Thule-Gesellschaft
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Die Thule-Gesellschaft war eine rassistische, okkulte Geheimgesellschaft, die in der Endphase des Ersten Weltkrieges in München entstanden war. Sie wurde nach der mythischen Insel Thule benannt, die unter den alten Griechen als das nördlichste Land galt, weshalb dieser Name für Anhänger eines nordischen Kultes eine mystische Bedeutung hatte.
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[Bearbeiten] Entstehung der Thule-Gesellschaft
Die Gesellschaft war um die Jahreswende 1917/1918 aus dem Germanenorden entstanden und wurde von Rudolf von Sebottendorf in München im Hotel Vier Jahreszeiten gegründet, das dem Alldeutschen Verband schon während des Krieges als bedeutendes Zentrum für seine nationalistische Agitation diente. Zu den Mitgliedern gehörten Anwälte, Richter, Universitätsprofessoren, Polizeibeamte, Aristokraten, Ärzte, Naturwissenschaftler sowie reiche Geschäftsleute. Nach außen stellte sich die Gesellschaft als „Studiengruppe für germanisches Altertum“ dar, in Wahrheit handelte es sich aber um eine bayerische Tarnorganisation des Germanenordens, die intern im Stile einer freimaurerischen Loge organisiert wurde. Man könnte die Thule-Gesellschaft als eine konspirative Geheimverbindung mit rassistischer, speziell antisemitischer Gesinnung bezeichnen. Durch die Anwerbung von möglichst einflussreichen Mitgliedern sollte politische Macht gewonnen und rassistische bzw. antisemitische Propaganda betrieben werden. Auf ihrem Höhepunkt hatte die Gesellschaft vermutlich einige hundert, zum Großteil betuchte Mitglieder.
[Bearbeiten] Die Ideologie
Die rassistische Ideologie der Thule-Gesellschaft war stark von Guido von Lists (Mitglied im Germanenorden) Ariosophie inspiriert. Darauf baute auch Alfred Rosenberg (Mitglied der Thule-Gesellschaft und späterer Parteiideologe der NSDAP) in seinem Buch „Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts“ auf. Als Emblem der Thule-Gesellschaft wurde eine Swastika mit Strahlenkranz hinter einem blanken Schwert gewählt. Die Swastika wurde zu dieser Zeit häufig verwendet, da sie zwar weltweit bekannt war, jedoch nicht in Verbindung zu einer der Großen Religionen stand, weshalb sie frei war für eigene Interpretationen.
[Bearbeiten] Die Thule-Gesellschaft als Keimzelle des Dritten Reiches
Der immer wieder hervorgehobene Kontakt zwischen der Thule-Gesellschaft und Adolf Hitler kann über die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) hergestellt werden. Die DAP war im Januar 1919 von Anton Drexler und Karl Harrer (Mitglied der Thule-Gesellschaft) gegründet worden. Über die DAP versuchte die Thule-Gesellschaft auch in der Arbeiterschaft an Einfluss zu gewinnen. Im September 1919 nahm Hitler zum ersten Mal an einer Versammlung der noch kleinen DAP teil und wurde im November deren Mitglied. Im Juli 1921 entmachtete Hitler die Parteiführung und erzwang mit einem Ultimatum seine Wahl zum Vorsitzenden der mittlerweile in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) umbenannten Partei.
Aufgrund der Entstehungsgeschichte der DAP und des Umstandes, dass einige ehemals führende Mitglieder der Thule-Gesellschaft auch in der NSDAP wieder auftauchen, wird verständlich, wie Teile der Ideologie der Thule-Gesellschaft in die neue Partei einflossen. Zu diesen Personen gehören neben Alfred Rosenberg unter anderem Julius Streicher (später Herausgeber des Blattes „Der Stürmer“ und fränkischer Gauleiter), Hans Frank (späterer Generalgouverneur von Polen) und Rudolf Heß (späterer Stellvertreter Hitlers). „Die Liste der Mitglieder [der Thule-Gesellschaft] /…/ liest sich wie ein ‚Who is who‘ führender Köpfe und früher Anhänger des Nationalsozialismus in München.“ (Kershaw, siehe Literatur, S. 183). DAP-Mitgründer Anton Drexler war es auch, der Hitler zur Verwendung des Hakenkreuzes als Zeichen der NSDAP anregte.
[Bearbeiten] Legenden und Spekulationen
Rund um die Thule-Gesellschaft ranken sich inzwischen viele, teils abenteuerliche Legenden und Spekulationen, viele davon entstammen dem Umkreis von Verschwörungstheoretikern wie Jan van Helsing. So wird immer wieder behauptet, die Thule-Gesellschaft hätte intern eine stark okkulte oder gar satanische Ausrichtung besessen. Jenseits einer gewissen Runen-Mystik kann dies aber nicht nachgewiesen oder belegt werden. Es gibt auch unbelegte Behauptungen, wonach es noch einen inneren Orden, den Thule-Orden, gegeben habe. Auch für die Behauptung, dass Hitler selbst zu irgend einem Zeitpunkt Mitglied der Thule-Gesellschaft gewesen sei, fehlen Belege. Dies erscheint auch wenig plausibel, denn Hitler äußerte sich mehrfach sehr herabsetzend über die ausschweifenden Theorien Alfred Rosenbergs.
[Bearbeiten] Das Ende
Mit dem Aufstieg der NSDAP ist wohl auch das Verschwinden der Thule-Gesellschaft zu erklären. Ihr endgültiges Ende (wie auch das Ende des Germanenordens selbst) kam aber spätestens mit dem Erlass von 1937, mit dem alle Logen und logenähnliche Organisationen verboten wurden.
[Bearbeiten] Literatur
- Detlev Rose: Die Thule-Gesellschaft. Legende – Mythos – Wirklichkeit. Grabert Verlag, Tübingen 2000, ISBN 3878471394
- Michael Hesemann: Hitlers Religion – Die fatale Heilslehre des Nationalsozialismus. 6. Kapitel: Trommler für Thule, S. 146ff., Pattloch Verlag München 2004, ISBN 3-629-01678-2
- Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Die Sprache des Hasses – Rechtsextremismus und völkische Esoterik. Stuttgart, 2001, ISBN 3-89657-091-9 (Seiten 71–113)
- Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. 2. Auflage. Graz, 2000, ISBN 3-7020-0795-4
- Reinhard Opitz: Faschismus und Neofaschismus, Bonn 1996. ISBN 3760911358
- Hermann Gilbhard: Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz. Kiessling Verlag, München 1994. ISBN 3-930423-00-6
- Joachim Fest: Hitler. Eine Biographie. Ullstein Verlag Berlin 1973. 2. Buch, 1. Kapitel: Teil der Deutschen Zukunft – Thule-Gesellschaft und Deutsche Arbeiterpartei.
- Hellmuth Auerbach: Teil II: Lexikon: Thule-Gesellschaft, S. 1. Digitale Bibliothek Band 25: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Verlag Klett-Cotta
- Ian Kershaw: Hitler 1889–1936. DVA, Stuttgart 1998. (5. Kapitel: Der Bierkelleragitator, S. 173ff. über die Vorläuferpartei der NSDAP und die Thule-Gesellschaft)
- Franz Wegener: Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS. Gladbeck, 2004. ISBN 3931300153
- Reginald Phelps: Before Hitler came: Thule Society and Germanen Orden. In: Journal of Modern History XXV, 1963, S. 245-261
- Rudolf von Sebottendorf: Bevor Hitler kam. Urkundliches aus der Frühzeit der nationalsozialistischen Bewegung. 1. Auflage. Deukula-Verlag, München 1933
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Hermann Gilbhard, Thule-Gesellschaft, 1918-1933, in: Historisches Lexikon Bayerns, (15.12.2006)