eine der ersten Hilfsschulen Deutschlands, im gleichen Jahr richtete Heinrich Kielhorn in Braunschweig eine Hilfsklasse ein. Andere entstanden in Wuppertal-Elberfeld, und Leipzig. Mit seiner Schrift "Schulen für schwachbefähigte Kinder" ruft Stötzner de facto die Hilfsschulen ins Leben. Stötzner propagiert darin eine eigenständige Schule für Kinder, die er als "die letzten in der Classe" beschreibt. Der Besuch der Hilfsschulen war den Kindern vorbehalten, denen eine geringe kognitive Begabung attestiert wurde, nicht jedoch den "Blödsinnigen", für die angenommen wurde, dass sie nicht "schulbildungsfähig" seien. In einem Referat zur Heilpädagogischen Woche in Berlin verwendete Eduard Spranger erstmals die Bezeichnung Sonderschule.
Nach der Machtergreifung Hitlers wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Kraft gesetzt. Das Gesetz enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf die Hilfsschüler. Dadurch veränderte sich das Ziel der Hilfsschulen massiv: Zur Unterstützung der "Erb- und Rassenpflege" und besonders zur Entlastung der Volksschulen wurden Kinder in den Hilfsschulen zur Beobachtung eingewiesen. Die Hilfsschule als Institution war dadurch nicht gefährdet, wohl aber die Schüler selbst zum Beispiel durch häufige Zwangssterilisation.
Die Nachkriegszeit brachte für die Hilfsschulen keine entscheidenden Veränderungen. Vielmehr wurde an die bereits in der Weimarer Republik bestehenden Systeme angeknüpft.
Erst in den 1950er und 1960er Jahren folgte der Aufbau des Sonderschulwesens in Deutschland. 1955 wird der "Verband deutscher Hilfsschulen" in "Verband deutscher Sonderschulen" umbenannt. Als neue Bezeichnung der Schülerschaft setzt sich Lernbehinderte durch. Die Konferenz der Kultusminister verwendet diesen Begriff 1960 in einem Gutachten zur Neuordnung des Sonderschulwesens. Die Umbenennung der Hilfsschule zur "Sonderschule für Lernbehinderte" setzt sich zuerst in Hessen, später im ganzen Bundesgebiet durch.
[Bearbeiten] Sonderschulen in den Bundesländern
Da das Schulwesen in Deutschland dezentral organisiert ist, ist es Angelegenheit der Länder, die genauen Rahmenrichtlinien festzuhalten.
[Bearbeiten] Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg sind folgende Schultypen der Sonderschule eingerichtet:
- Schule für Blinde
- Schule für Geistigbehinderte
- Schule für Körperbehinderte
- Förderschule (früher: Schule für Lernbehinderte)
- Schule für Hörgeschädigte
- Schule für Sehbehinderte
- Schule für Sprachbehinderte
- Schule für Erziehungshilfe
- Schule für Kranke (in Krankenhäusern, selten)
- Berufssonderschule
Schulträger ist entweder der Kreis oder das Land (Sonderschulen mit Heim, Berufssonderschulen). Die Schulen bilden zu den normalen Abschlüssen der übrigen Schulen aus (also Hauptschulbschluß, Realschulabschluß, Abitur), sofern das nach dem Grad der Behinderung möglich ist. Die Schüler der Sonderschulen sollen möglichst in Regelschulen integriert werden, wenn es pädagogisch und auch technisch möglich ist. Bei Blinden z.B. ist ein sehr hoher Aufwand nötig, um diese eine Regelschule besuchen zu lassen, besondere Schulbücher usw., bei Körperbehinderten ist der Schulbesuch an einer Regelschule dagegen in der Regel problemlos, wenn geeignete Zugänge vorhanden sind.
Der Schüler soll eine Heimsonderschule nur dann besuchen, wenn eine Förderung an einer normalen Sonderschule wegen des hohen Förderbedarfes und der fehlenden passenden Fördermöglichkeit vor Ort nicht möglich ist. Heimsonderschulen gibt es nur für Blinde und Sehbehinderte, für Geistigbehinderte, für Hörgeschädigte, für Körperbehinderte und für Sprachbehinderte
[Bearbeiten] Bayern
Die sonderpädagogische Förderung ist rechtlich geregelt im Art. 19 BayEUG. Förderschulen dienen Kindern und Jugendlichen, die "an einer allgemeinen oder beruflichen Schule nicht oder nicht ausreichend gefördert und unterrichtet werden können".
Von den 5.300 Schulen Bayerns (darunter 2.800 Volksschulen) waren zwischen den Jahren 2000 und 2003 durchschnittlich 375 als Förderschulen eingerichtet (5.400 Klassen à 11-12 Schüler). Auf deren etwa 7.000 Lehrer entfielen im Schnitt 8,6 Schüler. Die Zahlen sind derzeit stabil.
Die Abschlüsse sind gleichwertig mit denen an Hauptschulen, ausgenommen die der Förderzentren für die Förderschwerpunkte geistige Entwicklung und Lernen.
Unter den 350 Realschulen (öffentlich und privat) waren 2000-2003 vier Förderschulen. Die Klassenzahl stieg von 49 auf 62 bei je 10-11 Schülern. Bei höheren Schulen ist keine sonderpädagogische Förderung vorgesehen. Aus den obg. Zahlen ist zu ersehen, dass die Förderung in der Volksschule in 90-98 % der Problemfälle ausreicht.
[Bearbeiten] Förderzentren in Bayern
Förderzentren entstanden aus Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie dem Förderschwerpunkt Sprache. Sie beinhalten in einer einzigen Organisationseinheit (nicht zwingend in einem Gebäude) die Abteilungen Frühförderung (mit den Mobilen Sonderpädagogischen Hilfen)(MSD /MSH), Schulvorbereitende Einrichtungen (SVE), Diagnose- und Förderklassen (DFK), Mittelstufe und Oberstufe des Lernbehinderten-(L)-Zweigs und die Mittelstufe des Hauptschulzweigs (GS/HS).
Während die Schüler im L-Zweig nach dem Lehrplan zur individuellen Lernförderung unterrichtet werden, gilt im GS-Zweig der Grundschullehrplan und im HS-Zweig der Hauptschullehrplan. Neben der Diagnose steht in den Förderzentren besonders die individuelle Förderung des einzelnen Schülers im Mittelpunkt. Durch die Durchlässigkeit der verschiedenen Zweige soll die Optimierung der Suche nach dem passenden Förderort erreicht werden. Für geeignete Schüler besteht zu jeder Zeit, aber insbesondere nach dem Ende der Mittelstufe (also nach der 6. Klasse) die Möglichkeit, in andere Schularten (z.B. der Hauptschule) zu wechseln.
Besonders die Oberstufe der Förderzentren legen den Schwerpunkt der Arbeit auf die Berufswahl der Jugendlichen. Durch Praktika in Betrieben (besonders im Handwerk und der Industrie) und die Arbeit in Schülerfirmen wird versucht, jeden Schüler zur Berufsreife zu führen.
[Bearbeiten] Niedersachsen
Seit dem Schuljahr 2004/2005 werden die Sonderschulen in Niedersachsen als Förderschulen bezeichnet. Dies umfasst alle Schultypen der ehemaligen Sonderschulen. So gibt es z. B. eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen usw.
[Bearbeiten] Nordrhein-Westfalen
Die in Nordrhein-Westfalen (NRW) gültigen Vorschriften für die Förderschulen finden sich in der Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften Nordrhein-Westfalen.
Behinderungen werden entsprechend ihres Förderbedarfs oder ihrer inhaltlichen Nähe kategoriesiert und die Kinder in entsprechenden Schulformen zusammengefasst. Folgende Förderschwerpunkte gibt es:
- Emotionale und soziale Entwicklung (früher: erziehungsschwierig/verhaltensgestört/verhaltensauffällig),
- Geistige Entwicklung (früher: geistig behindert),
- Hören und Kommunikation (früher: gehörlos, schwerhörig),
- Körperliche und motorische Entwicklung (früher: körperbehindert),
- Lernen (früher: lernbehindert)
- Sehen (früher: blind, sehbehindert),
- Sprache (früher: sprachbehindert).
Die Entscheidung über die Förderbedürftigkeit trifft die Schulaufsichtsbehörde (Schulamt) nach entsprechendem Verfahren (AO-SF)
In Nordrhein-Westfalen findet (zumindest auf begrifflicher Ebene) gerade ein Paradigmenwechsel statt. Der Begriff "Förderschule" hat den Begriff "Sonderschule" ersetzt. So wird z.B. die bisherige Sonderschule "Schule für Lernbehinderte" nun als "Förderschule mit dem Förderschwerpukt Lernen" bezeichnet.
Durch das neue Schulgesetz (SchulG) NRW vom 15. Februar 2005 und die neue AO-SF (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung) vom April 2005 sind die Schwerpunkte der sonderpädagogischen Förderung nun Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung.
Die sonderpädagogische Förderung kann an allgemeinen Schulen (gemeinsamer Unterricht, integrative Lerngruppen), an Förderschulen, in sonderpädagogischen Förderklassen, an Berufskollegs mit Förderschwerpunkt, allgemeinen Berufskollegs und in Schulen für Kranke stattfinden.
Die Schüler werden nach den Richtlinien der allgemeinen Schulen im Bildungsgang des Förderschwerpunkts Lernen oder des Förderschwerpunkts Geistige Entwicklung unterrichtet. In den Förderschulen mit den anderen Förderschwerpunkten gliedert sich der elfjährige Bildungsgang in die Eingangsklasse, die Primarstufe und in die Sekundarstufe I. In den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Lernen sowie Emotionale und soziale Entwicklung gliedert sich der zehnjährige Bildungsgang in die Primarstufe und in die Sekundarstufe I. Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen sowie Körperliche und motorische Entwicklung können auch Bildungsgänge der Sekundarstufe II umfassen oder als Schulen der Sekundarstufe II geführt werden. In den Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gliedert sich der elfjährige Bildungsgang in die auf zwei Jahre angelegte Vorstufe und in die auf jeweils drei Jahre angelegte Unterstufe, Mittelstufe und Oberstufe. Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung können ihre Berufsschulpflicht in der Sekundarstufe II in der Berufspraxisstufe erfüllen; diese schafft Grundlagen für eine spätere berufliche Tätigkeit.
Quelle: Bildungsportal des Landes NRW "Verordnung über die sonderpädagogische Förderung,den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung gemäß § 52 SchulG - AO-SF) vom April 2005"
[Bearbeiten] Weblinks
- Sonderschulen in Baden-Württemberg
- Förderschulen in Bayern
- Förderschulen in Niedersachsen
- Förderschulen in Nordrhein-Westfalen
- Fachverband Sonderpädagogik e.V.
- Online-Kompendium zur Geschichte der Heilpädagogik
- Die Hilfsschule zur Zeit des Nationalsozialismus
Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. |