Bedingungsloses Grundeinkommen
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Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein aktuelles sozialökonomisches Modell, in dem jeder Mensch eines Staates, unabhängig von seinem Einkommen, dem Lebensalter und dem Tätigkeitseinsatz, einen gesetzlichen Anspruch auf eine finanzielle Grundabsicherung durch den Staat hat. Die Finanzierung erfolgt über eine starke Vereinfachung und Neuordnung des Steuersystems und durch Abbau von Bürokratie in der Sozialverwaltung, da viele bisherige Sozialleistungen durch das BGE ersetzt werden.
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Die Idee
Das BGE soll ein steuerfinanziertes Basiseinkommen für alle sein, in Existenz und Teilhabe sichernder Höhe und ohne sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung von Einkommen und Vermögen bzw. ohne Arbeitszwang oder Tätigkeitsverpflichtung.
Es kann aber soviel hinzu verdient werden, wie es jeder einzelne für erstrebenswert hält und soweit dies am Markt aushandelbar ist.
Je nach Modell des Grundeinkommens wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu 1.500 € vorgeschlagen. Einige Modelle sehen einen schrittweisen Ersatz der (versicherungsbasierten und steuerfinanzierten) Sozialleistungen durch das BGE vor.
Das Grundeinkommen unterscheidet sich damit von einer Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen vorhanden ist und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung und in der Regel mit Arbeitsverpflichtung bzw. dem Nachweis der Arbeitsbereitschaft verbunden ist.
Die Beweggründe für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens sind vielschichtig. Auf der einen Seite stehen ökonomische Aspekte, auf der anderen politische bzw. soziale.
Die deutschen Parteien denken alle ernsthaft über verschiedene Modelle nach. Ein Vergleich der gängigsten Modelle (mit Rechnung) findet man auf den Internetseiten des WDR[1].
Geschichte
Bertrand Russell plädierte in Lob des Müßiggangs ebenso für ein Grundeinkommen. Konkrete Konzepte eines garantierten Grundeinkommens wurden ausformuliert von Joseph Carlier („Solution of the Social Question“, Brüssel 1848) und Josef Popper-Lynkeus („Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“, Leipzig 1912). In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.
In den 1920er Jahren entwickelte der schottische Ingenieur Clifford Hugh Douglas eine ökonomische Theorie namens Social Credit. Die Bezeichnung stammt von Douglas' Wunsch, gesellschaftlichen Fortschritt (Social) durch das Geldsystems (Credit) zu erreichen. Seine Ideen waren während der Weltwirtschaftskrise sehr populär, wurden aber nie umgesetzt.
Milton Friedman schlug eine negative Einkommensteuer vor, deren Grundidee von Juliet Rhys-Williams in den 1940er Jahren entwickelt wurde. Eine negative Einkommensteuer existiert seit 1975 als Earned Income Tax Credit in den USA , welche dort inzwischen zum größten Transferprogramm ausgeweitet wurde. Sie ist allerdings an eine Erwerbstätigkeit eines Familienmitgliedes gebunden, also kein Grundeinkommen. In Großbritannien generiert die negative Einkommensteuer ein zusätzliches Einkommen von bis zu 6150 Euro pro Jahr. Sie ist ebenfalls an eine Erwerbstätigkeit gebunden, also auch kein Grundeinkommen.
1980 publizierte Robert Anton Wilson in seinem Buch Die Illuminati Papiere die RICH-Ökonomie [2], mit der er einen 4-Stufenplan für die Einführung eines Grundeinkommens vorschlägt. Wilson argumentiert dabei, dass der Mensch auf ein „Mehr-mit-weniger-tun“ abzielen würde, was er mit dem Wort Ephemerisierung beschreibt, welches er von Buckminster Fuller entlehnt. Arbeitslosigkeit beruhe unmittelbar auf den technischen Möglichkeit dieser Ephemerisierung. Arbeit durch Lohn sei eine moderne Form der Sklaverei. Wilson führt dazu Aristoteles auf, der besagte, dass Sklaverei nur dann abgeschafft werden könne, wenn Maschinen gebaut würden, die sich selbst bedienen. Weiter nennt Wilson auch Norbert Wiener, ein Mitbegründer der Kybernetik, der 1947 darauf hinwies, dass durch den Fortschritt in der Computertechnik Massenarbeitslosigkeit ausgelöst werden würde.
Siehe auch
Wikibooks: Grundeinkommen – Lern- und Lehrmaterialien |
- Unternimm die Zukunft
- Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
- Bürgergeld
- Negative Einkommensteuer
- Arbeitsethik
- Arbeitskult
- Überflussgesellschaft
- Speenhamland-Gesetz
Literatur
- BAG der Sozialhilfeinitiativen (Hrsg.): Existenzgeld für alle. Antworten auf die Krise des Sozialen. Neu-Um 2000, ISBN 3-930830-14-0.
- Zygmunt Bauman: Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit. Hamburg 2000, ISBN 3-930908-60-3.
- Herwig Büchele, Lieselotte Wohlgenannt: Grundeinkommen ohne Arbeit. Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft. Wien, München, Zürich 1985, ISBN 3-203-50898-2.
- Ronald Blaschke: Garantiertes Grundeinkommen. Entwürfe und Begründungen aus den letzten 20 Jahren. Frage- und Problemstellungen. Dresden 2004 – Download im PDF-Format
- Ronald Blaschke: Garantierte Mindesteinkommen. Modelle von Grundsicherungen und Grundeinkommen im Vergleich. Meißen/Dresden 2005 – Download Synopse im PDF-Format
- Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit. Für ein radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Berlin 2005, ISBN 3-351-02590-4.
- Manfred Füllsack: Leben ohne zu arbeiten? Zur Sozialtheorie des Grundeinkommens. Berlin 2002, ISBN 3-930064-07-3.
- Klaus-Uwe Gerhardt: Hartz plus – Lohnsubventionen und Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor, Wiesbaden 2006, VS Verlag für Sozialwissenschaften, ISBN 3-531-14842-7.
- Axel Gerntke, Werner Rätz, Claus Schäfer u. a. (Hrsg.): Einkommen zum Auskommen. Von bedingungslosen Grundeinkommen, gesetzlichen Mindestlöhnen und anderen Verteilungsfragen. Hamburg 2004, ISBN 3-89965-110-3.
- André Gorz: Wege ins Paradies. Berlin 1983. ISBN 3-88022-279-7.
- André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie. Frankfurt/Main 2000, ISBN 3-518-41017-2.
- André Gorz: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Zürich 2004, ISBN 3-85869-282-4.
- Michael Hardt, Antono Negri: Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37230-4.
- Bruno Kaltenborn: Modelle der Grundsicherung. Ein systematischer Vergleich. Baden-Baden: Nomos-Ver.-Ges. 1995, ISBN 3-7890-3960-8.
- Hans Peter Krebs, Harald Rein (Hrsg.): Existenzgeld. Kontroversen und Positionen. Münster 2000. ISBN 3-89691-475-8.
- Daniel Kreutz, „Bedingungsloses Grundeinkommen. Verwirrung, Fallen und Legenden“, in: Sozialismus, 10/2005 und 2/2006. Siehe auch [1] [2].
- Tobias Lorenz: Bedingungsloses Grundeinkommen und Agent-Based Computational Economics – Eine Synthese, 2005 (Studienpreis der Körberstiftung)
- Julia Müller und Joachim Bischoff: Allgemeines Grundeinkommen. Fundament für soziale Sicherheit?, Hamburg: VSA-Verlag 2006, ISBN 3-89965-186-3.
- Helmut Pelzer: Bürgergeld. Rechenmodell zur aufkommensneutralen Finanzierung eines allgemeinen Grundeinkommens, Stuttgart: Stöffler & Schütz 1994.
- Ulrich Oevermann: Kann Arbeitsleistung weiterhin als basales Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit dienen?. Internetpublikation der Universitätsbibliothek Frankfurt, Frankfurt/M. 1983, [3]
- Ulrich Oevermann: Die Krise der Arbeitsgesellschaft und das Bewährungsproblem des modernen Subjekts. In: Becker, Roland; Andreas Franzmann; Axel Jansen & Sascha Liebermann (Hg.). Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung. Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland. UVK, Frankfurt 2001, S. 19-38.
- Michael Opielka: Die Idee einer Grundeinkommensversicherung: Analytische und politische Erträge eines erweiterten Konzepts der Bürgerversicherung. In: Strengmann-Kuhn, Wolfgang (Hrsg.): Das Prinzip Bürgerversicherung. Die Zukunft im Sozialstaat. Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-14509-6
- Michael Opielka und Georg Vobruba (Hrsg.): Das garantierte Grundeinkommen. Entwicklung und Perspektiven einer Forderung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verlag 1986, ISBN 3-596-24109-X.
- Werner Rätz, Dagmar Paternoga, Werner Steinbach: Grundeinkommen bedingungslos. Hamburg 2005, ISBN 3-89965-141-3.
- Rainer Roth: Zur Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens. Frankfurt/M.: DVS, ISBN 3-932246-52-7. – Download im PDF-Format
- Thomas Schmid (Hrsg.): Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen. Berlin 1984, ISBN 3-8031-2109-4.
- Philippe Van Parijs (Hrsg): Arguing for Basic Income. Ethical foundations for a radical reform. Verso, London, New York 1992, ISBN 0-86091-371-6.
- Yannick Vanderborght, Philippe Van Parijs: Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags. Campus Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-593-37889-2.
- Georg Vobruba: Entkoppelung von Arbeit und Einkommen. Das Grundeinkommen in der Arbeitsgesellschaft. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. ISBN 3-531-14934-2
- Ralf Welter (KAB Aachen): Solidarische Marktwirtschaft durch Grundeinkommen. Konzeption für ein nachhaltige Sozialpolitik. Aachen 2003, ISBN 3-8322-1670-7.
- Götz Werner (Hrsg.): Ein Grund für die Zukunft - Das Grundeinkommen. Interviews und Reaktionen. Stuttgart 2006, ISBN 3-7725-1789-7.
- Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele: Den öko-sozialen Umbau beginnen. Grundeinkommen, Wien: Europaverlag 1990, ISBN 3-203-51101-0.
Weblinks
- Netzwerk Grundeinkommen: www.grundeinkommen.de
- archiv-grundeinkommen.de
- Existenzgelddebatte/Grundeinkommen bei Labournet
- TransferGrenzen-Modell: www.Ulmer-BGE-Modell.de zur Überprüfung von Finanzierungsmöglichkeiten eines BGE - Brainstorming zum BGE
- Auswirkungen der Einfuehrung eines Buergergeldes - Neue Berechnungen des DIW
Quellen
- ↑ Vier Modelle im Vergleich. In: WDR.de politik. 26. Januar 2007
- ↑ Robert Anton Wilson: RICH=Rising Income through Cybernetic Homeostatis (steigendes Einkommen durch kybernetisches Gleichgewicht). In: Die Illuminati Papiere. rororo, ISBN 3-499-15191-X