Ferdinand Ochsenheimer
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Ferdinand Ochsenheimer (* 17. März 1767 in Mainz; † 2. November 1822 in Wien) war ein deutscher Schauspieler und Lepidopterologe (Schmetterlingskundler).
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[Bearbeiten] Leben
Ochsenheimer wuchs in Mainz auf und zeigte schon in seiner Jugend erstes Interesse an Schmetterlingen. Nach nur kurzer Schulzeit kam er im Alter von zwölf Jahren 1779 zu einem Sattler in die Lehre. Durch die Förderung von Freunden der Familie konnte nicht nur die Hochschulreife erlangen, sondern in seiner Vaterstadt auch studieren. Am 16. September 1788 schloß Ochsenheimer dieses Studium erfolgreich mit seiner Promotion zum Dr. phil ab.
Noch im selben Jahr bekam Ochsenheimer in Mannheim eine Anstellung als Hofmeister bei den Eltern des späteren Politikers Reinhard Carl Friedrich von Dalwigk. Später wechselte er in gleicher Stellung zu Baron von Reipelt. Kleine Lustspiele, wie z.B. Er soll sich schlagen entstanden in Mannheim.
Ochsenheimerfand am Theater und an der Schauspielerei Gefallen und bewarb sich mit Schreiben vom 15. Juli 1791 bei Johann Wolfgang von Goethe für das Hoftheater in Weimar.
Über diese literarischen Arbeiten wurde Theaterdirektor Daniel Gottlieb Quandt auf Ochsenheimer aufmerksam und verpflichtete ihn 1794 als Schauspieler an das Hoftheater nach Ansbach und an das Markgräfliche Opernhaus nach Bayreuth. An letzterem konnte Ochsenheimer am 12. November 1794 in der Rolle des Flickwort ("Schwarzen Mann) debütieren. Später wechselte er zum Ensemble von Friedrich Wilhelm Bosann, wo er sich u.a. als Sänger (Tenor) versuchte.
1796 wurde Ochsenheimer von Carl Döbbelin nach Preußisch Stargard engagiert. Auf der Reise dorthin, trat er im kurfürstlichen Hoftheater in Leipzig auf und wurde noch am selben Abend vom Prizipal Joseph Seconda engagiert. Ochsenheimer trat nun abwechselnd bei Döbbelin in Stargard und Frankfurt (Oder) auf; und unter Döbbelin in Dresden und Leipzig.
Ab 1797 wechselte Ochsenheimer dann endgültig an das Stadttheater nach Dresden. Neben seinen Kollegen Gustav Friedrich Großmann und Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann gefiel Ochsenheimer Publikum wie der offiziellen Theaterkritik. Zeitgenossen verglichen ihn sogar mit August Wilhelm Iffland.
1798 stellten sich Überanstrengungserscheinungen ein. Der Arzt verordnete ihm mehr Bewegung und anläßlich seiner langen Spaziergänge besann sich Ochsenheimer wieder dem Steckenpferd seiner Jugend. Während dieser Zeit machte er die Bekanntschaft mit dem Naturforscher und Schriftsteller Georg Friedrich Treitschke. Dieser war gerade nach Leipzig zurückgekehrt und unterstützte ihn in seinem Interesse an der Schmetterlingskunde.
Am 17. September 1801 machte Ochsenheimer die Bekanntschaft von Friedrich Schiller, der ihn als Talbot („Die Jungfrau von Orleans“) erlebte und sich begeistert über die Inszenierung und Ochsenheimers önnen äußerte. Während dieser Zeit gab Ochsenheimer viele Gastspiele an fast allen größeren Theatern Deutschlands. Während den Sommermonaten trat Ochsenheimer einmal wöchentlich auf und hatte dadurch viel Zeit für seine lepidopterologische Exkursionen, welche ihn bevorzugt ins Rosental und ins Universitätsholz führten.
1802 gab Ochsenheimer ein längeres Gastspiel am Königl. Hoftheater zu Berlin und lernte dabei den Entomologen Jacob Heinrich Laspeyres kennen. Laspeyres war begeistert von Ochsenheimers wissenschaftlicher Sammeltätigkeit und ermutigte ihn, wenigsten Teile dessen wissenschaftlicher Aufzeichnungen zu veröffentlichen.
Ochsenheimer erklärte sich bereit, legte das Werk jedoch sehr umfangreich an. Erst 1805 konnte er den ersten Teil ("Die Tagfalter") seiner Naturgeschichte der Schmetterlinge von Sachsen veröffentlichen. Als Pefektionist hatte Ochsenheimer bald Probleme mit dem Verlag, da ihm gerade die Art der Illustrationen - eine Entscheidung des Verlags - nicht gefiel. Ochsenheimer brach dieses Werk ab und begann sein Monumentalwerk „Die Schmetterlinge von Europa“.
1805 unternahm Ochsenheimer eine Tournee, die ihn u.a. nach Frankfurt am Main führte. Dort kam es dann zum Streit zwischen Theaterleitung und Ochsenheimer, da dieser alle Freizeit im Hause des Bankiers Johann Christian Gernings verbrachte und dessen berühmten entomologischen Sammlung studierte. Im Dezember desselben Jahres nutzte Ochsenheimer ein Gastspiel in Berlin um sich mit Laspeyres darüber auszutauschen.
Ab Ende März 1807 unternahm Ochsenheimer eine Tournee durch Österreich und trat ab Mai in verschiedenen Stücken am k. k. Hoftheater auf, wo man - gefördert durch Treitschke - Ochsenheimer gerne engagiert hätte. Mitte Juli 1807 begleitete Treitschke Ochsenheimer zurück nach Dresden und half diesem, dessen Vertrag mit der Dresdner Bühne zu lösen. Anfang November kehrte Ochsenheimer nach Wien zurück und konnte noch im selben Jahr den ersten Band seiner Schmetterlinge von Europa veröffentlichen.
Dieser erste Teil stellte eigentlich nur eine Überarbeitung der Schmetterlinge Sachsens dar. Es enthielt aber dennoch bedeutend mehr Fakten, da Ochsenheimer Wiener Sammlungen (aus Südfrankreich und Russland) ausgewertet hatte; aber auch neueste Forschungsergebnisse von Johann Centurius von Hoffmannsegg und Johann Christian Gerning ergänzt hatte. Da sein Vertrag am Burgtheater anfangs nur wenig Auftritte vorsah, konnte Ochsenheimer bereits 1808 den zweiten Band seiner Schmetterlinge von Europa veröffentlichen.
Da in diesem Jahr Treitschke aus Gesundheitsgründen seinen Vertrag als Schauspieler nicht verlängerte, konnte er Ochsenheimer auf mehrerer dessen Exkursionen begleiten und unterstützen. Die Ergebnisse dieser Studien bildeteten 1810 den dritten Band der Schmetterlinge von Europa.
Danach erwarb Ochsenheimer auch die Sammlung Radda und auch Treitschke kaufte eine kleinere Sammlung. Der daraus entstandene Grundstock bildete die Basis des vierten Bandes, der bereits Nachträge zu den ersten Bänden enthielt und 1816 erschien.
Für Auftritte als Schauspieler hatte Ochsenheimer in den folgenden Jahren immer weniger Zeit. 1817 wurde er offiziell von der Hofverwaltung beauftragt, einen Teil der Schmetterlingssammlung des k. k. Hofmuseums nach seinem Werk zu ordnen, wobei er auch die ausländischen Arten integrierte, eine Arbeit die ihn über ein Jahr kostete.
Bereits geraume Zeit kränkelnd, konnte Ochsenheimer - auch mit der Hilfe Treitschkes - nur noch einen Teil des fünften Bandes der Schmetterlinge von Europa veröffentlichen. Am 23. September 1822 wurde Ochsenheimer nach einer Vorstellung ohnmächtig und konnte sich nicht mehr erholen. Meistentils bettlägrig starb er im Alter von 55 Jahren am 2. November gegen 22 Uhr in Wien.
Von seinen Nachlaßverwalter wurde Ochsenheimers Sammlung, die ursprünglich 3772 Exemplare umfasste, 1824 an das Ungarische Nationalmuseum (Budapest) verkauft. Als diese anläßlich einer Überschwemmung 1838 fast zwei Tage lang unter Wasser stand, erwarb sich Imre Friváldszky von Friváld große Verdienste bei deren Restaurierung. Friváld ist auch zu verdanken, daß nach dem Tod von Georg Friedrch Treitschke 1844 auch dessen Sammlung nach Budapest gelangte.
[Bearbeiten] Werk (Theater)
- "... So wie die meisten Komiker war er im Umgange melancholisch, trocken, fad, ja sogar langweilig, ausser wenn die Entomologie zur Sprache kam; auch war er ein abgesagter Weiberfeind". (R. Kuhn)
Ochsenheimer war ein vorzüglicher Charakterdarsteller, der in seinem Mienenspiel und der Art seiner Betonung mit Iffland verglichen wurde. Von geradezu erschütternder Wirkung war er in Rollen von Bösewichtern, trefflich auch in komischen Alten und Pedanten. Sein literarisches Schaffen veröffentlichte Ochsenheimer meistenteils unter dem Pseudonym Theobald Unklar.
Mehr in den anekdotischen Bereich gehört vermutlich diese Schilderung:
- "Nach der Probe begab er sich sofort in die Umgegend der Stadt um zu sammeln, und kehrte erst kurz vor Beginn der Vorstellung zurück. Hatte er einen glücklichen Tag, so spielte er unübertrefflich und riss das Publikum zu frenetischem Beifalle hin. An Tagen aber, wo er wenig oder gar nichts erbeutet hatte, war er übelgelaunt und erhob sich nicht über die Mittelmässigkeit. „Heute,“ hiess es dann im Parterre, „hat Ochsenheimer bestimmt nichts gefangen." (R. Kuhn).
[Bearbeiten] Werk (Entomologie)
In der Insektenkunde wurde Ochsenheimer schnell zu einem der einflussreichsten Lepidopterologen des frühen 19. Jahrhunderts. Sein Werk „Die Schmetterlinge von Europa“ wurde von Friedrich Treitschke erfolgreich fortgeführt und wuchs auf zehn Bände an. Neben einer Fülle von Informationen zur Biologie und Ökologie der einzelnen Arten enthält es sorgfältig und detailliert ausgeführte Erstbeschreibungen zahlreicher Arten, von denen hier nur einige der bekannteren genannt seien:
- Thymelicus lineola (Hesperiidae), Polyommatus eros, Iolana iolas (Lycaenidae), Psilogaster loti (Lasiocampidae), Hyles zygophylli (Sphingidae), Phalera bucephaloides (Notodontidae), Hoplodrina superstes, Polia serratilinea (Noctuidae), Pyropteron doryliformis, Synanthedon cephiformis (Sesiidae), Pachythelia villosella (Psychidae), Zygaena hilaris, Zygaena punctum, Zygaena angelicae (Zygaenidae) u.v.a.
Das Linnéische System von Carl von Linné, welches bereits ab 1800 durch Johann Christian Fabricius eine feinere Aufgliederungen erfahren hatte, konnte Ochsenheimer um viele neue Gattungen bereichern. Darunter bekannte Namen wie
- Zerynthia, Charaxes, Endromis, Aglia, Gastropacha, Thyatira, Notodonta, Acronicta, Plusia, Heliothis, Amphipyra, Caradrina, Cosmia, Xanthia, Apamea, Gortyna, Nonagria, Euclidia, Anarta, Mamestra, Polia, Mythimna, Orthosia, Agrotis, Orgyia, Colocasia u.v.a.
[Bearbeiten] Ehrungen
Zu Ehren Ochsenheimers wurden die Gattung Ochsenheimeria Hübner, 1825 (Ypsolophidae) sowie die Arten Nemophora ochsenheimerella (Hübner, 1813), Pammene ochsenheimeriana (Lienig & Zeller, 1846) und Pieris ochsenheimeri Staudinger, 1886 benannt.
In der zoologischen Fachliteratur wird Ochsenheimers Name meist mit „O.“, seltener mit „Ochs.“ abgekürzt.
[Bearbeiten] Rollen (Auswahl)
- Flickwort (Der Schwarze Mann, Friedrich Wilhelm Gotter)
- Gebhard (Portrait einer Mutter, Friedrich Ludwig Schröder)
- Fallbring (Dienstpflicht, August Wilhelm Iffland)
- Wurm (Kabale und Liebe, Friedrich Schiller)
- Talbot (Die Jungfrau von Orléans, Friedrich Schiller)
- Koke (Parteiwuth, Friedrich Wilhelm Ziegler)
- Marinelli (Emilia Galotti, Gotthold Ephraim Lessing)
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
- Sachbücher
- Die Schmetterlinge Sachsens, mit Rücksichten auf alle bekannte europäische Arten Schwickert, Leipzig (zusammen mit Georg Friedrich Treitschke)
- Falter, oder Tagschmetterlinge. 1806
-
- Die Schmetterlinge von Europa. Fleischer, Leipzig (fortgeführt von Georg Friedrich Treitschke)
- 1807
- 1808
- 1810
- 1816
- 1825 (nur 1. Teil)
- Belletristik
- Das Manuscript. Ein Schauspiel in einem Aufzug. Fleischer, Frankfurt/M. 1791
- Er soll sich schlagen. Lustspiel in einem Aufzug. Schwan & Götz, Mannheim 1792
- Der Brautschatz (um 1793)
- Streifereien durch einige Gegenden Deutschlands. Voß, Leipzig 1795 (früher Alois Wilhelm Schreiber zugeschrieben).
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Csendes u.a. (Hrsg.): Österreichisches Biographisches Lexikon. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, Bd. 7, S. 203-204.
- Joseph Kürschner: Ochsenheimer. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 24 (1900), S. 144.
- R. Kuhn: Aus dem Leben eines berühmten Entomologen. In: Entomologische Zeitschrift Bd. 7 (1893), S. 97-100.
- Georg Friedrich Treitschke: Naturgeschichte der europäischen Schmetterlinge. Schwärmer und Spinner. Hartleben, Pest 1841.
- Rudolph Zaunick: Ein naturforschender Schauspieler. In: Dresdner Anzeiger, Nr. 472 vom 2. November 1922, S. 2.
Personendaten | |
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NAME | Ochsenheimer, Ferdinand |
ALTERNATIVNAMEN | Unklar, Theobald (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schauspieler und Lepidopterologe (Schmetterlingskundler) |
GEBURTSDATUM | 17. März 1767 |
GEBURTSORT | Mainz |
STERBEDATUM | 2. November 1822 |
STERBEORT | Wien |