Britische Unterhauswahlen
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Bei den britischen Unterhauswahlen (engl. general elections) werden die Abgeordneten des House of Commons in Großbritannien und Nordirland gewählt. Die Dauer der Legislaturperiode kann variieren, beträgt aber maximal fünf Jahre. Es gibt ab 2005 646 Wahlkreise (engl. constituencies), in denen je ein Sitz nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben wird. Die Wähler richten sich vor allem nach der Parteizugehörigkeit des Kandidaten, weniger nach dessen Persönlichkeit oder seinen Ansichten.
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[Bearbeiten] Durchführung
Eine Unterhauswahl muss vor Beginn einer Legislaturperiode stattfinden. Deren Länge beträgt seit der Verabschiedung des Parliament Act im Jahr 1911 maximal fünf Jahre. Sie kann höchstens um die benötigte Zeit für den Wahlkampf und die Regierungsbildung verlängert werden (üblicherweise fünf bis acht Wochen). Die Wahl kann zu einem beliebigen Zeitpunkt vor Ablauf der Fünfjahresfrist durchgeführt werden. Die Frist beginnt zu laufen, nachdem das neu gewählte Parlament zur ersten Sitzung zusammengekommen ist.
Der Premierminister kann den Wahltermin nach seinen Vorstellungen festlegen. Wenn die Umfragewerte für die aktuelle Regierung günstig sind, finden die Wahlen meist schon nach vier Jahren statt. Um Neuwahlen ansetzen zu können, bittet der Premierminister den Monarchen, das Parlament mittels königlicher Proklamation aufzulösen. Neuwahlen finden dann 17 Werktage nach dem Tag der Proklamation statt.
Seit 1935 fand jede Unterhauswahl an einem Donnerstag statt. Von den 16 Unterhauswahlen seit 1945 wurden vier im Oktober durchgeführt, vier im Juni, drei im Mai und zwei im Februar.
[Bearbeiten] Wahlrecht
Jeder britische Bürger, irische Bürger oder Bürger eines Commonwealth-Landes, der am Wahltag mindestens 18 Jahre alt ist und in Großbritannien und Nordirland lebt, ist wahlberechtigt. Ausgenommen sind Mitglieder des House of Lords, Gefängnisinsassen, Geisteskranke und Personen, die während der letzten fünf Jahre wegen eines Verstoßes gegen das Wahlgesetz verurteilt wurden.
Mitglieder des britischen Königshauses sind theoretisch wahlberechtigt. Doch in der Praxis würde es als verfassungswidrig angesehen, wenn sie ihr Wahlrecht ausübten. Britische Bürger, die ins Ausland gezogen sind, bleiben noch während 15 Jahren wahlberechtigt. Ebenfalls im Ausland wahlberechtigt sind Angehörige des Militärs, Diplomaten und andere Staatsangestellte. Die Wähler müssen im Wählerregister vermerkt sein, um wählen zu können. Sie können sich bis elf Werktage vor der Wahl eintragen lassen. Es besteht keine Wahlpflicht.
[Bearbeiten] Wahlsystem
Das britische Parlament wird im Mehrheitswahlverfahren gewählt (engl. first past the post). Erreicht eine Partei die absolute Mehrheit der Sitze, bildet sie die neue Regierung und der Parteivorsitzende wird Premierminister. In den seltenen Fällen ohne klare Mehrheitsverhältnisse bilden zwei oder mehr Parteien eine Koalition, wobei der Anführer der größten Koalitionspartei Premierminister wird. Alternativ kann eine Partei auch eine Minderheitsregierung bilden, die sich auf informelle Absprachen mit anderen Parteien stützt.
Das Mehrheitswahlrecht führt teilweise zu großen Verzerrungen. Eine Partei, die landesweit 20 Prozent der Stimmen erreicht, kann ohne weiteres nur sehr wenige Sitze erringen. Eine solche Partei kann von kleinen regionalen Parteien überflügelt werden, die landesweit vielleicht ein Prozent der Wähler auf sich vereinigen, jedoch in bestimmten Wahlkreisen eine starke Wählerbasis haben.
Dieses Wahlsystem wird vor allem von jenen Parteien kritisiert, die bei der Anwendung des Verhältniswahlrechts viel besser abschneiden würden, namentlich den Liberal Democrats. Diese verfügen nicht wie Labour (ärmere Stadtviertel) oder die Tories (ländliche Kreise in England und wohlhabende Vorstädte) über eine geographisch klar definierte Wählerschaft und müssen durch ihre relative Gleichverteilung auf alle Kreise oftmals mit Rang 2 vorlieb nehmen. Dennoch besitzen auch die Liberaldemokraten einige Hochburgen (Zentralwales, Nordschottland, Südwestengland, Südwest-London).
Befürworter des Mehrheitswahlrechts argumentieren, dass extremistische Parteien praktisch keine Wahlchancen besitzen und dass die Wähler sich viel besser mit ihrem Abgeordneten identifizieren können.
[Bearbeiten] Nach den Wahlen
Die Wahlurnen schließen um 22.00 Uhr und die Auszählung beginnt üblicherweise sofort. Die Resultate werden in manchen Fällen gegen 23.00 Uhr bekannt gegeben, in den meisten Wahlkreisen geschieht dies zwischen 3.00 und 4.00 Uhr morgens. In Nordirland beginnt die Auszählung erst am Morgen nach der Wahl, wobei die Resultate am frühen Nachmittag bekannt werden.
Falls die Regierungspartei die Wahlen gewinnt, bleibt die Regierung automatisch im Amt und muss nicht bestätigt oder neu eingesetzt werden. Falls die Opposition genug Sitze gewonnen hat, um die Regierung bilden zu können, übergibt der Premierminister dem Monarchen sein Rücktrittsschreiben. Der Monarch erteilt dann dem Vorsitzenden der Oppositionspartei den Auftrag, eine neue Regierung zu bilden.
Der unterlegene Premierminister hat die Option, auch im Falle einer Wahlniederlage im Amt zu bleiben. In der Thronrede (in der der Monarch das Regierungsprogramm bekannt gibt), kann eine Klausel für einen Vertrauens- oder Misstrauensantrag für die alte Regierung enthalten sein. Der letzte Premierminister, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machte, war Edward Heath im Jahr 1974. Als jedoch die Koalitionsgespräche mit den Liberal Democrats scheiterten, trat er zurück. Daraufhin beauftrage Königin Elisabeth II. den Vorsitzenden der Labour Party, Harold Wilson, mit der Bildung einer neuen Regierung. Der Monarch kann erst dann einen neuen Premierminister einsetzen, wenn dessen Vorgänger formell zurückgetreten ist; er kann also niemanden zum Rücktritt zwingen. Falls der amtierende Premierminister im Amt bestätigt wurde, nimmt er üblicherweise eine kleinere Kabinettsumbildung vor. Die größte Oppositionspartei wird zur „Offiziellen Opposition“, auch bekannt als „Loyale Opposition Ihrer Majestät“ (engl. Her Majesty’s Loyal Opposition).
[Bearbeiten] Nachwahlen
Falls ein Parlamentsabgeordneter stirbt oder zurücktritt, muss der Sitz seines Wahlkreises durch eine Nachwahl (engl. by-election) neu besetzt werden. Diese Wahlen sind meist unbedeutend, da die amtierende Regierung meist über eine komfortable Mehrheit verfügt. Da sie üblicherweise den Kurs der Regierung nicht beeinflussen, tendieren die Wähler eher dazu, Parteien am linken oder rechten Rand des Parteienspektrums zu wählen.
Nachwahlen haben dann einen Einfluss auf die amtierende Regierung, wenn diese nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügt und obendrein bei der Bevölkerung unbeliebt ist. Dies war zuletzt bei der konservativen Regierung von John Major der Fall. Während seiner Amtszeit (1992-1997) fanden 18 Nachwahlen statt. Die Conservative Party verlor acht Sitze und verfügte ab Dezember 1996 nicht mehr über die absolute Mehrheit. Nur dank einer inoffiziellen Koalition mit nordirischen Parteien konnte sich Major bis März 1997 im Amt halten, als die Fünfjahresfrist ablief.
Die Führer der Parteien werten Nachwahlen oft als wichtige Signale und leiten daraus den Beliebtheitsgrad der amtierenden Regierung ab. Doch meistens nehmen lokale Themen einen viel höheren Stellenwert ein als bei Gesamterneuerungswahlen, die nationale Politik ist eher nebensächlich. Auch die Persönlichkeit der Kandidaten hat eine größere Bedeutung.
[Bearbeiten] Wahlresultate seit 1918
Wahl | Datum | Premierminister | Partei | Mehrheit |
---|---|---|---|---|
1918 | 14. Dezember 1918 | David Lloyd George | Liberal Party (Koalitionsregierung) | 238 |
1922 | 15. November 1922 | Andrew Bonar Law | Conservative Party | 74 |
1923 | 6. Dezember 1923 | Ramsay MacDonald | Labour Party | |
1924 | 29. Oktober 1924 | Stanley Baldwin | Conservative Party | 210 |
1929 | 30. Mai 1929 | Ramsay MacDonald | Labour Party | |
1931 | 27. Oktober 1931 | Ramsay MacDonald | National Labour Party (Nationale Regierung) | 492 |
1935 | 14. November 1935 | Stanley Baldwin | Conservative Party (Nationale Regierung) | 242 |
1945 | 5. Juli 1945 | Clement Attlee | Labour Party | 146 |
1950 | 23. Februar 1950 | Clement Attlee | Labour Party | 5 |
1951 | 25. Oktober 1951 | Winston Churchill | Conservative Party | 17 |
1955 | 26. Mai 1955 | Anthony Eden | Conservative Party | 54 |
1959 | 8. Oktober 1959 | Harold Macmillan | Conservative Party | 100 |
1964 | 15. Oktober 1964 | Harold Wilson | Labour Party | 5 |
1966 | 31. März 1966 | Harold Wilson | Labour Party | 96 |
1970 | 18. Juni 1970 | Edward Heath | Conservative Party | 31 |
1974 (Februar) | 28. Februar 1974 | Harold Wilson | Labour Party | |
1974 (Oktober) | 10. Oktober 1974 | Harold Wilson | Labour Party | 3 |
1979 | 3. Mai 1979 | Margaret Thatcher | Conservative Party | 43 |
1983 | 9. Juni 1983 | Margaret Thatcher | Conservative Party | 144 |
1987 | 11. Juni 1987 | Margaret Thatcher | Conservative Party | 102 |
1992 | 9. April 1992 | John Major | Conservative Party | 21 |
1997 | 1. Mai 1997 | Tony Blair | Labour Party | 179 |
2001 | 7. Juni 2001 | Tony Blair | Labour Party | 167 |
2005 | 5. Mai 2005 | Tony Blair | Labour Party | 66 |